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II. Kapitel.

Die Tortur bei den Griechen. – Die Tortur bei den Römern. Sklavenfolterung. – Majestätsverbrechen. – Schmäuchen. – Salzfolter. – Ziegenfolter. – Hungerfolter. – Zeugniszwang. – Beccaria, über die Tortur. –

Wenden wir uns nun, nach der komischen Abschweifung am Ende des vorhergehenden Kapitels der Anwendung der Tortur bei den Griechen und Römern zu, über deren Rechtsverhältnisse einiges bereits bemerkt wurde. Als wahrscheinlich ist anzunehmen, dass die Griechen die Tortur, wie manches andere von Afrika oder Asien überliefert erhielten und es mögen wohl die Ägypter oder Phönizier hierbei ihre Lehrmeister gewesen sein. Aber immerhin muss dann auch gesagt werden, dass die Schüler auch damit ihre Meister übertrafen, denn die Folter wurde von den Hellenen ziemlich umfangreich und mannigfaltig angewendet. Finden wir doch schon in der Mythologie dieses Volkes Vorgänge, die als grausame Folter bezeichnet werden können. Es sei hier nur an Prometheus erinnert, den Zeus an einen öden Felsen am Meeresstrand anschmieden lässt und den Aeschylos klagen lässt:

Seht her! Seht her! wie in Not und Pein
Jahrtausende lang ich quälen mich soll
Zerbrochenen Leibs! –
Das that an mir, der zum Herrn sich gemacht
In der Welt: Er hat mich beladen mit Schimpf
Und gefesselt mit Schmach! Weh klag ich nun heut
Weh' klag ich um morgen, was kommen auch mag!
Umsonst! umsonst! wie schau ich den Tag,
Wo endet die quälende Trübsal?

(Uebersetzt von Oswald Marbach).

Die ursprüngliche gerichtliche Beweisführung bei den Griechen war die Zeugenaussage, wie bei den Juden. Erst später wurde die Folter eingeführt, die jedoch nur gegen Sklaven zur Anwendung kam, grausam und rücksichtslos, hauptsächlich als Zeugenfolter. Denn dem Sklaven, der als Zeuge in einem Straf- oder auch Zivilprozess vernommen ward, wurde seine Aussage nicht geglaubt, wenn sie nicht unter Anwendung der Tortur aufrecht erhalten wurde. Ferner hatte auch jeder freie Grieche das Recht, nicht nur seine eigenen Sklaven der Tortur zu unterziehen, sondern auch zu verlangen, dass ihm die Sklaven eines andern zu diesem Zwecke ausgeliefert wurden, wobei er höchstens nur den Besitzer des Sklavens zu entschädigen verpflichtet war, wenn dieser durch die Marter erkrankte, dauernd arbeitsunfähig wurde oder starb. Ferner mussten zur Privattortur Zeugen zugezogen werden, die aber der Unternehmer beliebig aus dem Kreise seiner Freunde und Bekannten wählen konnte. Dass dem griechischen Bürger derart freigestellt war den Untersuchungsrichter zu spielen und dem Richter sozusagen das fertige Material in die Hände zu liefern, dürfte seine Ursache in der, wie bereits erwähnt, grossen Anzahl von Sklaven haben, in deren schlechter Behandlung überhaupt und in der häufig angewandten Tortur, die von Amts wegen nicht bewältigt werden konnte. Diese Privattortur konnte von dem Betreffenden auch wiederholt vorgenommen werden und wurde es auch, wenn ihm die durch die erste Vornahme erpresste Aussage nicht gefiel. Möglich, wahrscheinlich sogar, dass bei dieser Grausamkeit die raffinierte und entartete Sinnlichkeit der Griechen eine wesentliche Rolle spielte und sowohl den Peiniger zu der Tat, wie die Zeugen zur Teilnahme veranlasste. Der Anblick von Marterungen galt allzeit als ein sexuelles Erregungsmittel. Beweise hierfür finden wir selbst aus der jüngeren Zeit nicht selten. Casanova erzählt uns in seinen berüchtigten Memoiren einen Fall dieser Art und ähnliches wird in der neueren Psychiatrie als Sadismus bezeichnet, nach dem berüchtigten Marquis de Sade, dessen pornographische Schriften von Grausamkeiten erfüllt sind. Krafft-Elbing bemerkt in seiner »Psychopathia Sexualis VIII. Aufl. S. 57: »Dass Wollust und Grausamkeit häufig miteinander verbunden auftreten, ist eine längst bekannte und nicht selten zu beobachtende Tatsache. Schriftsteller aller Richtungen haben auf diese Erscheinung hingewiesen.« Und er verweist dabei auf »Novalis-Fragmente« und Görres »Christliche Mystik«. Wir werden übrigens noch Gelegenheit haben, bei Besprechung der Selbstfolterung auf diesen Gegenstand zurückzukommen.

In seinem »Die Tortur bei den Griechen, Römern und Deutschen,« Leipzig, 1785, schreibt Ernst Christian Westphal:

»Die Griechen kannten die Tortur und behielten sie bei, als sie geschriebene Gesetze bekamen. Die Athenienser bedienten sich ihrer der Regel nach nur bei Knechten, zuweilen aber und ausserordentlich auch bei freien Bürgern. Bei Leuten, die der Leibeigenschaft unterworfen waren, machte man keinen Unterschied des männlichen und weiblichen Geschlechts, auch nicht der Jugend und des Alters. Reitemeier de orig. et rat. quaest. per torm. ap. Graec. et Rom.

Die Knechte wurden teils als Zeugen gemartert, teils dann, wenn sie eines Verbrechens beschuldigt wurden und solches nicht bekennen wollten. Ihr Zeugnis mussten sie in bürgerlichen und politischen Sachen mit der Marter bestärken. Reitemeier l. c. p. 11, 19.

Es war ein unbegreiflicher Grundsatz der Alten, dass eines Knechts Aussage nur dann Glauben verdiene, wenn er solches unter Schmerzen auf der Folter getan. Petitius schaltet daher den L. L. Attic. L. 4, tit. 7 ein Gesetz ein: Servis testimonii dictio ne esto, nisi per tormenta.

Dass, wenn ein Knecht als Zeuge oder Missetäter gemartet werden sollte, dazu schon vorhandene, anderweitige Vermutungen und Beweise erforderlich gewesen, davon enthalten die Gesetz nichts. Ebensowenig findet man darin festgesetzt, dass ein Knecht nicht zu Zeugnis wider seinen Herrn auf die Folter gebracht werden konnte. Auch war nichts von sonstigen Schranken der Tortur vorgeschrieben.

Ein Freier oder nur Freigelassener sollte rechtlich mit der peinlichen Frage nicht angegriffen werden. Doch finden wir, dass, wenn das Gemeinwohl es forderte, in Staatsverbrechen zuweilen von der Regel abgewichen wurde, wozu vielleicht das Volk, oder wer sonst dazu berechtigt war, die Erlaubnis erteilte. Die freien Bürger wurden aber nur als Verbrecher zu Erteilung ihres Geständnisses gemartet, wenn sie eines Verbrechens verdächtig waren, nie aber zur Bestätigung ihrer Aussage. Es gab eine öffentliche und eine private Tortur. Jene wurde von der Obrigkeit angeordnet und geleitet, diese dagegen von Privatleuten unter Zuziehung von Zeugen. Letztere konnte nur Sklaven gegenüber geschehen, natürlich nur bei Zustimmung ihrer Herren. Die Veranlasser mussten für den Schaden aufkommen, falls es sich ergab, dass die Tortur mit Unrecht vorgenommen ward. Sonst aber waren diesem Akt der Willkür keine Schranken gesetzt. Bei der von Amtswegen vorgenommenen Tortur, der öffentlichen, konnte ein Sklave auch ohne Zustimmung seines Herrn peinlich befragt werden. Wie stark die Beweiskraft der Aussage gemarterter Zeugen gewesen, ist nicht deutlich zu ersehen. Es muss aber solche Aussage Gewicht gehabt haben, weil man sich sonst nicht so viel Mühe gegeben hätte die Tortur aufrecht zu halten. Die Marter-Instrumente und -Mittel waren: Peitsche, Rad, Leiter, Essig in die Nase, Aufdrückung von Dachziegeln, Abschälung der Haut, Aufhängen an einer Säule. Auf die Leiter erfolgte das Aufziehen und das Rad wurde dazu gebraucht die Streckung mittelst der Stricke zu fördern. Dem Tympanum der Griechen kam später der Equuleus der Römer gleich. Die Tortur in den andern griechischen Staaten unterschied sich kaum von der atheniensischen.«

Mit andern kulturellen Errungenschaften hat Rom von Hellas auch die nicht so sehr rühmliche Tortur übernommen und weiter ausgebildet. Fremd dürfte sie zwar schon vorher diesem Gebiete nicht gewesen sein, bei den Aborginern war sie ebenso in Brauch wie bei den Etruskern, wie wir, was letztere betrifft, wenigstens aus einigen überlieferten plastischen Darstellungen vermuten können. Auch die frühe Besiedlung dieser Lande durch die Phönizier lässt annehmen, dass diese Grausamkeit dort schon früher verübt wurde, bevor die Nachkommen Trojas in italischen Gefilden ansässig wurden. Westphal schreibt:

»Ob die Römer ihre Marter von den Griechen entlehnt haben, ist unbekannt, doch wahrscheinlich, weil sie noch manches ihrer Rechtssachen daher genommen und die römische Tortur in vielen Stücken mit der griechischen übereinstimmt. Sie wurde schon zur Zeit der freien Republik angewandt und erhielt allmählich durch die heimische Gesetzgebung vieles, was den Griechen unbekannt war.

Die römischen Marter-Instrumente und -Mittel waren:

1) Equuleus, ein der späteren Streckleiter gleichendes Instrument.

