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XVI. Kapitel.

Die Urgicht. – Urphede. – Torturvornahme. – Protokoll. – Hexenturm. – Carceris squalores. – Vorbereitung zur Tortur. – Tränenprobe. – Hexenprobe. – Hexenbad. – Hexenwage. – Offa judicialis. – Torturgebühren. – Ueberblick. –

Was die Pein der Tortur noch zu vermehren geeignet war, war der Umstand, dass sowohl Henker wie Richter einen Stolz darin setzten, das Geständnis des Beschuldigten herbeizuführen, die Meinung hegten, sie übten ihr Amt nicht richtig aus, wenn es ihnen nicht gelänge, dieses Ziel zu erreichen. Ferner wirkte zu einer gesteigerten Grausamkeit auch die Tatsache mit, dass die Richter in den meisten Fällen von der Schuld des Angeklagten überzeugt waren und dass ihnen Unannehmlichkeiten erwachsen konnten, wenn es sich herausstellte, dass jemand ungerechtfertigt der peinlichen Frage unterzogen wurde. Auch spielte dabei, wie bereits bemerkt wurde, Habsucht und Eigennutz eine Rolle, denn derartige Rechtsfälle waren für die Richtenden und Ausübenden mit beträchtlichen Sporteln verbunden. Die Urgicht zu erlangen, das auf der Folter abgepresste Geständnis, war daher die Hauptsache, die mit allen möglichen Mitteln erstrebt wurde. Besonders arg war das Verfahren der als Zauberer und Hexen verdächtigten Personen. In Offenburg z. B. wurden einer unschuldig Verhafteten erst nach funfzehnmonatiger Gefangenschaft die gegen sie vorliegenden Verdachtsgründe mitgeteilt, die aus nichts anderem bestanden, als aus ihrem eigenen durch die Folter erpressten Geständnisse. Dennoch schliesst der Anklageakt: »Item wahr, und erfolgt aus Hieroberzähltem, dass offtermelter Magistrat der St. Offenburg ganz wohl befuegt, ja von Obrigkeit schuldig gewesen, Sie Hoffmännin in gefenkliche Haftung anzunehmen und obgesetztermassen mit der tortur gegen ihro zu verfahren.«

Mehrstündige Folterungen und Wiederholungen oder »Fortsetzungen,« wie man es zu benennen beliebte, bis zwanzigmal gehörten nicht zu den Seltenheiten. Kam aber der wirklich seltene Fall vor, dass aus der beschuldigten Person kein Geständnis herausgepresst werden konnte und auch sonst sich nichts bot, was Vorwand zu einer Verurteilung oder doch Gefangenhaltung gegeben hätte, so musste sie natürlich freigelassen werden, zumeist unter Verbannung und Beschwörung der Urphede. Irrigerweise wird diese von vielen heutzutage für das Gegenteil dessen gehalten, was sie in Wirklichkeit war, für eine sozusagen Kriegserklärung statt eines Eides jede Feindseligkeit zu vermeiden. So lautet, um ein Beispiel anzuführen, die Urphede eines Juden gelegentlich der Judenverfolgung in der Mark Brandenburg vom Jahre 1510 wie folgt:

»Ich (Name) gelobe und schwöre mit freien Willen eine rechte Urphede dem durchlauchten Hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Joachim, des Heiligen Römischen Reichs Erzkämmerer und Kurfürst und Herren Albrecht Gebrüdern, Markgrafen zu Brandenburg und Ihrer Fürsten Gnaden Erben und Nachkommen, Landen und Leuten, und allen I. F. G. verwandten Staaten und Mannen und allen denjenigen, die Rat und Tat nit zugegeben und Hilfe gethan, dass ich in Gefängnis gekommen und, wiewohl ich schwere Strafe verdient und doch aus Gnaden erledigt, der will ich nimmermehr nichts arg tun, ich noch meine Erben, sondern wollen und sollen meine getane Urphede stets und fest unverbrüchlich halten. Wo ich oder jemand von meiner wegen wider tu oder tun wird, dass mir die fünf Bücher Mose nimmer müssen zu Hilfe kommen, und das ich mich müsse verunreinigen, wie der König von Babylonien tat, und dass Pech und Schwefel auf meinen Hals müssen gerinnen, wie es über Sodoma und Gomorrah geronnen, und das Pech über mich rinne, wie es zu Babylonia überrann zweihundert Mann noch mehr, und dass die Erde überfalle und mich verschlinge, wie sie tat an Datan und Abiran und meine Erde nimmehr komme zu meiner Erde und mein Gruss nimmermer komme zu andern Gruss, dass mir müsste helfen Adonai, dass ich müsse aussätzig werden wie Naema Ihesay, dass mich auch müsse angehen der Schlack, der das israelitische Volk anging als sie durch das Land Aegypten zogen, dass auch über mich und alle die dagegen oder wider Urphede tun, müsste das Blut gehen und der Fluch an mir müsste wachsen, den mein Geschlecht sich selbst wünschte, als es Jesum verurteilte und marterte und sprach: ›Sein Blut komme auf uns und alle unsere Kinder.‹ Dass ich diese Urphede stets fest und unverbrüchlich halten will, des helfe mir Gott, der Mose erschienen ist in einem brennenden Dornbusch, der doch blieb unverbrandt. Und ich schwöre bei der Seele, die ich auf dem Jüngsten Tag vor Gericht bringen muss, durch Gott, Abraham, Isaak und Jakob: ich verzeih mich auch in dieser Urphede aller päbstlicher, kaiserlicher Freiheit und Gnade, ob ich dazu etwas hätte, nimmermehr zu gebrauchen, noch damit zu behelfen, sondern ich will diese geschworne Urphede stets und fest unverbrüchlich zu ewigen Zeiten halten und von Stunde stracks aus dem Lande ziehen, und nimmer wider darin kommen. Ich will auch alle Juden welche ich zukomme, warnen dass sie die Lande bei Leibes und Gutes meiden und entfliehen, als mir helfe der Gott, der erschuf Himmel und Erde, Tal, Berg, Laub und Gras.«

Ein Entlassungsbescheid aus der Haft und Aufforderung zur Ablegung der Urphede wird von Pfaff in der Zeitschrift für die Kulturgeschichte 1856 S. 266 aus dem Jahre 1561 mitgeteilt und lautet:

