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III. Kapitel.

Verstümmelnde Körperstrafen. – Abschneiden von Nase, Ohren und Brüsten. – Knochen-Zerschmettern. – Blendung. – Bastonnade. – Arabisches Gerichtsverfahren. – Chinesisches Gerichtsverfahren. – Japan. – Harikiri. – Tortur in China. – Indien. – Die schwarze Höhle.

Als Folterungen bei den Römern sind zumeist auch die verstümmelnden Körperstrafen zu betrachten, die gegen Sklaven und leichte Verbrecher zur Anwendung kamen, besonders aber bei den Christenverfolgungen angewandt wurden. Die meisten dieser Strafen finden wir bereits früher bei den orientalischen Völkern im Brauch, sowie sie dort auch heutzutage noch vorzukommen pflegen. Es lässt sich daher mit Gewissheit annehmen, dass sie bei den Römern nicht minder Überlieferungen aus dem hellen Osten waren, wie die Folter überhaupt. Fast überflüssig ist es zu bemerken, dass diese Körper-Verstümmlungen als Straf- oder Schreckmittel nicht mit dem alten Rom untergingen. Auch sie wurden der nachfolgenden Kulturepoche überliefert und wir finden sie in der europäischen Rechtspflege noch im achtzehnten Jahrhundert teilweise in Anwendung.

Am allgemeinsten war das Abschneiden von Ohren und Nase. Bei den alten Egyptern war das Abschneiden der Nase eine Strafe für Ehebrecherinnen und auch bei den Römern kam es an Ehebrechern zur Anwendung, zumeist allerdings als Rache des gekränkten Gatten. Julius Caesar wandte das Abschneiden von Nase und Ohren gegen seine sträflichen Krieger an, und dieses Disciplinarmittel scheint sich im römischen Heer erhalten zu haben, denn wir finden es selbst noch im oströmischen Reich, wo z. B. Kaiser Justinian dieselbe Strafe anwandte. Selbst die deutschen Krieger viel späterer Zeit mussten zuweilen nicht sehr grosse Vergehen mit Verlust eines dieser Körperteile büssen. Auch Sklaven konnten dermassen im alten Rom von ihrem ungnädigen Herren bestraft werden. Wahrscheinlich kam es mit andern Grausamkeiten bei den Christenverfolgungen zur Anwendung. Von dem Zähne-Ausbrechen gilt dies als zweifellos. Das Abhauen der Hand oder des Fusses oder auch beider dieser Gliedmassen, kam bei diesen Verfolgungen gleichfalls häufig vor, wie früher schon als Strafe gegen flüchtige Diebe und flüchtige Sklaven. Gegen Frauen wurde bei jenen Anlässen nicht selten das Abschneiden der Brüste angewandt, wie z. B. von der heiligen Martina erzählt wird. Diese Grausamkeit kam früher und auch später oft noch vor und die Stadt Wimpfen soll einem derartigen Vorfall ihren Namen verdanken, wie eine einstige Inschrift auf dem dortigen Rathaus bezeugte:

»Cornelia war diese Stadt
Vorzeiten genannt, ietzund so hat
Sie den Nahmen verwandelt, heist
Wimpfen, kömmt daher wie man weiss
Dass zur Zeit des Königs Attila
Die Hungarn sie zerschleiffet gar.
All Mannsbild sie tödten behend,
Die Weibsbilder erstlich all geschänd;
Hernach ihre Brust abgeschnitten
Darum die Stadt auf Teutsche Sitten
Weibs-Pein, ietzt Wimpfen, sonst gar fein
Mulierum poena zu Latein.«

