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XI. Kapitel.

Heinrich Institor. – Jakob Sprenger. – Innocenz VIII. – Hexenhammer, Malleus maleficarum. – Hexenverfolgungen in Tirol. – Ulrich Molitoris. – Bulle Summis desiderantis. – Denunziation. – Verhör. – Fragen, – Verteidigung. – Feuerprobe, Hexenbad. – Agrippa von Nettesheim. – Anna Spülerin. – Ulant Dammartz. – Oesterreich. – Frankreich.

Eine neue Phase der Hexen- und Zauber-Verfolgungen, besonders für Deutschland, trat mit Ende des Jahres 1484 ein, wo Papst Innocenz VIII. auf Andrängen der deutschen Inquisitores haereticae pravitatis Heinrich Institor (Krämer) und Jakob Sprenger seine Bulle Summis desiderantis erliess. Scherr schreibt darüber (S. 355 ff.):

»Bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts hin waren auch in Deutschland schon einzelne Zauberer (Hexenmeister) und Hexen verbrannt worden. Aber jetzt erst begann die Verfolgung derselben in grossartigem Style und wütete das ganze 16. Jahrhundert und die drei ersten Viertel des 17. hindurch mit brutalster Grausamkeit. Das Signal zu dem massenhaften Prozessiren und Hinrichten in Deutschland hat unstreitig die berüchtigte Bulle Papst Innocenz's VIII. gegeben, welchen der römische Witz seines zuchtlosen Lebens halber Octo Nocens nannte. Diese Bulle ist datirt vom 5. Dezember 1484. Die Hauptstelle des Aktenstückes, woraus auch die bösen Handlungen, deren man die Zauberer und Hexen bezüchtigte, ersichtlich sind, lautet so: ›Gewisslich ist es neulich nicht ohne grosse Beschwerung zu unseren Ohren gekommen, wie dass in einigen Teilen des oberen Deutschlands, wie auch in den mainzischen, trierischen, kölnischen, salzburgischen Erzbistümern, Städten, Ländern, Orten und Diöcesen sehr viele Personen beiderlei Geschlechts, ihrer eigenen Seligkeit vergessend und von dem katholischen Glauben abfallend, mit Teufeln, die sich als Inkubi und Sukkubi mit ihnen vermischen, Missbrauch treiben und mit ihren Bezauberungen, Liedern und Beschwörungen und andern abscheulichen aftergläubigen Handlungen, zauberischen Uebertretungen, Lastern und Verbrechen die Geburten der Weiber, die Jungen der Tiere, die Feldfrüchte, das Obst und die Weintrauben, wie auch Männer, Frauen, Tiere und Vieh aller Art, ferner die Weinberge, Obstgärten, Wiesen, Weiden, das Getreide und andere Erzeugnisse des Bodens verderben, ersticken und umkommen machen und selbst die Menschen, Männer und Frauen, und aller Arten Vieh mit grausamen sowohl innerlichen als äusserlichen Schmerzen und Plagen belegen und peinigen und die Männer verhindern, zu zeugen, und die Weiber, zu gebären, und die Männer, dass sie den Weibern, und die Weibern, dass sie den Männern die ehelichen Werke leisten können; ausserdem, dass sie den Glauben selbst, welchen sie beim Empfang der h. Taufe angenommen, mit eidbrüchigem Munde verleugnen und andere überaus viele Leichtfertigkeiten, Sünden und Laster durch Anstiftung des Feindes des menschlichen Geschlechtes zu begehen und zu vollbringen sich nicht fürchten, zur Gefahr ihrer Seelen, zur Beleidigung göttlicher Majestät und zu sehr Vieler Aergerniss und schädlichem Exempel.‹ Im Verlauf der Bulle wird dann den beiden Ketzermeistern und Professoren der Theologie Heinrich Institor und Jakob Sprenger, welchen als Dritter Johann Gremper sich gesellte, der Auftrag erteilt, ›wider alle und jede Personen, wess Standes und Ranges sie sein mögen, das Amt der Inquisition zu vollziehen und die Personen selbst, welche sie der vorbemeldten Dinge schuldig befinden, in Haft zu bringen und an Leib und Vermögen zu strafen.‹

Nun ist es bekannt, dass der Deutsche gern Alles, sogar den Wahnwitz, mit Methode und, wenn man das Wort hier missbrauchen darf, mit Wissenschaftlichkeit betreibt. Sprenger und Konsorten setzten sich daher vor allen Dingen hin und verfassten in lateinischer Sprache ein dickes Buch, den ›Malleus maleficarum‹ (Hexenhammer), welcher die Hexen gleichsam zusammenhämmern, zermalmen sollte. Dieses romantische Buch, welches bei den Hexenrichtern kanonisches Ansehen erlangte und nach Köppens trefflichem Ausdrucke mit dem Eifer eines vor Fanatismus, Habsucht, Wollust und Henkerslust wahnsinnig gewordenen Mönchs geschrieben ist, erschien mit Approbation der theologischen Fakultät von Köln zuerst im J. 1489 und erlebte rasch mehrere Auflagen. Der 1. Teil dieses ›liber sanctissimus‹ handelt von den drei Stücken, welche bei der Zauberei zusammenkommen; – der Teufel, der Zauberer oder die Zauberin und die göttliche Zulassung; der 2. Teil davon, wie man sich vor der Macht der Zauberei bewahren solle und wie man die Folgen derselben wieder aufheben könne; der 3. Teil ist gerichtlich und enthält eine Anleitung für die geistlichen und weltlichen Richter hinsichtlich des Verfahrens beim Hexenprozess. Hier wurde auch die Kompetenzfrage dahin gelöst, dass an sich das Verbrechen der Hexerei vor die geistlichen und weltlichen Gerichte gehöre, insofern aber als Ketzerei mit dabei im Spiele sei, sollten die Hexen der Gerichtsbarkeit der Inquisition unterworfen werden. Man sieht, die Herren Theologen wussten sich auf jeden Fall ihr Mitdabeisein zu sichern. Was die rechtliche Seite der Sache überhaupt angeht, so wurde die Hexerei von den Verfassern des Hexenhammers und gleichgesinnten Juristen als das ›ungeheuerlichste, schwerste und abscheulichste Verbrechen‹ bestimmt und ferner als ein ›ausserordentliches‹ (crimen exceptum), woraus man folgerte, dass der Richter bei Verfolgung desselben sich nicht an den ordentlichen Gang der Kriminalprozedur zu halten habe, sondern ›ausserordentliche‹ Mittel anwenden dürfe und müsse, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Der Hexenhammer munterte auch das schändlichste Denunziantenwesen ausdrücklich auf, indem er sagte, man solle den Denunzianten, um ihnen Mut zu machen, zu verstehen geben, sie hätten nichts zu besorgen, auch wenn sie für ihre Anklagen nicht den geringsten Beweis beizubringen vermöchten.