»Ihr drei Weiber, nachdem ihr sammt und sonders in der Fronfeste und das Gefängnis des Rats zu Esslingen gekommen seid, aus wohlbefugten Ursachen, weil ihr euch lange Zeit her in mancherlei Weg bös, verdächtig und argwöhnisch gemacht habt, so dass der Rat wohlbefugt gewesen wäre mehr strenglich mit euch zu handeln, will er doch diesmal, angesehen euer selbst Bitten und euer Verwandten und Freunde vielfältig Ansuchen mit der erlittenen Turmstrafe ein Begnügen haben, und euch alle drei, doch auf euer künftiges Wohlverhalten, sammt und sonders solchen Gefängnisses in Gnaden erlasse; dergestalt jedoch, dass ihr euch hiefür zu allen Zeiten eueres Lebens in diesen Verdacht der fahrenden Frauen, Hexen oder Unholde nie mehr, weder mit Reden, Gedanken und Werken, noch sonst in anderer Weise öffentlich oder heimlich begeben, sondern Christlich und gottesfürchtig leben wollt. Auch sollt ihr schwören, dass ihr weder durch euch selbst noch durch jemand Anders euretwegen eurer Gefangenschaft und was euch darin begegnete, gegen den Rat, dessen Zugehörige und Diener, auch gegen manniglich, so zu eure gefänglichen Einziehung Rat, Hilfe oder Fürschub tat, mit Worten oder Werken ahnden oder rächen wollt, weder vor weltlichen noch vor geistlichen Gerichtens.« Bemerkenswert ist hier, dass die Richter bemüht sind, den Gefolterten nicht nur jeden Rachegedanken zu verwehren, was ja schliesslich noch anginge, sondern sie auch verhindern wollten sich über mit Unrecht zugefügte Martern bei der höheren Behörde zu beschwerden.

Urphede dieser Art wurde in Deutschland noch bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts geschworen und wir führen im zweiten Band dieses Werkes den von der Theresiana vorgeschriebenen Text an. Wagte es jemand trotz der geschworenen Urphede zurückzukehren und wurde er dessen überführt, so wurde er vor allem mit der Strafe des Meineides, Abhauen der Schwurfinger bestraft und auch sonst noch hart mitgenommen. Wiederholter Bruch der Urphede zog Todesstrafe nach sich.

Mit welcher Rücksichtslosigkeit und gegen die gesetzlichen Vorschriften bei der Tortur vorgegangen zu werden pflegte, ersehen wir auch aus einer protokollarischen Darstellung aus dem Jahre 1631, die Scherr (a. a. O., Beigabe II, 18) giebt. Der Zeit nach gehört sie zwar einer Periode an, die wir erst später in Erörterung ziehen werden, indes liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass es sich hier um einen Ausnahmefall handelt, und nicht schon früher oft vorgekommen wäre:

»1) Der Scharfrichter hat der Delinquentin die Hände gebunden und auf die Leiter gezogen, hierauf angefangen sie zu schrauben und auf alle Puncta so geschraubet, dass ihr das Herz im Leibe zerbrechen mögen, und sey keine Barmherzigkeit da gewesen. 2) Und ob sie gleich bei solcher Marter nichts bekennet, habe man doch ohne rechtliches Erkenntniss die Tortur wiederholet und der Scharfrichter ihr, da sie schwangeres Leibes gewesen, die Hände gebunden, ihr die Haare abgeschnitten und auf die Leiter gesetzt, Branntwein auf den Kopf gegossen und die Kolbe vollends wollen abbrennen. 3) Ihr Schwefelfedern unter die Arme und an den Hals gebrannt. 4) Sie hinten hinauf rückwärts mit den Händen an die Decke gezogen. 5) Welches Hinauf- und Niederziehen vier ganze Stunden gewährt, bis sie (die Richter) zum Morgenbrote gegangen. 6) Als sie wiedergekommen, der Meister (Henker) sie mit den Händen und Füssen auf den Rücken zusammengebunden. 7) Ihr Branntwein auf den Rücken gegossen und angezündet. 8) Darnach eben viele Gewichte ihr auf den Rücken geleget und in die Höhe gezogen. 9) Nach diesem sie wieder auf die Leiter geleget. 10) Ihr ein ungehöffelt Brett mit Stacheln unter den Rücken geleget und mit den Händen bis an die Decke aufgezogen, 11) Ferner hat der Meister ihr die Füsse zusammengebunden, eine Klafterstütze, 50 Pfund schwer, unten an die Füsse niederwärts gehangen, dass sie nicht anders gemeinet, sie würde bleiben und das Herz ersticken. 12) Bei diesem ist es nicht blieben, sondern der Meister ihr die Füsse wieder aufgemacht und die Beine geschraubet, dass ihr das Blut zu den Zehen herausgegangen. 13) Bei diesem ist es auch nicht geblieben, sondern sie ist zum andernmal auf alle Punkte geschraubt worden. 14) Der (Henker) von Dreissigacker hat die dritte Marter mit ihr angefangen, welcher sie erstlich auf die Bank gesetzet. Als sie das Hemde angezogen, hat er zu ihr gesaget: ich nehme dich nicht an auf ein oder zween, auf drei, auch nicht auf acht Tage, auf vier Wochen, auf ein halb oder ganz Jahr, so lange du lebest, so lange du es doch nicht getreiben kannst, und wenn du meinest, dass du nicht bekennen willst, dass du sollst zu Tode gemartert werden, so sollst du doch verbrannt werden. 15) Hat sie sein Eidam mit den Händen aufgezogen, dass sie nicht athmen können. 16) Und der von Dreissigacker sie mit der Karbatschen um die Landen gehauen. 17) Darnach sie in den Schraubstock gesetzet, darinnen sie sechs Stunden gesessen und 18) mit der Karbatschen jämmerlich zerhauen worden; bei diesem es den ersten Tag verblieben. 19) Den andern Tag, als sie wiedergekommen, ist die vierte Marter mit ihr fürgenommen worden und sie auf etliche Punkte geschraubet und sechs Stunden darin gesessen.«

Aus den Akten eines Prozesses, den eine 1629 Gefolterte nach ihrer Freilassung gegen ihre Peiniger führte und von uns schon erwähnt wurde, wird in Leibs Consil. et Respons. Frankof. 1666, folgendes angeführt:

»Insonderheit saget testis 2. Philipp Wagner, der Richter selbsten, ad. 2. art. Ob Maderin gleich, bey der ersten Marter nichts bekennet, habe man doch ohne rechtliches Erkenntnis die Tortur wiederholet und der Scharpffrichter ihr die Hände gebunden, die Haar abgeschnitten, sie auff die Leiter gesetzet, Brandwein auff den Kopf gossen, und die Kolbe vollends wollen abbrennen. Ad. artic. 3. ihr Schwefelfedern unter die Arme und den Hals gebrennet, art. 4 hinden aufwärts mit den Händen biss an die Decke gezogen, art. 5, so bey drei oder vier Stunde gewehrt, und sie gehangen, der Meister aber zum Morgenbrodt gangen, art. 6, 7, und als er wiederkommen ihr Brandwein auff den Ruck gossen und angezündet, art. 8, 9, 10 ihr viel Gewichter auff den Rücken gelegt und sie in die Höhe zogen. Nach diesem wieder auff die Leiter, und ihr ein ungehoffeltes Brett mit Stacheln under den Rücken geleget und mit den Händen bis an die Decke auffgezogen, art. 11. Fürter die beyde grosse Fusszehen und beyde Daumen zusammen geschraubet, eine Stange durch die Arme gestecket, und sie also aufgehänget, dass sie ungefehr eine viertheil Stunde gehangen, wäre ihr immer eine Ohnmacht nach der andern zugangen, ad. art. 12 et 13. Die Beine waren ihr in die Waden geschraubet und wie zu vermerken, die Tortur auff die Fragen underschiedlich wiederholt worden.

