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VIII. Kapitel.

Die Inquisition in Spanien. – Miliz Christi. – Familiare. – Banner. – Die Inquisitoren. – Gefangennahme von Frauen. – Garduna. – Deza, Luzero – Opfer der Inquisition in Spanien. – Saavedra. – San benito. – Zellen der Verhafteten. – Anwendung der Folter. – Frage mit dem Aufziehen. – Wasserfrage. – Feuerfrage. – Karl V. – Philipp II. – Der spanische Stiefel. – Aufhebung der Inquisition durch Napoleon. – Inquisition zu Madrid. – Erneuerung und endgiltige Aufhebung der Inquisition.

Die Inquisition in Spanien verfügte über eine eigene Armee, sie führte eine eigene Fahne, hatte ihre eigenen Sprachausdrücke, ihre eigenen »heiligen Zeichen«, woran die Eingeweihten einander geeigneten Falls erkennen konnten. »Miliz Christi« wurde die von Torquemada 1494 errichtete Garde der Inquisition genannt. »Diese seltsame Miliz,« schreibt Llorente in seiner Hist. de l'Inqu., »war sehr zahlreich. Torquemada hatte sich so grausam gezeigt, so sehr Spionage und Verrat ermutigt, dass eine grosse Anzahl hoher Adeliger der Ansicht wurde, es wäre besser der Inquisition selbst anzugehören, als früher oder später für »verdächtig« erklärt zu werden, daher sie sich freiwillig der Inquisition als Familiäre anboten. Das Beispiel der Edelleute und die Privilegien, die Ferdinand von Aragonien den Familiären erteilt hatte, zog dann auch eine Menge aus dem Volke heran. Bald gab es so viel Familiäre, wie Personen, die zu städtischen Steuern verpflichtet waren, wovon jeder, der zur Inquisition gehörte, befreit war. Die bewaffneten Familiare bildeten das, was man die Miliz Christi nannte, und diese Miliz bildete das Garde du Corps sowohl bei dem General-Inquisitor, wie auch bei den Provinzial-Inquisitoren.« Uebrigens wurde diese Miliz Christi bereits 1208 von dem Gründer des Dominikaner-Ordens in Frankreich eingeführt.

Die Inquisition in Spanien: Inneres eines Gefängnisses. Aus »Myst. de l'Inquis.« von Féréal)

In der späteren Zeit war es schon minder leicht zu den Familiaren des heiligen Offiziums aufgenommen zu werden. Das beste Mittel dazu war dann immer einige hervorragende Personen als Ketzer zu denunzieren, besonders reiche, denn mit den armen und unbedeutenden beschäftigten sich die Ketzerrichter nicht gerne. Besondere Aufnahmebedingungen waren »Reinheit des Blutes«, d. h. der Bewerber musste nachweisen, dass er weder von Mauren, noch von Juden abstamme, ferner, dass keiner seiner Vorfahren von der Inquisition je bestraft wurde. Bei Frauen, die sich nach dem Glücke sehnten, zu den Familiaren zu zählen – auch Frauen fanden nämlich Aufnahme – konnte von dem Nachweis der »Reinheit des Blutes« abgesehen werden »in Anbetracht der grossen Dienste, die sie der Sache Gottes leisten können,« heisst es in den Aufnahmebedingungen. Jährlich, einige Tage vor dem feierlich abgehaltenen Autodafé fand gewöhnlich die Aufnahme der Familiaren im Grossen statt, wobei jeder Neugenommene ein Pergament erhielt, das die vereinbarten Zeichen und Worte vermerkt enthielt. Der Aelteste eines der vornehmsten Grandengeschlechter bemühte sich um die Ehre bei den Umzügen das Recht zu haben das Banner der Inquisition reitend tragen zu dürfen, ein Banner, das die heuchlerischen Worte Misericorda et Justitia als Aufschrift führte, trefflicher aber durch die brennende Fackel gekennzeichnet wurde, die ein darauf abgebildeter Spürhund zwischen den Zähnen hielt.

Bei allen Feierlichkeiten hatte der Inquisitor den Vortritt vor dem Könige. Bei dem grossen Autodafé und in der Kirche stand der Tronstuhl des Inquisitors, den das spanische Volk bezeichnend genug »König der Henker« nannte, höher als der des Königs von Spanien. Welchen Rang ersterer für sich beanspruchte wird übrigens am besten durch die Tatsache charakterisiert, dass der Inquisitor Tabera den Erzpriester der Kathedrale zu Malaga zwei Jahre im Gefängnis der Inquisition in Haft behielt, weil dieser greise Priester, als er mit der heiligen Wegeszehrung zu einem Sterbenden sich begab, nicht Halt machte um die Kavalkade des Inquisitors vor sich vorüberziehen zu lassen.

Diese Machtfülle der Inquisitoren wird leicht erklärlich wenn man in Betracht zieht, dass ihrer Gerichtsbarkeit alles unterworfen war, nur der Papst und die hohen Würdenträger der Kirche ausgenommen, nicht aber der König. Aber selbst diese Ausnahmen wurden illusorisch, denn der Papst fürchtete zu sehr die Männer dieses Blutgerichts, das die Hauptstütze seiner Macht war, und er vermied es bedächtig etwa entstehende Zwistigkeiten zwischen sich selbst und ihnen zu einem Punkte geraten zu lassen, wo die Feindseligkeit offen hervortreten musste. Und was die hohen Würdenträger der Kirche betrifft, so kümmerten sich die Inquisitoren nicht viel um deren Unantastbarkeit, sondern griffen mehr als einmal gewaltsam in deren Reihen. So geschah es unter anderem mit den Bischöfen von Calahorra und Sevilla. Diese beiden waren getaufte Juden, trotz ihrer hohen Kirchenstellung, und standen in allgemeiner Achtung. Torquemada leitete, entgegen den päpstlichen Vorschriften die Untersuchung gegen sie ein. Sie begaben sich nach Rom um an den Papst zu appellieren. Dieser liess die Angelegenheiten von einigen Kardinälen untersuchen, deren Entscheidung günstig für die beiden Bischöfe lautete. Um der Sache kurzweg ein Ende zu machen, ernannte der Papst den einen zum Nuntius zu Neapel, den andern zum Nuntius zu Venedig. Torquemada gab aber seine Beute nicht so leicht frei. Er wusste einen neuen Prozess wegen Ketzerei gegen die beiden einzuleiten, die schliesslich auch verurteilt wurden und ihrer Würde entsetzt, ihrer Güter beraubt, als Gefangene in einem festen Schloss starben.

