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IX. Kapitel.

Hexenverfolgungen. – Papst Gregor IX. – Ketzerbulle. – Aberglaube. – Hexenglaube bei den alten Völkern. – Germanen. – Christliche Kirche. – Dämonen. – Kirchenväter. – Die ersten christlichen Kaiser. – Julian. – Valentinian. – Leo. – Alte Folterwerkzeuge. – Der Teufel.

Noch blutiger, grausamer und Entsetzen erregender als bei der Ketzerverfolgung, zeigte sich die Inquisition bei der Hexenverfolgung worunter das ganze vorgebliche Zauberwesen zu verstehen ist. Zwischen Ketzerei und Zauberei bestand insofern eine enge Verbindung, als beide von der Kirche als Teufelswerk betrachtet wurden und erstere, wenigstens im Mittelalter und in der nachfolgenden Zeit, ohne letztere sich kaum gedacht werden konnte. Die Anklagen gegen Katharer, Albigenser, Waldenser und andere lauteten auch auf Zauberei und Teufelsbündnis und selbst gegen die Stedinger wurden dieselben Vorwürfe gerichtet. In einer 1233 an deutsche Bischöfe gerichteten Bulle beschuldigt Papst Gregor IX. die Ketzer mit folgendem: »Wenn ein Neuling aufgenommen wird, so erscheint ihm eine Art Frosch, den manche auch Kröte nennen. Einige geben derselben einen schmachwürdigen Kuss auf den Hintern, andere auf das Maul und ziehen die Zunge und den Speichel des Tieres in ihren Mund. Das Tier erscheint zuweilen in gehöriger Grösse, manchmal auch so gross wie eine Gans oder Ente, meistens jedoch nimmt es die Grösse eines Backofens an. Wenn nun der Noviz weiter geht, so begegnet ihm ein Mann von wunderbarer Blässe, mit ganz schwarzen Augen, so abgezehrt und mager, dass alles Fleisch geschwunden und nur noch die Haut um die Knochen zu hangen scheint. Diesen küsst der Noviz und fühlt, dass er kalt wie Eis ist, und nach dem Kusse verschwindet alle Erinnerung an den katholischen Glauben bis auf die letzte Spur aus seinem Herzen. Hierauf setzt man sich zum Male und wenn man sich nach demselben wieder erhebt, so steigt durch eine Statue, die in solchen Schulen zu sein pflegt, ein schwarzer Kater von der Grösse eines mittelmässigen Hundes rückwärts und mit zurückgebogenem Schwanze herab. Diesen küsst zuerst der Novize auf den Hintern, dann der Meister und sofort alle Uebrigen der Reihe nach, jedoch nur solche, die würdig und vollkommen sind; die Unvollkommenen aber, die sich nicht für würdig halten, empfangen von dem Meister den Frieden, und wenn nun alle ihre Plätze eingenommen, gewisse Sprüche hergesagt, und ihr Haupt gegen den Kater hingeneigt haben, so sagt der Meister: »Schone uns!« und spricht dies dem Zunächstsitzenden vor, worauf der dritte antwortet und sagt: »Wir wissen es, Herr!« und ein Vierter hinzufügt: »Wir haben zu gehorchen.« Nach diesen Verhandlungen werden die Lichter ausgelöscht und man schreitet zur abscheulichen Unzucht ohne Rücksicht auf Verwandtschaft. Findet sich nun, dass mehr Männer als Weiber zugegen sind, so befriedigen auch Männer mit Männern ihre schändliche Lust. Ebenso verwandeln auch Weiber durch solche Begehungen mit einander den natürlichen Geschlechtsverkehr in einen unnatürlichen. Wenn aber diese Ruchlosigkeit vollbracht, die Lichter wieder angezündet und alle wieder auf ihren Plätzen sind, dann tritt aus einem dunkeln Winkel der Schule, wie sie diese Verworfensten aller Menschen haben, ein Mann hervor, oberhalb der Hüften glänzend und strahlender als die Sonne, wie man sagt, unterhalb aber rauh wie ein Kater, und sein Glanz erleuchtet den ganzen Raum. Jetzt reisst der Meister etwas vom Kleid des Novizen ab und sagt zu dem Glänzenden: »Meister, dies ist mir gegeben und ich gebe es Dir,« worauf der Glänzende erwidert: »Du hast mir gut gedient und wirst mir noch mehr und besser dienen. Ich gebe Dir in Verwahrung was Du mir gegeben hast.« Und nach diesen Worten verschwindet er. – Auch empfangen sie jährlich um Ostern den Leib des Herrn aus der Hand des Priesters, tragen ihn im Munde heim und werfen ihn in den Unrat zur Schändung des Erlösers. Ferner lästern diese Unglückseligsten aller Elenden den Herrn des Himmels mit ihren Lippen und behaupten in ihrem Wahnwitz, dass er gewalttätig, arglistig und ungerecht Lucifer in die Hölle gestürzt hätte. An letzteren glauben diese Elenden, sagen, er sei der Schöpfer des Weltalls und werde einst, nach dem Sturze des Herrn, zu seiner Glorie wieder zurückkehren. Von ihm und durch ihn erwarten sie auch ihre ewige Seligkeit ...«