Bey der dritten Tortur, so der von Dreissigacker verrichtet, seye es ärger zugangen, als der sie mit einer ledernen Peitschen umb die Lenden, und sonst gehauen, dass das Blut durchs Hembde gedrungen, art. 14, 15, 16. Ferner sie auffgezogen, ad. art. 15, ihr die Daumen und grossen Zehen zusammen geschraubet, sie also im Bock sitzen lassen, und weren der Henker neben denen Gerichtspersonen, zum Morgenbrodt gangen, ungefehr vor Mittage, umb 10 Uhr, darinnen sie gesessen bis ein Uhr, nach Mittag, dass auch ein benachbarter Beambter zu Zedgen kommen und gesagt, warumb man so unbarmhertzig mit den Leuten umbginge, man hette zu Neustadt davon gesagt, dass die zu Possneck so unbarmhertzig weren, art. 17. Darauff sie abermal mit der Carbatschen jämmerlich zerhauen, und seye es hierbey ersten Tages verblieben, art. 18 den andern Tag (notetur) were man noch einmal (doch absque sententia praevia) mit ihr durchgegangen, Tortur hette bissweilen mit der Peitschen zugehauen, aber nicht so sehr wie den vorigen Tag, es were ein abscheuliches Werk gewesen, art. 19. – Diesem Zeugen stimmet in den meisten Punkten bei testis 4, Christoph Rhot, auch Richter u. s. w.«

In der »Zeitschrift für die Kulturgeschichte« 1856 S. 367, teilt Pfaff aus einem Torturprotokoll aus Esslingen vom 14. September 1662 folgende charakteristische Stellen mit: Wird gebunden, winselt, ›könne's nicht sagen;‹ ›soll ich lügen?‹ ›O weh, o weh, liebe Herren:‹ Bleibt auf der Versteckung. Der Stiefel wird angetan und etwas zugeschraubt. Schreit: ›Soll ich denn lügen, mein Gewissen beschweren? Kann hernach nimmer recht beten!‹ Stellt sich weinend, übergeht ihr aber kein Auge. ›Kann wahrlich nicht und wenn der Fuss herab müsste!‹ Schreit sehr: ›Soll ich lügen? Kanns nicht sagen!‹ Ob zwar stark angezogen, bleibt sie doch auf Einerlei. ›O ihr zwingt Einen!‹ Schreit jämmerlich: O lieber Herr Gott! Sie wollt's bekennen, wenn sie nur wüsste. Man sage ja, sie sollte nicht lügen! Wird weiter zugeschraubt. Heult jämmerlich. – ›Ach liebe Herren, tut mir nicht so gar. Wenn man Euch aber Eins sagt, wolt Ihr gleich wieder ein anderes wissen‹ u. s. w.

Bevor es zur Tortur kam hatten die Beschuldigten, besonders die weiblichen Geschlechts, eine Fülle von Misshandlungen, Beleidigungen und Erniedrigungen zu erdulden, die den Folterqualen fast als gleichwertig zur Seite gesetzt werden können und, abgesehen von den physischen Leiden, als moralische Tortur bezeichnet werden können. Dies gilt besonders von den Hexenprozessen, die in Deutschland besonders den Kernpunkt des peinlichen Verfahrens bildeten. Vor allem ist hier das Gefängnis der Verhafteten in Betracht zu ziehen. Die Hexentürme, Drudenhäuser, deren Ueberbleibsel an manchen Orten zu sehen sind. Allerdings muss hier bemerkt werden, dass derartige Bräuchlichkeiten erst in der nachreformatorischen Zeit in Deutschland zahlreich zu finden sind. Ein Augenzeuge, Prätorius in seinem »Von Zauberei und Zauberern,« schildert uns diese Gefängnisse folgendermassen:

»In dicken, starken Thürmen, Pforten, Blockhäusern, Gewölben, Kellern, oder sonst tiefen Gräben sind gemeinlich die Gefängnisse. In denselbigen sind entweder grosse, dicke Hölzer, zwei oder drei übereinander, dass sie auf und nieder gehen an einem Pfahl oder Schrauben: durch dieselben sind Löcher gemacht, dass Arme und Beine darin liegen können. Wenn nun Gefangene vorhanden habet oder schraubet man die Hölzer auf, die Gefangenen müssen auf ein Klotz, Steine oder Erden niedersitzen, die Beine in die untern, die Arme in die obern Löcher legen. Dann lasset man die Hölzer wieder fest aufeinander gehen, verschraubt, keilt und verschliesst sie auf das härtest, dass die Gefangen weder Bein noch Arme notdürftig gebrauchen oder regen können. Das heisst in Stock liegen oder sitzen. Etliche haben grosse eisern oder hölzern Kreuz, daran sie die Gefangen mit dem Hals, Rücken, Arm und Beinen anfesseln, dass sie stets und immerhin entweder stehen oder liegen oder hangen müssen, nach Gelegenheit der Kreuze, daran sie geheftet sind. Etliche haben starke eiserne Stäbe, fünf, sechs oder sieben Vierteil an der Ellen lang, dran beiden Enden eisen Banden seynd, darin verschliessen sie die Gefangen an den Armen, hinter den Händen. Dann haben die Stäbe in der Mitte grosse Ketten in der Mauern angegossen, dass die Leute stäts in einem Läger bleiben müssen.

Etliche machen ihnen noch dazu grosse, schwere Eisen an die Füsse, dass sie sich weder ausstrecken noch an sich ziehen können. Etliche haben enge Löcher in den Mauern, darinn ein Mensch kaum sitzen, liegen oder stehen kann, darinn verschliessen sie die Leute ohngebunden mit eisernen Türen, dass sie sich nicht wenden oder umkehren mögen. Etliche haben fünfzehn, zwanzig, dreissig Klafter tiefe Gruben, wie Brunnen oder Keller aufs allerstärkste gemauert, oben im Gewölbe mit engen Löchern und starken Türen oder Gerembsten, dadurch lassen sie die Gefangenen, welche an ihren Leibern sonst nicht weiter gebunden, mit Stricken hinunter, und ziehen sie, wenn sie wüllen, also wieder heraus.