Die Inquisition in Spanien: Marterkeller. (Aus »Myst. de l'Inquis.« von Féréal).

Die Gefangennahme von Frauen durch die Inquisition soll häufig recht gemeinen geschlechtlichen Motiven entsprungen sein. Féréal bemerkt a. a. O. S. 139: »De tout temps les Espagnols ont accusé les inquisiteurs et autres employés du saint office de rendre les femmes enfermées dans l'inquisition victimes de leur débordements. Cette accusation n'est pas si injuste que l'ont prétendu les défenseurs de ce hidieux tribunal. Après la révolte de Cordoue et la fuite de l'inquisiteur Deza, le successeur de ce dernier, Ximénès Cisneros, voulant mettre un terme aux excès scandaleux, commis avec les femmes qui étaient dans les prisons, décréta, d'après l'avis du conseil de la Suprême, que toutes les personnes attachées au saint office, qui se rendraient coupables de pareils excés seraient punies de mort. Les occassions d'appliquer cette loi n'ont pas manqué dans la suite, cependant elle est restée sans effet (Llorente, Hist. de l'Inquis.)‹ Bei Torquemada selbst scheint allerdings dieser Grund, und wohl auch der der Beutesucht, nicht vorhanden gewesen zu sein, sondern nur sinnloser religiöser Fanatismus. Er pflegte sich bei jedem Vorgehen gegen Ketzer durch Fasten und Selbstgeisselung bis auf's Blut vorzubereiten. So gross auch die Machtmittel der Inquisition und die Zahl der ihr Dienenden war, sie pflegte sich überdies noch der in Spanien zahlreich vorhanden gewesenen Mörderbanden für ihre Zwecke zu bedienen, besonders der unter dem Name Garduna bekannt und gefürchtet gewesenen. Als diese Bande 1821 gewaltsam aufgehoben wurde, ergab sich aus den beschlagnahmten Papieren, dass sie von 1520 bis 1667 der Inquisition in 1989 Fällen Beistand geleistet und dafür die Summe von 198670 Francs erhalten hatte. S. Féréal. Mystéres de l'Inquis. S. 50, Fussnote.

Es wäre irrig anzunehmen, dass die Spanier geduldig die Tyrannei der Inquisition ertragen hätten. Wiederholt haben sie mit Worten und auch mit Taten dagegen angekämpft. Hervorragende Männer, darunter auch manch hochgeschätzter Geistlicher, mancher der heilig gesprochen wurde, traten als Gegner dieser Ketzergerichte auf und mussten es aber mit Anklagen und Verfolgungen büssen. Gegen den zweiten Genera-Inquisitor Deza (1498-1507) und gegen seinen Schützling Lucero, Inquisitor von Cordova, brach ein Aufstand los, der Philipp I. veranlasste, Deza seines Amtes zu entheben. Doch nach dem bald darauf eingetretenen Tod dieses Königs erhielt Deza wieder sein Amt und begann im Verein mit Lucero, der mit bitterem Wortspiel »der Finstere« genannt wurde, noch grausamer zu wüten als vorher. Wieder erhob sich das Volk in Andalusien, erbrach das Gefängnis der Inquisition und befreite eine grosse Anzahl der Eingekerkerten. Lucero konnte sich nur durch die Flucht retten und Deza, eingeschüchtert von diesen Vorgängen, legte freiwillig sein Henkeramt nieder.

Sein Nachfolger Cisneros (1507-1517), nicht minder grausam, aber verschlagener, beantragte bei dem König die Einsetzung einer Junta von 24 der angesehensten Bewohner des Landes, die über die von Lucero eingeleiteten Prozesse abzuurteilen hätte. Diese aus unanzweifelbar gesinnungstreuen Personen zusammengesetzte »katholische Congregation« trat 1508 zu Burgos zusammen und entschied: 1) dass die von Lucero in der Angelegenheit des Aufstandes zu Cordova vorgebrachten Zeugen unglaubenswürdig wären; 2) dass alle in den Gefängnissen sich noch befindlichen Angeklagten unschuldig und sofort freizulassen wären; 3) dass das Angedenken der Verbrannten wieder in guten Ruf gestellt werde und die auf Luceros und Dezas Befehl niedergerissenen Häuser auf Staatskosten wieder hergestellt werden sollten. Es geschah demgemäss, die Inquisition hatte nachgegeben, um damit ihre Macht noch zu verstärken.

Welche Opfer das heilige Offizium in Spanien bis zu seiner Aufhebung erforderte, ist aus nachstehender Llorente entnommener Tabelle zu ersehen. Die Inquisition strafte nicht nur mit Feuertod, sie verurteilte auch zur Galere und zu Gefängnis und verbrannte in Effegie die, denen es gelang, ihren fürchterlichen Händen zu entwischen. Die Strafe des Verbrennens wurde übrigens auch an Leichen vollzogen, die schon längst in der Erde lagen. Angeklagt und für schuldig befunden, wurden die Leichname dieser »Ketzer« ausgegraben und die vorhandenen Ueberreste, oft nur ein Häufchen Knochen strafweise verbrannt.

Uebersicht der Opfer der Inquisition in Spanien von 1481 bis 1808 unter fünfundvierzig General-Inquisitoren.

  lebendig verbrannt   in Effegie verbrannt   zur Galere oder Gefängnis verurteilt
Von 1481-1498
unter dem ersten General-Inquisitor Thomas de Torquemada:
10220   6840   97 370
Von 1498-1507
unter dem zweiten General-Inquisitor Deza:
2592   829   32 952
Von 1507-1517
unter dem dritten General-Inquisitor Ximenes Cisneros:
3564   2332   48 059
Von 1517-1521
unter dem vierten General-Inquisitor Hadrian Florencio (später Papst):
1620   560   21 835
Von 1521-1523
Interregnum:
324   112   4 481
Von 1523-1545
unter dem fünften General-Inquisitor Alfons Manriqua:
2250   1125   11 250
Von 1545-1556
unter dem sechsten General-Inquisitor Tabera:
840   420   6 520
Unter dem sechsten General-Inquisitor Loaisa und während der Regierung Karls V.: 1320   660   6600
Von 1556-1597
während der Regierung Philipps II.
3990   1845   18 450
Von 1597-1621
während der Regierung Philipps III.:
1840   692   10 716
Von 1621-1665
unter Philipp IV.:
2852   1428   14 080
Von 1665-1700
unter Karl II.:
1650   540   6 512
Von 1700-1746
unter Philipp V.:
1600   760   9120
Von 1746-1759
unter Ferdinand VI.:
10   5   170
Von 1759-1788
unter Karl III.:
4     56
Von 1788-1808
unter Karl IV.:
  1   42