Sehr üblich, und besonders als Privatstrafe gegen Sklaven, war das Knochen-Zerschmettern (Crurifragium), wobei den für schuldig Betrachteten mit einer Keule die Schenkelknochen entzwei geschlagen wurden. Etwas »milder« war das Lumbifragium, das nur eine Lähmung der Beine zufolge hatte, indem der Aermste lange mit Knütteln rückwärts geschlagen wurde. Das Crurifragium scheint auch bei der Kreuzigungsstrafe zur rascheren Herbeiführung des Todes Brauch gewesen zu sein, wie sich aus Evangelium Johannis 19, 31-33 ergiebt: »Die Juden aber, dieweil es der Rüsttag war, dass nicht die Leichname am Kreuz blieben den Sabbath über (denn desselbigen Sabbaths Tag war gross) baten sie Pilatum, dass ihre Beine gebrochen und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte und brachen dem ersten die Beine und dem andern, der mit ihm gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesu kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht.«

Häufig sehen wir die Blendung zur Anwendung gelangen, ein altes Straf- und Rachemittel – zuweilen auch Vorsichtsmittel – wie schon die Bibel lehrt, wo erzählt wird, dass Simson von den Philistern geblendet wurde. Bei den Griechen galt die Blendung als Strafe für einige Verbrechen, ebenso bei den Römern. Wie erzählt wird liess Pompejus einen Krieger blenden, der ein Weib unsittlich berührt hatte. Diocletian wandte dieses Mittel bei seinen Christenverfolgungen häufig an, wobei glühendes Eisen gebraucht wurde oder auch ungelöschter, mit Essig befeuchteter Kalk. Häufig auch sehen wir die Blendung in dem oströmischen Staat vorgenommen werden. Es sei hier nur auf Belisar verwiesen, den siegreichen Feldherrn, den der besonders durch seine Gesetzgebung bekannte Kaiser Justinian (527-68) undankbar genug, blenden liess, und auf Konstantin VI., dem 797 von seiner herrschsüchtigen Mutter ein gleiches widerfuhr. Uebrigens begnügte man sich bei dieser Grausamkeit, die sich durch Jahrtausende fortpflanzte und selbst noch im achtzehnten Jahrhundert zur Anwendung gelangte, wie später dargelegt werden soll, zuweilen mit der Blendung eines Auges.

Die Grausamkeit der Castration dürfte eines der ältesten Straf- und Rachemittel sein und vielleicht zum erstenmal von einem rächenden Gatten oder Liebhaber angewandt worden sein, oder auch von wilden Kriegern ihren Feinden gegenüber. Die Einführung der Castration wird übrigens Semiramis zugeschrieben. Immerhin ist anzunehmen, dass sie als Strafe früher zur Anwendung gelangte als zur Schaffung eines Eunuchentums, so alt dieses auch ist. Bei den Christenverfolgungen scheint dieses Mittel seitens der Römer nicht zur Anwendung gelangt zu sein, so raffiniert auch sonst damals die Grausamkeit betrieben wurde.

Wie schon früher bemerkt wurde, haben Hellas und Rom die Tortur mit ihren Grausamkeiten und Gräueln sicherlich vom Orient übernommen, obgleich es nahe liegt anzunehmen, dass der Gedanke, mittelst Peinigung auf die Aussage eines andern einzuwirken, so ursprünglich erscheint, dass er recht gut bei alten Völkern spontan entstanden sein könnte. Indes ist auch in Betracht zu ziehen, dass die ältere Kultur Asiens und Afrikas im Wechselverkehr auch hier zur Geltung kam und jüngere Völker oder Staatsgebilde ohne weiteres Bedenken das übernahmen, was sie für ihre Zwecke geeignet dünkte, selbst wenn es tatsächlich nicht besonders der Fall war. Dass sich im Orient die Folter üppig entwickeln konnte, hat ausser in dem Charakter der betreffenden Völker, grossenteils auch in den despotischen Beherrschern dieser Länder seinen Grund, zu deren Regierungssystem Massregeln dieser Art recht gut passten. Hätten der Hellenismus und der von seiner Kultur durchsetzte Romanismus nicht ein umfangreiches Sklavenwesen aufzuweisen gehabt, die Tortur wäre höchst wahrscheinlich bei ihnen nicht zur Geltung gekommen, wenigstens nicht bis zu den Tagen sittlichen Verfalls.