Solche Gefängnus habe ich selbst gesehen, in Besuchung der Gefangen; glaube wohl, es seye noch viel mehr anderer Gattung, etliche noch greulicher, etliche auch gelinder und erträglicher.

Nachdem nun der Ort ist, sitzen etliche gefangen in grosser Kälte, dass ihnen auch die Füsse erfrieren und abfrieren, und sie hernach, wenn sie loskämen ihr Lebtage Krüppel seyn müssen. Etliche liegen in stäter Finsternuss, dass sie der Sonne Glanz nimmer sehen, wissen nicht, obs Tag oder Nacht ist. Sie alle sind ihrer Gliedmassen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, viel unflätiger und elender, denn das Viehe, werden übel gespeiset, können nicht ruhig schlafen, haben viel Bekümmernuss, schwere Gedanken, böse Träume, Schrecken und Anfechtung. Und weil sie Hände und Füsse nicht zusammen bringen, und wo nöthig hinlenken können, werden sie von Läusen und Mäusen, Steinhunden und Mardern übel geplaget, gebissen und gefressen. Werden über das noch taglich mit Schimpf, Spott und Dräung vom Stöcker und Henker gequält und schwermütig gemacht.

Summa, wie man sagt: alle Gefangen arm.

Und weil solches alles mit den armen Gefangen bisweilen über die Massen lang währt, zwei, drei, vier, fünf Monat, Jahr und Tag, ja etliche Jahr: werden solche Leute, ob sie wohl anfänglich gutes Muths, vernünftig, geduldig und stark gewesen, doch in der Länge schwach, kleinmütig, verdrossen, ungeduldig, und wo nicht ganz, doch halb töricht, misströstig und verzagt. –

O ihr Richter, was macht ihr doch? Was gedenkt ihr? Meinet ihr nicht, dass ihr schuldig seyd an dem schrecklichen Tod eures Gefangenen?«

Soldan, der dieses Citat bringt, fügt hinzu (I, 349): »Solche Umgebungen – carceris squalores ist der technische Ausdruck des Malleus – waren es, in welchen sich die Gefangenen einem vorläufigen Nachdenken über ihre Gegenwart und Zukunft überlassen sahen ... Der Malleus giebt die Weisung, verstockte Personen nötigenfalls ein ganzes Jahr in diesem Zustande zu erhalten und dann ihnen die kanonische Reinigung mit zwanzig oder dreissig Eideshelfern aufzuerlegen; können sie diese nicht leisten, so soll das Verdammungsurteil erfolgen. Weltliche Richter, bei welchen jenes kanonische Beweismittel nicht galt, haben die Haft zuweilen auf zwei, drei und vier Jahre ausgedehnt. Doch konnte dieses nur in Folge ganz eigentümlicher düsteren Verhältnisse oder einer seltenen Untüchtigkeit der Gerichte eintreten. In der Regel wusste man schneller zum Ziele zu gelangen.

Was nun in diesen finsteren Kammern von in Teufel umgewandelten Menschen Unmenschliches, Barbarisches, Niederträchtiges, Gemeines verübt worden ist, das weiss nur Gott. Die meisten Prozessakten existieren nicht mehr, und die vorhandenen spezifizieren die Einzelheiten nicht, da alles, ›more consueto‹ herging.

Damit war aber das Uebel der Vortortur noch nicht erschöpft. Vor der Anwendung der Territion, die in manchem bereits eine reale Tortur war, ist bereits die Rede gewesen. Hatten diese Einschüchterungs-Versuche keinen Erfolg aufzuweisen und sollte dann zur eigentlichen »scharfen Frage« geschritten werden, so wurde die der Hexerei bezichtigte Frauensperson vollständig entkleidet und der Peinmann begann einen genauen Augenschein nach etwa verborgenen Zaubermitteln vorzunehmen, die bewirken sollten, dass die peinlich Befragte sich unempfindlich gegen die Schmerzen der Folter machen sollte. Es wurden dabei alle Haare vom Leibe abrasiert oder, in der Mehrzahl der Fälle sogar abgesengt, ein schamloser Brauch, der wahrscheinlich in einem italienischen Mönchshirn seinen Ursprung fand, wenigstens finden wir diese Vorschrift auch in dem Malleus, der allerdings zum Lob der Deutschen zu sagen weiss: »In Alemanniae partibus talis abrasura, praesertim circa loca secreta, plurimum consetur inhonesta, qua de causa nec nos inquisitores usi sumus, sed tonis capillis capitis cum calice aquae benedictae guttulas cerae benedictae immittendo et sub invocatione sanctissimae Trinitatis jejuno stomacho trinies in potum ministrando per Dei gratiam a plerisque taciturnitatis maleficium abstinuimus. Tamen in aliis regnis inquisitores talem per totum corpus abrasuram fieri mandant, ut et Cumanus inquisitor nobis insinuavit, qui anno elapso XLI. maleficas incinerari mandasset, omnibus per totum corpus abrasis.« In der nachfolgenden Zeit wurde aber auch in Deutschland in dieser Beziehung ebenso schamlos wie anderwärts vorgegangen, und der Jesuit Friedrich von Spee, der bekannte eifrige Bekämpfer des Hexenwahns – es soll von ihm in diesem Werke noch eingehender die Rede sein – fand Anlass zu schreiben: »Pudeat germanos nos, si quae tunc erat peculiaris Alemanniae verecundia, nec hane inquisitores illi alias severi confundere ausi sunt, nos denique nune nequissimorum scurrarum libidini prostituimus.«

Dem folgte nun das Suchen nach dem Teufelsmal (stigma diabolicum). Es galt nämlich als ausgemacht, dass jede Hexe eine Stelle an ihrem Körper habe, die unempfindlich gegen jeden Stich sei und auch kein Blut dabei abgebe. Der Freimann oder sein Gehilfe spähten nun, mit einem spitzen Instrument in der Hand, an dem nackten, enthaarten Körper eifrig nach jeder Spur, die ihnen ein Hexenmal ankündigen mochte. Jede Warze, Leberfleck oder sonst eine geringe Abweichung von der normalen Beschaffenheit der Haut galt als verdächtig und wurde mit dem Stachel erprobt. Es soll dabei vorgekommen sein, dass sich die Scharfrichter dabei eines Instrumentes bedienten, dessen Spitze unauffällig zurückgezogen werden konnte, oder dass sie sonstwie Manipulationen vornahmen, die keine Verletzung und somit keinen Schmerz und keinen Blutverlust ergaben, wodurch natürlich das Bündnis des Weibes mit dem Teufel erwiesen war. Ferner kam es auch vor, dass ihnen der Scharfrichter irgendein mit unlesbaren Geschreibsel versehenes Stückchen Papier in die Geschlechtsteile hineinpraktizierten und dann diesen angeblichen Fund als Zeichen der Schuld vorwiesen. War es doch diesen Leuten, wiederholt sei es bemerkt, aus Eigennutz und aus Berufseitelkeit darum zu tun, Schuldige überwiesen zu haben, sei es auch mittelst der hässlichsten und betrügerischsten Kniffe. Liess sich trotz alledem kein Teufelsmal finden oder erfinden, so hatte es »der Teufel ausgelöscht.«