Unberücksichtigt sind hier die zahlreichen Opfer geblieben, die die spanische Inquisition in dem riesigen Kolonialgebiet Spaniens zum Verderben brachte, sowie die in dieses Reiches italienischen Ländern und in den Niederlanden. Besonders arg wüteten die frommen Herren in diesem Gebiet, so dass selbst der König von Spanien sich nicht enthalten konnte ihr Verfahren als grausam zu bezeichnen. Immerhin sind in Spanien selbst in 326 Jahren 34 658 Personen lebendig verbrannt, 18 049 in Effegie verbrannt und 288 214 auf die Galeren oder in die Gefängnisse geschickt worden. Die Zahl derer, die verurteilt wurden den san benito zu tragen, ist ziemlich hoch. Der san benito war eine mit Teufelsfratzen bemalte spitze Mütze oder auch ein Ueberkleid. Wer verurteilt wurde ihn zeitweilig zu tragen, galt als ehrlos und wurde gemieden. Wurde aber jemand verurteilt ihn beständig zu tragen, so wurden auch seine Nachkommen so gering geschätzt.

Aehnlich war ihr Walten auch in Portugal, wo die Inquisition erst spät, 1557, eingeführt wurde. Es erfolgte dies durch Juan Perez de Saavedra, genannt der »falsche Nuntius«, der durch seine besondere Geschicklichkeit im Fälschen von Schriftstücken sich bekannt gemacht hatte. Diese Einführung, sowie auch die des Jesuiten-Ordens brachte er gleichfalls durch Fälschungen von päpstlichen Bullen, Briefe von Karl V. und des Prinzen Philipp, nachmaligen Königs dieses Namens zu Wege. Er trat, wie schon sein Beiname andeutet, mit diesen Papieren als Abgesandter des Papstes auf und seine Absicht gelang ihm. Der Biedermann fälschte sogar Staatsschuld-Verschreibungen und andere Schriften, die ihm Vorteil bringen konnten, so dass selbst die durch seine Spitzbübereien in Portugal zustande gekommene Inquisition gegen ihn einschreiten musste. Seine Strafe war verhältnismässig milde, denn sie lautete auf zehn Jahre Galere und es ist zweifelhaft ob er diese Zeit abgebüsst hat. Später finden wir ihn, von Philipp II. berufen, in Madrid, wo er ein ansehnliches Amt einnahm und 1575 als reicher Mann starb.

Die von der Inquisition allgemein ausgeübte Tortur war dieselbe, die schon früher in Italien in Brauch war und sich vom alten Rom her fortgepflanzt hatte. Nur, dass der mönchische Fanatismus noch manches daran »verbessert« hatte, das heisst die Grausamkeit noch verschärft hatte. Es herrschte dabei auch die Meinung, dass der Gefolterte infolge seiner Verbindung mit dem Satan, die Schmerzen, die er bei der Tortur empfinden müsste, vermindern oder gar völlig beseitigen könnte. Der italienische Kriminalist Hippolyt de Marsiliis, der im fünfzehnten Jahrhundert lebte, giebt den Rat, den Gefolterten durch Fragen beständig zu unterbrechen, wenn er bei der peinlichen Frage etwas vor sich hinmurmeln sollte, was doch nur eine Anrufung des Bösen sein könnte. Mit welcher Grausamkeit übrigens in den italienischen Staaten gegen Gefangene vorgegangen wurde, lehrt uns so manche historische Ueberlieferung. Es sei hier nur an die berüchtigten Gefängnisse unter den Bleidächern Venedigs erinnert, an den Hungertod Ugolino Gherardescos in dem Turme zu Pisa, ein Ereignis, das bekanntlich häufig poetisch behandelt wurde. Dante tut es im XXXIII. Gesang seiner »Inferno«, ein Werk, das uns überhaupt mancherlei Andeutungen über die Qualen giebt, die Gefangene auf italienischem Boden zu ertragen hatten, besonders in den grausamen Parteikämpfen der Ghelphen und Ghibelinen.

Die Inquisition in Spanien: Der Aufzug. (Aus »Myst. de l'Inquis.« von Féréal).

Die Inquisition in Spanien: Tortur. (Aus »Myst. de l' Inquis.« von Féréal).

Ziehen wir nun die Anwendung der Tortur bei dem spanischen Inquisitions-Tribunal in Betracht. »Die Gefängnisse der Inquisition,« heisst es in Hist. de l'Inquis., »lagen tief, wahre Gräber von mehr als dreissig Fuss unter der Erde. In jeder Zelle, die etwa zwölf Fuss lang und acht Fuss breit war, befand sich ein Feldbett von zwölf Fuss Länge und vier Fuss Breite. Jede Zelle enthielt gewöhnlich sechs, oft auch acht Personen, von denen drei oder vier, die kräftigsten, auf dem feuchten Boden schliefen, die andern auf dem Feldbett. Ein Gefäss, das zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse diente, und nur alle acht Tage oder auch erst nach je zwei Wochen einmal geleert wurde, befand sich in einer Ecke und verunreinigte die Luft, die ohnehin schon durch die Ausatmungen der vielen Unglücklichen verdorben war, die hier zu weilen verdammt waren.« Eine Art von Folter begann also schon mit der Verhaftung und sie währte auch fort bei der Verhandlung vor dem Tribunal. Der Angeklagte musste nämlich auf einem potro genannten Sitz Platz nehmen, einem vierkantigen Holz, das auf zwei xförmigen Gestellen ruhte und dem darauf Sitzenden durch die scharfe Kante ziemlich schmerzhaft wurde, zumal wenn er zuweilen, wie es bei Leugnenden geschah, zwei bis drei Stunden daran festgehalten wurde. Wer von der Inquisition angeklagt wurde, verlor dadurch alle Würden und Titel, alle bürgerlichen Rechte, die er nur zurückerhielt, wenn der seltene Fall eintrat, dass ihm das Tribunal definitive Absolution erteilte. Jenes bestand aus dem Inquisitor und zwei Beisitzern, alle drei Dominikaner. Bei Beginn der Verhandlung musste der Angeschuldigte auf das Evangelium schwören die reine Wahrheit auszusagen, ein Umstand der, wenn seiner Aussage nicht geglaubt wurde – und es wurde ihr nie geglaubt, wenn sie nicht das war, was der Inquisitor als Geständnis betrachtete – zufolge hatte, dass der Beschuldigte überdies als meineidig betrachtet wurde. Edgar Quinet führt an in seinem »L'Ultramontisme«: »Souvent il arrive que le prévenu ne veut pas répondre avec précision, mais il le fait en termes évasifs: Je ne sais, je m'en souviens pas; cela peut etre, je ne crois pas; je ne dois pas être coupable de ce délit. II doit répondre en paroles claires, précises: J'ai dit, je n'ai pas dit; j'ai fait, je n'ai pas fait. Dans ce cas il est nécessaire d'en venir contre lui au rigoureux examen (la torture), pour tirer de lui une réponse absolue, précise, satisfaisante, suffisante. Mais, d'abord, il convient de lui faire de admonitions dues, après cela le menacer de la corde. Et le notaire enregistrera les dites admonitions et menaces. La formule est la suivante ... Bénignement averti, benigne monitus ...« Mit salbungsvollen Worten, frommen Mienen und andächtigem Augenaufschlag war überhaupt der ganze Vorgang begleitet, die fürchterlichste Tortur diktiert, die schrecklichen Strafen der Verbrennung oder der Verschickung nach den Galeeren ausgesprochen alles – zur höchsten Ehre Gottes.