2) Castata war eigentlich nur der Name des Gerüstes, worauf der Equuleus stand, doch wurde zuweilen auch dieser selbst so benannt.

3) Fidiculae waren die Schnüre, womit aufgezogen wurde. Zuweilen werden sie auch nervi genannt, doch dienten sonst nervi im Stock, cippus, zur Befestigung des Verhafteten.

4) Unci, waren einzackige Haken, womit man den Aufgezogenen ins Fleisch riss.

5) Ungulae, waren zweizackige Haken und

6) Cardi, eiserne Kämme zu demselben Zweck.

7) Rotae, die Winde zum Strecken.

8) Plumbatae und Flagella zwei Peitschenarten.

9) Ignes, Pfannen und andere Feuergerätschaften zum Brennen des Gemarterten.

10) Cyphri, jugum, ein Umschlag um den Hals, eine Art Joch.

11) Catapulta, eine Torturmaschine, von der nichts näheres bekannt ist.

Die in den Gesetzen vorkommende mala mansio scheint kein besonderes Instrument anzuzeigen, sondern ein Name zu sein, der zuweilen vom Gefängnis oder der Tortur gebraucht wird.

Sehr vernünftig ist die Verordnung des Römischen Rechts über die Tortur L. 7 ff. de quaest. Quaestionis modum magis est judices arbitrari oportere: itaque quaestionem habere oportet, ut servus salvus sit, vel innocentiae vel supplicio L. 10 § 3 cod. Tormenta autem adhibenda sunt, non quanto accusator postulat, sed ut moderatae rationis temperamenta desiderant. Diese Stellen reden zwar nur von dem Falle, wo der Gemarterte als Verbrecher behandelt wird, die erstere betrifft auch unmittelbar nur Knechte. Allein man sieht leicht, dass das, was von Verbrechern gilt, noch mehr für Zeugen zu gelten habe und die Mässigung, die bei Sklaven vorgeschrieben wird, noch mehr bei freien Personen gebraucht werden müsse.

Auch die Römer wandten, gleich den Griechen, die Tortur zur Erreichung eines Geständnisses, sowie bei Sklaven, zur Bekräftigung der Aussage an. Von ersterer Art urteilten die Gesetze ganz billig, dass man sie behutsam anwenden müsste, weil sonst sich der Schuldige dadurch befreien, der Unschuldige aber zur unverdienten Strafe kommen könnte. L. I. § 23 ff. de question. Questioni fidem non semper nec tamen numquam habendam, constitutionibus declaratur, et enim est fragilis et periculosa et quae veritatem fallat. Nam plerique patientia sive duritia tormentorum ita tormenta contemnunt, ut exprimi iis veritas nullo modo possit: alii tanta sunt impatientia, ut in quovis mentiri, quam pati tormenta velint. Ita sit, ut etiam vario modo fateantur, ut non tantum se, rerum etiam aliis comminentur (criminentur).

Zur Zeit der Republik gab es bei den Römern ebenfalls auch eine private Tortur, die jedoch später abgeschafft worden sein muss. Denn es wird ihrer in der Kaiserzeit nicht mehr erwähnt. Wenn auch gewöhnlich nur Sklaven als Zeugen gefoltert werden konnten, so geschah dies zuweilen doch auch bei Freien: bei Freigelassenen, Ehrlosen und in der Aussage Schwankenden. L. 21 § 2 ff. de testib. Si ea rei conditio sit ubi harenarium testem vel similem personam admittere cogimur, sine tormentis testimonis ejus credendum non est. Gewöhnlich konnten Ehrlose in peinlichen Sachen nicht Zeugen sein und wurden auch nicht zur Anklage zugelassen. Aber in Crim. Laes. Maj., annonae etc. ist eine Ausnahme, L. 7 ff. ad. L. Jul. Maj. L. 13 ff. de accus. Auf diese Ausnahmsfälle beziehen sich die Worte: Si ea rei conditio sit. In späterer Zeit scheint die Tortur bei Freien als Zeugen oft vorgekommen zu sein, besonders, wo es sich um Majestätsverbrechen handelte. Freigelassene konnten weder in bürgerlichen noch in Kriminal-Rechtsfällen gemartert werden; aber eben deswegen war es nicht zulässig, Sklaven die Freiheit zu geben um sie der Tortur zu entziehen. Der Sklaven Zeugnis war stets mit der Tortur verbunden. Dies lehrt L. 15 de quaest. »Interrogari servos de facto suo non solum in criminali causa sed etiam in pecuniaria (vetati quando, per eos depositi vel commodati nomine, vel aliis causis legibus cognitis res aliis prestitiae sunt) posse, non ambigitur. Man konnte sich zu Zeugnis auch der Sklaven eines andern bedienen, der sich diesen Gebrauch gefallen lassen musste. Nur war streitig ob in bürgerlichen Prozessen die Sklaven auch gegen ihren eigenen Herren zum Zeugnis mit der Marter gebraucht werden könnten. Cujacius tritt dafür ein, wenn andere Beweismittel fehlten, andere aber stellten es in Abrede.

Dass gegen den Herrn der Sklave nicht Zeuge sein dürfte, war ein Grundsatz, der sich ex more majorum, vermutlich also aus den zwölf Tafeln herschrieb. Er ist auch in der Folge durch ein Senatus consultum bestätigt worden und blieb bis in die neuesten Zeiten als Regel beibehalten. Selbst wenn der Sklave als Missetäter auf die Tortur kam, durfte er nicht seines der Mitschuld verdächtigen Herrn wegen gefragt werden. Ausnahmen, wo der Sklave wider seinen Herrn Zeugnis ablegen durfte, waren schon von der Zeit der Republik her Staatsverbrechen und Incest. Was unter letzteren verstanden wurde ist streitig, da manche Forscher auch die Schändung der vestalischen Jungfrauen und sonstige Verunehrungen des öffentlichen Gottesdienstes dazu rechneten. Später kamen noch Ehebruch und andere Verbrechen dazu. Die Art wie Sklaven bei der Tortur befragt wurden, war so beschaffen, dass sie in der Regel nur mit Ja oder Nein zu antworten hatten. Doch durfte der Name der Person, oder was sonst die Tat betraf, nicht hinterlistiger Weise an die Hand gegeben und in den Mund gelegt werden. Man sollte auch nur solche Zeugen zur Tortur vorführen, von denen gewiss oder wahrscheinlich war, dass sie von der Tat etwas wüssten.

Eine andere Art von Tortur war die, wo ein Angeklagter und Verbrecher zum Geständnis seiner Tat auf die Tortur gebracht wurde. Einen besonderen Fall erwähnt der Codex, der etwas eigenes zu haben scheint. Wenn ein Schiffbruch entstand, so war eigentlich keine Kriminalsache vorhanden, dennoch verordnete L. 2, 3, C. Th. de Naufrag., woraus L. 3, C. Just. h. t. entstanden, dass die Leute, um die Umstände des entstandenen Schadens heraus zu bringen, auf die Tortur kommen sollten. Diese Art der Tortur, wodurch man Geständnisse erpresste, kam bei Sklaven und auch bei Freien vor, sofern letztere nicht vom Gesetz ausdrücklich ausgenommen wurden.«

Aehnlich wie in Griechenland war also in Rom die Lage der Sklaven. Hier wie dort konnten darin glaubwürdige Zeugenaussagen nur durch die Folter hervorgebracht werden, hier wie dort gab es eine Privatfolter, die zu Rom allerding in der Caesarenzeit abgeschafft wurde.