Auch sonst wurden vor der Tortur verschiedene Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass die Inquisitin Beistand von ihrem vermeintlichen Buhlen und Herrn, dem Teufel, erhalte. Sie durfte bei der Tortur nicht ihre eigene Kleidung tragen, denn diese mochte verhindern, dass sie die ihr zugedachten Schmerzen empfinde. Oder sie wurde, aus demselben Grunde, mit einem Hemd bekleidet, das an einem Tage gesponnen, gewebt und genäht worden sein musste. Sie wurde in katholischen Gegenden mit Weihwasser besprengt, mit geweihten Kräutern geräuchert, oder auch genötigt einen geweihten Trunk zu sich zu nehmen und was des Unsinns noch mehr.

Oft liess man auch der Folter die sogenannte Tränenprobe vorausgehen. »Hierbei legte,« schreibt Scherr, a. a. O. Seite 361, »ein Priester oder Richter der Angeschuldigten die Hand auf den Kopf, sie beschwörend: ›Bei den bittern Tränen, welch der Heiland am Kreuz für unser Heil vergossen, bist Du unschuldig, so vergiesse Tränen, bist Du schuldig, keine.‹ Konnte die Hexe nicht weinen, so war der Beweis ihrer Schuld fertig; weinte sie aber, so hatte ihr der Teufel zum Schein Augen und Wangen nass gemacht.« Damit erklärt sich auch, warum in den Protokollen der Hexenprozesse, so häufig hervorgehoben wird, die Angeklagte oder Gefolterte hätte keine Tränen vergossen. Denn auch die wirkliche oder vermeintliche oder auch nur erfundene Unterlassung dieser Schmerzensäusserung unter der Folter galt als Beweis der Schuld, wie überhaupt alles dafür angesehen wurde, jedes Tun und jedes Unterlassen.

Der Tortur pflegten bei Hexen auch die Hexenproben vorauszugehen, Ordalien, wie wir sie grösstenteils bereits erörtert haben. Die Feuerprobe (ferrum candens) kam bei Hexenprozessen nur in frühester Zeit vor, übernommen wahrscheinlich von den vorausgegangenen Ketzerprozessen, in denen sie nicht selten zur Anwendung gelangten. Der Malleus (Part. III, Qu. 17) verwirft dieses Mittel und die Autorität dieses grausamen Buches dürfte auch deren Verdrängung herbeigeführt haben. »Weit gebräuchlicher war,« wie Soldan I. 394 berichtet, »diejenige Probe mit dem kalten Wasser, welche man das Hexenbad nannte.« Das Ordale des kalten Wassers (judicium aquae frigidae) reicht tief in das Mittelalter zurück. Grimm, deutsche Rechtsaltertümer B. II. S. 923. Le Brun, Histoire des pratiques supertitieuses II. p. 290 ff. Ludwig der Fromme verbot es, Hinkmar von Rheims trat als sein Verteidiger auf, zur Zeit Bernhards von Clairvaux wurde es gegen sogenannte Manichäer in Frankreich angewendet; seitdem aber Innozenz III. auf dem Lateran-Konzil 1215 ein neues Verbot darauf legte, kam es in Abnahme. Das Verfahren bestand darin, dass der Angeschuldigte an ein Seil gebunden und ins Wasser hinabgelassen wurde. Aufschwimmen war das Zeichen der Schuld, Untersinken das der Unschuld. Einige deutsche Weistümer aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert nahmen jedoch die Entscheidung gerade umgekehrt. Grimm, a. a. O. S. 924. Auch da Fresne Gloss. v. Aquae erwähnt Fälle aus älterer Zeit, wo die Sache in dieser Weise genommen wurde. Im sechszehnten Jahrhundert fing man in manchen Gegenden Deutschlands, namentlich in Westfalen, diese Probe bei den Hexen zu gebrauchen an. Man band ihnen die Hände mit den Füssen kreuzweise zusammen und liess sie an einem Seile in einem Fluss oder Teich dreimal hinab, wobei das Aufschwimmen für die Schuld sprach. Als endliches Ueberführungsmittel ist die Wasserprobe zwar nirgends recht in Gebrauch gekommen, als vorläufige Prüfung aber erhielt sie sich sehr lange. Wurde sie genügend bestanden, so folgte entweder augenblickliche Freilassung, oder kanonische Reinigung; wo nicht, so schritt man zur Tortur. Aus einem Schreiben des marburgischen Professors der Philosophie Scribonius an den Magistrat zu Lemgo ersieht man, dass die Wasserprobe in dieser Stadt erst 1585 nach dem Muster anderer Länder eingeführt, in den übrigen Teilen Deutschlands aber noch fast ganz unbekannt war. Scribonius suchte die Zweckmässigkeit des Verfahrens mit Gründen darzutun und verwickelte sich in einen Streit mit den Aerzten Ewich und Neuwald, in welchen er den Kürzeren zog. Aus Westfalen verbreitete sich die Anwendung des Hexenbades nach Lothringen; gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts finden wir es auch in Belgien und Frankreich, Besonders in Bourgogne, Anjou und in der Nähe von Paris. Noch 1696 unterwarfen sich zu Montigny bei Auxerre einige Verdächtige freiwillig der Probe und liessen ein Notariatsinstrument darüber aufnehmen. Die Herrschaft schlug den Prozess derjenigen, die nicht genügend bestanden, nieder. Le Brun II 290 und 294. wo es indes vom Pariser Parlament verboten wurde, und um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts trieb man besonders in England einen argen Unfug mit demselben. Auch nach Ostindien ist es, wahrscheinlich durch die Engländer, gekommen. Ausland 1837 V: 271. In Italien und Spanien dagegen, wo, wie Delrio sagt, ›illibata est canonum auctoritas‹, kam es gar nicht vor. Der Gerichtshof von Holland liess sich in einem vorkommenden Falle 1594 von den Professoren zu Leyden ein Gutachten ausstellen, welches gegen die Anwendbarkeit dieser Probe ausfiel. Im folgenden Jahre ward sie auch in den spanischen Niederlanden verboten. Cannaert, Bydragen p. 219. Vgl. ausserdem über das Hexenbad Dreyers Sammlung vermischter Abhandlungen zur Erklärung deutscher Rechte und Altertümer, Rost. 1756, II. S. 859 ff.