»Inmitten einer grossen Rotunde,« schildert Féréal nach Llorente die Marterkammer der Inquisition zu Sevilla, »in einem tiefen Keller, der schwach erleuchtet von zwei Fackeln ist, umgeben vier vermummte Männer einen traurigen, schwachen Mann, der sich kaum aufrecht erhalten kann und dessen geschwächte Augen selbst die düstere Beleuchtung dieses traurigen Ortes schmerzlich und ermüdend empfinden.

Eine feuchte, schwere Luft erfüllt wie ein ungesunder Nebel diese unterirdischen Räume von denen eine beklemmende Gruftatmosphäre ausgeht. In dieser Art Grotte, die ringsum von Mauern umgeben ist ungleich und schimmernd von der herabrieselnden Feuchtigkeit, sieht man ringsum Folterinstrumente, höllische Erfindungen (?) der asketischen und wilden Phantasie von Mönchen. Schon deren Anblick lässt erschaudern ...

Man steigt zu diesem höllischen Ort über zahlreiche kleine gewundene Treppen herunter, deren feuchte Fliesen von Moos bedeckt sind und wo man bei jedem Schritt ausgleitet. Indes die Bediensteten der Inquisition haben einen sogenannten Seemannsfuss (pied marin) und kennen jeden Fleck, jede Windung dieses entsetzlichen Weges.«

Nachdem der Angeklagte hierher gebracht worden war, erschien bald darauf der Inquisitor in Begleitung eines der Beisitzer und des Schriftführers. Sie nahmen auf den für sie bestimmten Sitzen Platz, gemäss Artikel 18 der Inquisitionsvorschriften, der erfordert, dass bei der Tortur ein oder zwei der Ketzerrichter und der Schriftführer anwesend sein müssten um die etwaigen Aussagen des Gefolterten zu Protokoll zu nehmen und die Anwendung der Folter zu leiten.

Auf ein Zeichen des Vorsitzenden hin wurde der Angeklagte bis auf das Hemd entkleidet, wonach wieder salbungsvoll die Mahnung an ihn gerichtet wird seine Schuld zu gestehen, seine Schuldgenossen anzugeben. Unterblieben diese Geständnisse, wie es in den meisten Fällen mangels jeder Schuld und Schuldgenossen anders nicht möglich war, so kniete der Inquisitor neben den Angeschuldigten nieder, betete leise, schlug einige Kreuze und verharrte dann eine Weile regungslos in dieser Haltung. Dann stand er auf und befahl die Frage mit dem Aufziehen vorzunehmen. Die vier Vermummten erfassten hierauf den Angeklagten und banden seine Hände hinter seinen Rücken mit dem Ende eines Strickes, der von der Decke herabhing, oben in einer Rolle laufend (s. Abbildung). War dies geschehen, so wurde er bis zur Decke hinaufgezogen und dann plötzlich rasch hinabgelassen, doch so, dass seine Füsse die Erde nicht berühren konnten. In dieser qualvollen Haltung wurde er, wie Llorente bemerkt, in Spanien eine Stunde lang gelassen, während man sich zu Rom der Vorschrift gemäss, mit einer halben Stunde begnügte. Féréal (S. 227) verzeichnet hier folgende Anführung Quinets: »Aprés l'avoir fait suspendre (le prévenu), on l'interrogera dans sa torture sur ledit fait seulement (sur le fait en question), en le maintenant suspendu plus on moins longtemps, ad arbitrio, selon la qualité de la cause, la gravité des indices, la condition de la personne torturée et autres choses semblables que le juge devra considérer (et qu'il ne considérait pas toujurs, en Espagne du moins), afin que justice ait son effet, sans que personne soit indûment lésé. (»Maniére de donner la corde au prevenu qui refuse de répondre, ou ne veut pas répondre, avec précision« p. 286 et 287. Si dans la torture le prévenu persiste dans la negative, on terminera l'examen (le tourment) comme il suit: MM. les inquisiteurs ne pouvent tirer de liu (de l'accusé) rien de plus, ordonneront que le prévenu soit légèrement decendu le la corde à laquelle il est suspendu, qu'on le délie, qu'on remette l'articulations du bras qu'on le rhabille, qu'on le ramène à sa place après l'avoir tenu suspendu dans la torture pendant un demi-heure à l'horloge de sable, et la notaire signera ...) Die Fürsorge dieser Vorschrift für den Gemarterten könnte ein Lächeln hervorrufen, wenn die Sache nicht gar zu traurig und betrübend wäre und diese einigermassen zum Schutz bestimmten Vorschriften etwas anderes wären als Ausdrücke der Heuchelei, um dem Rest des eigenen Gewissens zu genügen und um vor der Welt im Lichte der Menschlichkeit zu stehen.