Mit dem Hexenhammer in der Hand gingen nun die Verfasser desselben und ihre Kollegen mit Eifer an ihr ›löbliches‹ Geschäft, als dessen Vorspiel die Ersteren schon in den Jahren 1484 – 89 achtundvierzig Hexenbrände, ein anderer Ketzermeister in dem einzigen Jahre 1485 sogar schon einundvierzig Hinrichtungen veranstaltet hatten. Freilich wollte das Geschäft auch nach 1489 nicht gleich so recht schwunghaft werden. Geistliche und weltliche Fürsten widersetzten sich an vielen Orten der Hexenrichterei und es gab Priester, welche von der Kanzel herab die Existenz von Hexen oder wenigstens die Macht derselben, den Kreaturen zu schaden, verneinten. Bald aber erlebten die Inquisitoren und die mit ihnen verbündeten Juristen goldene Zeiten. Man gewann die geistlichen und weltlichen Fürsten Deutschlands für den Hexenprozess; jene, indem man ihnen einleuchtend machte, wie sehr dadurch dem hierarchischen Wesen Vorschub geleistet würde; beide zusammen, sowie die kleineren Dynasten und Städteobrigkeiten, indem man sie auf das Lukrative des Geschäftes hinwies. Das Vermögen der Gemordeten wurde, wie schon gesagt, eingezogen und in der Regel so verteilt, dass zwei Dritteile davon dem Grundherrn, das letzte Drittel den Richtern, Schöppen, Geistlichen, Spionen, Angebern und Scharfrichtern zufiel, nach standesmässiger Taxierung natürlich. Hexenrichter und Henker bereicherten sich gerade zur Zeit der grössten Verarmung Deutschlands, während des dreissigjährigen Krieges, ganz auffallend. Verdiente doch in dem einzigen Orte Kösfeld 1631 der Scharfrichter binnen sechs Monaten durch seine Verrichtungen an den Hexen 169 Thaler. Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn fast die Hälfte der Hexenmorde auf Rechnung der Habsucht geschrieben wird. Die andere Hälfte kommt auf die Rechnung des Fanatismus und der gläubigen Einfalt; denn vom Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts an war es den Pfaffen allmählich gelungen, die ganze Weltanschauung, alles Fühlen, Glauben und Denken des deutschen Volkes so ganz und gar zu verteufeln, dass es immer und überall den Teufel sah, hörte, roch und schmeckte.«

Die den beiden Ketzerrichtern Institor und Sprenger für ihre würdige Tätigkeit zugewiesenen Bezirke umfassten so ziemlich ganz Deutschland, den nördlichen Teil ausgenommen. Sie entwickelten bei ihrem Henkeramte einen Eifer und eine Tätigkeit, die geeignet gewesen wäre, das ganze Reich zu entvölkern. Wieder wurden Stimmen laut wider diese Tyrannei, selbst aus kirchlichen Kreisen und aus dem allzeit glaubenseifrigen Tirol. Von hier berichtet Soldan (I. 272), dass alle wegen Hexerei verdächtigen Personen auf die Folter gespannt und nach ihren Vergehen und ihren Mitschuldigen befragt wurden. »Die Folge davon war, dass über zahlreiche Familien namenloses Elend kam. Selbst die eigenen Familien-Angehörigen wurden von den Gefolterten als Mitschuldige genannt und selbst in das Haus des damaligen Regenten von Tirol, des Erzherzogs Sigmund griff die Denunziation ein Vgl. L. Rapp »Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol«, Innsbruck 1874 S. 5 ff.. Ein Sturm der Entrüstung ging durch das ganze Land. Die Folge davon war, dass der Bischof dem Inquisitor in sehr gemessener Weise befahl, das Land zu verlassen und in sein Kloster zurückzukehren. Auch die Stände des Landes wollten von Hexenverfolgungen durchaus nichts wissen. Auf dem tiroler Landtag, der im August 1487 zu Hall im Inntale versammelt war, wurde dem Erzherzog Sigmund gegenüber laut darüber geklagt, dass in jüngst vergangener Zeit ›viel Personen gefangen, gemartert und ungnädiglich gehalten worden seien, was doch merklich wider Gott und Sr. Fürstlichen Gnaden Seelen Seligkeit und wider den Glauben ist.‹

