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I. Kapitel.

Ursprung der Ordalien. – Wasserproben. – Feuerproben. – Glühendes Eisen. – Kreuzprobe. – Geweihter Bissen. – Abendmahlsprobe. – Bahrrecht. – Scheingehen. – Zweikampf. – Frauen im Zweikampf. – Sachsenspiegel. – Gottesurteile. – Kriminalprozesse gegen Tiere.

Aus dem Vorhergehenden sehen wir, dass die Ordalien bei Mongolen wie bei Kaffern zur Anwendung gelangen, bei denen sie sicherlich eine Ueberlieferung aus grauer Vorzeit sind. Der Ursprung des Ordals dürfte bei den Indiern zu suchen sein und in den verschiedenen religiösen Schriften der alten Völker finden wir Andeutungen auf diesen Brauch. Auch bei den Juden kam er zur Anwendung, wie in der Bibel wiederholt zu ersehen ist, wo vor dem Gebrauch des »bittern Wassers« und dem »durch das Feuer gehen« zum Erweis von Schuld oder Unschuld gewarnt wird. Bei den Germanen war das »Gottesgericht« schon in heidnischer Zeit in Brauch und erhielt sich bis zur Neuzeit, ja, es lässt sich sagen, dass es heute zwar aus der Gerichtspraxis verschwunden ist, aber im Volksbewusstsein noch immer lebt und auch aus manchen Ausdrücken noch zu erkennen ist. Als Ueberbleibsel der Ordalien können wir schliesslich auch das Duell betrachten, dessen Ausrottung von vielen ebenso eifrig wie vergeblich erstrebt wird. War doch der gerichtliche Zweikampf ein Hauptbestandteil der Ordalien.

F. Nork schreibt in seinem »Die Sitten und Gebräuche der Deutschen etc.« Stuttgart 1849 Seite 1088 u. s. f.:

»Diese Gottesgerichte, bekannt unter der allgemeinen Benennung Ordalien (das Wort ist altdeutsch und lautete ursprünglich Or dael, Urspruch. Man befragte nämlich mittelst einer solchen Zeremonie die Gottheit um ihr Urteil, das man aus dem Erfolg, wie sonst aus dem Lose deutete), beruhten auf den festen Glauben, dass jedesmal der Schuldige unterliegen müsse. Diese aus Indien stammende heidnische Spuren der Gottesurteile finden sich nämlich im Salischen Gesetz (Tit. 56.). Die Salier waren eine fränkische Völkerschaft, ihre Gesetze waren in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, als Chlodwig den grössten Teil Galliens erobert hatte, durch einige dazu auserwählte Männer aus den alten Gewohnheiten und Herkommen gesammelt und in lateinischer Sprache niedergeschrieben. Aber die unter Tit. 56. vorgeschriebene Probe des siedenden Wassers beweist, dass, da diese Gesetze lange vor Chlodwig und der Einführung des Christentums bei den Franken abgefasst sind, die Ordalien bei ihnen schon in heidnischer Zeit im Gebrauch gewesen. Durch die späteren Verbesserungen der folgenden fränkischen Könige ist jene Stelle nicht ins Gesetz gekommen, sondern schon vorher darin gewesen, wie aus einer Fuldaischen Handschrift – deren Abdruck B. J. Herold, 1557 zu Basel in Folio besorgt hat – welche diese Verbesserungen nicht enthält, zu erweisen ist. Endlich war auch die Probe des kalten Wassers bei den am Rhein wohnenden heidnischen Kelten zuerst angewandt worden, insbesondere wenn man bei einem neugeborenen Kinde ermitteln wollte, ob es im Ehebruch erzeugt worden. Man gab es in einem Schilde dem Flusse preis, sank der Schild unter, so war dies ein Zeichen, dass die Mutter schuldig sei. Sitte hatte im Volksglauben so tiefe Wurzel geschlagen, dass die Kirche sie nicht nur dulden musste, ja sogar in 4. Mose 5, 12 ff. als eine solche von Mose selbst angeordnete Unschuldsprobe hinwies, sondern auch durch eigentümliche Gebräuche heiligte. Die Vorschriften, welche man in jenen Zeiten über Gebete, Gesänge, Beschwörungen, Messen und andere die Gottesurteile begleitenden Zeremonien hatte, hauptsächlich von Bischöfen festgesetzt, sind in mehreren neueren Werken gesammelt, welche bei Schrökh K. G. Bd: 23, S. 242 aufgeführt sind. Die Legende lässt die Wahrheit des christlichen Glaubens durch Gottesurteile verteidigen. Gewissen Klöstern wurde das Recht verliehen, Feuer- und Wasserproben zu halten. (Grimm S. 910.) Einige Gottesurteile, namentlich der Zweikampf, erforderten immer die Zuziehung beider Teile, die Wasser- und Feuerurteile hingegen lasteten meist nur auf dem Angeklagten, der sich reinigen sollte Als die Gemahlin Karls des Dicken eines verbotenen Umgangs mit einem Bischof angeklagt war, reinigte sie sich von der Anklage durch die Probe des wallenden Kessels, die Gemahlin Kaiser Heinrichs II. bei ähnlicher Beschuldigung durch Hinschreiten über eine glühende Pflugschar.. Nur eine Ausnahme von der Regel bildete es, wenn beide die Hand ins Feuer oder siedende Wasser steckten. Solche Mittel konnten, wenn der Beweisende keinen Schaden an seinem Körper litt, nur für eine wunderbare, unmittelbar durch Gottes Einwirkung erfolgte Rechtfertigung gelten. Da die Chronisten fast nur von Beispielen glücklich ausgefallener Prüfungen berichten, so leuchtet ein, dass hie und da Trug und künstliche Mittel angewendet wurden Fälle dieser Art bringt Hormayrs Taschenbuch für Geschichte zur Kenntnis unserer Zeitgenossen., und die Seltenheit der Fälle ist daraus zu vermuten, dass die Anwendung dieser Art Gottesurteile auf Unfreie eingeschränkt blieb. Den ohnehin an harte Behandlung gewöhnten Knecht drückte ein übler Erfolg nicht sehr nieder; seine verbrannte Hand war bald wieder geheilt, und sein Herr zahlte die Busse für das erwiesene Verbrechen. Dass also nur Unfreie oder Männer, die keine Eideshelfer finden konnten, in diese Gefahr kamen, versteht sich von selbst. Das gleiche gilt von Frauen, die keine Kämpfer für sich finden konnten, und erklärt, wie viele Hexen, die fast alle aus der ärmsten Volksklasse waren, zur Wasserprobe verurteilt wurden.

Die Schwierigkeit, sieben Eideshelfer aufzutreiben, veranlasste in der Folge die Gerichte, damit nicht von der Zahl der Konjuratoren die Freisprechung oder Verurteilung eines Unschuldigen abhängig gemacht werde, vom Kaiser, obschon nur mit Mühe, eigene Freiheiten auszuwirken. Die Stadt Freiburg erhielt schon im Jahre 1120 in ihren Statuten die Begünstigung, auf das Zeugnis zweier unbescholtener Augenzeugen Recht sprechen zu dürfen. Die Regierung Maximilians I. zeichnet sich durch eine ganze Reihe von Privilegien aus, wodurch er einzelne Fürsten, Grafen, Städte und andere Gerichtsherren, besonders in Franken, davon befreite. Die meisten derselben stimmen darin überein, dass die Richter auf gichtigen Mund oder Leumund und ihr selbst Bekenntnis richten und strafen und die Uebeltäter ferner zu besiebnen nicht schuldig sein sollen« Müller, Reichstags-Theater unter Max I., angeführt von J. F. Malblank in dessen Geschichte der peinlichen Gerichtsordnung S. 75..