So peinlich diese »Frage« auch war, sie brachte doch nur in seltenen Fällen die vom heiligen Offizium verlangte Antwort hervor, d. h. das Geständnis einer Schuld, die der Betreffende nicht begangen, die Angabe von Mitschuldigen, die er nicht besessen hatte. Es wurde daher nach kurzer Zeit die zweite Fragestellung vorgenommen unter denselben entsetzlichen und scheinheiligen Vorbereitungen. Es war die »Wasserfrage.« Der Beschuldigte, oder die Beschuldigte, denn auch Frauen waren allen diesen Peinigungen unterworfen, wurde auf eine Bank gelegt, fest geschnürt, ein feuchtes Stück Linnen in den Hals und die Nasenlöcher gestopft, wodann langsam in Mund und Nase Wasser gegossen wurde, das ebenso langsam von dem Linnen aufgesaugt wurde. Je mehr dies geschah, je schwieriger wurde natürlich dem Gefolterten das Atmen und bei den hiermit verbundenen körperlichen Anstrengungen schnitten die Stricke, mit denen das Opfer festgebunden war, nur noch tiefer ins Fleisch.

Eigentlich war es verboten die Tortur zweimal an ein und derselben Person in Anwendung zu bringen. Indes die frommen Herren verstanden es sich, über dergleichen Kleinigkeiten leicht fortzusetzen. Wurde nämlich die Folterung aus irgend einem Grund eingestellt, so galt sie nicht als beendet, sondern nur als suspendiert bis zur neuen Bestimmung. Der Beschuldigte konnte daher so oft es seine Peiniger für gut fanden, gemartert werden und viele derer starben auch unter diesen Leiden. Um das Wehgeschrei zu verhindern gab es, wie schon erwähnt wurde, Knebelinstrumente, »Mundbirnen«, die auch so weit es anging in den Zellen zur Anwendung kamen. Ein anderes Beruhigungsmittel der Zelleninsassen war die Durchpeitschung, die am entblössten Oberleib vorgenommen wurde. Verboten war auch nach Artikel 7 der Vorschrift Kinder unter zehn und Erwachsene über sechzig Jahre der Folter zu unterziehen, ein Verbot, das nicht wie das erwähnte knifflich umgangen zu werden brauchte, weil es überhaupt nicht beachtet wurde. Llorente erzählt in seinem hier wiederholt angeführten Werke, dass eine achtzigjährige sehr wohltätige Greisin, Marie de Bourgogne, vom Volke die »Mutter der Armen« genannt, im Jahre 1556 unter dem Verdacht des Judaismus von der Inquisition verhaftet wurde. Ein Bediensteter hatte nämlich die Anzeige gemacht, sie hätte die Aeusserung getan: »Die Christen haben weder Glauben noch Recht.« Obgleich alle Grade der Tortur an ihr angewendet wurden, blieb sie doch wahrheitsgemäss bei ihrer Beteurung getreu römisch-katholisch zu sein. Sie starb im Gefängnis. Doch die Inquisition setzte den Prozess fort und verurteilte sie zum Feuertod. Ihre Knochen und ihr Bildnis wurden verbrannt, ihr grosses Vermögen eingezogen, ihre Kinder und Enkel der steten Ehrlosigkeit preisgegeben.

Die Inquisition in Spanien: Die Wasserfrage. (Aus »Mystères de l'Inquisition« von M. V. de Féréal.)

Die Inquisition in Spanien: Geisselung. (Aus »Mystères de l'Inquisition« von M. V. de Féréal.)

Als dritten Grad dieser im Namen Gottes ausgeübten Tortur ist die »Feuerfrage« zu betrachten. Die angeklagte Person, so ziemlich schon eine Ruine durch die vorhergegangenen Martern, wurde auf ein Holzgestell ausgestreckt und festgebunden. Die Füsse befanden sich frei herausragend in einem Block (s. Abbild.). Die vermummten Diener oder vielmehr Henkersknechte der Inquisition, stellten nun ein Becken mit feurigen Kohlen unmittelbar unter den Füssen, die zur Vermehrung der Qualen von Zeit zu Zeit noch mit etwas Oel befeuchtet wurden. Ueberflüssig ist es zu bemerken, dass hierbei das halbgebratene Fleisch der Füsse sich von den Knochen löste und die Person, die diese Qual zu überleben vermochte, nimmer von diesen Gliedern mehr Gebrauch machen konnte. Es war dies übrigens auch nicht nötig. Wenn sonst bei vorgenommener peinlicher Frage die Beschuldigten, die ohne zum Geständnis gebracht werden zu können bei ihrem sogenannten Läugnen verharrten, so wurden sie, allerdings zumeist verkrüppelt und des Landes verwiesen, freigelassen, sofern ihre Schuld nicht anderweitig erwiesen wurde. Nicht so aber bei den Nachfolgern Dominik de Guzmans. Ihren Klauen entwischte kein Angeklagter, wenigstens kein vermögender oder einflussreicher. Es fanden sich unter allen Umständen Wege und Mittel ihn zum Scheiterhaufen zu verdammen. Allerdings hatte der Papst sowie der Landesfürst das Recht, einen von der Inquisition Verurteilten zu begnadigen, doch nützte es diesem nur in den seltensten Fällen, so selten es auch vorkam. Der Begnadigte wurde zurückgehalten und es wurde ihm unter einem andern Vorwand ein neuer Prozess aufgehalst, von dem er sich nicht mehr befreien konnte.

Die Inquisition in Spanien: Die Feuerfrage. (Aus »Mystères de l'Inquisition« von M. V. de Féréal.)