Der Erzherzog, der es weder mit der einen noch mit der andern Partei verderben wollte, wandte sich an den berühmten Juristen Ulrich Molitoris zu Konstanz um Rat, was von dem Zauberwesen zu halten sei. Dieser, ein sehr kluger und aufgeklärter Mann, gab sein Gutachten in einer Schrift »de Lamiis et pythonicis mulieribus« ab, in der er in Form eines Gespräches zwischen sich, dem Erzherzog – den er schlauer Weise alle vernünftigen Aeusserungen in den Mund legt – und dem Schultheiss von Konstanz Konrad Schatz, zu den Schlüssen kam, dass Hexen kein Unwetter hervorrufen können, dass durch die Folter erpressten Geständnissen kein Wert beizumessen sei, dass Gott Herr der Natur sei, daher der Teufel ohne seine Zustimmung nichts Böses verrichten könnte und noch andere ziemlich vernünftige Schlüsse. Nichtsdestoweniger – Molitoris mochte seine Gegner, deren Macht und Rachsucht gründlich gekannt und gefürchtet haben – bemerkte er am Schluss: »Obschon also dergleichen böse Weiber in der Tat nichts ausrichten, so müssen sie nicht destoweniger deshalb, weil sie von Gott abfallen und mit dem Teufel ein Bündnis eingehen, wegen ketzerischer Bosheit mit dem Tode bestraft werden.« Endlich ermahnt er noch das weibliche Geschlecht sich nicht dem Teufel preiszugeben und der Taufe eingedenk zu sein, Bemerkungen, die übrigens in den späteren deutschen Uebersetzungen dieses Werkchens fortgelassen wurden.

Fast gleichzeitig erschien auch der erwähnte Hexenhammer, hauptsächlich von Sprenger verfasst. Der Titel lautet: Malleus maleficarum, in tres partes divisus, in quibus concurrentia ad maleficia, maleficiorum effectus, remedia adversus maleficia et modus denique procedendi ac puniendi maleficos abunde continetur. – Coloniae 1489.« Es dürfte wohl keine zweite Schrift geben, die von so finsterem Fanatismus diktiert wurde, so viel Unsinn enthält und so verhängnisvoll gewirkt hat. Trefflich kennzeichnete es in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts der schaumburg-lippescher Superintendent Hauber mit den Worten: »Alles was man von einem Inquisitore der Ketzerei und von den damaligen Zeiten, da das Reich der Finsternis und der Bosheit auf das Höchste gestiegen war, sich nur vorstellen kann, das findet sich in diesem Buche miteinander verbunden: Bosheit, Tumheit, Unbarmherzigkeit, Heuchelei, Arglistigkeit, Unreinigkeit, Fabelhaftigkeit, leeres Geschwätze.« Und von dem Verfasser meint er, er hätte geschrieben, »mehr wie ein Henker als wie ein Geistlicher, wie ein Kerl, der etliche Bordells ausgehuret hat.«

Als Grundsatz des Hexenhammers sind die Worte hingestellt: »Haeresis est maxima, opera maleficarum non credere. Der Zweifel an den Bestand der Hexerei gilt also für höchste Ketzerei, der bequemste Grundsatz um jeden Widerspruch von vornherein unmöglich zu machen oder nur mit eigener Gefahr zu verlautbaren. Es erübrigt wohl hier auf den Inhalt dieses Werkes ausführlich einzugehen. Es erlangte ein fast kanonisches Ansehen und war fortan zu allen Zeiten bei Hexenprozessen als ausschlaggebend betrachtet.

Der für Deutschland bestimmten Bulla Summis desiderantis, der durch ein Patent des neuerwählten römischen Königs Maximilian I. vom Jahre 1486 ebenso Schutz versprochen wurde, wie den beiden Inquisitoren, folgten bald ähnliche Bullen für andere Länder, überall wütende Hexenverfolgungen nach sich ziehend, trotz der Opposition der Völker, bei denen der Hexenglaube im Sinne der Kirche noch nicht recht Eingang gefunden hatte und nur schwer Eingang fand, allerdings um dann als unausrottbarer Wahn zu beirren und verwirren.

Nach dem Hexenhammer und andern kirchlichen Autoritäten in dieser Frage war die Zauberei ein crimen fori mixti, das sowohl vor das geistliche, – den Inquisitoren – wie vor das weltliche Gericht gehörte, weil Verbrechen dieser Art den Glauben wie auch Gesundheit und Eigentum von Personen schädigen. Der weltliche Richter konnte jedoch die Todesstrafe über die beschuldigte Person nur dann verfügen, wenn das geistliche Gericht die Sache geprüft und schuldbar befunden hatte. Der Beschuldigte musste dem geistlichen Gericht auf deren Aufforderung hin sofort ausgeliefert werden. Hatte dieses ein Schuldig ausgesprochen, so übergab es gewöhnlich den Verurteilten der Behörde, damit diese die Strafe vollstrecke. Die weltlichen Gerichte figurirten also in diesen Prozessen gewissermassen als Büttel der geistlichen, eine Unterordnung, gegen die sich jene vergeblich aufzulehnen versuchten. Zur Anwendung gelangte dann, wie schon früher bemerkt wurde, das kanonische Recht mit seinem Inquisitionsverfahren, das, besonders in Deutschland wo ein Accusationsverfahren seit altersher üblich war, nur schwer im Volke Eingang fand. Zur Verhaftung war der Inquisitor befugt, wenn eine Denunciation vorlag, oder ein böser Ruf oder sonst ein Umstand, der Verdacht zu erwecken geeignet war, das heisst also kurz gesagt: der Inquisitor konnte nach Belieben verhaften lassen und anklagen. Läugnete die Beschuldigte – in den meisten Fällen handelte es sich hierbei doch um Frauen, so wurde die Folter angewandt, peinlich befragt oder angegriffen, wie es später hiess, ein Punkt, der später noch ausführlich erörtert werden soll. Kam der Inquisitor auf seinen Schreckenszügen nach einer Stadt, wo er seine Wirksamkeit ausüben wollte, so forderte er mittelst Ankündigungen an den Türen der Kirchen, der Amtshäuser etc. die Bewohner auf, alle Personen zu denuncieren gegen die sich der Verdacht der Hexerei richte. Ein absichtliches Verschweigen wurde mit Kirchenbann und anderen Strafen bedroht, das gottgefällige Denuncieren mit geistlichem Segen oder auch mit Geld belohnt. Auch befanden sich zuweilen in den Kirchen Briefkasten, in die jeder seine Denunciation ohne Nennung seines Namens einwerfen konnte, eine Praxis, die wohl in Italien ihren Ursprung haben mochte, aber fast überall, selbst im fernen Dänemark zur Anwendung gelangte. Unter solchen Umständen, wo dem Fanatismus, Uebereifer, Eigennutz, Hass, Verläumdung, Rachegefühl, Aberglauben und noch vielen andern Tür und Tor geöffnet war, konnte es nicht verwundern, wenn bald die Hexenprozesse sich häuften und sich schliesslich zu einer moralischen Seuche sich ausbildete, die noch ärger und verderblicher wütete, als der »schwarze Tod« und andere Schrecken früherer Tage.

