Karl Henckell
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Karl Henckell

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Sprüchlein

». . . Das Vulgus hat viele Flausen im Kopfe, und wollte man sich daran kehren, hätte man viel zu tun.«
Schopenhauer, Abhandlungen zur Dialektik.

Ausgelacht

        Daß man mich oft im Leben verlacht,
Draus hab ich mir blitzwenig gemacht.
Ich sagte mir in den meisten Fällen:
Die Leute lachen – die Hunde bellen.

Zwischenraum

        Tu einen Schritt nur ihnen entgegen,
Sie geben dir zwiefach ihren Segen,
Aber sie werden schrecklich verstimmt,
Wenn man wieder mehr Zwischenraum nimmt.

Überlegen

        Leben will dich überlisten.
Sollst mit edlern Listen lohnen.
Deine Adler lasse nisten
Lachend in des Lebens Kronen.

Der Snob

        Jener da guckt mich so an, als hätt' ich auch gar nichts geschrieben
(Höchstens drei Liedchen vielleicht!), was sich der Mühe verlohnt.
Unübertrefflicher Tropf! Selbst meiner Gedichte geringstes
Leuchtet wie Tau, kritisiert's solch ein frisierter Mandrill.

Den Totengräbern

        Ihr fürchtet die Flamme, solange sie loht,
Und sucht sie mit Sand zu ersticken,
Ihr schlagt mit den Toten die Lebenden tot,
Um euch mit den Schädeln zu schmücken.

Mein Schutz

        Schlagt ihr mich mit Keulenschlägen,
Stecht ihr mich mit Nadelstichen –
Hart wie Eisen ist mein »Brägen«,
Meine Haut wie hornbestrichen.

Gefoppt

        Sie glaubten schon, daß sie mich steckten,
Wohin man die »Braven« steckt –
Da hatt' ich mal die Korrekten
Mit meiner Korrektheit geneckt.

»Man«

        »Wissen Sie, was man von Ihnen sagt?«
Ich habe noch nie danach gefragt.
»Man« ist ein zweifelhafter Geselle,
Sein Maul ist eine hohle Schelle,
Ein schal Gewäsch ist seine Rüge,
An seinem Rockschoß hängt die Lüge.

Ziel der Frauen

        Nicht mit Eifern,
Grollen, Geifern
Wider Macht und Wuchs im Mann –
Mitzuwirken
In Bezirken
Weiten Lebens, löst den Bann.

Ziel der Frauen:
Mitzubauen
Vollbefugt und selbstbefreit,
Zu entfalten,
Zu gestalten
Großen Zug der Menschlichkeit.

Sechs Studentensprüchlein

1
            Stell nur aufs Ganze deinen Sinn,
So regt es sich von allen Seiten!
Mit »trocknem« Studium ist es hin,
Wenn Lebensquellen dich begleiten.
2
Ob Recht, ob Sprache, Geist, Geschichte,
Mensch und Natur: es gilt den Bau,
Daß sich erhöhe, ordne, schichte
Gesamtes Sein, zu klarer Schau;
Daß eines sich am andern richte,
Bis das Gebilde kunstgenau
Dasteht: das ruhige Gebäude
Edler Kultur und Geistesfreude.
3
Jeder für seinen Platz im Leben –
Alle für reines Wahrheitsstreben.
4
Nicht nur für drei Jahre Student sein,
Nicht nur für sechs Semester jung sein –
Nicht nur mit dem Examen zu End sein,
Nicht nur für den Doktor in Schwung sein.
5
»Strebertum« heißt der Drache,
Jeder sei Siegfried nun!
Deutsch sein heißt: um der Sache
Willen das Seine tun.
6
In scientia nunquam: »Schluß!«
Ars dat appetitum.
Civis academicus
Sum ad infinitum.

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