Welche Machtfülle der Inquisition zu eigen war, beweist auch der Umstand, dass sie wagen durfte, dem mächtigen Kaiser und auch König von Spanien, Karl V. nach dessen Tod einen Ketzerprozess anzuhängen, trotzdem dieser Monarch ein eifriger Anhänger der Inquisition war, die unter seiner Regierung machtvoller als vorher sich zeigte. Karl V. wurde, nach de Thou, d'Aubigné und Laboureur, beschuldigt in stetem Verkehr mit den deutschen Protestanten gestanden zu haben, sich in die Klosterzelle von San Juste nur zurückgezogen zu haben, um ganz nach seinen eigenen Ansichten leben zu können und um die Härte zu bereuen, mit der er gegen protestantische Fürsten verfuhr. Ferner wurde ihm zum Vorwurf gemacht, dass er zu seinem Prediger und zu seinem Beichtiger Geistliche gewählt hätte, die im Verdacht der Ketzerei standen, dass von ihm herrührende, später in seiner Zelle aufgefundene Schriften im Geist der Neuerer gehalten seien und dass sein Testament weder fromme Stiftungen, noch Legate für Messen um seines Seelenheils enthielt und auch sonst in der Form von dem abweiche, was von einem eifrigen Katholiken zu erwarten gewesen wäre. Nur mit Mühe gelang es seinem orthodoxen Sohn und Nachfolger Philipp II. die Inquisition zu bewegen, den Prozess niederzuschlagen, nicht aber ohne dem heiligen Offizium, die erwähnten zwei Geistlichen, die indessen zu hohen Kirchenwürden gelangt waren, preisgeben zu müssen. Der Prediger Dr. Cazalla, Kanonikus zu Salamanca, wurde lebendig verbrannt, der Beichtiger Constantin Ponce, früher Bischof zu Dresden, starb im Gefängnis des heiligen Offiziums, doch wurde er in Effegie verbrannt und dem Erzbischof von Toledo, Primas von Spanien, gelang es nur durch den Einfluss seiner Freunde zu Rom und durch reichliche Geldopfer vom Papst als schuldlos und als guter Katholik befunden zu werden und damit den Verfolgungen der Inquisition zu entgehen. Allerdings hatte Karl V. wiederholt den Versuch gemacht, dieses geistliche Schreckenstribunal zu reformieren, den Cortes von Kastillien versprochen, die Inquisition zu zwingen die Privilegien und Gewohnheiten Kastilliens, Aragoniens und Cataloniens zu respektieren und die heiligen canonischen Vorschriften zu beachten, doch der dritte General-Inquisitor Hadrian Florencio, der später Papst wurde, verstand es, den Kaiser wieder zu Gunsten des heiligen Offiziums zu stimmen und alles blieb beim Alten, oder vielmehr dessen Machtsphäre erweiterte sich noch. Was die Gerechtigkeit dieser geistlichen Herren betrifft, so wird diese am besten durch das heute noch in Spanien angewandte ironische Sprichwort gekennzeichnet: »Gerecht und unparteiisch wie ein Inquisitor.«

Wir haben hier als Hauptmethoden der Tortur in Spanien drei Peinigungsarten angeführt: das Aufziehen, die Wasserfrage, die Feuerfrage. Es wäre aber irrig anzunehmen, dass sich dadurch die Grausamkeit und der infernalische Witz der Dominikaner schon erschöpft hätte. Es gab noch mannigfaltige Folter-Instrumente und Folter-Methoden; es sei hier nur an den, später auch in allen Folterkammern Europas zur Anwendung gelangten »spanischen Stiefel« erinnert, von dem später noch ausführlicher die Rede sein soll. Bei dem 1556 zu Valladolid stattgehabten Autodafé, dem Philipp IV. mit seiner ganzen Familie beiwohnte, wurde eine neue, bis dahin nicht angewandte Peinigung dargestellt: die Annagelung einer Hand des Verurteilten an dem Andreas-Kreuz. Es geschah dies unmittelbar nachdem der Zug mit den Verurteilten auf dem Hinrichtungsplatze angelangt war und letztere mussten so verharren, bis alle Vorbereitungen zum Verbrennen getroffen waren und das Urteil verlesen worden war. Uebrigens kam es auch vor, dass zum Verbrennen der »Ketzer« gemauerte Ofen statt einfache Holzstösse verwendet wurden. Llorento schreibt, a. a. O. III. Kap.: »Le grande quantité des condamnés que l'on faisait mourir par la feu fut cause que le prefet de Sevilla se vit dans la necessité de faire construire, hors la ville, un échafaut permanent en pierre, sur lequel on élevera quarte grandes statues de plâtre; ces statues étaient creuses en dedans; c'est dans ce creux que l'on enfermait vivants les nouveaux chrétiens relaps, pour les y faire périr lentement, au milieu d'une horrible combustion. Cet echafaud, appelé »Onemadaro« (brûloir) existait encore naguère.«

Die Inquisition in Spanien: Vorbereitung zur Feuerfrage. (Aus »Myst. de l'Inquis.« von Féréal.)

Lange Zeit trug Spanien das Joch der Inquisition, bis endlich mit einem Dekret vom 4. Dezember 1808, datiert von Chamartin, einem Dorfe in der Nähe von Madrid, Napoleon die Unterdrückung des heiligen Offiziums befahl, das er als ein Attentat auf die Souveränität betrachtete. Als Josef Bonaparte König von Spanien wurde (1808) liess er die Prozessakten der Inquisition verbrennen, die wichtigsten ausgenommen. Ebenso blieben erhalten die Register der Staatsbeschlüsse, die königlichen Ordonnanzen, die Bullen und Breven der Päpste und noch manches andere. Fast alle Gebäude der Inquisition wurden damals durchsucht, was jedoch nicht ohne Mühe und Blutvergiessen bewirkt wurde. »Um ein Beispiel zu zitieren,« schreibt Féréal a. a. O. p. 579 ff., »geben wir hier das Wort dem polnischen Oberst Lumanusk, der von Marschall Soult beauftragt wurde, die Inquisition in Spanien aufzuheben«:

»Als ich mich 1809 in Madrid befand, erweckte meine Aufmerksamkeit das Gebäude der Inquisition. Napoleon hatte schon ein Edikt veröffentlicht worin die Unterdrückung dieser Institution überall befohlen wurde, wohin seine siegreichen Waffen sich erstreckten. Ich machte den Marschall Soult, damals Gouverneur, auf dieses Dekret aufmerksam, worauf er mir befahl die Inquisition aufzuheben. Ich machte ihn aufmerksam, dass mein Regiment, das neunte der polnischen Lanciers, für diesen Zweck nicht genügen würde, dass ich es unternehmen wollte, wenn er mir noch zwei Regimenter zur Verfügung stellen wollte. Er tat es.