Wenn diese wahnwitzigen Aeusserungen nicht einzig nur der tollen Phantasie eines verdrehten Mönchgehirns entsprungen sind; wenn sie sich auch nur teilweise auf Aussagen Angeklagter stützen, so liegt die Frage nahe: wie müssen diese Aermsten gemartert und gefoltert worden sein, um solche ihren Peinigern wohlgefälligen Angaben erfinden zu können? Doch wenden wir uns nun dem Ursprung jenes Wahnes zu, der unzählige schuldlose Menschen auf die Folterbank und auf den Scheiterhaufen brachte.

Der Unsinn von Zauberwesen und Hexentum ist alt wie die Menschheit selbst. Der Aberglaube war früher vorhanden als der Glaube. Die uns überlieferte Geschichte der alten Völker enthält zahlreiche Belege über das Vorhandensein eines ausgebildeten Magiertums und das, was wir von dem Leben der Naturvölker wissen, bekundet gleichfalls den Glauben an Zauberei und dgl. Doch wir brauchen nicht einmal in die ferne Vergangenheit zurück zu blicken, oder unzivilisierte Völker und Stämme in Betracht zu ziehen, die unmittelbare Gegenwart lässt uns selbst bei den hochzivilisierten Völkern und in deren vorgeschrittensten Gesellschaftsschichten erkennen, dass der Aberglaube und sein Gefolge auch hier zu finden sind. Zuweilen sogar sehen wir sie stolz in pseudowissenschaftlicher Hülle daherschreiten und mit entschiedenem Ton nicht nur Anerkennung für ihre Wahngebilde fordern sondern sogar Vorrechte oder allgemeine Geltung.

Viele Stellen der Bibel weisen darauf hin, dass bei den alten Juden das Zauberwesen in seinen mannigfaltigen Formen Eingang gefunden hatte und die strengen Vorschriften dagegen sind auch allzeit zur Rechtfertigung der Hexenverfolgungen angeführt worden, besonders Mos. II 22,18: »Die Zauberinnen sollst Du nicht leben lassen.« Ferner finden wir ebenda III 20,27: »Wenn ein Mann oder Weib ein Wahrsager oder Zeichendeuter sein wird, die sollen des Todes sterben, man soll sie steinigen, ihr Blut sei auf ihnen.« Als des Todes wert wird V, 13,5 auch der »Prophet oder Träumer« hingestellt, der zum Abfall von Gott verleiten will. Aus I Samuelis 28 erfahren wir, dass König Saul, der früher mit Wahrsager und Zeichendeuter streng verfahren, selbst eines dieser Weiber aufgesucht hatte: »Da sprach Saul zu seinen Knechten: Suchet mir ein Weib, die einen Wahrsagergeist hat, dass ich zu ihr gehe und sie frage. Seine Knechte sprachen zu ihm: Siehe zu Endor ist ein Weib, die hat einen Wahrsagergeist. Und Saul wechselte seine Kleider und zog andere an, und ging hin, und zwenn andere mit ihm, und kamen bei der Nacht zum Weibe und sprach: Lieber, weissage mir durch den Wahrsagergeist und bringe mir herauf, den ich Dir sage. Das Weib sprach zu ihm: Siehe, Du weisst wohl, was Saul getan hat, wie er die Wahrsager und Zeichendeuter ausgerottet hat vom Lande; warum willst Du meine Seele in das Netz führen, dass ich ertötet werde. Saul aber schwur ihr bei dem Herrn und sprach: So wahr der Herr lebet, es soll Dir dies nicht zur Missetat geraten.« Merkwürdig ist es nun, dass die Schrift verzeichnet, die Hexe von Endor habe tatsächlich vor Saul, so wie er es verlangt hatte, den Geist Samuels erscheinen lassen, so dass damals die Wirkung derartiger Praktiken nicht in Zweifel gezogen geworden scheint, so wie diese allgemein ausgeübt wurden, trotz Moses strengen Verbots. Noch sonst liessen sich zahlreiche Belegstellen ähnlicher Art anführen und wie wir aus II Könige ersehen, wurde schon damals Ketzerei und Zauberwesen in engste Verbindung gebracht.

