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Meine Kindheit

Wesselburen

18. März 1813 bis 14. Februar 1835

Mein Vater besaß zur Zeit meiner Geburt ein kleines Haus, an das ein Gärtchen stieß, in welchem sich einige Fruchtbäume, namentlich ein sehr ergiebiger Birnbaum, befanden. In dem Hause waren drei Wohnungen, deren freundlichste und geräumigste wir einnahmen; ihr Hauptvorzug bestand darin, daß sie gegen die Sonnenseite lag. Die anderen beiden wurden vermietet: die uns gegenüberliegende war von dem alten Mauermann Claus Ohl nebst seiner kleinen, krummen Frau bewohnt, und die dritte, zu der ein Hintereingang durch den Garten führte, von einer Tagelöhnerfamilie. Die Mietsleute wechselten nie, und für uns Kinder gehörten sie mit zum Hause, wie Vater und Mutter, von denen sie sich auch, was die liebreiche Beschäftigung mit uns anlangte, kaum oder gar nicht unterschieden. Unser Garten war von andern Gärten umgeben. An der einen Seite befand sich der Garten eines jovialen Tischlermeisters, der mich gerne neckte, und von dem ich heute nicht begreife, wie er, was er doch später tat, sich selbst das Leben nehmen konnte. Ich hatte einmal als ganz kleines Bürschchen mit altklugem Gesicht über den Zaun zu ihm herüber gesagt: Nachbar, es ist sehr kalt! und er wurde nicht müde, dieses Wort gegen mich zu wiederholen, besonders in den heißen Sommermonaten. An den Garten des Tischlers stieß der des Predigers. Dieser war von einer hohen, hölzernen Planke eingefaßt, die uns Kindern das Überschauen verwehrte, nicht aber das Durchblinzeln durch Spalten und Risse. Dies machte uns im Frühling, wenn die fremden schönen Blumen wiederkamen, an denen der Garten reich war, eine unendliche Freude, nur zitterten wir, der Prediger möchte uns gewahr werden. Vor diesem hatten wir eine unbegrenzte Ehrfurcht, die sich ebenso sehr auf sein ernstes, strenges, milzsüchtiges Gesicht und seinen kalten Blick, als auf seinen Stand und seine uns imponierenden Funktionen, z. B. auf sein Herwandeln hinter Leichen, die immer an unserem Hause vorbeikamen, gegründet haben mag. Wenn er zu uns hinübersah, was er zuweilen tat, hörten wir jedesmal zu spielen auf und schlichen uns ins Haus zurück. Nach einer anderen Seite bildete ein alter Brunnen die Grenze zwischen unserem Garten und dem nachbarlichen. Von Bäumen beschattet und tief wie er war, die hölzerne Bedachung gebrechlich und dunkelgrün bemoost, konnte ich ihn nie ohne Schauern betrachten. Geschlossen wurde das längliche Viereck durch den Garten eines Milchhändlers, der wegen der Kühe, die er hielt, bei der ganzen Nachbarschaft in einem Herrenansehen stand, und durch den Hof eines Weißgerbers, des verdrießlichsten aller Menschen, von dem meine Mutter immer sagte, er sähe aus, als ob er einen verzehrt hätte und den anderen eben beim Kopfe kriegen wollte. Dies war die Atmosphäre, in der ich als Kind atmete. Sie konnte nicht enger sein, dennoch erstrecken sich ihre Eindrücke bis auf den heutigen Tag. Noch sieht mir der lustige Tischler über den Zaun, noch der grämliche Pfarrer über die Planke. Noch sehe ich den vierschrötigen, wohlgenährten Milchhändler, die Hände in der Tasche, zum Zeichen, daß sie nicht leer sei, in seiner Tür stehen; noch den Weißgerber mit seinem galliggelben Gesicht, den ein Kind schon durch seine roten Backen beleidigte, und der mir noch schrecklicher vorkam, wenn er zu lächeln anfing. Noch sitze ich auf der kleinen Bank, unter dem breiten Birnbaum und harre, während ich mich an seinem Schatten erquicke, ob sein von der Sonne beschienener Wipfel nicht eine wegen Wurmstichs frühreife Frucht fallen läßt; noch flößt mir der Brunnen, an dessen Bedachung alle Augenblicke immer etwas genagelt werden mußte, ein unheimliches Gefühl ein.