Vom Besiebnen war die nächste Folge der Missbrauch des Reinigungs-Eides, weil ein durch Anzeigen noch so sehr verdächtigter Uebeltäter, wenn er nur nicht in flagranti ergriffen worden, sammt einigen Eideshelfern zur eidlichen Reinigung mit Berührung der Heiligtümer zugelassen ward. Auf welches Gemische von Wunderwerken dieser Reinigungseid gebaut gewesen, und wie er in Deutschland aufgekommen, belehrt uns die Geschichte der Ordalien, auf welche schon die ältesten Gesetzsammlungen, wie auch der Sachsen- und der Schwabenspiegel Rücksicht nehmen. Diese Gottesurteile teilte man in folgende Arten ab:

1) Die Wasserprobe. Sie geschah bald mit siedendem, bald mit kaltem Wasser. Dem Priester war die Anweisung gegeben, denjenigen, der sich der Probe unterziehen sollte, zuerst in der Kirche niederknieen zu lassen, und drei Gebetsformeln zu sprechen, in welchen Gottes Schutz erfleht wurde. Darauf folgte Messe und Abendmahl; wenn der Inkulpat es nahm, sprach der Priester: »dieser Leib und das Blut unseres Herrn sei euch heute zur Probe.« Sodann ging er an den Ort, wo die Probe angestellt ward, mit Kreuz und Evangelium, sang daselbst eine kurze Litanei, und beschwor das Wasser, ehe es heiss ward, dass es die Schuld des Beklagten durch seine Wirkung zu erkennen gebe. Der Inkulpat zog nun reine Kleider von einem Diakonus an, küsste Kreuz und Evangelium, trank auch von dem eingesegneten Wasser, sprach das Vater Unser und bezeichnete sich mit dem Kreuze. Hierauf steckte er die Hand ins Wasser. Bei den Friesen wurde ein eiserner Ring aus einem wallenden Kessel herausgeholt In Tibet kennt man den »Kesselfang« ebenfalls. Dort wirft man einen schwarzen Stein ins siedende Wasser. Beide Parteien tauchen zugleich ihren Arm in den Kessel, und der den weissen zieht, ist der Unschuldige.. Auf dieses »examen caldariae« beziehen sich die salischen Gesetze. Bei den christlichen Deutschen war sie sehr gewöhnlich, und geschah in einem Kessel, der zu diesem Zwecke am Eingang der Kirche sich befand. Im schwäbischen Landrecht wird diese Probe für Diebe, Räuber und Falschmünzer vorgeschrieben. Der Inkulpat musste, nach vorhergegangenem Gebet des Priesters, aus dem Kessel voll siedenden Wassers einen Ring oder auch einen Stein mit blosser Hand herausnehmen. Hierauf wurde diese Hand mit geweihtem Wasser versiegelt, und wenn man sie nach drei Tagen unbeschädigt fand, erfolgte die Lossprechung, hatte sie gelitten, so wurde er für schuldig erklärt. Adeligen und Geistlichen blieb es freigestellt, ob sie diese Probe durch einen anderen verrichten lassen wollten.

Die kalte Wasserprobe (judicium aquaticum) bestand darin, dass man den Beklagten mit einen Strick um den Leib in den Fluss warf. Wer gut schwimmen konnte, war verloren, denn man nahm an, dass das Wasser den Verbrecher nicht aufnehmen möge, eine Vorstellung, welche sich durch die aus dem Heidentum vererbte Verehrung der Elemente erklären lässt Die Geistlichkeit, niemals verlegen, das Heidnische ins Christliche zu übersetzen, gab vor, das Wasser in dieser Probe sei ein Bild der Taufe, daher kein durch Sünden Todter in dasselbe aufgenommen werden kann. Gegen Zauberinnen und Hexen wurde dieses Wasserurteil häufig angewendet, und noch im vorigen Jahrzehnt kam ein solcher Fall bei Danzig vor, dass man eine der Hexerei verdächtigte Frau in den Strom warf, und weil sie sich auf der Oberfläche einige Minuten zu erhalten vermochte, in dem Verdachte gegen sie um so mehr bestärkt ward.. Um nun den Untersinkenden vor dem Ertrinken zu bewahren, wurde er mit einem Stricke gebunden hinab gelassen, damit er schnell heraufgezogen werden könnte. Im sächsischen Landrecht wird dieses Gottesurteil vorgeschrieben, wenn keine Zeugen für das Recht an einem streitigen Gute aufgebracht werden können.

2) Die Feuerprobe (Judicium ignis) bestand in den meisten Fällen in dem Schreiten über glühende Kohlen, oder es wurden diese auf dem blossen Busen getragen. Sie kommt in den ripuarischen Gesetzen vor. Auf diese Art wurde die Echtheit der Reliquien erprobt Am Ende des 6. Jahrhunderts war es, als eine spanische Synode verordnete, dass man diejenigen Reliquien, welche in der Kirche der Arianer gefunden wurden, durch das Feuer prüfen solle. In der Folge nahm man auf diese Verordnung häufig Rücksicht. Als im Jahr 1010 einige von Jerusalem kommende Mönche ein Stück von dem Handtuch, womit Christus die Füsse der Jünger abgetrocknet haben soll, mitgebracht hatten, wollten Viele nicht daran glauben. Die Mönche legten daher die Leinwand in das Feuer einer Rauchpfanne, es bekam ganz die Gestalt des Feuers, wurde aber endlich unversehrt aus demselben herausgezogen.. Ein andermal (1067) ging ein Mönch zwischen brennenden Scheiterhaufen durch, um zu beweisen, dass ein gewisser Bischof der Simonie schuldig sei S. Schrökh D. G. XXIII. Bd. S. 54 ff..

Eine zweite Art der Feuerprobe war die Probe des wächsernen Hemdes, bei welcher der Beklagte, ehe er durchs Feuer ging, ein mit Wachs getränktes Hemd anziehen musste.

Eine dritte Art der Feuerprobe war die des glühenden Eisens. Der Angeschuldigte musste mit blossen Füssen darüber weggehen, oder es in die blossen Hände nehmen. Die Zahl der glühenden Eisenstangen – manchmal waren es Pflugschaaren – betrug 9 bis 15. Ein solches Eisen war ein bis drei Pfund schwer. Ritter mussten die blosse Hand in einen glühenden eisernen Handschuh stecken. Diese Probe ist in einem Kapitulare vom Jahre 803 vorgeschrieben, welches Zusätze zum salischen Gesetze enthält. In einem Gesetze Kaiser Friedrichs I. wird vorgeschrieben, dass der Knecht, welcher eines Diebstahls beschuldigt, sich durch das glühende Eisen reinigen, oder sein Herr für ihn schwören soll. Nicht immer wurde die Feuerprobe als Reinigungsmittel gegen ein angeschuldigtes Verbrechen, entweder freiwillig oder auf Erkenntnis des Richters vorgenommen, sondern oft bediente man sich man sich ihrer auch zur Entscheidung ungewisser Sachen. Ein Beispiel dieser Art war im Jahr 876 bei der Teilung unter den Söhnen Ludwigs des Deutschen vorgekommen Hludovicus Hludovici Regis filus decem homines aqua et decem ferro calido, et decem aqua frigida ad judicem misit coram eis, qui cum illo erant; petentitus omnibus et Deus in illo judicio declararet, si plus per rectum illi habere deberet portionem de Regno, quum pater suus ille dismisit ex ea parte, quam cum fratre suo Carolo per consensum illius et per sacramentum accepit. Qui omnes illaesi reperti sunt. (Annal. Bertianiani ad ann. 876.). Auch konnte, wenn jemand eines Verbrechens angeklagt worden, sein Diener durch Bestehung der Probe des glühenden Eisens ihn von der Beschuldigung reinigen Einen Fall dieser Art berichtet Matthäus Paris aus dem Jahre 1085, und die Fuldaer Annalen vom Jahre 858 einen andern. Diese Art der Reinigung war nicht nur in Deutschland üblich – die des Ehebruch angeklagte Gemahlin Kaiser Heinrichs des Heiligen ging unversehrt über eine glühende Pflugschaar – sondern auch in England, wo sie Emma, die Mutter Eduard des Bekenners, bestanden hat; ferner dem Adam von Bremen zufolge (Buch II. Kap. 26), auch in Dänemark. Saxo Grammaticus (Buch XII. p. 245) führt ein Beispiel aus Norwegen an, und Helmold (chron. Slav. I. c. 83) fand die Feuerprobe auch bei den slavischen Völkern. Das glühende Eisen wurde vorher durch den Priester geweiht und eingesegnet, wobei ein besonderes Formular eingeführt war Es lautete: Gerechter Gott, der Du bist ein Anfänger des Friedens, und richtest die Billigkeit, wir bitten Dich untertäniglich, dass Du dieses verordnete Eisen einer jeden Zweifelhaftigkeit gesegnen und heiligen wolltest. Also dass wofern ein Unschuldiger dieses feurige Eisen wird in seine Hand nehmen, er unverletzt bleibe. Und so er schuldig und sträflich, sei Deine Kraft hierin gerecht, durch dieselbe zu erklären, welcher massen über die Gerechtigkeit nicht herrsche die Ungerechtigkeit, sondern die Falschheit werde unterworfen der Billigkeit durch unsern Herrn etc. (Das Original dieses Formulars ist zu finden bei Aventinus Annal. Boic. I. IV. c. 14. Ein anderes in Goldasts rer. Alam. Tom. II. p. 2. pag. 139)..