Die Griechen waren gleichfalls schon in ihrer frühesten Kulturepoche der Magie ergeben, die später, namentlich durch den Verkehr mit asiatischen Völkern, noch mehr zur Geltung kam. Dasselbe lässt sich von den Römern sagen und schon die Etrusker galten in diesen Dingen als sehr erfahren, als Erben der Magie der Chaldäer und Babylonier. Kurz, überall finden wir den Aberglauben, den Glauben an Magie in mannigfaltigsten Formen und Arten verbreitet und die zunehmende Kultur hat dem keineswegs Abbruch getan, sondern im Gegenteil, diesen Unsinn nur vermehrt und weiter ausgebildet. Selbst dort, wo ein Rückschlag in der Kulturentwicklung eintrat, machte sich dieser nicht auf diesem Gebiete geltend. Wenn die entarteten Nachkommen, die roheren Sieger nichts von den geistigen Gütern der Vorfahren oder Vorgänger übernommen hatten, das Zauberwesen übernahmen sie und fügten noch manches hinzu, Gebilde ihrer eigenen Phantasie oder Ueberlieferungen ihrer ursprünglichen Heimat.

Was die alten Germanen betrifft, so finden wir in Tacitus »Germania« folgende Stelle: »Wahrzeichen und Lose beachten sie wie nur irgend jemand in der Welt. Die Art zu losen ist einfach. Sie zerschneiden eine von einem Fruchtbaum abgehauene Rute in kleine Reiser, und streuen diese, mit gewissen Merkzeichen versehen, regellos und wie es der Zufall will, über ein weisses Gewand aus. Dann hebt, bei öffentlichen Beratungen der Priester des Gaues, in Privatangelegenheiten aber der Familienvater selbst, nachdem er zu den Göttern gebetet und gen Himmel emporgeblickt, dreimal ein jedes auf und deutet so dieselben nach den vorher eingeschnittenen Zeichen. Wenn sie ungünstig sind, so findet über diese Sache für diesen Tag keine Beratung mehr statt; ist dieselbe aber erlaubt, so wird noch durch Wahrzeichen Beglaubigung erfordert. Da ist denn das auch hier bekannt, dass man die Stimmen der Vögel und deren Flug zu Rate zieht, dem Volke der Germanen aber ist eigentümlich, auch von Pferden Vorbedeutungen und Mahnungen herzunehmen. Sie werden öffentlich in jenen oben erwähnten Gehölzen und Hainen gehalten, weiss von Farbe und von keiner irdischen Arbeit berührt. Man spannt sie vor den heiligen Wagen, der Priester und der König oder das Oberhaupt des Gaues begleiten sie und beobachten ihr Wiehern und Schnauben. Keinem Wahrzeichen schenkt man grösseren Glauben, nicht allein beim Volke, sondern auch bei den Grossen und bei den Priestern, denn sich selbst halten sie für Diener, jene aber für Vertraute der Götter. Es giebt aber noch eine andere Beobachtung von Wahrzeichen, womit man den Ausgang schwerer Kriege erforscht. Sie stellen aus dem Volke, mit welchem der Krieg geführt wird, den ersten besten Gefangenen, dessen sie sich bemächtigt haben, mit einem aus ihren Landsleuten Auserkorenen, jeden in seinen Vaterländischen Waffen zum Zweikampf zusammen. Der Sieg des einen oder des anderen wird als Vorentscheidung angesehen.«

Abgesehen von der in den letzten Zeilen erwähnten eigenartigen Anwendung des Ordals, finden wir nichts, was nicht auch bei anderen oder vielmehr allen Völkern anzutreffen ist, und wovon uns die Edda und die Mythologie der alten Germanen noch mehr zu erzählen weiss. Wie überall sehen wir auch hier den Aberglauben genährt und ausgebildet durch die Priesterschaft, die Hauptvertreter des Glaubens. »Manche Bearbeiter der Geschichte von den Hexenprozessen« bemerkt Oskar Wächter in seinem ›Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland‹, »suchen den Glauben der Deutschen an Zauberei aus dem Orient und von den Römern und Griechen herzuleiten: von den Römern soll er den germanischen Völkern zugeflossen sein. Allerdings fand sich auch im Altertum ein ausgebildetes System des Zauberglaubens und fast alle Völker können dergleichen Sagen in Menge aufweisen. Aber es ist für Deutschland nicht nötig, auf den Orient und das klassische Altertum zurückzugreifen. Die alten Germanen hatten selbst schon und von sich aus ähnliche Anschauungen. Die Grundlage war doch eine allen Völkern gemeinsame. Wie die uralte Tradition von Paradies und Sündenfall selbst bei heidnischen Völkern sich unter allerlei Verkleidung forterhielt, so auch die Ueberlieferung, dass ein Teil der von Gott erschaffenen Geisterwelt abgefallen und als Dämonenreich in Feindschaft gegen Gott und die ihm anhängenden Menschen getreten sei. Wir begegnen fast bei allen Völkern der Vorstellung, dass untergeordnete böse Geister auf die menschlichen Verhältnisse einwirken, und dass mit Hilfe jener Geister scheinbar Uebernatürliches gewirkt werden kann.