Mein Vater war im Hause sehr ernster Natur, außer demselben munter und gesprächig, man rühmte an ihm die Gabe, Märchen zu erzählen, es vergingen aber viele Jahre, ehe wir sie mit eigenen Ohren kennen lernten. Er konnte es nicht leiden, wenn wir lachten und uns überhaupt hören ließen; dagegen sang er an den langen Winterabenden, in der Dämmerung, gern Choräle, auch wohl weltliche Lieder und liebte es, wenn wir miteinstimmten. Meine Mutter war äußerst gutherzig und etwas heftig; aus ihren blauen Augen leuchtete die rührendste Milde; wenn sie sich leidenschaftlich aufgeregt fühlte, fing sie zu weinen an. Ich war ihr Liebling, mein zwei Jahre jüngerer Bruder der Liebling des Vaters. Der Grund war, weil ich meiner Mutter glich und mein Bruder meinem Vater zu gleichen schien, denn es war, wie sich später zeigte, keineswegs der Fall. Meine Eltern lebten im besten Frieden miteinander, solange sich Brot im Hause befand; wenn es mangelte, was im Sommer selten, im Winter, wo es an Arbeit fehlte, öfter vorkam, ergaben sich zuweilen ängstliche Szenen. Ich kann mich der Zeit nicht erinnern, wo mir diese, obgleich sie nie ausarteten, nicht fürchterlicher als alles gewesen wären, und eben darum darf ich sie nicht mit Stillschweigen übergehen. Eines Auftritts anderer Art erinnere ich mich aus meiner frühesten Kindheit; es ist der erste, dessen ich gedenke, er mag in mein drittes Jahr fallen, wenn nicht noch ins zweite. Ich darf ihn erzählen, ohne mich an dem mir heiligen Andenken meiner Eltern zu versündigen, denn wer in ihm etwas Besonderes sieht, der kennt die untern Stände nicht. Mein Vater wurde, wenn er seinem Handwerk nachging, meistens bei den Leuten, bei denen er arbeitete, beköstigt. Dann aßen wir zu Hause, wie alle Familien, um die gewöhnliche Zeit zu Mittag. Mitunter mußte er sich gegen eine Entschädigung im Tagelohn selbst die Kost halten. Dann wurde das Mittagessen verschoben und zur Abwehr des Hungers um zwölf Uhr nur ein einfaches Butterbrot genossen. Es war in dem kleinen Haushalt, der keine doppelte Hauptmahlzeit vertrug, eine billige Einrichtung. An einem solche Tage buk meine Mutter Pfannkuchen, sicherlich mehr, um uns Kinder zu erfreuen, als um ihr eigenes Gelüst zu stillen. Wir verzehrten sie mit dem größten Appetit und versprachen, dem Vater am Abend nichts davon zu sagen. Als er kam, waren wir bereits zu Bett gebracht und lagen im tiefsten Schlaf. Ob er gewohnt sein mochte, uns noch auf den Beinen zu finden, und aus dem Gegenteil den Verdacht schöpfte, daß gegen die Hausordnung gefehlt worden sei, weiß ich nicht; genug, er weckte mich auf, liebkoste mich, nahm mich auf den Arm und fragte mich, was ich gegessen habe. Pfannkuchen! erwiderte ich schlaftrunken. Hierauf hielt er es der Mutter vor, die nichts zu entgegnen hatte und ihm sein Essen auftrug, mir aber einen Unheil verkündenden Blick zuwarf. Als wir am nächsten Tag wieder allein waren, gab sie mir nach ihrem Ausdruck mit der Rute eine dringliche Lektion im Stillschweigen. Zu anderen Zeiten schärfte sie mir wieder die strengste Wahrheitsliebe ein. Man sollte denken, diese Widersprüche hätten schlimme Folgen haben können. Es war nicht der Fall und wird nie der Fall sein, denn das Leben bringt noch ganz andere, und die menschliche Natur ist auch auf diese eingerichtet. Eine Erfahrung machte ich aber allerdings, die ein Kind besser spät macht oder niemals, nämlich, daß der Vater zuweilen dies wolle und die Mutter das. Daß ich in frühester Kindheit wirklich gehungert hätte, wie später, erinnere ich mich nicht, wohl aber, daß die Mutter sich mit dem Zusehen begnügen mußte und gern begnügte, wenn wir Kinder aßen, weil wir sonst nicht satt geworden wären.