In derselben Zeit aber hörte auch der freigeborene Römer auf vor der Tortur geschützt zu sein. Zwar konnte diese an ihm nur bei Majestätsverbrechen angewandt werden, doch diese Anklagen liessen sich rasch herstellen, so dass sie als etwas Selbstverständliches bei jeder bemerkenswerten Anklage erschienen. Auch die Bestimmung, dass Sklaven zu Aussagen wider ihren Herrn nicht gefoltert werden dürften, wussten die Caesaren schlau zu umgehen. Von einem Prozess wider Libo Drusus berichtet Tacitus in seinen Annalen: »In einem Papier jedoch sollten, wie die Ankläger behaupteten, von Libos Hand den Namen der Caesaren oder Senatoren Zeichen offener oder magischer Gewalt beigefügt sein. Da der Beklagte läugnete, wurde beschlossen, den geständigen Sklaven auf der Tortur zu vernehmen. Weil aber nach altem Senatsbeschluss ein derartiges peinliches Verhör gegen das Leben des Herrn verboten war, befahl der listige und in neuen Rechtsregeln erfinderische Tiberius, dass ein Sklave nach dem andern an den Fiskus verkauft werden sollte, damit dann, trotz der Senatsverordnung gegen Libo das Verhör der Sklaven vorgenommen werden könnte.« Andere ähnliche Stellen des genannten Werkes lauten in der Uebersetzung: »So liess er die Sklaven Lapidas, die sich in militärischer Haft befanden, zu den Konsuln bringen, gab aber nicht zu, dass sie über das, was sein Haus anging, auf der Folter vernommen werden.« Dass bei Majestätsverbrechen doch von dieser Regel Abstand genommen wurde und auch freie Römer der Tortur unterzogen wurden, ergiebt sich aus anderen Stellen. Drusus war beschuldigt worden, die Absicht gehabt zu haben, Tiberius zu vergiften, hätte aber aus »Furcht und Scham« selbst den vorbereiteten Giftbecher genommen. »Dies allgemein verbreitete Gerücht kann, abgesehen davon, dass es von keinem vertrauenswerten Gewährsmann bestätigt wird, leicht widerlegt werden. Jeder, der einige Besonnenheit besass, besonders der in so wichtigen Verhältnissen wohl erfahrene Tiberius, würde sicherlich nicht dem Sohn, ohne ihn anzuhören und ohne Reue zu empfinden, Selbsttötung geboten haben. Er hätte vielmehr den Diener vor der Vergiftung foltern lassen, dem Urheber nachgeforscht und sicherlich auch die ihm angeborene, auch gegen Fremde bekundete zaudernde Bedenklichkeit auch gegen den vorher keiner Schandtat überwiesenen Sohn bekundet haben ...« »Unter denselben Konsuln wurden, als furchtbares Beispiel des Jammers und der Tyrannei, als Angeklagter ein Vater, als Kläger sein Sohn, beide mit Namen Vibius Serenus vor den Senat gebracht, der Vater aus der Verbannung zurückgeschleppt, schmutzbedeckt und auch jetzt, wo der Sohn wider ihn auftrat, mit der Kette gefesselt; der Jüngling eigens vorbereitet, in grossem Staat, mit froher Miene. Angeber und Zeuge zugleich behauptete er, dem Fürsten seien Nachstellungen bereitet worden, es seien nach Gallien Aufwiegler zum Krieg gesandt worden. Er fügte noch hinzu, der frühere Prätor Caecilius Cornutus hätte das nötige Geld hergegeben. Der Sorgen überdrüssig und weil schon die Gefahr dem Untergang gleich galt, hatte sich der letztgenannte rasch selbst getötet. Ganz anders zeigte sich der Angeklagte. Ungebeugten Mutes schüttelte er, dem Sohne zugewandt, die Fessel und rief die Rachegötter an, dass sie ihn wieder in die Verbannung brächten, wo er fern von solchen Sitten leben konnte, und dass den Sohn noch das Strafgericht ereilen möge. Dabei beteuerte er, Cornutus sei unschuldig und nur von einem Wahn eingeschüchtert worden. Leicht wäre dies zu erweisen, wenn noch andere angegeben werden sollten, denn Fürstenmord und Staatsumwälzung würde er doch nicht nur mit einem Genossen auszuführen beabsichtigt haben. Nun nannte der Kläger Gnäus Lentulus und Sejus Tubero als Mitschuldige, zur grössten Betroffenheit des Kaisers, da es die ersten Männer im Staate und seine vertrautesten Freunde waren und Tubero überdies körperschwach, Lentulus hochbejahrt war. Doch sie wurden auch sofort der Sache überhoben. Gegen den Vater verhörte man die Sklaven, deren Aussage gegen den Kläger ausfiel, der wie wahnsinnig ob des Frevels und erschreckt über die Reden des Volkes, das mit Kerker, dem Felsen oder Vatermörderstrafen drohte, aus der Stadt floh. Von Ravenna wieder zurückgebracht, wurde er genötigt die Anklage weiter zu verfolgen, wobei Tiberius aus seinem alten Groll wider den Verbannten Serenus keinen Hehl machte. Denn dieser hatte nach der Verdammung Libos dem Kaiser in einem Schreiben vorgeworfen, dass nur seine Bemühungen unbelohnt geblieben wären und noch manches in einem trotzigeren Tone zugefügt, als bei einem stolzen, leicht zu beleidigenden Mann rätlich ist. Dies trug ihm der Kaiser noch acht Jahre nach, die Zwischenzeit verschiedentlich anschuldigend, obgleich die Folter durch Halsstarrigkeit der Sklaven dawider sich entschieden hatte ...« An einer andern Stelle wieder heisst es: »Unterdessen wurde in Rom aus keiner offenkundigen, auch später nicht bekannt gewordenen Ursache, der römische Ritter Gnäus Nonius in der Versammlung, die den Fürsten begrüssen sollte, mit einem Schwert umgürtet aufgefunden. Als er auf der Tortur gemartert wurde, gestand er, ohne jedoch Mitwissende anzugeben und ohne, dass man erfuhr, ob er diese nur verheimliche.« Wir sehen also hier auch einen römischen Ritter der Tortur unterworfen, in derselben Kaiserzeit, in der die Privatfolter aufgehoben, das Foltersystem jedoch anderseits wieder erweitert wurde.

Von den Rechten die im allgemeinen römische Staatsbürger bei Verhaftungen und andern Kriminalpraktiken genossen, erfahren wir auch einiges aus der Apostelgeschichte, wo Paulus wiederholt diesen Rechtschutz betont. So z. B. 16, 36-38: »Und der Kerkermeister verkündete diese Rede Paulo: Die Hauptleute haben hergesandt, dass ihr los sein sollt. Nun ziehet aus und gehet hin mit Frieden. Paulus aber sprach zu ihnen: Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich gestäupet, die wir doch Römer sind, und in das Gefängnis geworfen und sollten uns nun heimlich ausstossen? Nicht also, sondern lasset sie selber kommen und uns hinausführen. Die Stadtdiener verkündigten diese Worte den Hauptleuten, und sie fürchteten sich, da sie hörten, dass sie Römer wären.« Eine andere Stelle wieder 22, 25-29: »Als er ihn aber mit Riemen anband, sprach Paulus zu dem Unterhauptmann, der dabei stand: Ist es auch recht bei euch einen römischen Menschen ohne Urteil und Recht zu geisseln? Da das der Unterhauptmann hörte, ging er zu dem Oberhauptmann und verkündigte ihm und sprach: Was willst Du machen? Dieser Mensch ist römisch. Da kam zu ihm der Oberhauptmann und sprach zu ihm: Sage mir, bist Du römisch? Er aber sprach: Ja. Und der Oberhauptmann sprach: Ich habe dies Bürgerrecht mit grosser Summe zuwege gebracht. Paulus aber sprach: Ich aber bin römisch geboren. Da traten alsbald von ihm ab, die ihn erfragen sollten. Und der Oberhauptmann fürchtete sich, da er vernahm, dass er römisch war und er ihn gebunden hatte.«

Weniger Rücksicht nahm man aber, wie bereits bemerkt, dort wo es sich um Majestätsverbrechen handelte, mit deren Bezichtigung man übrigens rasch bei der Hand war. Besonders grausam wurde verfahren zur Zeit als der Caesarenwahnsinn seinen Schrecken äusserte, als die Christenverfolgungen eintraten, bei deren Martern es sich allerdings weniger um Bekenntnisse, als um Verschärfungen der Strafen handelte.

Die Tortur selbst wurde anfangs bei den Römern völlig nach griechischem Muster ausgeführt, bis später neue Erfindungen und »Verbesserungen« in dem Martersystem eingeführt wurden. Am häufigsten wurde das Prügeln angewandt, das Stäupen mit Ruten, das Peitschen, das Schlagen mit der dreschflegelartigen flagella. Gewöhnlich wurde das Opfer dabei auf eine Bank gebunden, den Rücken nach oben, in ähnlicher Weise, wie bei uns vor noch nicht allzulanger Zeit die Prügelstrafe verabreicht wurde. Ueber die Foltermittel wurde bereits oben das nötige angeführt. Bei der Feuertortur (Tormentum ignis) wurde der Gefolterte barfuss über glühende Kohlen getrieben, oder in einen Bock gesteckt, wo dicht unter den hervorragenden unbedeckten Füssen Gefässe mit glühenden Kohlen gestellt wurden, oder er wurde auf eine Bank ausgestreckt gefesselt und ihm Metallbecken, in denen sich Glut befand, auf den Leib gesetzt. Als ähnliche Torturmetode kann auch das Schmäuchen betrachtet werden, das von Neros Vertrauten Tigellinus als langsam wirkendes Hinrichtungsmittel erfunden worden sein soll, wahrscheinlicher aber aus dem Orient stammt, wo derlei Grausamkeiten mit unübertrefflicher Meisterschaft verübt wurden. Beim Schmäuchen wurde das Opfer über ein aus Reisig, Dünger und andere übelriechende, mehr Rauch als Flammen entwickelnden Feuer gehängt, zumeist mit dem Kopfe nach unten. Um das Opfer nicht zu ersticken und somit durch den Tod von seiner Pein und seinen Peinigern zu befreien, wurde das Feuer von Zeit zu Zeit unterdrückt, um es später wieder auf's Neue qualmen zu lassen. Dieses Verfahren kam besonders häufig bei den Christenverfolgungen zur Anwendung. Eine besondere Widerstandsfähigkeit beim Schmäuchen soll bei der im Jahre 303 von Diokletian veranstalteten Christenverfolgung der Märtyrer Clemens Ancyron bekundet haben. Die meisten dieser Peinigungen wurden übrigens auch in späteren Torturverfahren in gleicher oder doch ähnlicher Weise angewandt, und es soll an den betreffenden Stellen noch näher davon die Rede sein.

Nicht minder qualvoll, vielleicht sogar noch viel peinigender mögen einige andere, scheinbar gelinde Torturarten gewesen sein, von denen manche in gewissen Verhältnissen auch heutzutage inmitten unserer stolzen Kulturwelt zur Anwendung gelangen. Vor allem ist hier zu nennen: die Salzfolter, (Tormentum ex sale et linteo) wobei dem Angeschuldigten ein mit einer starken Salzlösung gesättigtes Linnenstück gewaltsam in den Schlund getrieben wurde, bis die Erstickungsgefahr sehr nahe war. Ferner die Ziegenfolter (Tormentum cum capra), wobei der Beschuldigte auf eine Bank gelegt angebunden wurde. Sodann wurden ihm die Fusssohlen stark mit Salz eingerieben, das von einer Ziege abgeleckt wurde. Dieser Vorgang war anfangs mit einem unerträglichen Kitzel verbunden, der sich durch die Wiederholung zu einem sehr schmerzvollen Empfinden steigerte. Die rauhe Zunge der Ziege wetzte Haut und Fleisch zuweilen bis auf die Knochen fort. Die Hungerfolter (Tormentum famis) bestand, wie schon der Namen klar macht, aus anhaltender Nahrungsentziehung, die Durstfolter (Tormentum sitis) aus der Entziehung jeglichen Trunkes, wobei der Durst noch durch scharfgewürzte Speisen und Aufenthalt in einer heissen Zelle gesteigert wurde. Auch eine Wachfolter (Tormentum vigiliae) gab es, wobei der Gefolterte verhindert wurde zu schlafen, mit roher Hand aufgerüttelt, wenn trotz aller Hindernisse und Störungen die Natur dennoch ihre Rechte geltend machte. Wieder eine andere Art der Folterung bestand darin, dass dem Bezichtigten Hornissen oder andere stechenden Insekten dermassen auf die Haut gesetzt wurden, dass die Tierchen sich nicht entfernen konnten.