Manche wollen den Hexenglauben der Deutschen unmittelbar aus der germanischen Mythologie herleiten. Mit dieser mögen wohl unsere Hexensagen einigen Zusammenhang haben. Aber dieser Zusammenhang ist doch ziemlich lose. Was etwa in einzelnen Nachklängen sich von der deutschen Mythologie im Volke erhalten hatte, trug man eben auf die Hexen über. Doch ist es besonders eine Eigentümlichkeit der deutschen Hexenverfolgungen, welche mit der germanischen Urzeit zusammenhängt, dass nämlich fast ausschliessend Frauen es gewesen sind, gegen welche sich die Anklage der Zauberei richtete. Den Frauen war, wie die Bereitung der Speisen und Getränke, so auch die Kunde heilsamer Kräuter und die Wissenschaft der Arzneien und Salben, die Fertigkeit Wunden und Krankheiten zu heilen, überwiesen. Wie sie den Kräften und Geheimnissen der Natur nachspürten, so wurde ihnen auch die Kenntnis von allerlei Zaubermitteln zuerkannt. Das Wort Hexe soll ursprünglich eine kluge, kunstreiche Frau bedeutet haben (nach Grimms ›Deutsche Mythologie‹, in dem Abschnitt ›Hexen‹). Schon die ältesten Rechtsbücher reden von Zusammenkünften der Hexen zum Kochen ihrer Zaubermittel und betrachten sie in Verbindung mit den heidnischen Opfern und mit der Geisterwelt der alten Deutschen. An den uralten Gerichtstagen und Opferfesten, namentlich in der ersten Mainacht, soll ein Hauptauszug der Hexen auf die alten Malstätten stattgefunden haben, meist an den höchsten Punkten der Umgebung.«

Auch die alte christliche Kirche war von diesem Aberglauben nicht frei. Sie nahm nicht nur die Dämonenlehre des Heidentums an, sie erweiterte sogar diese noch, indem sie das Heidentum selbst als Dämonismus auffasste und diese Lehre von ihrem Standpunkt aus fortsetzte und ergänzte. »Fassen wir nämlich,« schreibt Soldan a. a. O. I. 87 ff., »zunächst die drei ersten Jahrhunderte der Kirche ins Auge, so finden wir, dass alle Kirchenväter, welche den Ursprung der Dämonen berühren – Justinus Matyr (Apol. II. c. 5) Atheragoras, (Presb. peri christ.) Tatian (Oratio ad Graec c. 12) Minucius Felix (Octavius c. 26,27), Tertullian (de idol c. 8,9, etc.) Irmäus, (Adversus haereses L. IV c. 16,21) – an die jüdische Theologie jener Zeit sich anschliessend, als biblische Grundlage der kirchlichen Dämonenlehre die Schriftstelle Gen. 6,1-4 betrachten. Dieselbe lautet: »Und es geschah, als die Menschen begannen sich zu mehren auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Söhne Gottes die Töchter der Menschen, dass sie schön waren und nahmen sich Weiber von allen, die ihnen gefielen. – Zur selbigen Zeit waren Riesen auf der Erde, und auch nachdem die Söhne Gottes den Töchtern der Menschen beigewohnt, so gebaren sie ihnen (Söhne); das sind die Helden, die von Alters her Männer von Ruhm gewesen.« Die angezogene Bibelstelle lautet nach Luthers Uebersetzung abweichend von oben: »Da sich aber die Menschen begannen zu mehren auf Erden, und zeugten ihnen Töchter; da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren und nahmen zu Weibern, welche sie wollten. Da sprach der Herr: Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, denn sie sind Fleisch. Ich will Ihnen noch Frist geben hundert und zwanzig Jahr. Es waren auch zu den Zeiten Tyrannen auf Erden; denn da die Kinder Gottes die Töchter der Menschen beschliefen und ihnen Kinder zeugten, wurden daraus Gewaltige in der Welt und berühmte Leute. Nach allgemein herrschender Ansicht waren nämlich die »Söhne Gottes« Engel, welche sich mit Töchtern der Menschen vermischt hatten, welche dadurch gefallen und von Gott verstossen und zu Dämonen geworden waren und Dämonen erzeugt hatten. Das alles sollte auf Anstiften des Teufels geschehen sein, der seitdem (mit göttlicher Zulassung) das Haupt eines grossen Dämonenreiches geworden war. Von den erwähnten Schriftstellern ausgehend, entwickelten nun die Väter der drei ersten Jahrhunderte eine Dämonenlehre, deren Hauptgedanken folgende sind:

Die Dämonen wohnen (nach Origines u. a.) im dichteren Dunstkreise der Erde. Da sie Leiber besitzen, so bedürfen sie auch der Nahrung, die sie aus dem Qualm der heidnischen Opfer einsaugen (Orig. c. Celsum V. 579. Minuc Fel. Octav. c. 27. Tertull. Apolog. c. 22). Ihre Körperlichkeit ist aber unvergleichlich feiner und dünner als die der Menschen, wodurch es ihnen möglich wird, in den Geist, wie in den Leib der Menschen einzudringen. Nach Tatian sind die Dämonenleiber luft- und feuerartig (Orat. ad Graec, 154). Nach Tertullian ist der Dämon, wie jeder Geist, gewissermassen ein Vogel und mit einer solchen Schnelligkeit der Bewegung begabt, dass er in jedem Moment an jedwedem Orte sein kann. Diese gar nicht vorstellbare Schnelligkeit in der Bewegung der Dämonen ist auch eine der Ursachen gewesen, weshalb die Völker ihnen den Charakter der Göttlichkeit beilegten (Tertull. Apolog. c. 22: Suppetit illis ad utramque substantiam hominis laedendam subtilitas et tenuitas sua mullum. – Omnes Spiritus ales est; hoc angeli et daemones. Igitur momento ubique sunt. Totus orbis Ulis locus unus est. Quid ubique geratur, tarn facile sciunt, quam ennunciant. Velocitas divinitas creditur, quia substantia ignoratur).

An Macht und Wissen sind die Dämonen den Menschen unendlich weit überlegen, woraus Tatian folgert, dass sie nicht, wie Josephus annahm, für Seelen verstorbener böser Menschen zu halten wären (Orat. ad Graec. 154) Origines meint, im Commentar zur Genesis, die Dämonen wussten vieles Zukünftige aus der Bewegung der Gestirne; Tertullian nimmt an, (Apolog. c. 22) dass sie ihr ausserordentliches Wissen de incolatu aëris et de vicinia siderum et de commercis nubium hätten.

Die Wirksamkeit der Dämonen wird von Tertullian am concisesten so bezeichnet, dass er sagt (Apolog. c. 22): 1) Operatio eorum est hominis eversio und 2) aemulantur divinitatem, – namentlich dem furantur divinationem (in oraculio).

In letzterer Beziehung steht es für alle Kirchenlehrer der drei ersten Jahrhunderte ganz unzweifelhaft fest, dass die Götter der Griechen und Römer nichts anderes als Dämonen waren, dass sie es gewesen sind, welche als vermeintliche Gottheiten sich mit Weibern vermischt haben, dass die Namen der heidnischen Götter dieselben Namen sind, welche sie sich selbst beigelegt haben und das sie daher als die eigentlichen Urheber des Heidentums mit seiner Mythologie und seinem Kultus gelten müssten. Die diesbezüglichen ältesten patristischen Zeugnisse liegen in Justins Apologia I vor. Die Dämonen sind es gewesen, welche zur Begründung des abgöttischen Glaubens an ihre vermeintliche Gottheit scheinbare Wunder taten, welche ihre Stimme aus den Orakeln ertönen liessen, welche bei den Augurien in Vögel und anderen Tieren eindrangen, welche in den Tempelstatuen sich verstritten und daselbst einen Kultus darbringen liessen und welche die Menschen zur Astrologie und Magie verführten. Justinus Apol. 1 c. 25 und 26 Athenag. Legatio 29, Clemens Alex. Cohort. ad gentes 52, Origenes Homil. 16 in Ezech. und c. Celsum an zahlreichen Stellen. Tertull. Apolog. c. 23, Clemens, Strom. 1, 17 u. s. w.«