Nach dem Hexenhammer sollte das Verhör des Beschuldigten mit der Frage eröffnet werden, ob sie glaube, dass es Hexen gäbe. Verneinte sie die Frage, so sollte weiter die Frage an sie gerichtet werden, ob sie demnach glaube, dass alle die bisher verbrannt wurden, unschuldig diese Strafe erlitten halten. Eine Bejahung dieser Frage war selbstverständlich das Aergste, was sich die Angeklagte zufügen konnte. Immerhin zeigen schon diese Fragen, dass es darauf abgesehen war, die beschuldigte Person unter allen Umständen zu verdammen. Von andern der verdächtigten vorgelegten Fragen führt Nork in »Sitten und Gebräuche S. 1108 folgende an: Wer sie die Hexerei gelernt, ob der Teufel oder ihre Gespielin? Ob sie nicht etliche Hexen kenne? Was sie bewog eine Zauberin oder Trut zu werden? Wann und um welche Zeit der Teufel mit ihr Hochzeit gehalten? Wie ihr Teufel heisse? Ob sie Gott und die Heiligen habe verleugnen müssen? Ob sie den Teufel angebetet und was er nachher mit ihr vorgenommen? Ob sie der Teufel nicht anders getauft und wer dabei gewesen? Wer sie aus der Taufe gehoben und wie dieser heisse? Wie oft und an welchem Ort sie sich mit dem Teufel vermischt? Ob er in solchen unkeuschen Werken einem andern Mann gleich sei oder wie es damit beschaffen? Ob ihr Buhlteufel zuweilen unbemerkt von ihrem Manne zu ihr nachts ins Bett schleiche? Ob sie auch von ihm Kinder bekommen? Wie oft sie auf der Gabel ausgefahren? Wie sie es gemacht, dass sie so fahren könne? Ob sie nicht jährlich dreimal an einen gewissen Ort sich zum Tanz habe verfügen müssen? Ob sie dort den bösen Geist in einem Sessel sitzend, nebst ihren Gespielen hat anbeten und ihm posterioras sub specie facieri küssen müssen? Ob sie zuweilen Tiergestalt angenommen, um sich unkenntlich zu machen? Ob sie nicht auf den jährlichen Zusammenkünften samt ihren Gespielen Rechenschaft geben musste, was jegliche in des Teufels Dienst für Schaden gestiftet? Ob sie nicht auch eines ihrer eigenen Kinder dem Teufel geopfert? Und wieviel sie sonst umgebracht, ihr Fleisch gegessen, ihr Blut getrunken, ihre Glieder und Knochen aber zur Zauberei gebraucht? Wie oft sie unschuldige Kindlein hat ausgraben helfen? Wie viel sie Wetter und Hagel gemacht? Ob sie jährlich gebeichtet, das Sacrament empfangen und genossen und was sie damit angefangen? Ob ihr Buhle ihr nicht etwas angetan, dass sie ihre Sünden nicht bekennen konnte u. s. f.« dem konnten noch zahlreiche andere Fragen angereiht werden, abgesehen von jenen, die für den Sonderfall passen, und alle würden nur gleichfalls eine wüste und schmutzige, tückische und erbärmliche Phantasie bekunden. Konnte durch Drohungen, Folter und sonstigen Mitteln kein Geständnis von der angeklagten Person erlangt werden, so wurden alle möglichen Ueberredungsmittel aufgeboten. Der Richter versprach unter Mentalreversion Gnade für den Fall eines Eingeständnisses, beteuerte, dass er keine Verurteilung aussprechen werde. Unter Gnade konnte er sich dabei denken Erdrosselung vor dem Verbrennen, unter Letzterem wieder, dass er das verdammende Urteil von einem andern verkünden liess, Praktiken übrigens, die sich auch auf die spätere Zeit fortpflanzten. Ein Verteidiger nach freier Wahl durfte nach dem Hexenhammer nicht zugelassen werden, weil in Glaubenssachen nach einer Verordnung des Papstes Bonifacius VIII. (1294-1303) vorgegangen werden sollte »simpliciter et de plano, absque advocatorum et judiciorum strepitu et figura.« Allerdings wurde als Verteidiger ein dem Richter genehmer Mann zugelassen (vir zelosus), der jedoch überdies feierlich gewarnt wurde, sich nicht einer Förderung des Bösen zu Schulden kommen zu lassen, eine Mahnung, die er wohl verstand und die ihn wahrscheinlich von einer regen Tätigkeit für den Schutzbefohlenen abgehalten hätte, selbst wenn er als glaubenseifriger Mann wirklich Lust dazu empfunden hätte.