Beachtenswert oder doch betrachtenswert ist der Umstand, dass die Völker des Ostens im Laufe der Zeit ihre Rechtsanschauungen und Lebensgepflogenheiten nur wenig verändert haben und die Tortur wie vieles andere dort heute noch in derselben Weise ausgeübt wird, wie vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden. Besonders mag dies von dem klassischen Staat des Stillstandes, von China gelten. Als Hauptmittel der Tortur finden wir fast überall die Prügel, die im Grunde genommen auch das einfachste Mittel sind Schmerzen zuzufügen. Wie einst, so wird jetzt noch in jenen Ländern Stock und Peitsche eifrig gehandhabt und zur orientalischen Bastonnade wurde, wird heute noch die Fusssohle verwendet, eine Körperstelle, der überhaupt bei der Tortur eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Mehr als allgemein angenommen wird, dürfte bei dieser Prügel-Verabreichung ein sexuelles Motiv vorhanden sein. Die Türken und andere mohammedanischen Staaten wenden heute noch die Bastonnade oder Falaka – letzteres ist die dort übliche Bezeichnung – als Untersuchungs- und Strafmittel ziemlich umfangreich an. Hierbei wird in der Regel der hierzu Auserkorene gefesselt auf die Erde oder auf eine Bank gelegt, die Beine werden am Knie eingebogen und an einem Stock oder Pfahl senkrecht befestigt und die bestimmte Anzahl Hiebe, oft einige Hundert mittelst Stock erteilt. Es kommt vor, dass der Misshandelte dabei seinen Geist aufgiebt, mindestens aber blutig zerfetzte Fusssohlen aufweist. Als »Gnade« mag es noch gelten, wenn die Bastonnade nicht auf die Fusssohlen, sondern in der auch in Westeuropa üblich gewesenen Weise erteilt wird. Bei den Chinesen pflegt auch hierbei als Körperstelle die Wade gewählt zu werden, was den Schmerz noch fühlbarer machen soll.

Ueber das orientalische Gerichtsverfahren mit ihren obligaten Prügelscenen geben uns europäische Reisende so manche lehrreiche Mitteilungen. In Hildebrandts »Reise um die Erde« von Ernst Kossak I, 27 lesen wir aus Kairo: »Der nächste Tag ist mir durch eine grossartige Prügelei und ihre richterliche Entscheidung unvergesslich. Zwei Araber waren über einander hergefallen und schlugen fürchterlich darauf los. Wenn ich Dragoman Abdallah richtig verstanden habe, so betrug das Streitobjekt noch nicht einen Silbergroschen. Der Kampf war nahe daran, in Mord und Totschlag auszuarten, als die Polizei sich ins Mittel legte. Die beiden Streiter wurden in Begleitung eines Zeugen vor den Kadi geführt. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, der Eskorte – doch leider nicht der gerichtlichen Verhandlung – zu folgen. Die Entscheidung des alten Rechtsgelehrten ist mir noch heute unerklärlich, denn er verurteilte nicht nur die beiden Kampfhähne, sondern auch den Zeugen zur Bastonnade, die sogleich, ein musterhaftes Beispiel schneller Gerechtigkeitspflege, in seiner Gegenwart mit dünnen Bambusstäben vollstreckt wurde. Mein Vertrauen zur orientalischen Rechtspflege hat durch die Abprügelung des nichts ahnenden Zeugen nicht gewonnen. Als später ein bekannter preussischer Abgeordneter in der Kammer dem Justizminister in den Bart warf: er für sein Teil wolle sich im Orient lieber an den nächsten Kadi wenden, als an den preussischen Consul, fiel mir der alte Grimmbart von Kairo ein, und ich glaubte als Antwort auf diese starke Behauptung das Jammergeschrei des Zeugen zu hören. Nach eingezogenen Erkundigungen erfuhr ich, dass derartige Fälle nicht vereinzelt dastehen; man glaubt durch eine gleichmässig verteilte körperliche Züchtigung allen in einen Auflauf Verwickelten einen heilsamen Schrecken einzuflössen. Das Gerichtsverfahren ist übrigens öffentlich ...«