Fragen wir nach der diesem Ordale zu Grunde liegenden Vorstellung, so findet sich diese bei Hinkmar dahin entwickelt, dass das Wasser, geheiligt durch die Taufe Christi im Jordan, keine Verbrecher aufnehme, wenn es darauf ankomme, sie zu entdecken. Nach König Jakob I. wollte das Wasser in Gemässheit besonderer Anordnungen Gottes die Hexen darum nicht in seinen Schoss aufnehmen, weil dieselben in ihrer Lossagung von Gott und Christus das heilige Taufwasser von sich geschüttet hätten. Doch möchten wir glauben, dass, als man die ursprünglich für ganz andere Verbrechen angewendete Wenn es bei Nithardt ad. ann. 835 heisst: Gerbergam, more maleficorum, in Ararim mergi praecipit, – so ist dies ohne Zweifel nicht von einer Probe, sondern von einer Hinrichtung zu verstehen. Wenigstens heisst es von demselben Falle bei dem Auctor vitae Ludovici Pii: Gerberga – – tanquam venefica aquis prafocata est (Duchesne II 312 und 362). und späterhin fast ganz vergessene Probe wieder hervorsuchte, um sie speziell an den Hexen zu vollziehen, noch eine andere Vorstellung leitete. Den Griechen nämlich galten die Thibier am Pontus für Zauberer, und es herrschte der Glaube, dass sie im Meere nicht untergehen können. Plinius, der dies erzählt (H. V. VII. 2) war stets eine Fundgrube für die Zauberdoktrinen und mag auch hier eingewirkt haben. Man mass den Hexen eine sehr geringe spezifische Schwere bei, wie diese auch in ihrer Flugfähigkeit hervortritt, und es musste wohl der Gedanke nahe liegen, dass man sie an diesem Kriterium, gleich den Thibiern, zu erkennen vermöge. Mit Bestimmtheit lässt sich dieses freilich nicht nachweisen. Die mittelalterliche Auffassung der Wasserprobe als eines Gottesurteils hatte im Hexenprozess einer ganz anderen Auffassung Platz gemacht. Dieselbe galt jetzt als Mittel um Indizien zu erlangen. Man wollte dahinter kommen, ob die Angeklagte wohl schwämme. Schwamm sie, so war ein sehr bedeutendes Indizium gegen die Angeklagte gewonnen, wobei zwei Gesichtspunkte in Betracht kamen. Einerseits stand es dann nämlich fest, dass der Teufel im Wasser mit ihr war und ihr Untersinken verhinderte. Bisweilen versprach der Teufel den Hexen während der Wasserprobe eine eiserne Stange zu bringen, damit sie sinken könnten, brachte dann aber bloss eine leichte, unnütze Nadel. Andererseits erkannte man an dem Schwimmen die spezifische Leichtigkeit der Hexen, die denselben kein Teufel abnehmen konnte. Hitzig und Demme, Annalen 1843 S. 313. Dafür, dass dieses letztere der Hauptgesichtspunkt war, spricht auch, dass Scribonius sich umständlich über die Leichtheit der Hexen verbreitet, Remigius der Plinianischen Stelle wirklich gedenkt (Daemonolatr. III, 9) und der Wasserprobe auch eine andere Probe zur Seite steht, welche von dem spezifischen Gewichte der Hexen ausgeht.«

Die letzte Bemerkung bezieht sich auf die sogenannte Hexenwage, auf der die Verdächtigte gewogen wurde und zum Beweis ihrer Unschuld schwerer sein musste, als sie vorher eingeschätzt wurde. Die Sache hing daher völlig von den Einschätzern ab und wir sehen hier schon die mittelalterliche Tradition von dem Hauch der Neuzeit durchweht. Von besonderem Rufe war die Stadtwage von Oudewater, deren Bescheinigung, wie es hiess gemäss einem Privilegium Karls V., überall Geltung hatte. Wer also nachweisen konnte, dass er auf dieser Stadtwage als vollgewichtig befunden wurde, konnte darauf rechnen von der Beschuldigung Hexe zu sein entlastet zu werden. Bei Gewichtproben dieser Art kam der Beschuldigten oft zu gut, dass die lächerlichsten Annahmen über das Gewicht der Hexen herrschten. Wie Walter Scott mitteilt, wurde selbst noch im Jahre 1707 ein als Hexe geltendes Weib, das die Wasserprobe schlecht bestanden hatte, vom Pöbel zur Hexenwage geschleppt. Zu ihrem Glück glaubten diese Leute am besten zu tun das Weib gegen die zwölffündige Kirchenbibel abzuwägen. Natürlich wog sie mehr und die Verfolgung wurde eingestellt.

Auch sonst glaubte man noch verschiedene Kennzeichen für Hexen zu haben und wandte auch noch seltsame Mittel an. »Ein besonderes Kennzeichen einer Hexe war auch, dass sie bei dem Hersagen des Vaterunsers an der sechsten oder siebenten Bitte anstiess und im Gebete nicht fortzufahren vermochte. Ebenso fand man das Laster der Hexerei konstatiert, wenn die oder der Beklagte im Verhör sich bestürzt zeigte, in der Rede stockte, die Zunge spitzte, sie krümmte und gegen den Untersuchungsrichter herausstreckte, wenn er unter sich oder auf die Seite sah und sich vergeblich zu weinen bemühte, oder sonst (in Folge der furchtbaren Seelenangst, welche den Unglücklichen, namentlich beim Anblick der Folterwerkzeuge befiel) etwas Auffallendes in seinem Benehmen zeigte.