3) Die Kreuzprobe (judicium crucis) war vorzüglich bei den Franken, Sachsen, Friesen und Longobarden in Gebrauch. Es gab zweierlei Arten: Bei der einen mussten beide Teile mit in Gestalt eines Kreuzes ausgebreiteten Händen, oder mit kreuzweise, zuweilen auch mit bloss aufgehobenen Händen an einem Kreuze stehen. Dieses währte so lange, bis eine bestimmte Anzahl Messen gelesen waren. Wer die Hände zuerst sinken liess oder sie bewegte, wurde für schuldig gehalten Eine Synode zu Soissons (744) beschloss: wenn eine Frau ihren Mann anklagt, dass er ihr nie die eheliche Pflicht geleistet, sollen Beide ans Kreuz gehen (exeant inde ad crucem), und wenn es wahr befunden würde, geschieden werden. (Schrökh D. G. Bd. XIX. S. 483.)
Zwei Fälle dieser Art ereigneten sich unter der Regierung Karls des Grossen. Bei einem Streite zwischen den Bürgern von Verona und ihrem Bischof wegen Wiederaufbauung der Stadtmauern wählte jede Partei – um durch einen Ausspruch Gottes entscheiden zu lassen, auf welcher Seite das Recht sei – einen jungen Geistlichen. Diese standen in der Kirche während der Messe am Kreuz, bis der, welcher von den Bürgern erwählt worden war, halbtot zu Boden fiel. (Hieronymi della Corte hist. Veron. IV. p. 178.) Ein im Jahre 775 ausgebrochener Streit zwischen dem Bischof von Paris und dem Abte von St. Denis über das Eigentum einer kleinen Abtei wurde auf dieselbe Weise entschieden. Er fiel zum Vorteil des Abtes aus, da der Repräsentant des Bischofs zuerst seine Stellung veränderte. (Mabillon de re diplom. VI. p. 498.) Noch ein Beispiel dieser Art erzählt Rudolph von Fulda. In dem Teiche des Klosters Bischhofsheim war ein neugeborenes Kind gefunden worden. Alle Nonnen mussten sich der Kreuzesprobe unterziehen, und die Schuldige wurde auf diese Art entdeckt.
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Die zweite Art geschah auf folgende Weise. Der Beklagte wurde, nachdem er sich durch 12 Zeugen von dem ihm angeschuldigten Verbrechen gereinigt hatte, in die Kirche oder zu den Reliquien der Heiligen geführt. Hier machte man zwei Würfel, von denen der eine mit einem Kreuz bezeichnet, der andere aber leer gelassen wurde. Diese legte man mit einem reinen wollenen oder leinenen Tuch umwickelt auf den Altar oder die Reliquien, und der Priester rief Gott an, durch sie ein Zeichen offenbar werden zu lassen, ob der Beklagte falsch geschworen. Nun musste ein Priester oder ein unschuldiger Knabe einen der Würfel herausziehen. Kam der mit dem Kreuze bezeichnete zuerst heraus, so war die Unschuld des Beklagten oder die Wahrheit seiner Sache hinlänglich erwiesen. Diese Art der Kreuzprobe ist in den alten Gesetzen der Friesen vorgeschrieben. Majer vermutet mit Recht, dieser Brauch sei bei den Völkern des Nordens schon vor Einführung des Christentums im Gebrauch gewesen, weil bei ihnen das Kreuz eine heilige Rune, Odins Zeichen war, die man auf Urnen, Grabsteinen u. s. w. anzubringen pflegte.

4) Der geweihte Bissen (offa judicialis) war ein Stück Brod oder Käse, welches der Priester dem Beklagten unter allerlei Verwünschungsformeln in den Mund steckte. Wurde es ihm zu schwer, den geweihten Bissen zu verschlucken, oder konnte er ihn gar nicht hinter bringen, hielt man ihn für schuldig. König Kanut (517) schreibt diese Unschuldsprobe im fünften Hauptstück seiner Gesetze vor. (Canciani Barbar, leges ant. Vol. IV. p. 301.) Bei du Fresne (Glossar, s. v. Corsned) liest man, dass ein Graf Godwin, des Brudermords angeklagt, sich durch den geweihten Bissen habe reinigen wollen, aber sogleich nach Verschluckung desselben gestorben sei. Ein Ueberbleibsel dieser Art Ordalien hat sich in der Redensart: »dass mir das Brod im Halse stecken bleibe« erhalten.

5) Die Abendmahlsprobe (purgatio per sacram Eucharistiam) war der vorher beschriebenen verwandt. Der Beklagte bediente sich, während er den Bissen in den Mund steckte, der Worte: Corpus Domini sit mihi hodie in probationem. Man glaubte, dass dieser Genuss dem Schuldigen schädlich werden müsse Der leichtgläubige Glaber Radulph (Hist. L. V. c. I.) erzählt ein hierher gehörendes Märchen. Ein ihm bekannter Kleriker sollte, zum Beweise, dass er ein ihm vorgeworfenes Verbrechen nicht begangen habe, das Abendmahl geniessen. Sogleich nach dem Genusse drang aus der Mitte seines Nabels der weisseste Teil von dem empfangenen Opfer, zum Merkmal der Unwürdigkeit des Teilnehmenden hervor. Er bekannte Alles, und übernahm die ihm gebührende Busse.. Diese Probe wurde meist von den Klostergeistlichen angewendet, wenn etwas im Kloster entwendet worden, und der Täter nicht zu ermitteln war. Alle Mönche mussten in diesem Falle nach der Messe zu diesem Behufe das Abendmahl nehmen. Aber auch bei andern Gelegenheiten und von Laien wurde die Abendmahlsprobe zur Reinigung von irgend einer Beschuldigung genommen. So reinigte sich Judith, Witwe des Herzogs Heinrich von Baiern, wegen der Beschuldigung eines verbotenen Umgangs mit einem Bischof von Freising; in der Regel aber machten nur Geistliche davon Gebrauch. In der Folge ist sie als strafbarer Missbrauch dieses Sacraments beseitigt worden, doch hat sich die Erinnerung an diese Art von Unschuldsprobe noch in der Beteurungsformel »ich will das Abendmahl darauf nehmen« bis auf unsere Zeiten erhalten.