Von einer chinesischen Gerichtsverhandlung erfahren wir (II. 43 etc.) folgendes: »So erregte vor einem stattlichen, jedoch etwas düster aussehendem Gebäude ein Haufe Individuen, die sämmtlich mit Ketten belastet waren, an denen sie überdies etwa fünfzig Pfund schwere Steine hinter sich herschleppten, meine Verwunderung. Das Gebäude war ein Gefängnis, und die Kettenträger seine Bewohner. Im Gegensatz zu dem sonstigen furchtbaren Kriminalverfahren der Chinesen, schienen die Sträflinge mit leidlicher Milde behandelt zu werden. Da eine Menge von ihnen vor der Hausfront auf der Strasse lustwandelte oder auf dem Pflaster der Höfe umherlungerte, liess sich nicht wohl annehmen, die Spazierstunde der Gefangenen habe begonnen; den Gefangenen mochte im Ganzen grössere Freiheit gegönnt werden, als in Europa, wo die Wachtposten sie nicht aus den Augen verlieren dürfen. Von niemandem aufgehalten, durchschritt ich mehrere Höfe und kam im dritten derselben endlich vor die Thür der Gerichtshalle des Kriminalgefängnisses. Sie stand zwar offen, doch waren alle Unberufenen durch eine zwischen den Pfosten ausgespannte schwere eiserne Kette ausgesperrt. Eben musste eine Verhandlung stattfinden, denn der Saal war mit Menschen gefüllt, und so weit ich sehen konnte, lagen einige Subjekte auf dem Bauche und drückten die Nase auf den Fussboden, mutmasslich also Angeklagte. Einer der Richter, gleichviel ob Rat oder Hilfsarbeiter, in dessen Gesichtskreis ich geriet, durchbohrte mich mit so ingrimmigen Blicken, dass ich für geraten hielt, mich zu entfernen, um so mehr, als meine Anwesenheit den Mob von Kanton anzog, und ein Teil der Zuhörer sich um mich versammelte. Es war nicht schwer, sich die fernere Procedur auszumalen; die lieben Landsleute hatten mir genug davon erzählt, und ich wurde später wiederholt unfreiwilliger Augenzeuge. Die chinesischen Richter plagen sich nicht mit feinen Untersuchungen, ob in einem gegebenen Falle Gefängnis oder Geldstrafe zu verhängen sei. Ist der Angeklagte seines Vergehens schuldig erklärt, so ergreift der Vorsitzende unverzüglich einen vor ihm stehenden Becher voll Schicksalsstäbchen, wirft durch eine rasche Schwenkung eine gewisse Anzahl zu Boden, lässt sie zählen und dem Verurteilten die entsprechende Summe von Hieben mit einem Bambusrohr verabreichen. Die Prügelstrafe ist in China nicht mit entehrenden Vorstellungen verbunden. Selbst höhere Beamte werden bei geringeren Verschuldungen nicht gleich vor einem Disziplinargerichtshof gestellt, dessen Ausspruch vielleicht ihre ganze künftige Karriere zu Grunde richten würde; der Chef des Departements lässt den straffälligen Staatsdiener auf dem Fussboden ausstrecken, jenen konservativen Körperteil entblössen, den Eulenspiegel so oft zu höhnischen Ostentationen zu missbrauchen liebte, und denselben in ausreichender Weise mit Bambus bearbeiten. Ob die Kollegen sich vorkommenden Falls diese büreaukratischen Gefälligkeiten untereinander erweisen, oder ob man sich dazu besonderer Subalternen bedient, vermag ich nicht anzugeben. Da jede derartige Tracht Prügel die an anderen Orten landesübliche »Nase« vertritt, wird jedenfalls alljährig eine Menge unnötiger Schreiberei erspart. Dass dem ganzen Verfahren nur väterliche Gesinnung zu Grunde liegt, geht aus dem Schlussakt der Ceremonie hervor. Der Abgestrafte hat dem Richter für richtigen Empfang seinen Dank auszusprechen. Gemeine Verbrecher werden noch anderweitig bestraft; man spannt sie in einen schweren hölzernen Halskragen (spanische Fiedel), steckt sie in einen engen Käfig, in dem sie weder sitzen noch ausgestreckt liegen können, und hängten sie mit hinten zusammengebundenen Händen und Füssen an einem leichtgezimmerten Gestell auf. In der Vollziehung der Todesstrafen teilt man nicht die Scheu europäischer Gerichtshöfe. Die im Laufe eines Jahres in Kanton vollstreckten Hinrichtungen werden auf mehr als Tausend veranschlagt. Die übliche Form ist die Enthauptung. Der Henker ergreift den Kopf des vor ihm knieenden Deliquenten, zieht den Kopf an seinen Unterschenkel und schneidet ihn mit einem breiten Schwerte vom Rumpf. Auf raffiniertere Todesarten komme ich wahrscheinlich später zurück. Eine derselben ist die Verurteilung zum Hungertode. Der Verbrecher wird mit einem schweren, tonnenähnlichen Holzgefäss umgeben, aus dem nur sein Kopf hervorragt, und vor eine vielbesuchte Restauration gesetzt. Bei Todesstrafe ist es allen Vorübergehenden verboten, ihn mit Speise und Trank zu erquicken. Durch den Duft der Speisen zur Verzweiflung gebracht, muss der chinesische Tantalus in dieser Lage verschmachten ...«