Eines dieser Regimenter, das 117., stand unter Befehl des Oberst de Lille. Mit diesen Truppen marschierte ich zur Inquisition. Das Gebäude war von einer sehr starken Mauer umgeben und von etwa 400 Soldaten bewacht. Bei der Mauer angelangt, wandte ich mich an eine der Schildwachen und liess den Dominikanern sagen, dass sie sich der kaiserlichen Armee übergeben und die Tore öffnen mögen. Die Schildwache zog sich zurück, schien eine Weile mit jemand zu unterhandeln und gab dann Feuer auf uns, wodurch einer meiner Leute getötet wurde. Das war das Signal zum Angriff und ich befahl meinen Soldaten auf jeden zu schiessen, der sich auf der Mauer zeigen sollte. Bald wurde es klar, dass es ein ungleicher Kampf war. Die Mauern des Gebäudes waren voll von Soldaten des heiligen Offiziums. Es befand sich dort auch eine Deckung, hinter der sie sich verbargen und nur hervortraten, um ihre Flinten abzuschiessen. Unsere Truppen befanden sich auf einer offenen Ebene, ausgesetzt dem Feuer der Rebellen. Wir hatten keine Artillerie, konnten die Mauern nicht überklettern und die Tore widerstanden erfolgreich allen Bemühungen sie zu zertrümmern. Ich sah, dass es nötig wäre die Angriffsweise zu ändern, liess Bäume fällen, die, herbeigebracht als Sturmblöcke dienen sollten.

Zwei dieser Vorrichtungen wurden nun von so viel Leuten bedient als für diese Arbeit vorteilhaft war und es wurden gewaltige Stösse gegen die Mauern geführt, unbekümmert um den Hagel von Kugeln, die auf uns niedersausten. Bald gaben unter den vereinten Anstrengungen die Mauern nach, eine Bresche entstand und die kaiserlichen Truppen drangen ein.

Jetzt erhielten wir ein Beispiel jesuitischer Verlogenheit. Der General-Inquisitor und die Patres kamen aus ihren Zufluchtsstätten heraus, sobald wir uns Eingang verschafft hatten, in geistlicher Kleidung, die Arme über die Brust gekreuzt, die Finger auf den Schultern ruhend, und als hätten sie nichts von dem Lärm des Angriffs und der Verteidigung vernommen, erkundigten sie sich, was hier vorgefallen wäre und wandten sich dann mit vorwurfsvollen Ton zu ihren Soldaten mit den Worten:

›Warum schlagt ihr euch mit unseren Freunden den Franzosen?‹

Es schien als wollten sie uns glauben machen eine Verteidigung keineswegs geboten zu haben, und uns als Freunde ausgebend, glaubten sie die Sache für sich vorteilhafter gestalten und im Wirrwarr leicht entwischen zu können. Dieser Kunstgriff nützte ihnen jedoch nicht. Ich liess sie unter Aufsicht stellen und alle Soldaten der Inquisition gefangen nehmen. Dann begannen wir dieses Höllengefängnis zu untersuchen. Wir durchkreuzten Stube um Stube, fanden Altäre, Kruzifixe und Wachs im Ueberfluss, doch wir konnten nichts entdecken, was auf den Zweck dieses Gebäudes hingewiesen hätte und was wir hier zu finden hofften. Man sah hier Schönheit, Glanz, Ordnung. Architektur und Einrichtung höchst bewundernswert. Alles voll Pracht und gutem Geschmack, wie geschaffen um das Auge und einen kultivierten Geschmack zu erfreuen. Doch wo waren die Folterinstrumente von denen man uns erzählt hatte? Wo diese Gefängnisse in denen Menschen lebendig begraben sein sollten? Wir suchten sie vergebens. Die würdigen Geistlichen versicherten uns, sie wären verläumdet worden und wir hätten alles zu Gesicht bekommen.

Ich wollte schon meine Nachforschungen einstellen, überzeugt, dass diese Inquisition anders wäre, als die, von denen man uns erzählt hatte. Doch der Oberst de Lille mochte nicht so leicht die Nachforschungen aufgeben und sprach zu mir: ›Oberst, Sie sind heute Kommandant und was Sie befehlen wird geschehen. Aber wenn Sie meinem Rat folgen wollen, prüfen Sie zuvor diese Marmordecke des Bodens indem Sie Wasser darauf giessen lassen und wir werden dann sehen, ob es nicht doch etwas Verborgenes da giebt.‹ ›Oberst, machen Sie wie es Ihnen gefällt,‹ antwortete ich und befahl Wasser herbeizuschaffen. Die Marmorplatten waren gross und vollkommen glatt. Nachdem zur grossen Unzufriedenheit der Inquisitoren Wasser darauf gegossen worden war, prüften wir sorgsam jeden der Zwischenräume um zu sehen, ob sich dort Wasser einsauge. Bald rief Oberst de Lille aus, er hätte gefunden was er suche. An eine Stelle der Pflasterung zog sich das Wasser sehr rasch ein, als ob sich ein leerer Raum darunter befände. Alle Hände griffen nun zu, um mit Flinten und Säbeln diese Stelle bloszulegen, während die Mönche über die Profanierung ihres schönen und heiligen Hauses jammerten. Plötzlich schlug ein Soldat kreuzweise auf die Platte, die sich erhob. Die Gesichter der Inquisitoren wurden bleich wie das Antlitz Belsazars es geworden war, als eine Hand die Flammenschrift an die Wand schrieb. Sie zitterten an allen Gliedern.

Wir blickten hinter die erhobene Platte und gewahrten eine Treppe. Ich trat an den Tisch, griff dort nach einer der langen brennenden Wachskerzen im Kandelaber, um unsere Entdeckung weiter zu verfolgen. Plötzlich legte aber einer der Inquisitoren seine Hand sacht auf meinen Arm und sprach devot: ›Mein Sohn, Sie dürfen das nicht mit Ihren blutigen Händen berühren, das ist heilig.‹ – ›Wohlan,‹ antwortete ich, ›ich brauche eine heilige Kerze, um die Inquisition zu untersuchen. Nehme die Verantwortung auf mich.‹ Ich nahm die Kerze, stieg die Treppe hinab und entdeckte nun, warum das Wasser uns die Enthüllung gemacht hatte. Unter dieser Pflasterung befand sich eine dicht angefügte Decke, die Stelle nur ausgenommen, wo sich die Treppe befand. Daher der Erfolg der Untersuchung des Obersten de Lille.