6) Eine andere Art der Odalien, welche für untrüglich gehalten wurde, um bei einer geschehenen Mordtat den unbekannten Täter zu entdecken, oder die Unschuldigen vom Verdacht zu befreien, war das Bahrrecht (jus cruentationis). Wenn nämlich eine Mordtat verübt worden war, der Täter aber nicht ermittelt werden konnte, und auf mehrere der Verdacht fiel, so wurde der entblösste Körper des Ermordeten auf eine Bahre gelegt, und nun mussten sich alle, die man im Verdacht hatte, der Leiche nähern und sie berühren. Derjenige, bei dessen Berührung der tote Körper anfing zu bluten, wurde für den Täter gehalten Schon die Nibelungen (V. 984-986) und das Gedicht Iwain (V. 1355-1364) tun des Bahrrechts Erwähnung. In Shakespeare Richard III. (Act. I. Sc. 2) lautet es:
O Gentlemen, see, see! dead Henrys wounds!
open their congeald mouths and bleed asresh.
Ueber das Vorkommen des Bahrrechts in Schottland hat Walter Scott im Minstrelsy (Vol. II. p. 52-55 der zweiten Ausgabe und p. 419-422 der vierten Ausgabe) merkwürdige Zeugnisse angeführt. In der Schweiz war es gleichfalls im Gebrauch (Anselms Berner Chronik zum Jahre 1503.)
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Ein Schriftsteller des 17. Jahrhunderts schreibt davon folgendes: »Bahrrecht wird es genannt, weil die verdächtigen Personen an die Bahr, auf welcher der Tote liegt, geführt, und dabei ihres Verdachts und der Missetat ernstlich erinnert werden. Und müssen die herzugebrachten verdächtigen Personen ihre Finger auf den Nabel, auch auf die Wunden des Entleibten legen, und gewisse Worte nachsprechen: zu versuchen, ob man, so die berührte Wunde bebt oder blutet, den rechten Täter mittelst solcher wunderbaren Anzeige offenbar machen könne.«

Eine besondere Art des Bahrrechts war das Scheingehen. Wenn einer des Mordes beschuldigt war, wurde er zu der aufgehobenen Hand des Ermordeten geführt, welche, wenn er schuldig war, anfangen sollte zu bluten. Dieses Scheingehen war in Bremen, Itzehoe und der Umgegend gebräuchlich Noch im 17. Jahrhundert ist das Bahrrecht sogar durch ausdrückliche Gesetze in einigen Gegenden Deutschlands vorgeschrieben worden. In einer Hessen-Darmstädtischen Landesordnung vom Jahre 1639 heisst es:
»Da auch ein Thäter ungewiss, doch gewisse Personen des Todschlags halber berüchtigt und verdächtigt wären, soll man derselben sich bemächtigen, sie zu dem Entleibten führen und denselben gewöhnlichermassen anrühren lassen.«
Wie weit man bei dem Gebrauch dieser Probe gegangen ist, zeigt folgendes Beispiel: An die Juristenfacultät in Tübingen wurden um die Mitte des 17. Jahrhunderts Kriminalakten eingeschickt, in welchen folgende Stelle enthalten war:
»Nachdem auf fleissige Inquisition sich der Thäter nicht angeben wollen, ist man verursacht worden, ein Bahr-Recht anzustellen, bei solchem hat Niklas und Baltas kein Zeichen an dem Körper, welcher allbereits 36 Stunden ermordet gewesen, und theils in einem Gewölbe, theils etliche Stunden vor dem actu unter freiem Himmel bei ziemlich kaltem Wetter, mit aufgedeckter Brust und Bauch gelegen, erweisen wollen, und seynd beide auf ihrer ersten Aussage satis confidenter verharret.«
»Es haben vier auf den Entleibten gewartet, da der Entleibte mit einer Hellenparth kommen, seynd obvermelte zween hinweg geloffen.«
»Auf Vorführung des Jörgen hat der Körper aus dem Munde blutigen Schaum geben.«
»Dieser ist praesens geblieben, da der Occisus gestochen worden, hat aber nicht Hand angelegt.«
»Nach dessen Ab- und Vorführung Clausen, des Wächters (welcher rationi officii und auff fordern zugeloffen, auch Friede machen wollen, und dem Entleibten seinen Hellenpart genommen) hat gedachter Körper aus den Wunden Blut gegossen, und solche (welche über das Herz gewesen) nicht anders gebebt, als wenn das Herz noch lebte.«
»Dessen ungeachtet hat gedachter Wächter die ihm angehaltene formulam juris jurandi dreimal geleistet: Er hat 1) zween Finger auf des Entleibten Mund, 2) auf den Stich, und 3) auf den Nabel gelegt, auch dem Pfarrer, so ihm seines Gewissens erinnert, nachsprechen müssen, die That aber nicht bekennen wollen.«
»In Gegenwart Lorenzen, mit welchem der Entleibte, da er den Stich bekommen, zu thun gehabt, und gerungen, hat der Körper blutigen Schaum aus dem Mund abermal gegeben, sowohl auch etwas Bluts aus den Wunden.«
»Folgendes Tages hat der Wächter sich selbst als Thäter angegeben.«
»Ex hoc apparet, vulnus, corpusque mortui gradus culpae observasse.«
»Da der Jörg praesens gewest, ist recht natürlich roth Blut aus dem Munde geschäumt.«
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»Dieser war fast der Anfänger des Händels. Ergo hat der Mund ex rancore geschäumt, sed non vulnus, weil er nicht der Thäter.«
»Da der Wächter gegenwärtig, hat sich beim Mund nichts erzeugt. Da er aber die zween Finger auf die Wunden gelegt, ist recht natürlich Blut daraus über die Seiten geloffen, dass der Chirurgus solches wegwischen müssen. Da er zween Finger auf den Nabel gethan, hat die Wunde wieder ebbulirt aufgejorren und gezuckt, gleichwie die Pulsadern schlagen.«
»Der Lorenz hat mit dem Occiso gerungen, im Naehsprechen ist dem Todten blutiger Schaum zum Maul ausgeloffen, als er auf die Wunde die Finger gelegt, hat die Wunde wieder gezuckt und sich geregt. Da Lorenz abgeschieden, hat sie nicht mehr gezuckt. (Chrph. Besold Thesaur. practic. p. 83.)«
Samuel Stryck führt in seinem Tractus de jure sensuum diss. VII. de tactu folgenden Fall aus Pommern an. Im Jahre 1669 wurden von dort Akten, welche einen Kindermord betrafen, an die Juristenfakultät zu Frankfurt an der Oder geschickt. Nach denselben war es Anfangs zweifelhaft, ob die Mutter oder Grossmutter den Mord begangen. Man führte beide zum Körper des Kindes, der schon einige Tage in der Erde gelegen hatte Als ihn die Mutter berührte, wobei sie die Worte aussprechen musste: »Habe ich Schuld an deinem Tode, so gebe Gott ein Zeichen an dir,« so geschah kein Zeichen, als aber hierauf die Grossmutter den Körper, mit Hersagung derselben Worte berührte, war das Gesicht sogleich rot überzogen, und aus den Augenwinkeln kam Blut, worauf sie sogleich die Schuld bekannte.
Mehrere Rechtsgelehrte des 17. Jahrhunderts meinten in ihren Schriften, das Bahrrecht sei deswegen, nachdem, schon alle andern Gottesgerichte abgeschafft gewesen, beibehalten worden, weil viele Beispiele beweisen, dass Gottes Hand hier deutlicher als bei den andern zu spüren sei. (Schottel v. Baarr. § 8. Hippolyt Marsilius in praxi crim. dilegenter Nr. 181.) Noch im vorigen Jahrhundert empfehlen mehrere Juristen diesen Brauch. Kayser, in seiner Anweisung zum Inquisitionsprozesse (Altenb. 1710 S. 146.) sagt: »Welche Gerichte das Bahrrecht exerciren wollen, dieselben mögen sich nur in Acht nehmen, dass der todte Körper zur selben Zeit nicht gerührt, nicht gewendet werde, sondern wenn er eine gute Zeit still gelegen, erkaltet, und also nicht zu vermuten, dass er natürlicher Weise mehr bluten können, alsdann kann die verdächtige Person zum Anrühren angehalten werden. Was sich hier ereignet, muss sorgfältig registrirt, der Verdächtige zur Haft gebracht, umständlich examinirt, ferner Erkundigung eingezogen und die Akten hernach zum Verspruch des Rechtens verschickt werden.«
Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Bahrrecht, meist stillschweigend, durch den Nichtgebrauch in Deutschland, wo es am gewöhnlichsten gewesen, aufgehoben.

»Eine schon bei den alten Germanen übliche Art von Fehde,« schreibt Otto Henne am Rhyn in seiner »Geschichte des Rittertums« S. 126 etc., war der Zweikampf, der aber im fränkischen Reich der Merowinger in den Rechtsgang Aufnahme fand und zum Gottesurteil (Ordal) wurde. Als solches ging er auch in das deutsche Reich über. Sogar auf Reichstagen wurde er zur Entscheidung von Rechtsfragen angewandt. So liess Otto der Grosse 938 zu Steele zwischen einer Partei, welche den Enkeln, deren Väter gestorben, das Erbe der Grossväter bestritt, und einer andern, welche es ihnen zuwenden wollte, die Waffen entscheiden, und die Sache der Enkel siegte, so dass ihre Oheime fortan mit ihnen teilen mussten. Derselbe Kaiser liess 967 durch den Reichstag in Verona auch für Italien den Zweikampf an Stelle des Eides einführen. So verfuhren auch seine Nachfolger.