Ausserdem gab es noch manche seltene Proben sehr eigentümlicher Art. So wurde einst zu Nidda einem achtzehnjährigen Mädchen nach richterlichem Ermessen das Nasenbein eingeschlagen, um aus dem Blutflusse über Schuld oder Unschuld zu urteilen. Eine Art von offa judicialis mit Butterbrod wurde 1618 bei einer Hexe zu Lincoln (England) auf deren eigenes Verlangen angewendet; sie soll daran erstickt sein.« Wenn letztere Behauptung nicht ein Produkt der Böswilligkeit oder Torheit ist, so haben wir es hier mit einem argen Zufall zu tun, wie er bei der Fülle der Ereignisse dieser Art oft vorgekommen sein mochte und nur dazu beitragen konnte, den Aberglauben und sein schlimmes Gefolge zu kräftigen. Dass dieses Mädchen selbst das Ordal des geweihten Bissens beantragte, kann uns nicht Wunder nehmen. Kam es wiederholt vor, dass Frauen oder Männer, die verdächtigt wurden, ein peinliches Verfahren gegen sich beantragten, oder doch eine Untersuchung, und hatte doch mit der Zeit der Hexenwahn so fest Wurzel gefast, dass kaum jemand an den Bestand von Teufelsbündnissen und dergleichen zweifelte. Kam es doch vor, dass schliesslich Beschuldigte selbst, beirrt und geistig verwirrt von den Vorwürfen, die ihnen von Männern, die als klug und gelehrt galten, gemacht wurden, von den Martern, die sie auszustehen hatten, schliesslich zu der Ueberzeugung gelangten, mit dem Teufel sich verbündet zu haben und auch noch bei der Hinrichtung in irgendeiner Zufälligkeit, in dem Kreisen eines Vogels oder dergleichen Anzeichen eine Hilfe erblicken wollten, die ihnen Satan bringe. Das sind eben Gedanken und Stimmungen, wie sie nur in der Verzweiflung und unter den vorhanden gewesenen Umständen entstehen konnten und vielleicht oft auch mussten. Wird doch sogar von dem lothringischen Hexenrichter Remy, der sich rühmen mochte in fünfzehn Jahren neunhundert Personen wegen Zauberei auf den Scheiterhaufen gebracht zu haben behauptet, dass er schliesslich glaubte selbst ein Hexenmeister zu sein und auf seine eigene Denunziation hin verurteilt wurde.

Wie schon früher bemerkt wurde, waren die mit dem peinlichen Verfahren verbundenen Kosten recht beträchtlich und mussten in den meisten Fällen selbst von den Freigesprochenen getragen werden, während das Vermögen der Verurteilten ohnehin eingezogen wurde. Aus der älteren Zeit fehlen uns Belege über derlei Rechnungen, doch ist uns aus der späteren Zeit manches erhalten geblieben. Bierdimpfl schreibt über Henkerslohn aus Baiern:

Weil den Nachrichtern, wenn sie bei peinlichen Strafen ›von jedem stück jrs werks‹ einen besonderen Lohn nehmen, das Sakrament des Altars versagt war, da man sich ihrer ›in Erwartung dieses Lohns einer bösen Begierde in Vergiessung des menschlichen Blutes‹ versehen konnte, wurde ein ›gemeiner jerlicher soldt‹ ausgesetzt, wie solcher bei dem »Cammermeister« verzeichnet war, um welchen die Scharfrichter alle Uebelthäter zu ›fragen und straffen‹ hatten, ohne weiter noch mehr zu fordern oder zu nehmen. Für Vollzug einer Todesstrafe wurden 3 Gulden gewährt, bei den schweren Todesstrafen durch Feuer etc. wurde ein Gulden mehr berechnet; für Ausrichtung einer Verstümmelung und Auspeitschen erhielt der Henker ›von einem solchen werck, von eyner person‹ einen Gulden.

Dem Blutrichter aber war nicht gestattet, von einem Uebelthäter eine besondere ›Belohnung‹ auszusprechen oder zu nehmen ›wie an etlichen enden missbraucht werde,‹ da solches ganz ›wider das ampt vnd wirdt eyns Richters, auch das recht vnd alle billicheyt ist‹ und ein solcher Bannrichter auch ›nichts besser (dann der Nachrichter so von jedem stück sein belonung hat) möcht geacht werden.‹

Das blutige Handwerk des Henkers wurde (17. und 18. Jahrhundert) eine reichliche Quelle des Einkommens für seinen Meister und gewährte ihm rechtliche Entschädigung für den Makel, der auf seinem Stande haftete und ihn ausschloss aus dem Kreise seiner Mitmenschen; der ihn ehrlos machte selbst dem Missethäter gegenüber, ihn und jeden, den er berührte.

Die Kerker waren gefüllt von schuldigen und schuldlosen Gefangenen: Ketzer, Zauberer, Hexen, Räuber und sonstige Uebelthäter befanden sich allerorten in der Gewalt der Justiz. Der Henker hatte Arbeit vollauf und jeder Handgriff brachte ihm klingenden Lohn. Nur einige Beispiele aus einer Scharfrichtertaxordnung des vorigen Jahrhunderts mögen hiefür als Beleg ausser den oben angeführten Gebühren hier ihren Platz finden:

Die Leiter an den Galgen anlehnen 1 fl.
Stricke und Bänder 30 kr.
Den Scheiterhaufen aufrichten 1 fl.
Die Asche eines Verbrannten in fliessendes Wasser zu werfen, ebensoviel, desgleichen in Bock spannen (ohne Ruthenstreiche).
Spitzruthen etc. jeder Streich 8 kr.
Jedem Knecht gebührten 30 kr.
Für Schnüre zum Bockspannen, leer aufziehen, Gewichte anhängen, die Stricke anziehen, Beinschrauben anlegen, auf den Pranger führen, je 30 kr.
Mit glühenden Zangen reissen, jeder Griff 15 kr.
Eine Ruthe in das Genick stecken ebensoviel.
Vor die Kirche mit brennender Kerze stellen 12 kr.
Ausrufung des Friedbots 15 kr.
Salben zum einschmieren bei der Tortur 30 kr.
Der Hexenbrand 4 fl.

In der Kostenliquidation eines Hexenprozesses (1617) ist angeführt:

Für 14 mal leer aufziehen, 2 mal mit dem Stiefel, 4 mal mit Ruthen gestrichen, 4 mal auf die Rollbank, 2 mal mit Schwefel, Pech und Branntwein gebrannt, thut 26 Fragen, für jede Frage 20 kr., thut 8 fl. 40 kr. (das sind 26 Peinigungen an einer einzigen Weibsperson); weiter kommt vor für brennen und die Glieder ausreissen, dann wieder ›geschmierbt und gesäubert‹, ferner für Rauchwerk und Schwefel, Branntwein und Pech 4 fl.; mit Ruthen hauen, dann Schwefel und Pech ›auf den Schmerzen tropfen lassen‹ gibt wider 2 Fragen. Schliesslich wurden für die Mahlzeit des Henkers mit seinen Knechten 20 fl. liquidirt.«

Nach der Weimarschen Taxordnung vom Jahre 1582 erhielt der Scharfrichter für Vornahme der Tortur »zwölf Groschen Tag und Nacht Zehrung vor sich und seinem Knecht.« Nach den Taxordnungen der kleineren sächsischen Fürstentümer aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts: für Territio und Schrecken Fl. 1 – für Tortur Fl. 1, Gr. 15, für Zehrung Tag und Nacht Gr. 10 Pf. 6. Im Kurfürstentum wurde dem Scharfrichter zu dieser Zeit für die Vornahme der Tortur Fl. 2 und Fl. 1½ Zehrung, sowie auch ein Betrag für seine Gehilfen und für die Verpflegung seines Pferdes gegeben. Bei Bemessung dieser Beträge müssen wir jedoch den damaligen Wert des Geldes vor Augen halten. Auch liessen sich sonst noch durch verschiedene Vornahmen und Mittelchen Beträge in Anrechnung bringen. Uebrigens trafen die Bamberger Halsordnung sowie die Carolina gleichfalls Anordnungen über den Lohn des Scharfrichters bei Vornahme der Tortur.