Noch manches liesse sich anführen, wobei das Rom der Kaiserzeit eine besondere Virtuosität in Erfindungen von Martern bekundete, insofern das meiste hiervon überhaupt nicht orientalischer Import gewesen war. Immerhin lässt sich aber auch sagen, dass fast kein Zweites von dem gestürzten Römerstaat so komplett der Nachwelt überliefert wurde wie eben die Tortur und ihre Mittel. Bemerkenswert ist, dass bei den Römern gewöhnlich in den festlichen Tagen des Jahres Folterungen nicht vorgenommen wurden.

Das Byzantinische oder Oströmische Reich, dessen Geschichte auf jedem Blatte Mord und Grausamkeit aufweist, nahm selbstverständlich die Tortur mit all ihren Gräueln von Mutter Rom, wozu sich noch die orientalischen Praktiken gesellten. Auch Italien, Spanien, Frankreich, die Töchter der weströmischen Herrschaft, folgten darin willig und auch andere Völker, die mit dem Romanentum in Berührung kamen, wie die Goten, wandten die Tortur an. Wieder sei Westphal das Wort gegeben: »Die ersten Spuren der Tortur, die wir in deutschen Gesetzen finden, zeigen, dass sie den Römern entnommen wurden. Die Gesetze der Ost- und Westgoten, Burgunder, Salier und Bajuvarier enthalten davon etwas. In dem Edicto Theodorici des ostgotischen Königs ist hiervon, wie auch sonst, nur das römische Recht wiederholt. Ebenso deutlich sind die Spuren des römischen Rechts in dem Gesetz der Westgoten, nur dass diese noch einige Zusätze oder Abänderungen vorgenommen haben. Dieses Gesetz kennt eine Tortur der Sklaven und auch der Freien. Erstere wurden, wie bei den Römern, als Verbrecher oder als Zeugen gefoltert, konnten aber nur bei schweren Verbrechen wider ihre Herren Zeugnis ablegen. Freie wurden nur als Verbrecher gefoltert, doch musste in diesem Falle der Kläger vornehmer als der Angeklagte sein. Anklage und Gesuch auf Tortur mussten so erfolgen, dass der Beschuldigte von der Vernehmung und Tortur vorher nichts erfuhr. Ueberstand er die Folter und wurde er freigesprochen, so sollte der Kläger sein Sklave werden oder ihm so viel an Gut zugeben als er forderte. Sowohl Kläger wie auch Richter konnten dafür verantwortlich gemacht werden, wenn der Gefolterte bei der Marter starb oder stark verletzt wurde.

Die Lex Salica Tit. 43, kennt nur eine Tortur der Sklaven, besonders bei Diebstählen und bestimmt die Marter-Instrumente. Die Colaphi oder Colpi entsprach der römischen Equuleus, senum, die Sehne, dem fidiculis. Den römischen Rutenstreichen entsprechen hier Gertenhiebe, wobei der Betreffende auf einer Bank, mit dem Rücken nach oben, ausgestreckt lag. Die Anzahl der Streiche war festgestellt und diese Tortur konnte nur bei Diebstählen von einer gewissen Höhe des Betrages stattfinden. Bekannte bei der Marter der Sklave, so musste dessen Herr den Kläger schadlos halten. Leugnete er, so konnte der Kläger die gesetzlich festgestellte Anzahl der Schläge überschreiten, doch musste er dem Herrn des Sklaven Kaution bieten. Bekannte bei dieser Fortsetzung der Marter endlich der Sklave, so gehörte er dem Kläger, ohne dass dieser den bisherigen Herrn entschädigen musste. Blieb aber der Sklave auch jetzt noch standhaft beim Leugnen der Tat, so wurde er freigesprochen, wurde seinem Herrn zurückgegeben, sofern dieser von dem Kläger nicht als Entschädigung die Bezahlung des Wertes beanspruchte.

Auch die Lex Bajuvarior. Tit. 8 c. 18 kennt nur eine Tortur der Sklaven und verordnet, dass der Kläger dem Herrn, dessen Sklaven er ungerechtfertigt foltern liess, zwei Sklaven zu ersetzen hatte. Dasselbe verordnet auch die Lex Burgund. Tit. 7.

Bei Griechen, Römern und andern Völkern wurden, wie bereits angegeben, häufig als Zeugen auftretende Sklaven der Tortur unterzogen, eine Vornahme, die in vielen Fällen sogar als unerlässlich galt. Dies nötigt uns einen raschen Blick auf die Entwicklung des Zeugnis-Zwanges zu werfen, wobei wir den Wortlaut einer kleinen Schrift »Der Zeugnis-Zwang im Strafverfahren in geschichtlicher Entwicklung«, von Dr. Paul Kayser, Stadtrichter in Berlin, 1879 teilweise anführen: »Schon im alten Testament wird die Zeugnispflicht als ein Gebot der Religion aufgestellt: »Wenn eine Seele sündigen würde, dass er einen Fluch höret und er dess Zeuge ist, oder gesehen und erfahren hat und nicht ansaget, der ist einer Missethat schuldig,« (3. Mose 5, 1), ein Satz, welcher in den Sprüchen Salomonis (29, 24) in seinem Inhalt wiederholt wird. Der Ungehorsam der Zeugen ist, wie es in einem theokratischen Staat, wo Sünde und bürgerliches Vergehen einander decken, gar nicht anders erwartet werden kann, eine Sünde gegen Gott, welche nur durch ein Opfer gesühnt wird (3. Mose 5, 6). Im Uebrigen ist uns aber das Strafverfahren in dem jüdischen Staat aus der Bibel so wenig bekannt, dass wir auch nicht wissen, ob später zu dieser religiösen Sühne – die als Gottesgesetz nicht geändert werden konnte – noch eine bürgerliche Strafe hinzugekommen ist. In dem talmudischen Recht wird zwar ebenfalls, bes. in Kriminalfällen die allgemeine Verpflichtung, Zeugnis abzulegen, wiederholt, allein selbstverständlich kann bei dem Mangel eines staatlichen Organismus von Zwang oder Strafe für die Verweigerung nicht die Rede sein. Entsprechend dem Grundcharakter des talmudischen Strafrechts, dass möglichst zu Gunsten des Beschuldigten verfahren werden soll, wird der Grundsatz ausgesprochen, »dass wer ein Zeugnis weiss, das seinem Nächsten zu Gute kommt und es nicht sagt, zwar nicht vom menschlichen, aber vom göttlichen Gericht gestraft werde.« Vgl. Fränkel, Der gerichtliche Beweis nach mosaisch-talmud. Recht 1846 S. 21, 71, 83, 116, 155-160 und Baba Kamma 26. – So hat die Vorschrift des alten Testaments, welche sich auf die Anklage bezog, durch den Talmud nach Seite der Verteidigung die entsprechende Ergänzung erfahren.