In der Ritterzeit wurde der Zweikampf als das vorherrschende Ordal, ja das einzige eines Ritters würdige betrachtet. Ehe man jedoch zu den Waffen schritt, versuchte man den friedlichen Weg vor dem Richter. Konnte der Kläger seine Sache nicht durch den Eid als gerechte erweisen, so wurde der Zweikampf angeordnet, der den Sinn hatte, dass der Beklagte seine Unschuld durch ein Gottesurteil zu beweisen suchte. Nach einigen Angaben warf der Kläger seinen Handschuh als Herausforderung hin und der Beklagte hob ihn auf; nach andern überreichte der Beklagte den Handschuh zum Pfand seines Erscheinens am bestimmten Tage. Ueberdies hatten beide Parteien Bürgen (parrains) zu stellen, die für ihr Erscheinen einzutreten und im Falle ihres Ausbleibens an ihrer Stelle zu büssen hatten. In Frankreich wurden beide Gegner bis zum festgesetzten Tage im herrschaftlichen Gefängnis festgehalten. Kam dieser Tag, so schwuren sie, vollständig gewaffnet, vor dem Richter auf das Crucifix und das Evangelium, oder auf Reliquien, jeder, dass seine Sache gerecht und die des andern falsch sei, und dass er – kein Zaubermittel (!) bei sich trage. Dann wurde alles zum Kampf vorbereitet.

In der Regel fand ein gerichtlicher Zweikampf nur auf die Anklage wegen todeswürdiger Verbrechen statt, und zwar wenn ein solches nicht bewiesen werden konnte, aber doch Verdachtsgründe dafür vorlagen. Leute unter 21 und über 60 Jahren, Geistliche und Frauen konnten sich durch einen Kämpen (Champion) vertreten lassen. Verschiedenheit des Standes schloss den Kampf nicht aus. Aber der Ritter, der einen Hörigen anklagte, musste wie ein Höriger kämpfen, mit Stock, Schild und in Lederkleidung. Klagte hingegen ein Höriger gegen einen Ritter, so kämpfte dieser als Ritter, in Rüstung und zu Pferd. Knappen kämpften zu Fuss mit Schwert und Schild, Bauern und Hörige mit Messer und Stock.

Der Kampfplatz wurde mit festen Schranken umgeben, um die Zuschauer vor Einmischung oder Störung abzuhalten. Für die Kampfrichter wurden Schaubühnen errichtet, auf denen auch die vornehmen oder beteiligten Zuschauer Platz fanden, und eine Wache wurde aufgestellt, welche die Parteien in Schranken hielt; für Aufrechterhaltung der Ordnung sorgten die Griesswarte.

Zwischen den Kämpfern wurde Sonne und Wind gleich geteilt. Die für den Beginn des Kampfes festgesetzte Stunde, war die des Sonnenaufgangs, und auf säumige Kämpfer wartete man bis Mittag oder spätestens bis 3 Uhr Nachmittags. Kam dann der eine noch nicht, so wurde er verurteilt. Nach dem Sachsenspiegel sollten die Kämpfer nur leicht gekleidet sein und nur ein Schwert und einen Schild dessen Buckel allein von Eisen sei, tragen. Dies wurde aber von den Rittern nicht beobachtet, welche vielmehr in voller Rüstung zu Pferde kämpften. Ein Ausweichen oder Fliehen war durch die Schranken verhindert und wenn der eine Kämpfer abgeworfen wurde, so stieg auch der andere ab, und sie kämpften zu Fuss weiter mit den Schwertern, und zwar so lange, bis einer zu Boden fiel, den dann der Sieger zur Ergebung, und wenn es der Beklagte war, zum Schuldgeständnis aufforderte. Er konnte ihn auch sofort töten.

Frauen hatten indessen das Recht, selbst den gerichtlichen Zweikampf zu bestehen. Dabei war vorgeschrieben, dass ihr Gegner bis zur Mitte des Leibes in einer Grube stehen und sich nur eines Stockes oder Kolbens bedienen durfte. Die Frau aber hatte einen Stein in einem Riemen oder in ihren Schleier gebunden, womit sie kämpfte und den Gegner zu umschlingen suchte.

Den Unterliegenden traf, wenn er am Leben blieb, die Todesstrafe, die auf das Verbrechen gesetzt war, dessen er angeklagt wurde oder den Gegner angeklagt hatte. War aber der Beklagte auf der dritten Ladung nicht erschienen, so stach der Kläger zweimal gegen den Wind, was als Sieg galt und die Verurteilung des Gegners zu Folge hatte. Seit dem Landfrieden von 1156 hatten zum gerichtlichen Zweikampfe nur noch die Nachkommen von Edeln ein Recht.

Stets war die Geistlichkeit gegen den Zweikampf als einen heidnischen Brauch und zog die Ordalien des kalten und heissen Wassers oder des glühenden Eisens vor. Zwar verboten Kaiser, wie Friedrich II., und Päpste, wie Innocenz III. (1215) alle Ordale, aber ohne Erfolg.

Es kamen auch gerichtliche Kämpfe von mehr als zwei Personen, kleine Treffen von gleichviel Kämpfern auf beiden Seiten vor, so 1351 in Ploërmel von 30 Bretonen gegen 30 Engländer, und 1499 bei Trani von elf Franzosen, unter ihnen der berühmte Bayard, gegen elf Spanier. Das waren aber seltene Ausnahmen. Seit dem 16. Jahrhundert kam der Zweikampf als Rechtsmittel ausser Uebung und wurde zur sogenannten Privatehrensache.« Welche alte Einrichtung der Zweikampf ist, der immerhin als Gottesurteil aufzufassen ist, ersehen wir häufig aus der Geschichte und es sei hier nur an den Kampf zwischen David und Goliath erinnert.

Im »Sachsenspiegel«, dem im dreizehnten Jahrhundert von Eike von Repkau verfassten sächsischen Rechtsbuch, lauten die auf den Zweikampf sich beziehenden Stellen in der von Ludovici gegebenen hochdeutschen Uebertragung wie folgt:

Der neun und dreyssigste Artickel.

Die ihr Recht mit Dieberey, oder mit Raub, verloren haben, ob man sie Dieberey oder Raubes anderweit beschuldiget, sie mögen mit ihrem Eyde nicht unschuldig werden, sondern sie sollen haben dreyerley Wahl: Das heisse Eisen zu tragen vor ihre Unschuld: oder aber in einen wallenden Kessel zu greiffen, bis an den Ellenbogen, oder mit kämpffen sich erwähren.

Der drej und sechtzigste Artickel.