Der Hauptreiz der Kindheit beruht darauf, daß alles, bis zu den Haustieren herab, freundlich und wohlwollend gegen sie ist, denn daraus entspringt ein Gefühl der Sicherheit, das bei dem ersten Schritt in die feindliche Welt hinaus entweicht und nie zurückkehrt. Besonders in den unteren Ständen ist dies der Fall. Das Kind spielt nicht vor der Tür, ohne daß die benachbarte Dienstmagd, die zum Einkaufen oder Wasserschöpfen über die Straße geschickt wird, ihm eine Blume schenkt; die Obsthändlerin wirft ihm aus ihrem Korb eine Kirsche oder eine Birne zu, ein wohlhabender Bürger wohl gar eine kleine Münze, für die es sich eine Semmel kaufen kann; der Fuhrmann knallt vorüberkommend mit der Peitsche, der Musikant entlockt seinem Instrumente im Gehen einige Töne, und wer nichts von allem tut, der fragt es wenigstens nach seinem Namen und Alter oder lächelt es an. Freilich muß es reinlich gehalten sein. Dieses Wohlwollen wurde auch mir und meinem Bruder in reichlichem Maße zuteil, besonders von den Mitbewohnern unseres Hauses, den vorzugsweise sogenannten Nachbarn, die uns fast ebensoviel galten als die Mutter, und mehr als der strenge Vater. Im Sommer hatten sie ihre Arbeit und konnten sich nur wenig mit uns abgeben, da war es aber auch nicht notwendig, denn wir spielten von früh bis spät, von der Betzeit bis zur Bettzeit im Garten und hatten an den Schmetterlingen Gesellschaft genug. Aber im Winter, bei Regen und Schnee, wo wir aufs Haus beschränkt waren, ging fast alles, was uns unterhielt und erheiterte, von ihnen aus. Die Frau des Tagelöhners, Meta mit Namen, eine riesige, etwas vorgebeugte Figur, mit einem alttestamentarisch ehernen Gesicht, an das ich durch die Cumäische Sibylle des Michel Angelo in der Sixtinischen Kapelle lebhaft wieder erinnert worden bin, kam gewöhnlich, ein rotes Tuch um den Kopf gewunden, in den langen Winterabenden zu uns herum und blieb bis zum Lichtanzünden. Dann erzählte sie Hexen- und Spukgeschichten, die aus ihrem Munde eindringlicher, wie aus jedem anderen, klangen; wir hörten vom Blocksberg und vom höllischen Sabbath, der Besenstiel, der so verächtlich erscheinende, erhielt seine unheimliche Bedeutung und die finstere Schornsteinhöhle, die in jedem Hause, und also auch in dem unsrigen, auf eine so boshafte Weise von den Mächten der Hölle und ihren Dienerinnen gemißbraucht werden konnte, flößte uns Entsetzen ein. Genau erinnere ich mich noch des Eindrucks, den die Erzählung von der verruchten Müllerin, die sich nachts in eine Katze verwandelte, auf mich machte und wie es mich beruhigte, daß sie für diesen schlechten Streich doch endlich die gebührende Strafe erhielt; der Katze wurde nämlich, als sie einmal den nächtlichen Spaziergang antrat, von dem Müllerburschen, dem sie verdächtig vorkam, eine Pfote abgehauen, und am nächsten Tage lag die Müllerin mit blutigem, rotem Arm ohne Hand im Bette. Wenn Licht angezündet wurde, gingen wir gewöhnlich zum Nachbar Ohl hinüber, und in seiner Stube war es uns freilich heimischer als in Metas Atmosphäre. Der Nachbar Ohl war ein Mann, den ich nie verdrießlich gesehen habe, so oft er auch Ursache hatte, es zu sein. Mit leerem Magen, ja, was bei ihm mehr sagen wollte, mit leerer Pfeife, tanzte, sang und pfiff er uns etwas vor, wenn wir kamen, und sein immer freundliches, ja vergnügtes Gesicht leuchtet mir, trotz der beträchtlich geröteten Nase, die ich mir nach der Erzählung meiner Mutter einmal mit Sehnsucht gewünscht haben soll, als ich, auf den Knien von ihm geschaukelt, zu ihm hinaufsah, und trotz der gewalkten, spitz zulaufenden Mütze, die er beständig trug, noch jetzt, wie ein Stern. Es hatte eine Zeit gegeben, wo er der einzige Maurer im Ort und Herr von zwanzig bis dreißig Gesellen gewesen war, von denen sich später viele zu Meistern aufwarfen und ihm die Arbeit wegnahmen; damals hätte er, wie man ihm nachsagte, sich eine sorgenfreie Zukunft gründen können, wenn er nicht die Kegelbahn zu oft besucht und ein gutes Glas Wein zu sehr geliebt hätte, wer aber die bösen Tage trug wie er, der war wegen des unbekümmerten Genusses der guten