Unten angelangt, betraten wir einen grossen, viereckigen Raum »Saal des Gefängnisses« genannt. In der Mitte befand sich ein kräftiger Block auf dem ein Stuhl stand. Hier pflegte der Angeklagte zu sitzen, angebunden an seinen Sitz. Auf der andern Seite des Raumes befand sich ein zweiter hoher Sitz, genannt der Tron des Gerichts. Ringsum befanden sich weniger erhöhte Sitze für die Mönche, wenn es sich um eine Sache der heiligen Inquisition handelte. Von hier aus wandten wir uns nach rechts, wo sich entlangs des ganzen Gebäudes kleine Zellen befanden. Welch ein Anblick bot sich uns hier! Wie wurde hier die wohltätige Religion des Erlösers von Leuten ausgeübt, die sie zur Profession sich machten! Diese Zellen dienten als Einzelgefängnisse, wo die unglücklichen Opfer inquisitorischen Hasses eingeschlossen waren, bis der Tod sie von ihren Henkern befreite. Die Leichname blieben dort bis zur Zersetzung liegen, während die Zellen mit anderen besetzt wurden. Damit die Sache die Inquisitoren nicht belästige, waren genügend weite Abzugrohre für den Geruch der faulenden Leichen angebracht.

In diesen Zellen fanden wir die Ueberreste einiger Leute, die erst kürzlich gestorben sein konnten, während sich in anderen Zellen Skelette befanden, die am Fussboden angekettet waren. In einigen fanden wir auch lebende Opfer jeden Alters und Geschlechts, vom Jüngling und Mädchen bis zum siebzigjährigen Greis, alle nackt wie zur Stunde ihrer Geburt.

Unsere Soldaten beschäftigten sich sofort damit, diese Gefangenen von ihren Ketten zu befreien und gaben ein Teil ihrer eigenen Kleidung her, um diese Unglücklichen zu bedecken. Sie wünschten auch lebhaft sie gleich an das Tageslicht zu bringen, doch ich erkannte die Gefahr, die daraus entspringen würde, widersetzte mich daher dem und befahl, dass man vor allem das Nötige für sie herbeischaffe und sie allmählich in die freie Luft bringe. Nachdem wir alle diese Zellen geöffnet hatten, die Tore des Gefängnisses allen die noch lebten, wandten wir uns dem Raum zur Linken zu. Hier fanden wir alle Folterinstrumente, die das Genie der Menschen oder der Dämonen erfinden konnte.

Bei deren Anblick war die Wut unserer Soldaten nicht in den Schranken zu halten. Sie schreien, dass jeder der Inquisitoren, Mönche und Soldaten der Inquisition der Tortur unterzogen werden müsste. Wir versuchten es nicht sie zurückzuhalten und sie begannen sofort damit bei den Patres. Ich sah vier verschiedene Arten der Tortur vornehmen, dann zog ich mich von diesem entsetzlichen Schauspiel zurück, das so lange währte, als es noch einen Bewohner dieser Vorstube der Hölle gab, an dem die Soldaten ihre Rache ausüben konnten.

Sobald die armen Opfer aus ihren Zellen gingen und ohne Gefahr an das Tageslicht gebracht werden kannten (die Nachricht, dass eine grosse Anzahl Unglücklicher vor der Inquisition gerettet worden wären, hatte sich schnell verbreitet) kamen alle herbei, denen das heilige Offizium in letzterer Zeit Freunde entrissen hatte, in der Hoffnung diese noch am Leben zu finden. O welches Wiedersehen gab es da!

Etwa hundert Personen, die jahrelang eingegruftet waren, wurden nun der Gesellschaft wiedergegeben; viele fanden hier einen Sohn, eine Tochter, einen Bruder, eine Schwester. Manche ach, erkannten ihre Freunde nicht wieder. Doch diese Scene lässt sich nicht beschreiben. Nachdem ich dessen Zeuge gewesen, wollte ich das Werk ganz vollenden, begab mich nach der Stadt, nahm hier eine grössere Quantität Schiesspulver, das ich in den untern Räumen jenes Gebäudes verteilte. Tausende von aufmerksamen Zuschauern sahen uns zu wie wir Feuer anlegten. Mauern und Türme dieses massiven Gebäudes flogen in Trümmern auf. Die Inquisition in Madrid existierte nicht mehr.«

Der Schreiber irrte sich; die Inquisition sollte mit Rückkehr der Bourbonen in Spanien wieder eingeführt werden, allerdings nur für kurze Zeit, denn den Anstrengungen der liberal gesinnten Parteien gelang es bereits 1820 die Inquisition zu beseitigen, sie fiel »wie ein alter, langsam unterminierter Bau, dessen Grundlage nach und nach von tausenden von Armen zerstört wurde, die durch Jahrhunderte Tag um Tag ein Sandkörnchen entnahmen ... Als wir 1820,« schreibt Féréal (S. 368) die Tore der Inquisition zum letzten mal öffneten, war die Zahl der Gefangenen noch ziemlich beträchtlich. In Madrid allein zählte man mehr als zweihundert Personen, aber ich beeile mich hinzuzufügen, im Jahre 1820 war die Inquisition nicht ein geistliches Tribunal, sondern Staatsgefängnis. Seit 1801 wurde niemand mehr in Spanien verbrannt. Indes der Vorgang der Inquisition war allzeit derselbe: stets hüllte das grösste Geheimnis selbst ihre geringsten Vorrichtungen ein, stets lenkte dieselbe Willkür das Urteil des Inquisitors, Urteile übrigens, die von Ferdinand VII. diktiert oder befohlen waren, ausgesprochen nicht gegen Ketzer, Mauren und Juden, sondern gegen die, die an der Befreiung des Landes arbeiteten. Man sieht die Inquisition wurde machtlos, abgenützt durch Grausamkeit und Willkür, abgenützt durch den Fortschritt der Aufklärung und durch den unaufhörlichen Kampf, den sie gegen das spanische Volk führen musste. Die Inquisition, die nicht mehr Richter sein konnte wurde Henker im Dienst der Könige ...«

Genau genommen bestand also die Inquisition amtlich in Spanien vom Jahre 1477, wo Kardinal Pedro Gonzales de Mandoza mit Genehmigung des Papstes Sixtus IV. sie zu einer königlichen Einrichtung gemacht hatte, bis 1820, wo sie, sicherlich für immer aufgehoben wurde. In Portugal wurde sie um dieselbe Zeit von Johann VI. aufgehoben, in Italien erst 1859. Allerdings wird von manchen behauptet, sie hätte sich zu Rom noch bis zu dem 1870 erfolgten Einmarsch der italienischen Truppen erhalten.


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