In Hellas hat der Zeugenbeweis selbst in den Fällen des schriftlichen Verfahrens eine ganz hervorragende Bedeutung und schon hieraus muss das Bestehen einer allgemeinen Zeugnispflicht geschlossen werden. Einen direkten Zwang, vor Gericht zu erscheinen hat es jedoch nicht gegeben, vielmehr machte sich der ungehorsame Zeuge teils regresspflichtig, teils strafbar. Wie sich aber die Folgen des Ungehorsams näher gestaltet haben, darüber ist eine Aufklärung aus den Quellen nicht zu schöpfen. Ankläger wie Angeklagter konnten ihre Zeugen selbst vor Gericht bringen; wer von diesen nicht erschien, der wurde auf Antrag der Partei mit Erlaubnis des Gerichtsvorstandes durch den Herold geladen und bei seinem nunmehrigen Ausbleiben in eine Strafe von 1000 Drachmen (etwa 750 Mk.) an den Staat verurteilt. Daneben findet sich noch eine Klage wegen Zeugnisverweigerung, die vermutlich eintrat, wenn zu der allgemeinen Zeugnispflicht noch ein besonderes Versprechen des Zeugnisses abgegeben aber nicht gehalten wurde. In diesem Fall erhielt wahrscheinlich der Beschädigte die gedachte Strafe. Endlich konnte nach Beendigung des Verfahrens der beschädigte Teil gegen den ungehorsamen Zeugen den Ersatz des Schadens fordern. Vgl. Maier und Schömann, Der attische Prozess S. 387-392, 671-674, 475 ff. – Bei den Römern knüpft sich die Zeugenpflicht an die Form der Rechtsgeschäfte. Dieselben bedurften in der historischen Zeit, soweit es sich um Veräusserung von Grundeigentum, um Errichtung von Testamenten und dgl. handelte, der Zuziehung von fünf Zeugen, welche die fünf Klassen des römischen Volks vertraten und als dessen Repräsentanten gleichsam über die Gültigkeit dieser wichtigen Akte zu wachen hatten. Deshalb verordnen schon die zwölf Tafeln, dass ein solcher Solennitätszeuge, welcher späterhin zum Zeugnis aufgerufen dasselbe verweigerte, »ehrlos und zeugnislos« sein sollte d. h. auch er eines anderen Zeugnis nicht beanspruchen durfte, und daher unfähig wurde, gewisse Rechtsgeschäfte abzuschliessen. Qui se sierit testarier libripensve fuerit, ni testimonium faiatur, inprobus intestabilisque esto. Gellius, noct. attic. 15. 13, 11. § 6 Inst. II, 10. L. 26 D. 28, I. Bruns, font, jur. Rom p 23. Es wird somit in den 12 Tafeln ein Zwang auf die Zeugnisweigernden nicht geübt, sondern, entsprechend dem in jener Zeit geltenden Talionsprinzip »Aug' um Aug', Zahn um Zahn«, wird derselbe in gleicher Weise gestraft, als er gefehlt hat. Er hat die ihm als Vertreter des Volks obliegende Pflicht verletzt und deswegen werden ihm die entsprechenden Bürgerrechte entzogen. Auch in der späteren Zeit wird die Zeugnispflicht als eine allgemeine bezeichnet, ohne dass jedoch angegeben wird, wie dieselbe erzwungen oder ihre Verweigerung bestraft wurde. L. 1, pr. § 1 D. de test. XXII, 5. L. 21 § 1 D. XXII. 5. L. 16. C. 4, 20. Es liegt aber die Annahme nahe, dass wenigstens bis in die Kaiserzeit hinein die alte Strafe der Intestabilität fortbestand. Es lässt sich aber auch ferner annehmen, dass die Pflicht, dem Aufrufenden ein Zeugnis abzulegen, so sehr anerkannt war, dass es da der Gesetze nicht bedurfte, wo schon die gute Sitte ausgereicht hat. Wenigstens finden wir erst in Civilsachen den Zeugniszwang von Justinian im J. 350 eingeführt, L. 19. Cod. de test. IV, 20. und im Kriminalverfahren finden sich in älterer Zeit die Vorschrift, dass nur der Ankläger jemanden wider Willen zum Zeugnis veranlassen konnte. Quinctilian. Inst. orator. V, 7, 9. Hieraus darf aber gefolgert werden, dass derjenige, welcher zu Gunsten des Angeklagten aussagen konnte, niemals sein Zeugnis verweigert haben wird. Diese Zeugen, sowie in der Kaiserzeit auch die Schutzzeugen L. 1 § 2 D. de test. XXII, 5. A. M. Geib, Gesch. des Röm. Krim.-Proz. S. 338., wurden von dem Richter vorgefordert, in dessen diskretionärer Gewalt es gewiss lag, dieselben auch zwangsweise vorzuführen. Vgl. auch L. 1 § 3 D. de inspiciendo ventre XXV, 4. Denn es ist offenbar kein neues Recht, wenn Justinian in Nov. 90 vom J. 539 anordnet, dass in Kriminalprozessen, um das Zeugnis zu erzwingen, unter Umständen auch von der Folter, Gebrauch gemacht werden soll. Das Zeugnis von Sklaven galt selbst in republikanischer Zeit nur, wenn es durch die Folter bekräftigt war, z. B. L. 1 § 10. L. 6 D. de quaest. XLVIII, 18. So sahen wir im Beginn des Röm. Rechts eine Strafe gegen den ungehorsamen Zeugen verhängen, und am Schluss einen Zwang gegen ihn üben – zwei Arten, welche fortan bestimmend auf die Zeugnispflicht bis auf den heutigen Tag gewirkt haben.

Für das ältere deutsche Recht muss vor allem daran erinnert werden, dass der Zeugenbeweis eine sehr untergeordnete Rolle spielte. Nichtsdestoweniger finden sich schon in den alten Volksrechten ganz ausdrückliche Vorschriften gegen den ungehorsamen Zeugen. Aus den beiden einzigen Quellen, welche wir darüber besitzen, sehen wir jedoch, dass sich die Zeugen freiwillig den sie Anrufenden zu stellen pflegten und dass erst, wenn sie diesem Aufruf nicht folgten, eine Ladung an sie erging. Auch hier wird also die gute Sitte ein Gesetz in den meisten Fällen unnötig gemacht haben. Ein wirklicher Zwang wird aber auf Zeugen, welche ausbleiben oder zwar erscheinen, aber keine Aussage machen wollen – denn beide Fällen werden gleichgestellt – nicht geübt, vielmehr werden sie nur zu einer hohen Geldbusse verurteilt. L. Salic. T. 52. L. Ripuar. T. 50. Unter den Karolingern richten sich die Prozessreformen auch auf eine grössere Ausdehnung der rationellen Beweismittel durch Zeugen und eben deshalb finden wir vielfach in den Kapitularien das Gebot auf Ladung vor Gericht zu erscheinen. Cap. III vom J. 803 c. 20, Cap. VI vom J. 803. c. 5, Cap. I vom J. 809 c. 13, Cap. II vom J. 809 c. 14. Eine Mitteilung jedoch darüber, wie dieses Gebot erzwungen wurde, wird uns nicht gemacht und wir können deshalb nur annehmen, dass der Ungehorsam von Zeugen, wie früher, als ein eigentümliches Vergehen gegen die Rechtsordnung mit Geldstrafen geahndet wurde. Maurer, Gesch. des altgerm. Gerichtsverfahrens. S. 91. 209. Es wäre aber gewiss verkehrt, wenn man hieraus schliessen wollte, dass dem germanischen Recht aus Rücksicht auf die individuelle Freiheit der wirkliche gegen die Person geübte Zwang fremd gewesen ist. Man muss diesen Zustand vielmehr als eine Schwäche der öffentlichen Gewalt bezeichnen, die noch nicht im Stande war, selbst die strafbaren Handlungen zu ahnden; vielmehr wurden letztere noch zum grössten Teil von dem Verletzten selbst oder dessen Familie »per corpus« mit Selbsthilfe in der Fehde bestraft. Im späteren Mittelalter aber, zur Zeit der Rechtsbücher (Sachsen-Schwabenspiegel), war das Beweisverfahren so sehr verwildert und auf das rohe Element der Fäuste gestellt, dass man den Zwang auf Zeugen gewiss hat entbehren können. Aber das deutsche Recht hat doch das Verdienst, in der vorliegenden Materie einen neuen Vergehensbegriff eingeführt zu haben, den Ungehorsam gegen die verlangte Rechtshülfe, wenn es auch sonst den eigentlichen Zwang nicht gekannt hat.

In dem kanonischen Recht, dem dritten Faktor der universalen Rechtskultur des Mittelalters, ist die Pflicht zum Zeugnis nicht nur anerkannt, sondern es wird die Entziehung derselben von dem heiligen Augustinus offenbar im Anschluss an die mosaische Vorschrift sogar als eine Sünde gegen Gott bezeichnet; denn wenn der unwahre Zeuge zu schaden wünsche, so wolle derjenige, welcher seine Aussage zurückhalte, nicht nützen; beides sei von gleichem Uebel. c. 80 C. II qu. 3. Die Kirche stellt zwar ihrer Mission gemäss den Grundsatz auf, nur mit Ermahnungen gegen widerspenstige Zeugen vorzugehen, allein dies ist bloss eine leere Redensart, weil von dieser Regel die Ausnahmefälle viel zahlreicher sind. Denn einmal waren Zwangsmittel gegen diejenigen gestattet, welche aus Hass, Furcht oder Gunst ihre Aussage verweigern – andere Beweggründe lassen sich kaum denken c. 1. 3. 6. 9. 10 X de testibus cogendis vel non II, 21. – sodann aber wurden dieselben auch in dem Notzustand zugelassen, wenn die Wahrheit anders nicht ermittelt werden könne. c. 5 X II, 21 aus dem J. 1190 von Clemens III. Das Ziel der Kirche ist, nicht zu strafen, sondern zu bessern; daher sucht sie zunächst freilich durch Ermahnungen zu wirken und greift erst, wenn diese fruchtlos sind, zu ihren Heil- und Zuchtmitteln (censurae, poenae medicinales), um durch dieselben den widerspenstigen Zeugen zum Gehorsam zu bringen. Geistliche werden, bis der Zwang gebrochen ist, von Amt und Einkommen suspendiert, endlich auch exkommuniciert; gegenüber den Laien treten die gewöhnlichen Zensuren, teilweise oder gänzliche Entziehung von der Gemeinschaft, ein. c. 2. 5. 9. 10 X II, 21. – Vgl. überhaupt: Rosshirt, in der Zeitschrift für das Strafverfahren III S. 96-100.