Wer will Kämpfflichen ansprechen (d. i. zum Zweikampf fordern) einen seiner Genossen der muss den Richter bitten, ob er sich unterwinden möge eins seines Friedbrechers zu Recht, den er da sehe: Wann ihm das Urtheil getheilt wird, dass er es thun möge, so frage er, wie er sich sein unterwinden sol, dass es ihm hülfflichen sey zu seinem Rechten? So findet man nun zu Recht gezogen bey dem Häuptgerhete (d. i. die Oeffnung im Kleide durch die der Kopf gesteckt wird). Wann er sich nun sein unterwunden hat, und mit Urtheil wieder von sich gelassen, so sol er ihm verkündigen, warumb er sich sein unterwunden habe. Das mag er zur Hand thun, ob er will, oder ein Gespräch darumb nehmen. So mag er ihn dann beschuldigen, dass er den Fried an ihm gebrochen habe, entweder auf des Königes Strassen, oder in dem Dorff, und soll sagen, zu welcher weise er den Fried an ihm gebrochen hab. Und zu derselbigen Weise klag er auch auf ihn. So beschuldige er ihn dann aber dass er ihn gewundet, und Noth an ihm gethan habe, die er wol beweisen mög. Darum so weise er die Wunden oder die Narben, ob sie heil sind. So klag er dann fort, dass er ihn beraubet hab seines Guts, und ihm das genommen, also dass es nicht ungetreulicher möcht geschehen sein oder böser, und es sey wohl Kampffes werth. Diese drey Ungericht soll er zugleich klagen. Verschweiget er der eins, so hat er den Kampff verlohren, so spreche er dann fort: da sahe ich selber ihn selbst, und beschrey ihn mit dem Gerüfft: will er bekennen, das ist mir lieb, bekennt er das aber nicht, ich will es ihn bereden mit allem Rechten das mir das Land-Volck ertheilet, oder die Schöppen, ob es unter Königes Bann ist. So bitte jener dann die Gewehr, die soll man ihm thun. Doch mag der Mann seine Klage wohl bessern für der Gewehr. Wann dann die Gewehr gethan ist, so biete jener seine Unschuld, das ist. seinen Eyd, und ein rechten Kampff, dadurch scheinbar werden soll, ob er ihn zu Recht gegrüst habe, ob er es anders derbe ist, ob er es kämpfflichen vor lemde seines Leibes vollbringen kan. Ein ieglich Mann mag Kampfes wegern dem, der nicht als wohl geboren ist, als er. Wann er aber bass geboren ist, so kann ihn der weniger gebohrne nicht verwerffen umb der bessern Geburt willen, ob er ihn anspricht. Kampffes mag auch ein Mann wegern, ob man ihn nach Mittag darum anspricht oder grüsset: es war dann ihr beyder Will und Gunst darbey. Der Richter soll auch pflegen eines Schildes und eines Schwerds dem, den man da beschuldiget, ob er es bedarff. Kampfes mag auch ein Mann seinem gebohrnen Freund wiedern, ob sie nahe Freunde sind, und er das gewähren kan auf den Heiligen selb siebend, dass sie so nahe Freund sind, dass sie durch Recht nicht zusammen fechten sollen. Der Richter soll zween beystender geben, ihrem ieglichen einem die da fechten solle, die da sehen, dass sie angelegt werden nach rechter Gewohnheit. Leder und leine Ding mögen sie wohl anthun, als viel als sie wollen. Haupt und Füsse sollen ihn fornen blos seyn, und an den Händen sollen sie nicht mehr haben, dann dünne Händschuh, ein bloss Schwert in der Hand, und eines oder zwey umbgegürt (das stehet dann an ihr beyder willkör) einen runden Schild in der andern Hand, da nichts denn Holtz und Leder an sey, die Bockeln aber mögen wol eisern seyn: ein Rock ohne Ermeln über den Harnisch. Fried soll man den Volck gebiethen bey dem Hals, dass sie niemand irre an ihren Kampff. Ihrem ieglichen soll der Richter einen Mann geben, der seinen Baum oder Scheidstangen trage, der soll sie nicht irren. Wenn aber einer felt, dass er den Baum unterwerffe, oder ob er auch gewundet wird, oder des Baumes oder Stangen begeret: dasselbige mag er aber nicht thun, er habe dann Urlaub von dem Richter: nach dem dann dem Volck Friede geboten worden, sollen sie des Ringes zu Recht begeren: den soll ihn der Richter erlauben, die eisern Ortband sollen sie von den Schwerdscheiden brechen, sie habens dann Urlaub von dem Richter. Vor dem Richter sollen sie auch beyde angeleget gehen, und schweren: der ein, dass die Schuld wahr sey, da er jenen umb beklagt habe: und der ander, dass er unschuldig sey: dass ihn GOtt so helff zu ihrem Kampff. Die Sonne soll man ihn gleich theilen, als sie erst zusammen gehen. Wird der überwünden, auf den man geklagt hat, man richtet über ihn. Ficht er aber zu Siege, man lesst ihn mit Gewer und Busse ledig. Der Kläger soll von ersten in den Ring kommen. Ob aber der ander zu lang bliebe, der Richter soll ihn lassen vorheischen mit den Fronbothen in dem Hauss, da er sich anlegt, und soll zween Schöppen mit senden. Also soll er ihn auch laden zu dem andern mal, und zu dem dritten mal. Kommt er zu der dritten Ladung nicht vor, der Kläger soll aufstehen, und sich zum Kampff bieten, und schlag dann zween Schläge an seinen Schild, und thu einen Stich gegen der Sonnen. Damit hat er jenen überwunden solche Klagen, als er ihn angesprochen hat. Und der Richter soll über ihn richten, als ob er ihn überwunden hätt mit Kampff.

Der vier und sechtzigste Artickel.

Also soll man auch überwinden Das Recht, so hie stehet, ist durch das neue Recht verändert worden, welches Käyser Otto gesetzt hat, nemlich, dass man einen missthätigen Mann soll mit Gezeugen überwinden, ut infr. art. 66. in text. & glos. Der Ritter, selb dritte: der Bürger, selb fünffte: der Bauer, selb siebende. Also ward es darnach auch gewillkört in der Marck. Nun möchtestu fragen, nachdem dann dieses gewillkört ist, ut supr. eod. art. prox. in glos. num. 5. stehet dann gemeldtes auch noch, oder nicht? etliche sagen nein, Dann eines Landes Willkör, welche in eine Gewohnheit gebracht wird, verdruckt ein Recht und ist zu halten für ein Recht. Ich sage dir aber, dass dieses Artickels Recht und Satzung noch heutiges Tages stehet. Und hindert es disfalls die Willkör nicht. Dann die Willkör vermochte sonst, dass man einen solchen missthätigen Mann, der in die vier Ende des Landes erwiesen war, mit Gezeugen überwinden mochte, ob ihn niemand in derselben Weise retten mochte. Dann da ihn jemand also errettete, mochte man ihn also nicht überwinden. Darumb ist die Willkör hierwieder nicht. Dann dieser Todte möchte vielleicht noch nicht überwunden, oder ein verweist Mann gewesen seyn, darumb man ihn noch überwinden müste, als hie stehet. Dann man soll keine Unthat in gemein glauben, sie werde dann vorhin genugsam erwiesen. Dass auch diese Willkör nicht wieder dis Recht aufkommen sei, kannst du darbey mercken, dass man den beklagten Mann verteidigen möchte, dergestalt, als er würde angesprochen. Und würde dann der Todte also der Auflage entschuldiget, so liess man ihn ledig, und verteilt zu Hand den Kläger als einen Mörder. Dann wer einen Todten, oder sonst einen, als einen Mörder gewundet oder getödtet vor Gericht bringet, so er seine Klage auf ihn nicht mag erweisen, ist er selber der geziegenen Gewalt und Mords überwunden, als hienieden stehet art. 69. Geschehe es dann, dass die, welche den Todten die Klage entnehmen, damit dem Kläger seinen Leib abgewonnen, so geschehe ja das wider der Sachssen Recht welches lehret, dass ein jeglicher Mann seinen Leib, sein Gesundheit, und sein Gut, näher sey, zu allen ut art. prox. in gloss. fin. & ar 47. in gloss. fin. supr. & infr. 2 art. 36. Und hiewiederumb wär auch das, dass der Kläger vielleicht diesen hat aus Hass gemordet. So er dann die Unthat darnach auf ihn mit seinem Eyde erhalten möchte, könte er damit den Todten, weil er sich der Auflage nicht entreden möchte, überreden, da er doch in der Wahrheit gar unschuldig war. Welches aber nicht sein soll. Hierauf antwortete: Wir sagen hie, dass allein auf den Fall ob keine Beweisung der geschehenen Verfestung verhanden ist, dass man alsdann zu Recht darumb fechten mögen, ut infr. lib. 3 art. 88. in text. Wär es aber nicht, so möchten sieben Männer der That halben schweren, auf welcher Seiten dieselben wären, einer wieder den andern, an welches Leib es auch gieng. Dann unter zweyen Bösen, ist allezeit das wenigste böss, als in diesem Fall der Kampff ist, zu erwählen. Und also möchten sie ihr Recht durch den Kampff auff GOtt stellen. Nun möchtestu über das vielleicht also sprechen: Wie dann, bewiese es die That nicht, ob er ihm auf den Hals zum Warzeichen ichts gebunden hätt, da er ihn tödtet? Sage, zu Recht hillft solches nichts. Dann hat er ihnen können tödten, so ist er auch sein also mächtig gewesen, dass er ihm auf den Hals hat binden mögen, was er gewolt hat. Gloss. einen todten Mann, ob man ihn an Dieberey oder an solcher That erschlagen hätt. Mag man aber den Todten mit siebener Mann Gezeugnisse überwinden, so darff man sich zu Kampff nicht darum erbieten. Beut aber einer des Todten Freund, wer er sey, ihn zu vertreten mit Kampff umb solche Ansprach des Raubes oder Dieberey, der verlegt alle Gezeugniss. Dann so mag man den Todten ohne Kampff mit Beweisung nicht überwinden, er sey dann der That halben vorhin geechtiget.