An einer andern Stelle wieder, II. 299, wird uns mitgeteilt: »Wenn man im Gesandtschaftshotel gut unterrichtet ist, spricht es für den Sittlichkeitszustand Peking's, dass Mordtaten überaus selten vorkommen, desto häufiger sind räuberische oder diebische Angriffe auf das Eigentum. Eine geringe Gabe der Unterscheidung zwischen »mein und dein« ist dem chinesischen Volksstamm angeboren. Die strenge Kriminal-Gerichtsbarkeit leistet zur Beseitigung des Uebels nur wenig. Der dritte Raub und Diebstahl wird in manchen Ländern mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe, in China mit Enthauptung bestraft. Das Leben steht nicht sonderlich hoch im Preise. Ist ein Gefängnis überfüllt, so werden, nur um zu räumen, einer ausreichenden Anzahl von Sträflingen die Köpfe abgeschnitten. In der Verschmitztheit haben es die Diebe aller Welt- und Handelsstädte sehr weit gebracht, doch scheinen die Talente von Peking allen anderen den Rang abzulaufen. Häufig kommt es vor, dass ein auf frischer That ertappter Verbrecher, wenn er von den Polizeibeamten der Landessitte gemäss am Zopfe gepackt und in Gewahrsam gebracht wird, diesen in der Hand des Häschers zurücklässt und entspringt. Da er gewöhnlich den Originalzopf schon durch frühere Bestrafungen eingebüsst, hat er sich einen falschen zugelegt, der in derartigen kritischen Fällen seinem Inhaber die besten Dienste leistet.

Aehnliches erfahren wir auch aus Japan vor dem Reformjahre 1868. Im Reiche des Mikado scheinen sehr strenge Bestimmungen geherrscht zu haben, denn auf Reisausfuhr stand Todesstrafe und wer da wagte Opium zu rauchen wurde ebenso verbrannt wie der Verüber mehrerer Diebstähle. Bekannt ist auch die japanische Todesstrafe Harikiri, über die jedoch schon seit langem in Europa irrige Vorstellungen herrschten. Heute dürfte sie wohl überhaupt nicht mehr zur Anwendung gelangen. »In Europa,« heisst es in Hildebrandts »Reise um die Erde« II. 184, »ist noch die Meinung verbreitet, dass die Verurteilten, um ihren Hinterbliebenen Ehre und Vermögen zu erhalten, selber zum Schwerte greifen und sich mit kreuzweisen Schnitten den Unterleib aufschlitzen. Dieser Brauch besteht schon lange nicht mehr. Der Taikun sendet dem Staatsverbrecher, dessen sich der hohe Rat der Dreizehn entledigen will, nur eine zierliche Handwaffe, das Symbol des Todes. Nach ihrem Empfange ist er verpflichtet, wenn er sich und seine Angehörigen nicht den Folgen einer gewaltsamen Hinrichtung durch Henkershand, d. h. wegen Beschimpfung des Namens und Konfiskation von Hab und Gut, aussetzen will, seinem Leben vor Sonnenuntergang ein Ende zu machen. Gemeinhin veranstaltet der Verurteilte ein Abschiedsmahl und freut sich mit Verwandten und Freunden des Lebens, so lange noch das Lämpchen glüht. Im letzten Augenblick begiebt er sich in das Innere der Gemächer. Nur sein Busenfreund und einige Zeugen begleiten ihn. Er kniet nieder, entblösst den Unterleib und deutet mit der offiziell übersandten Waffe den Kreuzschnitt an; in demselben Augenblick versetzt ihm nach Verabredung der Freund mit dem grossen Schwert, das jeder Yakonin bei sich führt, einen tötlichen Streich in den Nacken. Auf diese Weise hatte auch, nach der einstimmigen Versicherung aller Europäer, der Sohn des Fürsten Mita geendet. Der wissenschaftliche Ausdruck der Japanesen für diese Art der Todesstrafe ist: Harikiri.