Ferner wird erklärt, dass der Teufel und seine Dämonen stets bemüht sind, ihre Macht zu erweitern und die Menschen zu verderben (Cyprian, de vanitate idol. 13 und Justin. Apol. I c. 13), was ihnen jedoch nur bei den Gottlosen möglich wäre. Die Christen wären gegen diese Verderber geschützt und eben darum hassen diese die Kirche und bemühten sich die Heiden wider sie aufzuhetzen, sie durch Erregung von inneren Streitigkeiten und Ketzereien zu schädigen. Als Feinde Gottes wären die Dämonen übrigens auch Feinde der Menschheit überhaupt, verursachten Pest, Misswuchs und dgl., zu deren Ausführung sie gern gottlose Weiber benützen. (Clemens Alex. Strom 5, 650.) Wir sehen daher, dass die alten Kirchenväter ganz ernstlich das Vorhandensein von Dämonen annahmen und auch das Hexenwesen gelten liessen, vor deren Wirken aber wahrhaftige Christen geschützt wären. Diese in den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung geltenden Anschauungen finden wir auch in der Patristik der nachfolgenden Zeit, bei Lactanz (Divinarium institutionem L. L. VII, besonders L. II c. 14, c. 18 und IV c. 26, 27), bei Athanasius, dem »Vater der Orthodoxie,« bei Cyrillus von Alexandrien und besonders Augustinus, der bekanntlich auf die Theologie der nachfolgenden Zeit mehr als jeder anderer einwirkte und in seinem »De civitate Dei« sich ausführlich über diesen Gegenstand auslässt. Hier ruft er aus (XVIII, 18): »Je grösser die Gewalt über die irdische Welt ist die wir den Dämonen verliehen sehen, je fester lasst uns an den Erlöser halten, durch den wir uns aus dieser Tiefe nach oben hin erheben sollen.«

Diese Ansichten der Kirchenväter waren begreiflicher Weise massgebend für die Ansichten der ersten christlichen Kaiser, in deren Gesetzgebungen sie auch zum Ausdruck gelangen. Constantin befahl, dass jeder Haruspex, der zu einem Bürger sich begebe um dort Haruspizien vorzunehmen, verbrannt und des Bürgers Besitztum eingezogen werden soll. Cod. Just. IX. Tit. 18, de malef. et mathemat. Letztere bedeuten Astrologen. Dabei werden jedoch, wie Soldan bemerkt, die öffentlich angestellten Haruspizen nur als veralteter Aberglaube bezeichnet und nicht bedroht. (Cod. Theod. Lib. Tit. 16. I und 2). Ein zwei Jahr später erlassenes Gesetz beschränkt diese Strafe allerdings nur auf die, die mit ihrem Treiben die Gesundheit anderer schädigen oder bei Unverdorbenen Wollust zu erwecken suchen, (aut contra salutem hominum molite, aut pudicos animos ad libidimem de flexisse delegentur). Strenger dagegen sehen wir Constantius gegen das Magiertum auftreten und manche seiner Massregeln verdienen sogar die Bezeichnung harter Grausamkeit. Auch Personen aus seiner nächsten Umgebung wurden, wenn sie an dergleichen Dingen sich beteiligten, gefoltert. »Die Furcht vor Komplotten hatte ihren wesentlichen Anteil daran. Gothofred, ad. Cod. Theodos. lib. IX. tit. 16.6. – Die angeführte Stelle ist von Soldan 100 ff. Nach dem kurzen Wiederaufleben des Heidentums unter Julian (361-368 ehrte Valentinian I. (364-375) die alten Erinnerungen der Nation und selbst die noch gegenwärtigen Ueberzeugungen eines grossen Teils derselben, indem er nach seinem allgemeinen Toleranz-Edikt noch in einem besonderen Reskripte erklärte, dass die Kunst des Haruspizes an sich mit der Zauberei keinen Zusammenhang habe und nur dann einer Strafe unterliege, wenn man sie zum Schaden anderer missbrauche. Freilich wurde der uralte Bauernkultus, C. Bötticher, der Bauernkultus der Hellenen, (Berlin 1856) S. 532. nächtliche Opfer und das mit demselben so oft verbundene Zauberwesen (magici apparatus) neuerdings verboten. Cod. Theodos. lib. IX. tit. 16, 7 und 9 Nec haruspicinam reprehendimus, sed noceatur exerceri vetamus. Die von Valentinian nachgesehenen Uebungen mussten aber seit Theodosius (379-395) wieder verschwinden. Honorius (395-423) behandelte die Sache schon mehr von dem kirchlichen Standpunkte. Er gebot den sogenannten Mathematikern, ihre Bücher vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen und unter Verwerfung ihres Irrtums zu den Religionsgebräuchen der katholischen Kirche sich zu verpflichten; wer sich dessen weigerte, sollte aus den Städten verwiesen und im Wiederauftretungsfalle deportiert werden. (Cod. Just, lib. I, tit. 4, de cpiscopali audientia. 10). So schwanken die Bestimmungen mannigfaltig und die justianische Sammlung enthält noch kein Gesetz, in welchen sich die den christlichen Kirchenlehrern eigentümliche Ansicht von dem Dämonischen der Zauberei vollständig ausspräche. Dieses geschieht erst in einer vom Kaiser Leo dem Philosophen erlassenen Verordnung (zwischen 887 und 893). Dieselbe hebt in ihrem Eingange die Inconsequenz des früheren Gesetzes hervor, das auf Beschädigungen Strafe setze, hingegen den Schutz der Saaten und Weinberge, Heilungen u. s. w. erlaube. Man habe die Erfahrung gemacht, dass alle Zauberübungen (incantamenta), den Menschen von Gott entfernen und dem Dienste gräulicher Dämonen zuführen; Schaden am Seelenheil sei davon unzertrennlich, und es wurden daher alle zauberischen Begehungen ohne Unterschied verboten: Der Uebertreter dieses Verbotes soll als Apostat den Tod leiden. (Imp. Leon. Const. nov. LXV).«

