Thomas Theodor Heine
Seltsames geschieht
Thomas Theodor Heine

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Der »Rembrandt«

Professor Schrönk, der berühmte Parapsychologe, hatte wieder ein besonders geeignetes Medium entdeckt. Sensationelle Sitzungen fanden statt. Sobald Frau Leberkas in Trance versetzt war, gelang mit ihrer Hilfe die Materialisation jedes gewünschten Geistes. So war in den Zeitungen berichtet worden, daß sich in 40 einer der letzten Séancen der Geist Rembrandts materialisiert und ein ausgezeichnetes Bild gemalt habe, welches sofort um fabelhaften Preis in den Besitz des Kunsthändlers Blatschari übergegangen sei.

Blatschari ließ das dementieren: Er besitze allerdings ein Meisterwerk Rembrandts, doch stamme es aus uraltem holländischem Erbgut. Was er in seinem Dementi nicht erwähnte, war, daß er das Bild bei einem Trödler der Altstadt für fünf Gulden gekauft hatte und daß der Rembrandtexperte Hofstede de Grot beanstandete, daß es unsigniert sei. Ohne Expertise war das Bild unverkäuflich, mochte es immerhin eins der besten Werke aus des Meisters Spätzeit sein. Es stellte Rembrandts Haushälterin Hendrikje Stoffels dar, wie sie sich bei Kerzenlicht die Hühneraugen schneidet.

Der Kunsthändler hatte eine Idee: Bei der nächsten spiritistischen Séance erschien er mit seinem Rembrandt-Bild und bat Professor Schrönk, den Geist des Malers wieder zu zitieren. Er war gern dazu bereit, legte das Bild mitten auf den Tisch. Um den mußten sich alle Anwesenden setzen und einander an den Händen halten. Der Raum wurde verdunkelt. Frau Leberkas lehnte etwas abseits, halb liegend, in einem bequemen Fauteuil. Der Professor strich ihr weichhändig über Stirn und Augen, redete ihr mit leiser Stimme zu: »Sie sind müde, müde, müde, Sie schlafen schon. Konzentrieren Sie Ihre Psyche, suchen Sie Kontakt mit dem Geiste Rembrandts!« Das Medium stöhnte, atmete schwer. Der Professor mußte seinen Wunsch noch einige Male wiederholen. Dann stieß das Medium einen leisen Schrei aus, hauchte: »Er kommt.« Ein lebhafter Alkoholgeruch verbreitete sich, leuchtende Dämpfe 42 wallten durch den Raum, verdichteten sich zu einer Gestalt, die immer deutlicher Rembrandts Züge annahm, wie er sie auf seinem letzten Selbstbildnis dargestellt hatte.

»Kann man mit ihm sprechen?« fragte der Kunsthändler.

»Versuchen Sie es«, flüsterte der Professor.

Blatschari wandte sich an den Geist: »Möge der Meister verzeihen, wenn ich ihm mit einer Bitte nahe. Hier ist eines der bedeutendsten Werke Ihrer Hand, das Sie leider bei Lebzeiten nicht signiert haben. Darf ich Sie bitten, es mit Ihrer Unterschrift zu versehen?« Rembrandt antwortete nicht, ergriff schweigend den Pinsel und die farbenbesetzte Palette, die ihm Herr Blatschari reichte. Mit hastiger, fast wütender Bewegung stieß er den Pinsel in die Farbe und malte etwas Handschriftliches auf eine Ecke der Leinwand. Darauf tauchte er den Pinsel von neuem in die Farbe und strich ihn dem Kunsthändler kreuz und quer über seine Glatze, klatschte die Farbpalette dem Professor ins Gesicht, lachte laut und höhnisch und war verschwunden.

»Das war eine sehr kräftige Materialisation«, sagte Professor Schrönk, als er das Licht andrehte und sich abzuputzen begann. Alle wollten die Signatur ansehen, aber Blatschari warf einen flüchtigen Blick darauf und wickelte das Bild schnell wieder in Packpapier. Dann nahm er es, verabschiedete sich herzlich dankend von dem Professor, und eilte nach Haus.

Ja, das Bild war nun mit Unterschrift versehen, aber sie lautete: »Diesen Dreck habe ich niemals gemalt. Rembrandt.« Trotzdem blieb der Kunsthändler sehr zufrieden. Überlegen lächelnd tauchte er einen Leinwandlappen in Terpentinöl und wischte sorgfältig den störenden Satz weg, so daß nur der Namenszug übrigblieb. 43 Jetzt war das Bild mit zweifellos echter Signatur versehen. Als sie genügend getrocknet war, wurde der berühmte Sachverständige Geheimrat Bodenlos um eine Expertise ersucht. Er bestätigte die Echtheit und erbot sich, das Werk um eine halbe Million für das Reichsmuseum anzukaufen. Aber Blatschari zog vor, es für zwei Millionen an eine amerikanische Sammlung abzugeben.

Nun wußte er, wie man alten Bildern zu wirklicher Echtheit verhilft. Schon in einer der nächsten Séancen Professor Schrönks hat sich dann der Geist Tizians manifestiert. 44

 


 


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