Die Feuerprobe (ferrum candero) wurde bei den Ketzerverfolgungen von Konrad von Marburg und anderen Inquisitoren oft angewandt, anfangs auch in Hexenprozessen, doch später nicht mehr, wohl auf die Autorität des Hexenhammers hin, der sich (Part. III. Qu. 17) dagegen ausspricht. Dagegen war die Wasserprobe, das Hexenbad (judicum aquae frigidae) dem ebenfalls ein hohes Alter zugesprochen werden kann, allgemein in Brauch. Von dem Lateran-Konzil im Jahre 1215 verboten, kam es in Abnahme, tauchte jedoch in den späteren Hexenprozessen wieder auf. Wir werden daher diesen Gegenstand, wie noch einiges anderes, bei Erörterung der Hexenprozesse nach der Reformation eingehender behandeln, eine Zeit in der diese Schändlichkeiten ihren Gipfelpunkt erreicht hatten.

Schon frühzeitig fehlte es, wie bereits bemerkt, der Hexenverfolgung nicht an entschiedenen Gegnern, mit deren Wirken wir uns später noch ausführlicher beschäftigen wollen. Agrippa von Nettesheim giebt uns (Epist. üb. 38, 39, 40. De incert et vanit. scient. Cap. 96) aus dem Jahre 1519 einen Bericht, der deutlich bekundet, wie damals ein Inquisitor haereticae pravitas seines Amtes waltete: »Als Syndikus von Metz hatte ich einen harten Kampf mit einem Inquisitor, der ein Bauernweib um der abgeschmacktesten Verläumdungen willen mehr zur Abschlachtung als zur Untersuchung vor sein nichtswürdiges Forum gezogen hatte. Als ich in der Verteidigung der Angeklagten bewies, dass in den Akten kein genügendes Indicium vorliege, sagte er mir ins Gesicht: ›Allerdings liegt ein sehr genügendes vor, denn ihre Mutter ist als Zauberin verbrannt worden.‹ Ich verwarf ihm dies als ungehörig; er aber berief sich auf den Malleus maleficarum und die peripathische Theologie und behauptete, das Indicium müsse gelten, weil Zauberinnen nicht nur ihre Kinder sogleich nach der Geburt den Dämonen zuweisen, sondern sogar selbst aus ihrem Umgang mit den Incuben Kinder zu zeugen und so das Zauberwesen in den Familien zu vererben pflegten. Ich erwiderte ihm: ›Hast du eine so verkehrte Theologie, Herr Pater? Mit solchen Hirngespinnsten willst du unschuldige Weiber zur Folter schleppen und mit solchen Sophismen Ketzer verurteilen, während du selbst mit deinem Satze kein geringerer Ketzer bist, als Donatus und Faustus? Angenommen es wäre wie du sagst: wäre damit nicht die Gnade der Taufe vernichtet? Der Priester würde ja vergeblich sagen: ›Ziehe aus, unsauberer Geist und mache Platz dem heiligen Geiste,‹ – wenn wegen des Opfers einer gottlosen Mutter das Kind dem Teufel verfallen wäre ...«

Doch schon damals waren es nicht immer geistliche Richter, die wider Recht und Vernunft bei Hexenprozessen vorgingen.

»In Deutschland,« schreibt Soldan, I. 459, »sehen wir anfangs noch die bischöfliche Jurisdiction mit der weltlichen konkurrieren, ja, während des ersten Viertels des sechszehnten Jahrhunderts die delegierte Inquisition ihr Unwesen treiben. Die eilfertige Plumpheit eines niederen bürgerlichen Richters im Kontrast mit der langsamen Förmlichkeit des Reichskammergerichts, zeigt folgender Fall, den wir aus den Originalakten mitteilen. Er ist ohne Zweifel der erste, der im Punkte der Hexerei diesem höchsten Tribunal zur Entscheidung vorlag, und mag wohl, wie so viele Fälle nach ihm, ohne Ende geblieben sein.