Wie diese verschiedenen Gesichtspunkte in der Praxis der Gerichtshöfe zur Geltung gekommen sind, darüber ist freilich eine sichere Kunde nicht zu uns gelangt. In der grossen Prozessordnung, welche von Karl V. ihren Namen trägt, aus dem Jahre 1532, ist der Zeugnispflicht nicht einmal Erwähnung getan. Dass sie aber als selbstverständlich vorausgesetzt wurde, ergiebt sich aus der Bestimmung über das Verhör auswärtiger Zeugen, deren Aussage durch Vermittlung der auswärtigen Obrigkeiten herbeigeführt werden soll. Art. 72: – darauff dann dieselbig Oberkeyt verstendige kundtschafft verhörer, vngeacht, ob sie nit des gerichts weren, auff ansuchung dess, der kundtschafft füren will, vnd ob es die notturfft erfordert vnd begert wird, Compulsorial und Compass brieff geben soll, dadurch die Zeugen zu gebührlicher sag zu bringen seindt. Die Mittel, durch welche die Zeugenaussagen zu erzwingen waren, werden auch in diesem Gesetzbuch nicht angegeben, sondern wie viele andere Dinge, der Gerichtsübung überlassen, welche allmählich den ganzen Prozess umgebildet hatte. So lange es nämlich eine Verfolgung von Amts wegen nicht gegeben hat, so lange war auch das Recht und die Pflicht des Staates, Verbrechen zu strafen, noch nicht zur vollen Geltung gelangt. In den Vordergrund tritt immer noch das Objekt der strafbaren Handlung, der Verletzte. Er ist es, welcher zunächst die Sühne verlangt, an der die gebrochene Rechtsordnung, der gestörte Frieden nur mittelbar beteiligt ist. Deshalb ist auch die Stellung des Uebeltäters und der Zeugen eine viel freiere und unabhängigere, und die letzteren, wenn sie ihre Aussage verweigern, verweigern dem Verletzten nur ihre Rechtshilfe; die Rechtsordnung aber beschädigen sie nur mittelbar. Je weniger man den Staat selbst durch die strafbare Handlung geschädigt ansah, desto weniger erschien es im Interesse dieses, den ungehorsamen Zeugen zu zwingen. So sehen wir auch in Roms ältesten Zeiten keinen Zwang üben, sondern es wird dem weigernden Zeugen die gleiche Hilfe versagt; so sehen wir auch in den deutschen Volksrechten diese verweigerte Rechtshilfe zwar nicht bloss als eine moralisch verwerfliche, sondern auch als eine mit einer Geldbusse aber nur mit einer solchen zu sühnende Tat charakterisiert; ein Zwang gegen den Zeugnisweigernden wird nicht angewendet. Erst die Umwandlung des Strafprozesses in eine Verfolgung und Untersuchung von Amtswegen, wie sie namentlich durch die Dekrete des Lyoner Concils begründet wurde, führt eine Aenderung herbei. Der Beschädiger steht jetzt nicht mehr einem Privatankläger, sondern der verfolgenden Obrigkeit gegenüber, die von ihm Rechenschaft verlangt. Um ihn aber zu bestrafen, muss er des Verbrechens überführt werden – was bei der vorhandenen rein formellen Beweistheorie vielen Hindernissen begegnete – oder er musste gestehen. Confessio regina probationum. Als ein Mittel, von dem Beschuldigten die Wahrheit d. h. das Geständnis seiner Schuld zu erlangen, verfiel man bekanntlich auf die Tortur. Es würde zu weit ablenken, sollte hier auseinandergesetzt werden, wie nur in den geistlichen Ketzergerichten die Tortur von der Willkür geistlicher Richter abhängig war, die sich in der Gesinnung von ihren Henkersknechten nicht viel unterschieden und wie dagegen in Deutschland ein gründliches wissenschaftliches System entstanden ist: über die Fälle, wann zur »peinlichen Frage« geschritten werden sollte, über die Art derselben in ihren verschiedenartigen Stufen, über die Dauer, ihre Wiederholung, falls der »Gemarterte« später widerrief u. dgl. m. Für den vorliegenden Zweck soll diese Andeutung genügen, um darauf hinzuweisen, dass diesem Verfahren das Recht des Staates auf Erforschung der Wahrheit zu Grunde lag und dass man zur Erreichung dieses Zweckes Zwangsmittel anwandte. Denn dass die Tortur keine Strafe, sondern nur ein Zwangsmittel – oder, wie man in euphemistischer Täuschung sagte, ein medium eruendae veritatis – gewesen ist, das ist eine, jedem Laien bekannte Tatsache So sagt Tittmann, Handbuch des Strafrechtsw. 2. Aufl. III § 780 von der Tortur: »Man bediente sich besonderer, Schmerzen und Martern erregender Instrumente, um Angeschuldigte zu gewissen Antworten zu nötigen.« Und noch Quistorp, Grundsätze. 6. Aufl. bezeichnet im § 730 die »Marter« als »ein blosses Hülfsmittel die Wahrheit zu erforschen.. Sie hat mit der Strafe zwar gemein, dass der Beschuldigte die gleichen Schmerzen fühlt; die Strafe aber ist – abgesehen von sonstigen Unterschieden – eine begrenzte, das Zwangsmittel ist unbeschränkt und wird lediglich, wie die peinliche Gerichtsordnung Karls V. in Art. 58 vorschreibt, »nach ermessung eyns guten vernünfftigen Richters fürgenommen.« – Man wird nun nicht fehl gehen, wenn man aus dieser veränderten Stellung des Angeklagten im Inquisitionsprozess auch einen Schluss auf die Stellung der Zeugen macht. Die Verweigerung ihrer Aussage schädigt nicht mehr eine Partei, sondern greift die Existenz des Staates an. Wie dieser von dem Beschuldigten das Geständnis erzwingt, so jetzt auch von dem Zeugen sein Erscheinen und seine Aussage. Die Sühne, welche in der Bestrafung für die Verweigerung gefunden werden könnte, ist nicht mehr ausreichend, der omnipotente Staat verlangt die Ablegung des Zeugnisses. Deshalb werden in dem auf die Gerichtsordnung Karls V. folgenden sog. gemeinen Kriminalprozess gegen den ungehorsamen Zeugen überhaupt nur Zwangsmittel angewandt und die Bestrafung desselben fallen gelassen. Denn es ist die höchste Staatsraison, dass Verbrechen nicht ungestraft bleiben. Als Mittel die Zeugen zu zwingen, werden: Geldbussen, Freiheitsentziehungen und endlich die Tortur bezeichnet. Da in jener Zeit noch nicht der erhabene Grundsatz von der Gleichheit der Personen vor dem Gesetze galt, so wurden die erstgedachten Zwangsmittel vorzugsweise gegen Personen von »einigem Stande« angewendet. Nur Personen geringeren Schlages wurden durch die Tortur zu ihrer Zeugnispflicht angehalten, und auch dann nur, wenn man andere Zeugen nicht haben und den Beschuldigten trotz Folterung zu einem Geständnis nicht veranlassen konnte, sowie wenn es sich um ein Kapitalverbrechen handelte. Einige verlangten noch, dass die Zeugen bei dessen Begehung anwesend gewesen sein müssen, damit ihre Kenntnis und ihr bösliches Verschweigen klar erhelle. Auch musste die Art der Tortur geringer sein, als die gegen den Beschuldigten angewandte und wurde selten über den ersten Grad hinaus erstreckt. Tenzel, de tortura testium. – Carpzov, Quaestion. CXIX, Observ. III. – Joh. Samuel Friedr. von Böhmer, Meditationes in const. crimin. Carolinam zu Art. 72. § III. S. 267. – Quistorp, Grundsätze des teutsch. peinl. Rechts. 6. Aufl. § 702. Als nun später die Folter abgeschafft wurde, was zuerst in Preussen durch die Kab. Ordre vom 3. Juni 1740, zuletzt in Hannover durch die Verordn. vom 25. März 1822 geschehen ist, so blieben als Zwangsmittel gegen den ungehorsamen Zeugen nur Geldbussen und Einsperrung übrig, denen man es äusserlich freilich nicht ansehen kann, ob sie zur Strafe oder zum Zwange dienen, und deren Unterschied namentlich der davon Betroffene für höchst gleichgültig erachten wird. Derselbe liegt aber, wie bereits erwähnt, in der Unbegrenztheit der Zwangsmittel, in der Verschärfung derselben – die Strafe darf nur so vollstreckt werden, wie sie verhängt ist – und in der Abhängigkeit von dem Willen des Betroffenen – während die Strafe, soweit sie erkannt worden ist, auch verbüsst werden muss ...

Aehnlich wie in Deutschland verhielt es sich in dieser Sache auch in den andern europäischen Staaten. Von dem Zeugniszwang in neuerer Zeit, wo die Folter gesetzlich nicht mehr zur Anwendung gelangt, können wir hier absehen, weil es ausserhalb des Rahmens unserer Darstellung liegt. Dasselbe gilt auch von den Ländern des Orients etc., wenn auch aus andern Gründen, die wohl nicht erst dargelegt werden müssen.

Mitgeteilt zu werden verdient hier, wie sich der bekannte italienische Schriftsteller Cesare Bonesano de Beccaria in seiner berühmten, 1764 erschienenen Schrift »Dei delitti e delle pene« (übersetzt von M. Waldeck), das Voltaire »das Gesetzbuch der Menschlichkeit« nennt, über die Folter äussert:

»§ 16. Von der Folter. Eine durch den Gebrauch bei den meisten Nationen geheiligte Grausamkeit ist die Folterung des Angeklagten während des Prozesses, um ihn entweder zum Geständnisse eines Verbrechens zu zwingen oder die Widersprüche, in die er verfallen ist, anzugeben oder die hirnlose und unbegreifbare Reinigung von der Ehrlosigkeit zu bewirken oder endlich ihn zum Geständnis anderer Verbrechen, denen er schuldig sein kann, aber nicht angeklagt ist, zu veranlassen.

Ein Mensch kann nicht vor der Verurteilung durch den Richter schuldig genannt werden, und die Gesellschaft kann ihm nicht den öffentlichen Schutz entziehen, so lange es nicht entschieden ist, dass er die Verträge verletzt hat, deren Schutz ihm bewilligt wurde. Worauf also, wenn nicht auf Gewalt, gründet sich das Recht, welches einem Richter die Macht giebt, einen Bürger zu bestrafen, so lange es zweifelhaft ist ob er schuldig oder unschuldig sei? Nicht neu ist das Dilemma: entweder ist das Verbrechen gewiss oder nicht; ist es gewiss, so kömmt ihm keine andre Strafe zu wie die von den Gesetzen bestimmte, und unnütz sind die Qualen, weil das Geständnis des Angeklagten unnütz ist; ist es ungewiss, so darf ein Unschuldiger nicht gefoltert werden, weil es den Gesetzen nach ein Mensch ist, dessen Verbrechen nicht bewiesen sind.