Der Verfasser gedenkt nun eines Zauberprozesses zu Antiochia unter Kaiser Valens (364-378), wo auch Majestätsverbrechen in Betracht kam. »Wegen seiner Ausdehnung, Willkürlichkeit und Grausamkeit des Verfahrens, der Habsucht und Arglist der Ankläger und Richter nimmt er unter allen ähnlichen Ereignissen des Altertums die erste Stelle ein und kann als ein würdiges Vorbild der Hexenprozesse des siebzehnten Jahrhunderts gelten.« Es wurden nämlich mehrere angesehene Männer angeklagt durch Zaubermittel den Namen des Nachfolgers des Kaisers erforscht und dabei gefunden zu haben, dass es ein sehr begabter Jüngling namens Theodorus sein werde. Aus einem Schreiben des letzteren lässt sich annehmen, dass es sich hierbei um eine Verschwörung wider den Kaiser handelte und der Orakel nur vorgespielt mochte sein, um Anhänger zu gewinnen. Tausende von Personen wurden nun in Haft genommen und der peinlichsten Tortur unterzogen. Als Folterwerkzeuge werden genannt: eculei, pondera plumbea cum fidiculis et verberibus. Viele, darunter sehr angesehene Männer wurden enthauptet, erdrosselt oder verbrannt, ihre Besitztümer eingezogen, ihre Bücher verbrannt, weil diese, wie behauptet wurde, nur sündhafte Zauberschriften waren. Zwei Männer, die in diesem Prozesse die Angeber waren, hatten dadurch die Gunst des Kaisers und grosse Reichtümer gewonnen. Um diese zu erhalten und zu vermehren, waren sie bemüht, weitere Denunziationen zu machen, was eine Verfolgung hervorrief. Als einer dieser beiden, Heliodorus, starb, zwang Valens die Vornehmsten, darunter zwei Consularen, die ebenfalls angeklagt waren und nur durch ihre Standhaftigkeit bei der Tortur dem Tod zu entgehen vermochten, an dem Leichenbegängnis teil zu nehmen. Unter den Hingerichteten befand sich unter andern ein Jüngling, dessen ganzes Verschulden war, dass er im Bade unter Hersagung der sieben Vokale die Finger zwischen seiner Brust und der Marmorwand hin und her bewegte, ein Vorgang, der ihm gegen Magenschmerz empfohlen worden war, aber gegen den Kaiser gerichtet gedeutet wurde. Ein anderer wurde hingerichtet, weil bei ihm ein Horoskop auf einem gewissen Valens gefunden wurde, was gleichfalls gegen den Kaiser gerichtet galt, obgleich der Beschuldigte nachweisen wollte, dass dieses Horoskop seinen verstorbenen Bruder dieses Namens beträfe. Dagegen wurde der Kriegstribun Pollentianus begnadigt und in Würde und Besitz belassen, obgleich er überwiesen und geständig war, ein schwangeres Weib geschlachtet zu haben, um mit der ausgeschnittenen Leibesfrucht nekromantische Befragungen über den künftigen Regierungswechsel vorzunehmen.