Dem Harikiri ähnelt bekanntlich die Strafe der »seidenen Schnur« in der Türkei, die jedoch nichts weniger als nur Symbol ist und gegenwärtig wohl noch in der alten Weise zur Geltung kommt.

China verfährt bei Anwendung der Todesstrafe ziemlich grausam und eine seiner Kaiserinnen früherer Zeit gilt als Erfinderin des – Bratofens, so könnte man ihn benennen. Es ist dies ein hoher Eisenofen an den die Verurteilten, vielleicht die zur Folterung bestimmten, an Händen und Füssen dicht angeschlossen werden, wodann der Ofen geheizt wird, stärker oder minder, wie es dem Befehlenden just gefällt.

Auch was ausschliesslich die Folter betrifft, bekundet China ein Raffinement der Grausamkeit wie es – leider muss es gesagt sein! – nur eine entwickelte Kultur zu ersinnen vermochte. Wir finden dort alle uns bekannten Folterarten in Anwendung, mit gleichen oder ähnlichen Instrumenten, und überdies noch einige, die noch mehr Tücken als Grausamkeiten erweisen. Von diesen sei nur das Zusammenpressen der Ohrmuscheln erwähnt, ein Vorgang, der recht arge Pein bereiten soll, mit so wenig Schrecken er auch verbunden ist.

Aehnliche Tortur-Verfahren wie in China hatte auch Indien unter seinen despotischen Nabobs aufzuweisen und welcher Grausamkeiten diese fähig waren, ersehen wir auch einem Vorfall den Macauley in seinem Essay über Lord Clive erzählt. Es handelt sich hier um die Ueberrumplung des Forts St. William durch Suraga Dowtaf. Diese Stelle lautet in J. Moellenhoffs Uebersetzung:

»Nun wurde jenes grosses Verbrechen begannen; denkwürdig wegen seiner besonderen Scheusslichkeit, und wegen der furchtbaren Vergeltung, die darauf folgte. Die gefangenen Engländer wurden der Willkür der Wachen überlassen, und diese beschlossen sie für die Nacht in das Gefängnis der Garnison einzusperren, einer unter dem schrecklichen Namen »der schwarzen Höhle« bekannten Stube. Dieses Gefängnis würde für einen einzigen europäischen Verbrecher unter einem solchen Klima sogar zu klein und eng gewesen sein. Der Raum beschränkte sich auf zwanzig Quadratfuss. Die Luftlöcher waren schmal und verstopft. Dabei war es um die Zeit des Sommersolstitiums, einer Jahreszeit, wo die glühende Hitze Bengalens für Engländer kaum erträglich zu machen ist durch luftige Hallen und durch beständig in Bewegung erhaltene Fächer. Die Zahl der Gefangenen belief sich auf hundertundsechsundvierzig. Als ihnen befohlen wurde in die Zelle einzutreten, hielten sie dies für einen Scherz der Soldaten; und da sie guten Mutes waren, weil der Nabob ihnen das Versprechen gegeben hatte, ihres Lebens zu schonen, lachten und scherzten sie über einen so tollen Einfall. Aber bald erkannten sie ihren Irrtum. Jetzt machten sie Vorstellungen, sie klagten; sie baten und flehten. Indessen alles umsonst. Die Wachen drohten jeden, der zögere hineinzugehen, niederzustossen. Mit gezogenen Schwertern wurden die Gefangenen in die Zelle hineingetrieben, und die Thür augenblicklich hinter ihnen zugeschlagen und verriegelt.