Der fünff und sechtzigste Artickel.

Als hievor gesagt ist, überwindt man auch den, der zu Kampff gefangen, und darumb angesprochen ist, und gelobt oder Bürgen setzt fürzukommen, und nicht fürkömmt zu rechter Tag-Dingen. Wer sein Leib oder Hand lediget mit Gelde, die ihm zu recht vertheilet sind, der wird rechtlos. Wer auch borget einen Mann umb Ungericht fürzubringen, ob er ihn nicht fürbringen mag, er muss sein Wehr-Geld geben, und schadet dem zu seinem Rechten nicht, der ihn geborget hat. Wehr-Geld giebt man über zwölff Wochen von der Zeit, als es gewunnen wird. Alle Schuld mag man wol gelten, dem man sie gelten soll, also, dass man sie gelte an der Statt, da sie jener, dem man sie gelten sol, unbekümmert von dannen bringen mög. Des soll er aber Gezeugen haben, ob er es bedarff, an zweyen Mannen, die das sahen, dass er ihn bezalt, oder mit Pfennigen, die geng und gebe waren, und es jener wieder mit Unrecht zu nehmen.

Der neun und sechtzigste Artickel.

Wer auch einen tödtet, oder einen gewundten Mann gefangen vor Gericht bringet, und ihn zu einem Friedbrecher machen wil, mit Kampff oder ohne Kampff, überwindet er ihn nicht, man soll über ihn selbst richten nach Friedbrechers Recht.

Johannes Scherr schreibt in seiner »Kultur- und Sittengeschichte« III. Auflage Seite 182 etc.:

»Die Gottesurteile hatte die mittelalterliche Strafjustiz aus den germanischen Wäldern überkommen. Der Volksglaube hielt an den Ordalien so hartnäckig fest, dass die Kirche, eine anderweitig befolgte Politik auch hier befolgend, für das Klügste erachtete, die heidnische Natur der Sache hinter christlichen Formen zu verbergen. Durch kirchliche Bräuche sanktionierte sie also die Gottesurteile, deren eine Art, der Zweikampf, in unserem Duell noch heute fortbesteht. Ausserdem ergaben die Proben mit Feuer oder Wasser und andere das Gottesurteil. Bei der Feuerprobe hatte der oder die Beweisende gewöhnlich ein glühendes Eisen mit blossen Händen zu tragen oder mit blossen Füssen zu beschreiten. Ersteres war noch um 1445 im Rheingau üblich. Das Verbranntwerden oder Nichtverbranntwerden von Hand oder Fuss ergab Schuld oder Nichtschuld. Da und dort musste der oder die Angeschuldigte im blossen Hemde durch einen brennenden Holzstoss gehen. Sagenhafte Berichte sprechen sogar von Wachshemden. So erzählt die »Kaiserchronik« von der Feuerprobe, welcher Karls des Dicken Gemahlin, Richardis, unterworfen wurde: »Sie slouf in ein hemede, daz darzuo gemachet was; in allen vier enden ze vuozen und zu henden daz hemede sie intzunten; in einer lützelen stunden daz hemede gar von ir bran, daz wahs an daz pflaster ran, der vrowen arges nine was, – sie sprachen deo gratias.« Fand die Wasserprobe statt, so musste der Angeklagte aus einem zum Sieden gebrachten Kessel mit blosser Hand einen Stein oder Ring herauslangen. Oder auch der Angeklagte wurde nackt ins kalte Wasser geworfen. Blieb er oben schwimmen, so war er schuldig, sank er unter, nichtschuldig, – was wohl aus der heidnisch-religiösen Vorstellung herzuleiten ist, das reine Element nähme kein Unreines, keine Missethäter, in sich auf. Diesem Ordale wurden namentlich Hexen, noch im 16. und 17. Jahrhundert, so häufig unterworfen, dass dasselbe hievon den Namen der Hexenprobe erhielt. Bei der Kreuzprobe hatten Kläger und Angeklagter regungslos und mit erhobenen Armen an einem Kreuze zu stehen. Wer zuerst die Hände rührte, die Arme sinken liess oder zu Boden sank, hatte verloren. Das Ordale des geweihten Bissens (judicium offae) bestand darin, dass dem Verdächtigen ein Schnitt geweihten Brotes oder Käse in den Mund gesteckt wurde. Konnte er ihn leicht zerbeissen und essen, galt der Mann für nichtschuldig. Beim Bahrgericht endlich musste der des Mordes Verdächtige dem auf der Bahre liegenden Ermordeten sich nähern und dessen Wundmale berühren. Fingen diese wieder an zu bluten, so lag darin der Beweis der Schuld. »Swa man den mortmeilen bi dem toten sihet, so bluotent im die wunden« – heisst es im 17. Abenteuer des Nibelungenliedes und der ganze Auftritt ist dort ergreifend geschildert. Ein höchst merkwürdiges Beispiel von Anwendung der Bahrprobe noch in späterer Zeit fand ich in der (i. J. 1861 zum ersten Mal gedruckten) Schweizerchronik des Luzerners Diebold Schilling (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Berner). Der Bauer Hans Spiess von Ettiswyl hatte seine Frau erwürgt. Es entstand Verdacht. Die Todte ward ausgegraben und der verdächtige Mann der Bahrprobe unterzogen. Splitternackt und am ganzen Leibe geschoren, musste er zwei Finger seiner Rechten auf die rechte Brust der Ermordeten legen und so seine Unschuld beschwören. Aber der Leichnam fing stark zu bluten an und der Mörder bekannte seine That. Uebrigens liegen uns ausreichende Zeugnisse vor, dass schon frühzeitig List und Trug bei den Gottesurteilen mit im Spiele waren. Die Geistlichen auf der einen, die Büttel auf der andern Seite konnten dabei Vieles machen. Höchst anmutig beschreibt Gottfried von Strassburg im Tristan, wie die blondgehaarte Isolde mittels einer allerliebsten Weiberlist das Ordale paralysierte. Wenn Gottfried noch hinzufügt: »Da wart wol goffenbäret und al der werlt bewäret, daz der vil tugenthafte Krist wintschaffen als ein ermel ist« – so zeigt dieser herbe Spott, wie schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts erleuchtete Geister von dem Institut der Ordalien dachten.

Schon frühe fing man an, übelberüchtigte Personen statt einem Gottesurteil der Folter zu unterwerfen, und aus diesen Anfängen entwickelte sich jene scheussliche Marterkunst, welche mit dem im 16. Jahrhundert bewerkstelligten Uebergang des Anklageprozesses in den inquisitorischen Schritt für Schritt zum Empörendsten fortging.