Aber ich füge noch hinzu, dass es willkürlich ist und alle Begriffe verwirrt, wenn man verlangt, dass ein Mensch zu gleicher Zeit Ankläger und Angeklagter sei, Wer sich eines Verbrechens für schuldig erklärt, muss für wahnsinnig gehalten werden; sich selbst anklagen kann man nur in einem Augenblicke des Zornes oder in einer Art Trunkenheit oder aus Verachtung oder in Folge der Heftigkeit des Schmerzes oder aus Furcht vor der Folter. Kein Mensch kann gegen sich zu seinem Verderben aussagen, wenn er dazu nicht gezwungen wird.
Quintiliani declam.
dass der Schmerz der Schmelztiegel der Wahrheit sein soll, gleichsam als ob deren Beweise in den Muskeln und Nerven der Unglücklichen ihren Sitz hätten. Es ist ein sichereres Mittel, um kräftige Schuldige frei zu sprechen und schwache Unschuldige zu verurteilen. Das sind die schrecklichen Folgen dieses angeblichen Criterismus der Wahrheit, das wohl eines Kannibalen würdig ist und das selbst die in mehr als einer Beziehung barbarischen Römer nur für die Sklaven aufbewahrten, (?) die Opfer einer wilden und zu oft gelobten Tapferkeit.

Was ist der politische Zweck der Strafen? Den andern Schrecken einzuflössen. Aber welches Urteil sollen wir über die geheimen und privaten Martereien fällen, deren Gebrauch die Tyrannei sowohl auf die Schuldigen wie auf die Unschuldigen ausdehnt? Es ist wichtig, dass jedes offene Verbrechen nicht ungestraft bleibt, aber es ist unnütz, nachzuforschen, wer ein Verbrechen begangen hat, welches in Dunkelheit begraben ist. Ein schon begangenes Uebel, gegen das es kein Mittel giebt, kann von der politischen Gesellschaft bestraft werden, nur insofern, als sie einen Einfluss auf die andern ausübt, damit sich diese nicht der Hoffnung auf Straflosigkeit rühmen können. Hätte der Verfasser gesagt: »Ein Verbrechen kann nur bestraft werden, um andere daran zu verhindern, dasselbe zu thun, oder damit es derselbe Mensch nicht noch einmal thue,« so würde er selbst die Falschheit jenes Schlusses gefühlt haben. So lange der Urheber eines Verbrechens unbekannt ist, bleibt er ungestraft und frei und kann mit seiner Freiheit dasselbe, wie vorher thun. Also ist es gut, ihn zu entdecken, um ihn unschädlich zu machen.
Diderot.
Wenn es wahr ist, dass die Zahl der Menschen grösser ist, die aus Furcht oder Tugend die Gesetze achten, als die derer, welche sie brechen, so muss die Gefahr einen Unschuldigen zu foltern, um so höher angerechnet werden, je grösser die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch sie unter gleichen Umständen eher achtet als verletzt.

Ein anderer lächerlicher Grund für Anwendung der Folter ist die Reinigung von der Ehrlosigkeit, d. h. ein von den Gesetzen als ehrlos verurteilter Mensch soll seine Aussagen durch das Zerbrechen der Knochen bestätigen. Ein solcher Gebrauch müsste im achtzehnten Jahrhundert nicht mehr geduldet werden. Glaubt man, dass der Schmerz, der eine Empfindung ist, von der Ehrlosigkeit, also einer rein moralischen Beziehung, reinigen kann? Ist er vielleicht ein Schmelztiegel und die Ehrlosigkeit ein unreiner, zusammengesetzter Körper? Es ist nicht schwer, zu dem Ursprunge dieser lächerlichen Gesetze hinaufzusteigen, weil selbst die unsinnigsten, von einer ganzen Nation angenommenen Sachen stets zu den anderen gewöhnlichen und geachteten Gedanken derselben Nation in Beziehung stehen. Dieser Gebrauch scheint den religiösen und geistigen Ideen entsprungen zu sein, welche einen so bedeutenden Einfluss auf die Gedanken der Menschen, der Völker und der Jahrhunderte ausüben. Ein unfehlbares Dogma versichert uns, dass die aus menschlicher Schwäche begangenen Fehler, welche nicht den ewigen Zorn des höchsten Wesens verdient haben, durch ein unbegreifbares Feuer gereinigt werden sollen; nun ist die Ehrlosigkeit aber ein bürgerlicher Makel, und weswegen sollten nicht, wie der Schmerz und das Feuer die geistigen und unkörperlichen Flecken entfernen, die Folterqualen den bürgerlichen Schandfleck, die Ehrlosigkeit, fortschaffen können? Ich glaube, dass das Geständnis des Schuldigen, welches bei jedem Gerichte als Hauptgrund zur Verurteilung des Schuldigen verlangt wird, einen nicht unähnlichen Grund hat, denn in dem geheimnisvollen Beichtstuhl bildet das Geständnis der Sünden einen Hauptbestandteil des Sacramentes. So missbrauchen die Menschen die hellsten Lehren der Offenbarung; und da diese sich allein die Zeiten der Unwissenheit hindurch erhielten, so nimmt die gelehrige Menschheit zu ihnen bei allen Gelegenheiten ihre Zuflucht und wendet sie auf die abgeschmackteste und unpassendste Art an. Aber die Ehrlosigkeit ist ein weder den Gesetzen, noch der Vernunft, sondern der öffentlichen Meinung unterworfenes Gefühl. Die Folter selbst macht den wirklich ehrlos, der ihr zum Opfer fällt; wie kann also durch sie die Ehrlosigkeit aufgehoben werden, da sie doch selbst die Ehrlosigkeit giebt?

Der dritte Beweggrund für die Folter ist, dass angebliche Schuldige bei der Untersuchung in Widersprüche verfallen; als ob nicht die Furcht vor Strafe, die Ungewissheit des Urteils, die Zurüstung und Würde des Richters und die fast allen Verbrechern und Unschuldigen gemeinsame Unwissenheit nicht wahrscheinlicherweise ebensowohl den Unschuldigen, welcher fürchtet, wie den Schuldigen, welcher sich zu decken sucht, in Widersprüche verwickeln würden; als ob sich Widersprüche nicht schon häufig bei Menschen finden, welche ruhig sind, wie vielmehr müssen sie also in der Verwirrung des Geistes zunehmen, der ganz in den Gedanken versunken ist, sich vor drohender Gefahr zu retten.

Dieses entsetzliche Mittel, die Wahrheit zu entdecken, ist noch ein aus der alten und wilden Gesetzgebung übernommenes Denkmal, als noch Gottesurteile die Proben mit Feuer und kochendem Wasser und das Ungefähr der Waffen genannt wurden; als ob die Glieder der ewigen Kette, welche in dem Schoosse des höchsten Wesens ruht, in jedem Augenblicke durch die frivolen Bestimmungen der Menschen verwirrt und getrennt werden könnten. Der einzige Unterschied zwischen der Folter und den Feuer- und Wasserproben ist, dass der Ausgang der ersten von dem Willen des Angeklagten und der der zweiten von einer rein physischen und äusserlichen Ursache abzuhängen scheint; aber dieser Unterschied ist nur scheinbar, nicht wirklich: es herrscht ebensowenig Freiheit, die Wahrheit unter den Qualen und Martern der Folter zu sagen, als sonst möglich war, ohne Betrug die Wirkungen des Feuers und kochenden Wassers zu vernichten. Es ist nichts gewisser, als dass die Gottesgerichte – Feuer-, Wasser- und ähnliche peinliche Proben – der Folter Ursprung sind. Ebenso gut wie die Martern, sogar noch weit nachdrücklicher, lassen sich die Gottesgerichte verteidigen. War jemand höchst verdächtig, gleichwohl aber noch einige kleine Bedenken gegen die völlige Ueberzeugung aus dem Wege zu räumen, dann und nicht eher wurde der Zweikampf oder die Wanderung über glühende Pflugschaaren oder das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser gerichtlich zuerkannt. Der Richter war ungerecht: Gott sollte den Ausspruch thun. Seht da, Carpzov's und Bartolus' Schüler! Eine höchste und beste Entschuldigung, wesshalb ihr die Marter für etwas gutes haltet. Man schaffte die Feuer- und Wasserprobe ab und erschnappte dafür deren Aftergeburt, die Folter, so dass man statt einer abscheulichen Sache eine noch weit abscheulichere eingeführt.
Hommel.

Jede Tat unseres Willens ist stets der Kraft des fühlbaren Eindrucks, der sie hervorruft, proportional, und die Fähigkeit des Fühlens ist bei jedem Menschen begrenzt Es hätte heissen müssen: »Standhaftigkeit, Geduld, Kraft zu leiden und Widerstand gegen den Schmerz«, nicht Fähigkeit des Fühlens. Dass diese in jedem Menschen »begrenzt« ist, heisst, dass es einen Grad des Schmerzes giebt, über welchen hinaus der Mensch nichts mehr fühlt. Das wollte der Verfasser hier aber nicht sagen.
Diderot.
, daher kann das Gefühl des Schmerzes so wachsen, dass es alles beherrscht und dem Gequälten keine Freiheit lässt, für den Augenblick den kürzesten Weg zu wählen, sich der Strafe zu entledigen. So ist also die Antwort des Beschuldigten ebenso unausbleiblich, wie die Eindrücke des Feuers oder des siedenden Wassers; dann wird der empfindsame Unschuldige sich für schuldig erklären, sobald er dadurch ein Aufhören der Martern zu erlangen hofft. Jeder Unterschied zwischen ihnen verschwindet durch das Mittel selbst, welches sich die Auffindung der Wahrheit anmasste. Es ist unnötig, das Licht dieser Wahrheit durch die Aufzählung zahlloser Beispiele von Unschuldigen zu verdoppeln, die sich unter den Qualen der Folter für schuldig erklärten; es giebt kein Volk und keine Zeit, die nicht die ihrigen aufzählen könnte, aber weder ändern sich die Menschen, noch ziehen sie Schlüsse daraus. Es giebt keinen Menschen, der seine Gedanken über die Bedürfnisse dieses Lebens erhebt, der nicht hin und wieder der Natur zueilte, welche ihn mit leiser und schüchterner Stimme zu sich ruft; die Gewohnheit aber, der Tyrann der Geister, stösst und schreckt ihn wieder zurück.