Im Dezember 1508 klagte Anna Spülerin aus Ringingen vor dem Stadtammann zu Ulm gegen dreiundzwanzig Einwohner von Ringingen auf Entschädigung (Wandel, Abtrag und Bekehrung, angeschlagen auf zweitausend Gulden) für eine durch die Schuld derselben erlittene Unbill. Ihrer Erzählung zufolge, die in ihren wesentlichen Punkten durch spätere Zeugenverhöre bestätigt wurde, verhielt sich die Sache folgendermassen. Als vor einem Jahre ihre Mutter nebst einigen andern Weibern auf Anrufen der Einwohner Ringingen durch den Vogt von Blaubeuren als Zauberinnen eingezogen worden, seien ihr, der Tochter, Worte gerechter Entrüstung entfallen, in Folge deren ihr Warnungen zugekommen, als wenn sie dadurch sich selbst verdächtig gemacht hätte. Eines Morgens habe sie einen grossen Auflauf um ihr Haus bemerkt, und als sie, um der Gefahr zu entgehen, sich durch die Hintertüre auf das Feld begeben, hätten die von Ringingen sie eingeholt und, ohne über ihre Absichten sich bestimmt auszusprechen nach Blaubeuren abgeführt. Daselbst im Gefängnis habe sie erwartet, dass man sie baldigst etwa ihrer ausgestossenen Reden wegen zur Verantwortung ziehen und dann wieder entlassen würde. ›Aber nyemands wäre zu Ir komen annders, dann gleich aubents ains Ersamen Rats hie zum Ulm zuechtiger und nachrichtiger, der hatte gegen Ir strengklich peenlich unmenschtlich und umwegglich gehandelt und von Ir wissen wollen, Sy were aine, das Sy sollichs bekennen söllte. Aber alls Sy sich sollichs frey und unschuldig gewisst, hatte Sy Ir selbs kain unwarheit auflegen, noch nichtzit bekennen wollen, sondern Ir Hoffnung zu Gott dem Allmechtigen gesetzt, nachgennds were Sy in ain annder fanngkenus und gemacht gefürt und abermals nit ain zway drew, viermal, Sonnder unmentschlich peenlich gemartet, alle Ire glieder zerrissen, Sy Ihrer vernunft und auch Fünff Synn beraupt und entsetzt worden, dann Sy Ir gesicht und gehördt nit mer hatte alles vor. So war Ir auch in sollicher grossen Irer unmentschlichen marter begegnet, das Sy besorgte, wie wol Sy kain gründlich wissen, noch das, mangel halb Irer gesicht, mit wol erkennen noch sehen, das von Ir kommen were, das vielleicht darauss ein lebende Seel mügen hett werden, solliche Marter hett dannocht nit genug sein, noch erschiessen wolln, Sonnder were ain anderer Züchtiger von Tüwingen mit dem Vogt komen, da hett Sy der Vogt bereden wollen auf sich selbs zubekennen, und Ir selbs ab der Marter zuverhelffen und gleich mit guten worten gesagt, Was Sy sich doch züge, Sy sollte der Sach bekennen, So Sy dann aufs diesem Zeitt füre, So sollten und mussten die von Ringingen, nemlich yeder insnnder Ir ain mess fromen lassen. Dartzu Sy geantwurt hette, dass sollte In diser danncken, dann Sy sich unschuldig gewisst hette. Als nun der Vogt nichtzit von Ir bringen mögen, hette er weytter angefanngen und gesagt, wie Ir Mutter auf Sy bekennt und verjehen haben sollte, das Sy auch aine were, dass hette Si widersprochen und veranntwurt, Sy wisste wol, das Ir Mutter nichtzit args von Ir zu sagen wisste, auch sollich von Ihr nit sagt, so wisste Sy sich auch ganntz unschuldig frey und ledig, were also für und für auf der warheit verharret und darab nit weychen wollen. Alls Sy aber sollichs gesehen, hetten Sy weytter mit der Muter und mit viel troworten an Sy gesetzt und gesagt, Sy wollen Ir alle Adern im Leib zerreisssn und wiewoln Sy mermaln gütigklich gesagt het, was Sy Sy doch zeyhen, ob Sy Sy von der warheit treyben wollten, So hatte Sy doch sollich nit fürtragen, noch fassen mögen, Sonnder hetten Sy für und für gesagt und von Ir wissen haben wollen, Sy were aine, und nie genennt ain unholden, bis zum letsten. Also hette Ainer unnder den widertailen, so yetzo gegenwürtig allda stünde, gesagt und von Ir wissen haben wollen, wohin das Hempt von unnser lieben Frawen in der kirchen zu Ringingen komen were, dann Sy wisste, wer das zerschniten, hette Sy geanntwurt ob Sy es yemands beschuldigte, und alls der Vogt gesagt, Er hette des wissen und Im sein klains fingerlin gesagt, hette Sy wieder geanntwurt, Ir geschehe damit unrecht, Sy were dess unschuldig. Mit Erbiettung, wo sollichs ain Mensch von Ir, das Sy das getan hatte, sagte, wollte Sy darumb den tod leiden aber nyemands hette Sy sollichs ferrer beschuldigen wöllen. Mit dem were Sy von ihr abgeschieden mit dem traw, Si wöllten enmordnens wider komen und mit noch hertter und strennger peen und marter gegen Ir handeln, und hetten Sy darauf in ein noch herrter und schwerer fanngkuns dann vor gelegt, in dem alls yedermann von Ir komen were Ir eingefallen und hette bedacht Ir zuflucht zu nemen zu dem, der Ir helffen mügen het, das were nämlich Got der Allmechtig und sein gepererin die himelkönigin Marie ...« Und so geht es noch eine gute Weile fort, eine treffliche, wenn auch noch immer nicht die ärgste Illustration zu dem, wie ein »freiwilliges« Geständnis damals geschaffen zu werden pflegte. Es gab dann einen Schriftenwechsel und das ob seiner Langsamkeit im Urteilsprechen berüchtigte Kammergericht verläugnete auch hier nicht seinen Ruf. Wie die Sache schliesslich ausgegangen ist, das ist unbekannt.

