Karl Henckell
Im Weitergehn
Karl Henckell

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Verzicht und Erhebung

1

                            Lautlos schweben die Flocken,
Möwen schwinden im Fluß . . .
Seele, schwer erschrocken,
Gib dich dem schweigenden Muß!

Was soll dein versagendes Ringen
Mit allem, was ruchlos dich quält?
Schleppst die geplünderten Schwingen
Mühsam weiter und klammerst
Dich an schwaches Geröll, höhnisch vom Schicksal geschmält.

Opfre die blutenden Stunden,
Seele, verborgnem Verzicht!
Riesele, Schnee, auf die Wunden,
Mit deinem weißen Bahrtuch
Hülle, verhülle sie dicht!

2

Verblutet am Wege? Die Schwingen zerschossen?
Sei Schicksal, Mensch! Schaffe die Flügel dir nach!
Erhebe dich über dich! Blut ist geflossen,
So speise dich frisch aus ursprünglichem Bach!

So tränke dich neu aus unendlichem Borne,
So stähle die Schwingen dir jenseits der Zeit
Und presse sie fest in aufhämmerndem Zorne,
Vom Erzengel Michael selber gefeit!

Daß je du ermattest, sei niedrige Märe,
Vom Maul des Vernichters geheult in dein Ohr!
Kriegt Schicksal dich unter? Erschüttre die Sphäre
Mit Schöpfergewalt – und wirf dich empor!


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