nicht zu schelten. Ich kann seiner nicht ohne Rührung gedenken; wie sollte ich auch? Er hat den Paukenschläger und den Trompeter, die er mir und meinem Bruder einst zum Jahrmarkt schenkte, von dem Spielwarenverkäufer mit größter Mühe geborgt und sich, da seine Armut ihm das Abtragen der kleinen Schuld erst spät gestattete, noch nach Jahren, als ich schon lang und altklug an seiner Seite ging, darum mahnen lassen müssen. Unerschöpflich war er in Erfindungen, uns zu unterhalten, und da dazu bei Kindern nichts als guter Wille gehört, so mißlang es ihm nie. Eine Hauptfreude war es für uns, wenn er ein Stück Kreide in die Hand nahm, sich mit uns an seinen runden Tisch setzte und zu zeichnen anfing, Mühlen, Häuser, Tiere, und was es weiter gab. Dabei kamen ihm die lustigsten Einfälle, die mir noch in den Ohren klingen. Selbst sein höchster Genuß war keiner für ihn, wenn wir ihn nicht teilten. Er bestand darin, daß er des Sonntags vormittags nach der Predigt und vor der Mahlzeit langsam zur Erinnerung an bessere Zeiten ein sogenanntes helles Plank Branntwein trank und eine Pfeife dazu rauchte. Von diesem Branntwein mußten wir jeder einen Fingerhut voll bekommen, oder er schmeckte ihm selber nicht. Das Getränk war allerdings nicht das schicklichste für uns, aber die Quantität war gering genug, um nachteilige Folgen zu verhüten; mein Vater verbot jedoch diese Sonntagsfeier, als er dahinter kam. Dies betrübte den guten Alten sehr, hielt ihn aber, wie ich hinzusetzen muß, nicht ab, uns wieder mittrinken zu lassen, nur daß es ganz in der Stille geschah, und daß er uns dringend anempfahl, dem Vater nachher aus dem Wege zu gehen, damit er keine Gelegenheit erhalte, einen von uns zu küssen und so die Übertretung seiner Vorschrift zu entdecken; ein Kuß, den Lippen meines Vaters aufgedrückt, hatte ihm nämlich das Spiel verraten. Zuweilen brachte der eine oder der andere seiner beiden unverheirateten Brüder, die meistens im Lande herumstreiften und Taugenichtse sein mochten, den Winter bei ihm zu. Sie fanden bei ihm immer willig Aufnahme und blieben, bis sie der Frühling oder der Hunger forttrieb; er jagte sie nicht, so schmal sein Stück Brot war, er brach es mit Freuden noch einmal durch, aber wenn er gar nichts hatte, so konnte er freilich auch nichts geben. Wenn Onkel Hans oder Johann kamen, war es für uns ein Fest, denn sie ließen ein neues Stück Welt in unser Nest fallen, sie erzählten uns von Wäldern und ihren Abenteuern darin, von Räubern und Mördern, denen sie nur kaum entgangen seien, von Schwarzsauer, das sie in einsamen Waldschenken gegessen, und von Menschenfingern und Zehen, die sie zuletzt auf dem Grunde der Schlüssel gefunden haben wollten. Der Hausfrau waren die aufschneiderischen Schmarotzer-Schwäger höchst unwillkommen, denn sie trug die Last des Lebens nicht so leichten Mutes, wie ihr Mann, und sie wußte, daß sie nicht wieder gingen, solange noch ein Stück Speck im Schornstein hing, aber sie begnügte sich, heimlich zu murren und etwa gegen meine Mutter ihr Herz auszuschütten. Uns Kinder hatte auch sie gern und beschenkte uns im Sommer, so oft sie konnte, mit roten und weißen Johannisbeeren, die sie sich selbst von einer geizigen Freundin erbettelte, ich scheute jedoch ihre zu große Nähe, denn sie machte sich ein Geschäft daraus, mir die Nägel zu beschneiden, so oft es not tat, und das war mir, wegen des damit verbundenen prickelnden Gefühls in den Nervenenden, äußerst verhaßt. Sie las fleißig in der Bibel, und der erste starke, ja fürchterliche Eindruck aus diesem düstern Buch kam mir, lange bevor ich selbst darin zu lesen vermochte, durch sie, indem sie mir aus dem Jeremias die schreckliche Stelle vorlas, worin der zürnende Prophet weissagt, daß zur Zeit der großen Not die Mütter ihre eigenen Kinder schlachten und sie essen würden. Ich erinnere mich noch, welch ein Grausen diese Stelle mir einflößte, als ich sie hörte, vielleicht, weil ich nicht wußte, ob sie sich auf die Vergangenheit oder auf die Zukunft, auf Jerusalem oder auf Wesselburen bezog, und weil ich selbst ein Kind war und eine Mutter hatte.