»Aber die Vorstellungen,« schreibt Gustav Freytag in seinen »Bildern aus der deutschen Vergangenheit« 8. Aufl. II. S. 346, »welche die ersten Kirchenväter von Person und Macht des Teufels hatten, wurden weiter umgeformt, als die germanischen Stämme das Gebiet des römischen Reiches unterwarfen und das Christentum annahmen. Junge, kraftvolle Völker, deren charakteristische Eigenschaft war, mit einer einzigen Bildsamkeit fremde Kulturen in sich aufzunehmen und gerade an solcher fremden Habe, welche bis dahin allen Völkern langsamen Tod gebracht hatte, das eigene Empfinden zu vertiefen und die Lebenskraft zu stärken. Dieser Familie von Völkern ging die Fülle eigenen Lebens, deren höchster Ausdruck ihr alter Götterglaube gewesen, mit dem Christentum nicht verloren. Zwar die Namen der alten Götter verklangen allmählich; was dem neuen Glauben offenbar feindlich war, wurde durch den Eifer der Priester, durch Gewalt und fromme List nach langer Arbeit beseitigt; aber unter der Hülle des neuen Glaubens erhielten sich unzählige heimische Gestalten, Gebräuche und Anschauungen. Ja, sie bestanden nicht nur, sie bildeten sich durch das Christentum in eigentümlicher Weise fort. Wie die christliche Kirche an die Stelle heidnischer Heiligtümer gebaut, wie an Donars Eiche das Bild des gekreuzigten Heilands oder der Name eines Apostels gehängt wurde, so traten auch die Gestalten der christlichen Mythologie in Mythen und Sagen an Stelle der alten Asengötter und ihrer Gegner. Keine von allen Gewalten des neuen Glaubens aber erhielt eine so grosse Erbschaft wie der Teufel. Sein Name und sein Bild verdüsterten zahllose heidnische Traditionen, welche zu fest im Volke lebten, um unterzugehen. Dabei wurde er selbst durch die alten Mythen, Sagen, Märchen, ja sogar durch die Sprache, in welche er eindrang, farbiger, vielseitiger, volkstümlicher, zuletzt gemütlicher. Zwar übertrug das Volk seine Erinnerungen an die hohen Gottheiten des Heidentums nicht nur auf ihn, lieber auf Kirchenheilige, Apostel, ja auf Christus selbst, aber auch der Heidenglaube hatte dunkle Gestalten gekannt und ein Gebiet, in welchem unheimliche Mächte walteten. Dieser umfangreiche Teil fiel ihm fast allein zu. Den Namen Teufel hatte er schon von den Griechen erhalten (Diabolos, Tiufal) jetzt wurde er nach einem deutschen Gott Fol (vielleicht dem nordischen Baldur) Voland genannt, seine Raben und das wütende Nachtheer erhielt er von Wuotan, den Hammer von Donar: aber die schwarze Farbe, die Wolfs- und Bockgestalt, die Grossmutter, die Hölle (Helja), die Bande, durch die er gefesselt gedacht wurde (»der Teufel ist los«), und viele sagenhafte Ueberlieferungen kamen ihm aus einem Kreise heidnischer Urgewalten, welche den herrschenden Menschengöttern feindlich gewesen waren ...

Und die Erinnerung an ihr heidnisches Wesen mischte sich mit einem wüsten Chaos fremden Aberglaubens, der fast aus allen Völkern der alten Welt in dem heidnischen Rom, der grossen Garküche jeder frommen Superstition, zusammengeflossen war und aus der antiken Welt in den christlichen Glauben eindrang. Die Striegen und Lamien, böse Geister des römischen Altertums, welche vampyrartig das innere Leben der Menschen auszehren, Zauberweiber, welche durch die Luft fliegen und in nächtlichen Zusammenkünften schändliche Orgien feiern, waren zu den Germanen gekommen und hatten sich hier mit ähnlichen, vielleicht nur urverwandten Vorstellungen verbunden. Uns aber ist nicht immer möglich zu erkennen, was ursprünglich deutsch ist und was fremdem Volkstum angehört.«

Aehnliches gilt aber auch von den slavischen Völkern des Altertums. Wir finden also zu jener Zeit den Glauben an den Bestand des Teufels und dem mit ihm verbundenen Zauberwesen und Hexentum überall verbreitet und durch die von den Kirchenvätern übernommene und erweiterte Dämonenlehre von Hellas und Rom in das junge Christentum eingeführt. Wir finden daher auch überall den Boden wohl vorbereitet aus dem im Mittelalter und mehr noch in den nachfolgenden Jahrhunderten die giftige Saat der Hexenprozesse üppig in die Halme schiessen konnte.


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