So sehr auch die bürgerlichen Gerichte bestrebt waren nach Beispiel der geistlichen und im Sinne der Vorschriften des Hexenhammers peinlich zu befragen, so sahen wir doch zuweilen Ausnahmen, die jedoch zu ganz seltsamen Erkenntnissen führen, wenn wir sie näher betrachten. Im Jahre 1516 wurde ein Mädchen, Ulant Dammartz, das einen ihren Eltern nicht genehmen jungen Mann heiraten wollte, von ihnen in das Kloster Marienbaum bei Xanten gesteckt. Hier gilt sie bald als vom Teufel besessen und soll damit auch andere Nonnen angesteckt haben. Sie entfloh aus dem Kloster, wurde aber dann im elterlichen Hause verhaftet und ins Gefängnis nach Dinslaken gebracht. Das wahrscheinlich hysterische Mädchen gestand hier, ohne dass bei ihr die Folter zur Anwendung gelangte, dass sie sich dem Teufel ergeben hätte, weil sie dem Geliebten entsagen hatte müssen. Sie gab auch zu, die ihr befreundeten Nonnen verzaubert, sowie sonstigen Unfug getrieben zu haben, mit Hostien und dergleichen, Bezichtigungen, die bei Hexenprozessen üblich waren und die ihr wohl so lange unter Drohungen vorgeschwatzt wurden, bis sie selbst daran glaubte. Sie wurde lange Zeit im Gefängnis gehalten aber endlich doch entlassen. Gefoltert, wie gesagt, wurde sie nicht, dagegen kam es vor, dass sie während ihrer langen Haft von dem Gefängniswärter zwei mal geschwängert wurde. Dass Frauen oder Mädchen derart genotzüchtigt wurden, war übrigens keine seltene Erscheinung und der Henker tat dies zuweilen vor der Ausübung seines Schreckensamtes sozusagen auch von amtswegen. Vielleicht, dass hierbei der alte, schon bei den Römern übliche Brauch irgendwie mitspielte, wonach der Henker vor der Hinrichtung einer Jungfrau diese schänden musste, weil ein unberührtes Mädchen nicht hingerichtet werden durfte.

Merkwürdig ist, dass in Oesterreich die Hexenverfolgungen in der ersteren Zeit nur selten vorkamen. Im Jahre 1498 wurde zu Wien eine Frau zur Enthauptung und nachheriger Verbrennung verurteilt, wobei der wiener Scharfrichter seine Mitwirkung versagte, so dass sein Kollege aus Krems herbeigeschafft werden musste. Und auch diesem musste, wie Schlager in seinen »Wiener Skizzen aus dem Mittelalter« als einzigen bekannten Fall aus dem fünfzehnten Jahrhundert berichtet, nach der Hinrichtung sein Richtschwert neu gefasst und zugerichtet werden, als wäre es durch den Vorfall entehrt worden. Ueberhaupt konnten derlei Schlächtereien auf deutschem Boden bis zur Zeit der Reformation nicht recht gedeihen. In umfangreicherem Masse fanden damals Hexenverfolgungen nur in Tirol statt, unter fleissiger Anwendung der Folter, die natürlich viele »Geständnisse« hervorzubringen vermochte. Die als schuldig Befundenen wurden verbrannt oder ersäuft, ihr Vermögen eingezogen.

In Frankreich hatte der Schrecken wider Ketzer und Zauberer schon frühzeitig gewütet, doch nachdem das pariser Parlament 1390 den geistlichen Richtern die Hexenprozesse entzogen hatte, kamen solche nunmehr selten vor und zeigten sich auch hier im vermehrten Masse erst nach der Reformation. Merkwürdig ist dabei, dass die Lykanthropie, die Glaube an Werwölfen stark auftrat und 1573 sogar durch einen Parlamentsbeschluss den Bauern aus der Gegend von Dôle, Franche Comte, der Ermächtigung erteilt wurde, auf Werwölfe Jagd zu machen. Allerdings hatte Frankreich ganz besondere Gründe dem Unfug der Hexenprozesse etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen als es anderwärts geschah. Wurde doch seine National-Heldin Jeanne d'Arc, »Die Jungfrau von Orleans,« ebenfalls 1431 als Ketzerin und Zauberin verurteilt und verbrannt, zwar unter Einfluss der Engländer, aber nicht, wie oft irrig geglaubt wird, von den Engländern selbst, sondern von dem französischen Bischof Beauvais und dem Inquisitor, eine Tatsache, an der wenig ändert, dass 1456 ihr Prozess revidiert und sie als unschuldig befunden wurde. Besonders belastend für sie war das Gutachten der pariser Universität, die erklärte, dass die angeblichen Offenbarungen der Jungfrau nur von bösen Geistern ausgegangen sei und ihr Tun und Treiben als Götzendienst und Teufelsunfug zu strafen sei. Ein Separatvotum des aufgeklärteren Kanzlers Gerson († 1429) versuchte zwar darzulegen, dass Johanna von Gott und nicht vom Teufel zu ihrem Wirken veranlasst worden sei fand aber keine Beachtung. Bemerkt zu werden verdient auch, dass zu jener Zeit in der Nähe von Paris zwei Weiber auftraten, die vorgaben von Gott gesandt zu sein, Johanna zu retten. Sie wurden gefangen genommen und kamen vor den Inquisitor. Die eine rettete ihr Leben indem sie bekannte vom Teufel verblendet worden zu sein; die andere aber, die fest darauf beharrte von Gott beauftragt worden zu sein, büsste ihren frommen Wahn auf dem Scheiterhaufen.

Die Tat der Jeanne d' Arc wirkte übrigens wie jeder Wahn ansteckend. Auch zu Köln versuchte ein Mädchen ihre Rolle zu spielen, anlässlich des Streits um die Trierer Kurwürde. Sie besiegte zwar keine feindliche Heere, es wurde u. a. von ihr nur behauptet, dass sie als Teufelsverbündete zerrissene Tücher und zerbrochene Gläser wieder ganz zu machen verstünde, doch nur durch den Schutz des Adels gelang es dem Mädchen dem Inquisitor Kalteisen zu entgehen.