Nichts, was in der Geschichte oder Dichtung geschildert wird, nicht einmal die Erzählung, welche Ugolino, nachdem er sich die blutigen Lippen an der Kopfhaut seines Mörders abgewischt hat, in dem von ewigem Eise starrenden Meere erzählt, – ist auch nur annähernd den Schrecken zu vergleichen, wie sie von den wenigen Ueberlebenden jener Nacht geschildert werden. Sie flehten um Gnade. Sie versuchten die Thür zu sprengen. Holwell, der selbst in dieser aufs Aeusserste gestiegenen Not einige Geistesgegenwart bewahrte, bot den Kerkermeistern grosse Geschenke an. Aber die Antwort lautete, dass ohne die Befehle des Nabobs nichts geschehen könne; dass aber der Nabob schlafe und in Zorn geraten würde, wenn jemand es wagen wollte ihn zu wecken. Die Gefangenen gerieten vor Verzweiflung in eine wahre Raserei. Sie traten einander zu Boden, kämpften um die Stellen an den Fenstern, und um den kärglichen Vorrat von Wasser, womit die grausame Barmherzigkeit der Mörder ihrer Todesqualen spottete. Sie tobten, beteten, fluchten und flehten die Wachen an, mit dem Gewehr unter sie zu feuern. Während dieser Scenen traten die Kerkermeister mit brennenden Kerzen an die Gitter und brachen in schallendes Gelächter aus über die verzweifelten Anstrengungen ihrer Opfer. Endlich verstummte der Tumult; nur noch leise Wehklagen und gepresste Atemzüge waren zu vernehmen. Der Tag brach an. Der Nabob hatte seinen Rausch verschlafen und gestattete die Thür zu öffnen. Aber es dauerte längere Zeit, bis die Soldaten durch die Haufen der Toten für die Ueberlebenden einen Weg gebahnt hatten; bis die Leichname, an denen das glühende Klima bereits sein ekelhaftes Werk begonnen hatte, zu beiden Seiten aufgeschichtet waren. Als endlich ein Durchgang hergestellt war, wankten dreiundzwanzig geisterhafte Gestalten, die von ihren eigenen Müttern nicht mehr erkannt sein würden, eine nach der andern aus diesem Totenhause hervor. Augenblicklich wurde eine Grube aufgeworfen und die Körper der Umgekommenen, hundertdreiundzwanzig an der Zahl, wurden durcheinander hineingestürzt, und mit Erde überdeckt.«

Allerdings haben es später die Engländer, wie bereits angedeutet wurde, an Widervergeltung nicht fehlen lassen, wie überhaupt, um mit Macaulay zu reden, die Regierung der Engländer »eher einer Herrschaft von Dämonen als der Herrschaft tyrannischer Menschen glich.« Aehnliches und noch ärgeres liesse sich aus dem indischen Aufstand vom Jahre 1857 melden, sowohl seitens des bekannten Führers Nena-Sahib, wie auch seitens der Engländer.

Vieles des in diesem Kapitel Angeführten rührt aus der jüngsten Vergangenheit her und scheint demnach wenigstens verfrüht vorgebracht zu sein. Indess ist hier zu berücksichtigen, wie ebenfalls bereits erwähnt wurde, dass in jenen Regionen Verhältnisse und Zustände seit Jahrtausenden schier sich kaum oder nur gering verändert haben und die Beispiele der Gegenwart uns auch ein Bild der Vergangenheit geben.


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