Der Ausgang der Folter ist also eine Sache des Temperamentes und der Berechnung und variirt in jedem Menschen im Verhältnisse zu seiner Schwäche und Empfindsamkeit, so dass ein Mathematiker diese Frage besser, als ein Richter lösen würde. Die Stärke der Muskeln und die Empfindlichkeit der Nerven eines Unschuldigen ist gegeben, und der Grad des Schmerzes ist zu finden, der ihn veranlassen wird, sich eines gegebenen Verbrechens für schuldig zu erklären.

Die peinliche Frage eines Angeklagten geschieht, um die Wahrheit zu erfahren, aber wenn diese Wahrheit sich schon schwer in den Mienen, Gesten und der Physiognomie eines ruhigen Menschen offenbart, wieviel weniger wird sie sich einem Menschen zeigen, in welchem die Zuckungen des Schmerzes alle die Zeichen verändert haben, wodurch die meisten Menschen oft wider ihren Willen die Wahrheit ausdrücken. Jede gewaltsame Handlung verwirrt und lässt die höchst geringen Unterschiede der Gegenstände verschwinden, durch welche sich sonst das Wahre vom Falschen unterscheidet.

Diese Wahrheiten waren den römischen Gesetzgebern wohl bekannt, welche die Folter nur gegen die Sklaven anwandten, denen jede Persönlichkeit abging: sie sind es auch in England, bei dem Volke, dessen Ruhm in den Wissenschaften, dessen Ueberlegenheit des Handels, der Reichtümer und folglich seiner Macht und dessen Beispiele von Tugend und Mut keinen Zweifel gegen die Güte der Gesetze aufkommen lassen. Die Folter ist in Schweden abgeschafft, aufgehoben von einem der weisesten Monarchen Europa's, der die Philosophie auf den Thron gehoben hat und der befreundete Gesetzgeber seiner Unterthanen ist; er hat sie gleich und frei in der Abhängigkeit von den Gesetzen gemacht, was die einzige Gleichheit und Freiheit ausmacht, welche vernünftige Menschen unter den gegenwärtigen Verhältnissen verlangen können. Für überflüssig hält man die Folter in den Gesetzen für die Soldaten, welche doch zum grössten Teile aus dem Auswurfe der Völker bestehen und bei denen sie doch nötiger, als irgendwo anders sein sollte. Eigentümlich erscheint es dem, der nicht in Betracht zieht, wie gross die Tyrannei der Gewohnheit ist, dass die Civilgesetze erst den von den Menschen, deren Geist durch Blutvergiessen und Metzeleien verhärtet ist, eine menschlichere Art des Richtens lernen sollen.

Diese Wahrheit wird endlich auch von denen verworren gefühlt, welche sie von sich halten. Nichts gilt das während der Folter abgelegte Geständnis, wenn es nicht durch einen Eid nach derselben bekräftigt wird; bestätigt aber der Angeklagte nicht, so soll er von neuem gefoltert werden. Einige Gelehrte und Nationen gestatten diese entsetzliche petitio principii nur dreimal, andere überlassen es der Willkür des Richters: so dass von zwei gleich unschuldigen oder schuldigen Menschen der starke und mutige freigesprochen, der schwache und furchtsame hingegen nach dem folgenden, bündigen Schlusse verurteilt wird: »Ich, der Richter, soll Euch eines solchen Verbrechens für schuldig finden; Du Starker hast dem Schmerze zu widerstehen verstanden und deshalb spreche ich Dich frei: Du, Teufel, hast ihm nachgegeben und deshalb verdamme ich Dich. Ich weiss zwar, dass das Euch von der Folter entrissene Geständnis keine Kraft hat, aber ich werde Euch von neuem martern, falls Ihr das nicht bestätigt, was Ihr ausgesagt habt.« Bei dem Kapitalverbrechen genügt das Geständnis eines Angeklagten allein nicht zu seiner Verurteilung, wenn nicht noch andere Beweise hinzu kommen, da ein solches Geständnis vielleicht nur die Wirkung der Verwirrung und Verzweiflung ist.
Domat, Civilgesetze: Buch III, Abteilung 5.

Eine sonderbare Folge, welche notwendigerweise aus dem Gebrauche der Folter entspringt, ist, dass der Unschuldige sich in einer schlimmern Lage, als der Schuldige befindet; denn wenn beide auf die Folter gespannt werden, so hat der erste alles gegen sich: gesteht er das Verbrechen, so wird er verurteilt, erklärt er sich für unschuldig, so hat er eine unverdiente Strafe erlitten; der Schuldige hat hingegen einen günstigen Fall für sich, sobald er nämlich entschlossen der Folter widersteht, weil er dann als unschuldig freigesprochen werden muss; er hat also eine grössere Strafe gegen eine geringere ausgetauscht. Deshalb kann der Unschuldige nur verlieren, und der Schuldige nur gewinnen.

Das Gesetz, welches die Folter anempfiehlt, sagt: »Menschen, widersteht den Schmerzen, und wenn die Natur euch eine unauslöschliche Selbstliebe eingepflanzt und Eurer Verteidigung ein unentfernbares Recht geschaffen hat, so rufe ich einen entgegengesetzten Effekt in euch wach, also einen heldenmütigen Hass gegen euch selbst, und befehle euch, euch selbst anzuklagen und die Wahrheit zu sagen, selbst wenn euch die Muskeln zerrissen und die Knochen zerbrochen würden.«

Die Folter wird angewandt, um zu entdecken, ob ein Angeklagter ausser den Verbrechen, deren er angeklagt ist, noch andere begangen hat, nach dem Grundsatze: »Du bist eines Verbrechens angeklagt, also ist es möglich, dass du noch tausend andere begangen hast; dieser Zweifel drückt mich und ich will mich durch das Criterium der Wahrheit versichern: die Gesetze martern dich, weil du angeklagt, bist, weil du schuldig sein kannst, und weil ich will, dass Du schuldig seiest.«

Endlich wird ein Angeklagter gefoltert, um zu entdecken, ob er noch Mitschuldige hat Der Verfasser kann nicht leugnen, dass hierin die Hauptschwierigkeit und die Schwäche seiner Entgegnung liegt. Man foltert einen Angeklagten, um seine Mitschuldigen zu entdecken, und entdeckt auf diese grausame Weise sicherlich auch täglich welche. Jeder verabscheut die Folterung vor der Gewissheit des Verbrechens; aber bei dem Verbrecher ist diese Zusatzqual nötig, um ihm ausser den Namen seiner Mitschuldigen und dem Mittel, sie zu ergreifen, auch die Angabe zu ihrer Ueberführung erforderlicher Beweise zu entreissen. Die Bestrafung des Verbrechens ist durch die Notwendigkeit, ähnliche zu verhindern, gerechtfertigt; wenn jenes also derart ist, dass sich Mitschuldige voraussetzen lassen, wie bei Einbrüchen oder Massen-Ermordungen, und wenn weder Zeugen noch Beweise genügen, um den verwirrten Faden aufzulösen, so ist die peinliche Frage ebenso und aus demselben Grunde gerecht, wie jede andere Strafe.
Diderot.
Hommel sagt hingegen: »Gerichtshalter und Amtsleute sind oft ebenso blut-, als geldgierig, so dass sie schon für ein Verbrechen halten, wenn der eine des andern Verbrechen nicht anzeigt. Ich muss dies für widernatürlich und abscheulich erklären. Der Grund zu diesem Aberwitze wird aber wohl schon auf den hohen Schulen gelegt worden sein, wo einige Professoren immer noch Menschenfresser sind. Weder Vernunft noch Natur befiehlt, die Verbrechen des Anderen anzuzeigen, und man halte die Kinder dazu ja nicht an, weil dies nichts anders heisst, als ihnen Vertrauen gegen Freunde einflössen und ihr Herz vorzeitig vergiften. Man verlangt, dass die Menschen sich untereinander selbst zerfleischen sollen, was doch selbst nicht einmal die Wölfe thun, wenn sie nicht sehr hungrig sind. Das geschriebene Recht redet die Vernunft: »Niemand,« sagt es, »ist eine Missethat anzuzeigen verbunden.« L. 48, § 1 sqq. de furt. tot. tit. C.: ut nemo invitus agere vel accusare cog. C. C. C. art. 214 Spec. Sax. lib. 2, art. 60. – Diese Ansicht ist wohl richtiger.
Waldeck.
; aber wenn sich gezeigt hat, dass die Folter kein sicheres Mittel ist, um die Wahrheit zu entdecken, wie kann sie dann dazu dienen, die Mitverbrecher zu enthüllen, da dies doch einen Teil der zu erforschenden Wahrheit ausmacht? Als ob der Mensch, der sich selbst angeklagt hat, nicht noch leichter andere anklagen würde. Ist es gerecht, die Menschen der Verbrechen eines andern wegen zu foltern? Lassen sich die Mitschuldigen nicht aus den Zeugnissen, den Aussagen des Angeklagten, den Beweisen und dem Corpus delicti, mit einem Worte, nicht aus allen denselben Mitteln nachweisen, welche das Verbrechen bei dem Angeklagten feststellen sollen? Die Mitschuldigen entfliehen meist sofort, nachdem ihr Gefährte eingekerkert worden; die Unsicherheit ihrer Zukunft verurteilt sie schon von selbst zur Verbannung und befreit das Volk von der Gefahr neuer Angriffe, während die Strafe des Angeklagten, welche in Kraft bleibt, ihren einzigen Zweck erfüllt, den, die andern Menschen von einem ähnlichen Verbrechen zurückzuschrecken.«


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