In Frankreich, wie in den andern romanischen Ländern, wurde eben seitens der Kirche bei Verfolgungen dieser Art auch später noch der Schwerpunkt auf das Ketzerwesen gelegt, das eben mit Teufels-Bündnis und Hexentum eng verbunden wurde. Aufsehen erregte 1460 einer dieser Ketzerprozesse, der mit der Verhaftung eines Weibes von Douay, namens Demselle begann, um bald, wie bei den meisten Prozessen dieser Art immer weitere Kreise zu ziehen. Natürlich gestand sie auf der Folter der Vauderie schuldig zu sein, d. h. eine Waldenserin zu sein, und machte auch, sowie man es von ihr wollte, verschiedene andere Personen namhaft, die gleichfalls dazu gehören sollten, darunter auch Jean Lavite, genannt Abbé de peu de sens. Auch dieser benannte unter der Folter angebliche Mitbeteiligte darunter auch Geistliche und Vornehme, die alle in Haft genommen wurden und, der Tortur ausgesetzt, zweifellos noch weitere Beschuldigungen ausgesprochen hätten. Indes wurden Stimmen laut, dass der Sache nun schon genug wäre und der Prozess niedergeschlagen werden sollte. Doch das geistliche Gericht sandte die Akten an Theologen zu Cambray und diese entschieden, dass die Angeklagten die Todesstrafe verdienten, sofern sie ihre Geständnisse aufrecht erhielten. Dieses Urteil schien den geistlichen Herren zu milde, sie nahmen aufs neue Verhaftungen vor und setzten endlich den Tag der Urteilsfällung fest. Bei dieser wurden von den Angeklagten die scheusslichsten und lasterhaftesten Dinge behauptet, was sie, auf Befragen, ob sie wahr wären, auch zugaben. Das Urteil lautete auf Uebergabe der Angeklagten an die weltliche Behörde, zur Vollstreckung der Todesstrafe nämlich, und auf Einziehung ihrer Besitztümer. Jetzt schrieen die Verurteilten auf, sie wären betrogen worden, man hätte ihnen unter der Tortur, falls sie die Beschuldigungen eingestehen wollten, nur eine Pilgerfahrt als Busse verheissen, andernfalls aber mit der Todesstrafe gedroht. Sie wären keine Waldenser, wüssten gar nicht, was das zu bedeuten hätte. Sechs von ihnen wurden zu Arras verbrannt. Eine zweite Verurteilung überlieferte acht Personen dem Flammentod und zwei andere wurden nur zur Kerkerstrafe verurteilt, weil sie »freiwillig« eingestanden hatten. Fast überflüssig ist es noch zu bemerken, dass nebenbei zahlreiche Personen verhaftet wurden, selbstverständlich nicht die ärmsten. Wer fliehen konnte, floh nun aus Arras, um sein Leben und wenn möglich auch seine Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Dabei wurden aber auch Stimmen laut, die Einspruch gegen diese grausamen Verfolgungen zu erheben wagten, die sich unter dem Vorwand der Ketzerverfolgung eigentlich nur gegen das Eigentum der Besitzenden richteten, die, wenn es ihnen schon gelang Leib und Leben zu retten, mindestens doch hohe Geldbussen und vor allem die bedeutenden Kosten des Verfahrens bezahlen mussten. Wie dort mit der Tortur umgegangen wurde, besagt am besten die Tatsache, dass einer der Angeschuldigten ihr nicht weniger als fünfzehnmal unterzogen wurde. Der Herzog fand es nun nötig, eine Versammlung von Theologen zur Prüfung dieser Vorkommnisse nach Brüssel zu berufen, was wenigstens die Einstellung weiterer Verhaftungen zufolge hatte. Schliesslich kam die Sache vor das Parlament zu Paris, das die Unschuld der Verurteilten erkannte, worauf die noch Gefangenen freigegeben und die noch schwebenden Prozesse unter Vermittlung einiger Kirchenfürsten niedergeschlagen wurden. Dreissig Jahre später, Artois war indessen in Frankreich einverleibt worden, wurden die Prozesse von dem Parlament aufs Neue einer Revision unterzogen, die Urteile wurden kassiert, die Namen der Hingerichteten wieder zu Ehren gebracht, der Herzog, der Bischof und die Richter zur Rückzahlung der Kosten und einer Geldstrafe verurteilt und diese Beträge zu einer Stiftung verwendet, deren Zinsen für eine Messe für die Hingerichteten verwendet wurden. Auch wurde auf königlichen Befehl dieses Urteil vor dem bischöflichen Palast zu Arras öffentlich verlesen und der Tag an dem dies geschah, galt für Arras als Feiertag. Den bereits Verbrannten, so wie denen, die durch diese Verfolgung um ihr Vermögen gekommen, konnte diese fromme landesväterliche Verfügung freilich nicht mehr nützen. Erwähnt zu werden verdient schliesslich, dass, nach Berichten von verschiedenen Seiten, in dem päpstlichen Rom selbst Verbrennungen von Ketzern und Zauberern, Hexen und dergleichen nicht stattgefunden zu haben scheinen. Damit will aber natürlich nicht gesagt sein, dass die Regierung des Statthalters Gottes für ihr eigenes Gebiet eine besondere Milde obwalten liess. Es wurde eben nur in anderer Weise ins Jenseits befördert und auch mit Anwendung der Tortur nicht gespart. Allerdings kam ersteres nicht so häufig vor, wie in anderen Staaten und Städten, wofür sich verschiedene Gründe angeben liessen. Nicht in letzter Reihe dieser mag der Umstand stehen, dass die Päpste an ihrem Sitze der eigenen Sicherheit wegen den Bogen nicht gar zu straff spannen wollten, ferner auch, dass es nicht recht geeignet dünken mochte, für diesen Ort solche Verschuldigungen im umfangreicheren Masse finden oder erfinden zu wollen.


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