*

Werfen wir jetzt einen raschen Ueberblick auf das Wesen der Folter von den ältesten Tagen bis zur Zeit der Reformation: Wo die Tortur als Rechtsmittel zuerst angewandt wurde, ist uns unbekannt und wäre es wohl auch, wenn uns die Ueberlieferung reichere Kunde von diesem grausamen Verfahren gegeben hätte. Als sicher können wir annehmen, dass derartige Peinigungen überall zu finden waren und fast in allen Mythen und Mythologien der Völker erweisen sich Andeutungen auf diesen Brauch, sofern uns überhaupt nicht Näheres bekannt geworden ist. Eine ziemlich ausgebildete Tortur finden wir, wie die heutige Praxis noch zeigt, bei den ostasiatischen Völkern. Nähere Kenntnisse darüber sind uns von den Griechen überliefert worden, deren Erben, wie in vielem anderen, auch in diesem das alte Rom war. Hier wurde die Tortur sozusagen ausgebildet, mit Mitteln ausgestattet, die auch auf unser Kulturleben übergingen. Das oströmische Reich und die romanischen Völker standen auch hiermit unter dem Einflusse des gesunkenen weströmischen Reiches und das aufstrebende Christentum nicht minder, was umso begreiflicher ist, indem es seinen Hauptsitz in Rom selbst hatte, seine Hauptstütze in den Völkern romanischer Zunge.

Obgleich die Kirche schon frühzeitig das vermeintliche oder auch das wirkliche Ketzertum bekämpfte, konnte sie doch erst später, im vorgerückten Mittelalter, wo Macht und Ansehen des Papsttums eine bedeutende Höhe erreicht hatten, mit Härte dagegen vorgehen und Kreuzzüge, zu deren Ausrottung, sowie zur Bekämpfung der Moslims veranlassen. Ob die Kreuzzüge nach dem Orient, wie manche behaupten, zur Ausbreitung der in Asien besonders entwickelt gewesenen Tortur beigetragen habe, mag dahingestellt bleiben. Es liesse sich viel eher behaupten, dass es ein neuer Zeitgeist war, der zu den Kreuzzügen veranlasste, als dass diese in Europa eine neue Epoche geschaffen hätten, so sicher es auch ist, dass durch diese Züge mancherlei in Europa eingeführt wurde, das hier bisher unbekannt oder nur wenig bekannt war. Das erstarkte Papsttum war es hauptsächlich, das der Zeit das Gepräge gegeben hatte. Bei den Ketzerverfolgungen kam das kanonische Recht sowie auch die Tortur zur Geltung, beide nach römischem Muster. Wir finden aber auch, dass letztere auch der weltlichen Macht nicht fremd war und dass es keineswegs nur die Beugung dieser vor der kirchlichen war, was der Tortur eine Verbreitung gab. Die neuerrichtete Inquisition bildete allerdings diese Marterung aus und wirkte auf romanischem Boden, hauptsächlich in Spanien, bis ins neunzehnte Jahrhundert fort. Auf deutschem Boden mochte sie nicht gut gedeihen und verwandelte sich hier sozusagen in eine Verfolgung der angeblichen Zauberer und Hexen, Dinge, die dem Volksempfinden viel näher lagen und auf die es willig, ach, nur zu willig einging. Freilich konnte dies auch ohne Tendenz, gewissermassen naturgemäss in Erscheinung getreten sein, denn gegen das Ketzerwesen richtete sich zumeist auch der Vorwurf der Bündelei mit der Hölle und ihren Mächten. Wenn also auch vom Papsttum behauptet werden kann, dass es die blutigen und noch viel grausamer als die Inquisitionsprozesse gewesenen Hexenverfolgungen eingeleitet habe, ihren Höhepunkt erreichten diese, wie schon angegeben wurde und noch ausführlicher dargelegt werden soll, doch erst nach der Reformation und unter weltlichen Behörden, besonders in Deutschland, wo dieser Wahn am ärgsten und mächtigsten hauste.

Unter dem Einfluss des kanonischen Rechts, wenn auch nicht ausschliesslich unter diesem, wie von manchem behauptet wird, kam auch allmählich, noch bevor das Mittelalter zu Ende ging, bei den weltlichen Gerichten das römische Recht zur Geltung, soweit dies bis dahin nicht schon geschehen war, verdrängte in Deutschland grösstenteils die heimischen Rechtssatzungen mit ihren Eidhelfern, Zweikämpfen und Ordalien, wie sie noch im Sachsenspiegel und Schwabenspiegel zu finden sind. Obgleich in diesen Rechtsbüchern von der Anwendung der Tortur keine Rede ist, wäre es wohl doch zu weit gegangen, wollte man behaupten, dass diese in den Zeiten der Geltung jener in Rechtsfällen nicht vorgekommen sei. Die ganze Beschaffenheit der menschlichen Natur spricht gegen diese Annahme. Aber immerhin finden wir sie nicht vorgeschrieben und wo sie vorgekommen sein mag, dürfte sie als »strenge Mahnung« des gewaltigen Richters aufgetreten sein, hauptsächlich aus Prügeln bestehend, die den mit Recht oder Unrecht Leugnenden zu einer anderartigen Aussage veranlassen sollten. Freilich dürfte das nur selten bei Vornehmen und Begüterten vorgekommen sein.

Eine vollständig ausgebildete Tortur in deutschen Rechtsbüchern finden wir erst in der Bamberger Halsgerichtsordnung, sowie in deren Tochter, der sogenannten Carolina. Letztere, bestimmt, an vielen Orten bestehende Härten und Willkürlichkeiten zu mildern, erfüllte nur wenig diese Bestimmung, weil sie eben nur von denen beachtet zu werden brauchte, die sie beachten wollten. Indes muss doch zugegeben werden, dass sie, so streng auch ihre Vorschriften lauten, doch manches Gute bewirkt hat, oft, besonders was die Tortur betrifft, zur Richtschnur genommen wurde, und selbst auf die, die nur nach eigenem Ermessen zu richten geneigt waren, auch unwillkürlich von Einfluss war.

Wie die Tortur in der Zeit der Reformation zur Anwendung kam, welche Bestimmungen und Gesetzbücher dazu gegeben wurden und wie sie schliesslich gesetzlich ein Ende fand, um nur hie und da in vereinzelten Willkürakten wieder aufzuleben, soll im nachfolgenden Band dieses Werkes dargelegt werden.


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