Pierre Dufour weiss uns in seiner »Histoire de la Prostitution,« deutsche Ausgabe »Geschichte der Prostitution,« Berlin, Verlag J. Gnadenfeld & Co., III. Band, Seite 111 und 112 folgendes von Ordalien unter den Karolingern zu erzählen: »Jedermann hatte das Recht eine Frau der Prostitution, des Ehebruchs oder eines anderen Vergehens anzuklagen. Der Richter nahm die Klage an und gab ihr Folge; aber die Rolle des Anklägers konnte einige Unannehmlichkeiten zur Folge haben, die es ratsam erscheinen liessen, nur sehr vorsichtig vorzugehen. Der Ankläger musste nämlich seine Behauptung beweisen, entweder durch einen Zeugenbeweis, oder durch die Probe mit kochendem Wasser, oder mit heissem Eisen, oder endlich durch den Zweikampf. Die angeklagte Frau liess sich dabei von einem Ritter vertreten. Am ungefährlichsten war noch die sogenannte Kreuzesprobe, bei der es weniger auf den Zufall als auf die körperliche Kraft ankam: derjenige der beiden Gegner, der am längsten in der Haltung des gekreuzigten Jesu aushalten konnte, gewann den Rechtshandel, der andere musste Strafe bezahlen und die Busse auf sich nehmen, die auf dem behaupteten Vergehen stand. Fand die angeklagte Frau keinen Vertreter, der sich an ihrer Statt den Proben aussetzen wollte, so musste sie sich selbst, ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht und ihre Schwäche, ihnen unterziehen. Bei der Kreuzprobe kam es sehr häufig vor, dass die Frau, obgleich sie in der Regel schwächer war, den Sieg davon trug. Mit Vorliebe wurde die Kreuzesprobe auch angewendet, wenn eine Frau behauptete, ihr Gatte erfülle seine ehelichen Pflichten nicht, während er es bestritt. (Si qua mulier proclamaverit quod vir suus numquam cum ea coisset, exeant inde ad crucem, et si verum fuit, separentur). Häufig nahm eine des unsittlichen Lebenswandels angeklagte Frau lieber die harten Strafen auf sich, als dass sie die Proben über sich ergehen liess.

Eins der bemerkenswerten Beispiele dieser Proben fand gegen das Jahr 858 bei Gelegenheit der Ehescheidung Lothars, des Königs von Lothringen statt. Dieser Fürst, der zweite Sohn des Kaisers Lothar, hatte vor seiner Heirat mit Theutberge, ein junges Mädchen Namens Waltraute geliebt; als diese ihm einen Sohn geboren hatte, wünschte er seine legitime Ehe aufzulösen. Es fanden sich Zeugen, welche Theutberge des unerlaubten Verkehrs mit ihrem Bruder Hugbert beschuldigten und sich nicht scheuten, darüber ganz genaue Einzelheiten zu verbreiten. (Fratrem suum Hucbertum sodimitico scelere sibi commixtum). Theutberge wählte darauf einen Ritter, der sich an ihrer Stelle der Probe des heissen Wassers unterzog. Die Probe bestand darin, dass ein Stein in einen Kessel mit kochendem Wasser gelegt wurde; der Ritter griff mit dem entblössten Arme in das Wasser hinein und holte den Stein heraus. Sein Arm wurde sofort mit einem Sack umhüllt, auf den der Richter sein Siegel klebte; nach Verlauf von drei Tagen öffnete man den Sack und da der Arm unverletzt gefunden wurde, so ward dadurch die Unschuld Theutbergens gewiesen.«

Noch vieles liesse sich über die Anwendung der Ordalien anführen, doch dürfte das bisher Vorgebrachte für unsere Zwecke genügen. Noch viele andere Seltsamkeiten aus der Rechtspflege des Mittelalters und auch der späteren Zeit könnten vorgebracht werden, Mitteilungen voll Schrecken und Entsetzen, aber auch Mitteilungen wieder, die ein heiteres Lächeln auf den Lippen erstehen lassen. Von ersteren können wir an dieser Stelle ganz absehen, zumal dergleichen im weiteren Verlauf unserer Darstellung nur zu oft vorgebracht werden muss. Von letzteren seien hier nur die das frühere Rechtswesen auch kennzeichnenden Kriminalprozesse gegen Tiere als heitere Abwechslung erwähnt.

Im Jahre 1266 wurde zu Fontenay aux Roses, Frankreich, auf richterlichen Befehl ein Schwein lebendig verbrannt, weil es ein Kind gefressen hatte. Im Jahre 1386 wieder wurde zu Falaise ein Schwein, das ein Kind verletzt hatte, verurteilt, dass ihm vor dem Rathause Fuss und Kopf abgeschlagen werde. Dabei wurden dem Tiere vorher Kleider angezogen. Drei Jahre später wurde zu Dijon ein Pferd, das den Tod seines Herrn verursacht hatte, zur Enthauptung verurteilt. Chasseneux, Präsident des Parlaments der Provence, veröffentlichte 1531 ein Werk, in dem dieser hohe Justizbeamte die Frage aufwarf, ob Tiere vor das Strafgericht gezogen werden können und diese Frage bejaht. Er führt unter anderem einen Prozess gegen die Maikäfer von Beaume an, die gerichtliche Verfolgung der Schnecken zu Autin im Jahre 1487, zu Lyon 1500. Im Jahre 1488 wurde zu Autin auch den Ratten ein Prozess gemacht, wobei der genannte Verfasser die Verteidigung der Angeschuldigten übernahm. Nach geschehener formeller Vorladung der »Verbrecher« versuchte deren Anwalt wiederholt mit Erfolg den Termin zu verschieben. Zuerst machte er den Einwand, dass eine einzelne Vorladung nicht genüge, weil seine Klienten zahlreich wären und in den Dörfern umher zerstreut lebten. Der Einwand wurde anerkannt und die Vorladung in allen zugehörigen Orten öffentlich verkündet. Dann wieder brachte er den Einwand vor, dass die Ratten unmöglich kommen könnten, weil sie wüssten, dass ihre Feinde, die Katzen, auch von der Sache erfahren hätten, und ihnen nun auf allen Wegen und Stegen auflauerten. Als dieser Einwand nicht gelten gelassen wurde, appellierte er an die Menschlichkeit und Gerechtigkeit der Richter, ohne jedoch, wie es scheint, Gnade für seine Klienten gefunden zu haben. Das pariser Parlament verurteilte 1604 einen ihrer Ansicht nach verbrecherischen Esel zum Tode durch den Strang. Köstlich ist auch folgender Raupenprozess: Im Jahre 1699 herrschte in der Auvergne eine grosse Raupenplage. Die Bäume waren fast kahl und die Obsternte schien hoffnungslos. Da beschloss denn das hochweise Parlament der Auvergne, das den höchsten Gerichtshof der Provinz bildete, diese Schädlinge zu züchtigen. Es wurde ihnen ein Prozess wegen Beschädigung fremden Eigentums gemacht, sie wurden regelrecht vor Gericht geladen. Das freche Raupengezücht wollte aber nicht erscheinen, mit trotzigem Uebermut missachtete es den strengen Befehl. So wurde ihnen denn von Gerichtswegen ein Verteidiger gestellt, der sich auch die grösste Mühe gab, für seine Klienten einen Freispruch zu erlangen. Mit dem grössten Aufwand juristischen Wissens versuchte er darzulegen, dass die Bezichtigten trotz der Schädlichkeit ihrer Handlungsweise zu dieser laut Gesetzesparagraphen berechtigt waren und auch naturgemäss handelten. Wer ihn reden hörte, der hätte glauben können, dass die Bäume überhaupt nur der Raupen wegen grünen und blühen. Doch seine Beredsamkeit war vergeblich. Fast einstimmig wurden die Beschuldigten verurteilt, an einem festgesetzten Ort zur festgesetzten Zeit zu erscheinen, um sich vernichten zu lassen. Da geschah aber das Unerhörte, dass die frechen Tierchen dieses klare, bestimmte Urteil des hohen Gerichtshofes missachteten und zur Exekution nicht erschienen. Die Ausrede, dass sie hiervon keine Kenntnis erhielten, konnte nicht angenommen werden, denn es wurde klüglich Vorsorge getroffen, dass die weise Entscheidung auf Feld und Flur schriftlich verbreitet und auch verlesen wurde. Die meisten Bewohner waren entsetzt über diesen frevelhaften Widerstand; sie besprachen die Sache so eifrig, dass ihnen auch jetzt keine Zeit blieb, gegen die Raupen angriffsweise vorzugehen. Einige wenige aber hielten diesen Prozess für eine Lächerlichkeit, wurden aber dafür wegen Unterstützung der Widersetzlichkeit gegen die Behörde zu empfindlichen Freiheitsstrafen verurteilt. Von Rechtswegen!

Altdeutsche Gerichtsverhandlung.


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