In meinem vierten Jahre wurde ich in eine Klippschule gebracht. Eine alte Jungfer, Susanna mit Namen, hoch und männerhaft von Wuchs, mit freundlichen blauen Augen, die wie Lichter aus einem graublassen Gesicht hervorschimmerten, stand ihr vor. Wir Kinder wurden in dem geräumigen Saal, der zur Schulstube diente und ziemlich finster war, an den Wänden herumgepflanzt, die Knaben auf der einen Seite, die Mädchen auf der andern; Susannas Tisch, mit Schulbüchern beladen, stand in der Mitte, und sie selbst saß, ihre weiße tönerne Pfeife im Munde und eine Tasse Tee vor sich, in einem Respekt einflößenden urväterlichen Lehnstuhl dahinter. Vor ihr lag ein langes Lineal, das aber nicht zum Linienziehen, sondern zu unserer Abstrafung benutzt wurde, wenn wir mit Stirnrunzeln und Räuspern nicht länger im Zaume zu halten waren; eine Tüte voll Rosinen, zur Belohnung außerordentlicher Tugenden bestimmt, lag daneben. Die Klapse fielen jedoch regelmäßiger als die Rosinen, ja die Tüte war, so sparsam Susanna auch mit dem Inhalt umging, zuweilen völlig leer, wir lernten daher Kants kategorischen Imperativ zeitig genug kennen. An den Tisch wurde groß und klein von Zeit zu Zeit herangerufen, die vorgerückteren Schüler zum Schreibunterricht, der Troß, um seine Lektion aufzusagen und, wie es nun kam, Schläge auf die Finger mit dem Lineal oder Rosinen in Empfang zu nehmen. Eine unfreundliche Magd, die sich hin und wieder sogar einen Eingriff ins Strafamt erlaubte, ging ab und zu und ward von dem jüngsten Zuwachs mitunter auf äußerst unerfreuliche Weise in Anspruch genommen, weshalb sie scharf darüber wachte, daß er nicht zu viel von den mitgebrachten Süßigkeiten zu sich nahm. Hinter dem Hause war ein kleiner Hof, an den Susannas Gärtchen stieß; auf dem Hof trieben wir in den Freistunden unsere Spiele, das Gärtchen wurde von uns verschlossen gehalten. Es stand voll Blumen, deren phantastische Gestalten ich noch im schwülen Sommerwind schwanken sehe; von diesen Blumen brach Susanna uns bei guter Laune hin und wieder einige ab, jedoch erst dann, wenn sie dem Welken nahe waren; früher raubte sie den sauber angelegten und sorgfältig gejäteten Beeten, zwischen denen sich Fußsteige hinzogen, die kaum für die hüpfenden Vögel breit genug schienen, nichts von ihrem Schmuck. Susanna verteilte ihre Geschenke übrigens sehr parteiisch. Die Kinder wohlhabender Eltern erhielten das Beste und durften ihre oft unbescheidenen Wünsche laut aussprechen, ohne zurechtgewiesen zu werden; die Ärmeren mußten mit dem zufrieden sein, was übrig blieb, und bekamen gar nichts, wenn sie den Gnadenakt nicht stillschweigend abwarteten. Das trat am schreiendsten zu Weihnacht hervor. Dann fand eine große Verteilung von Kuchen und Nüssen statt, aber in treuester Befolgung der Evangeliumsworte: Wer da hat, dem wird gegeben! Die Töchter des Kirchspielschreibers, einer gewaltigen Respektsperson, die Söhne des Arztes und so weiter wurden mit halben Dutzenden von Kuchen, mit ganzen Tüchern voll Nüsse beladen; die armen Teufel dagegen, deren Aussichten für den heiligen Abend im Gegensatz zu diesen ausschließlich auf Susannas milder Hand beruhten, wurden kümmerlich abgefunden. Der Grund war, weil Susanna auf Gegengeschenke rechnete, auch wohl rechnen mußte, und von Leuten, die nur mit Mühe das Schulgeld aufzubringen wußten, keine erwarten durfte. Ich wurde nicht ganz zurückgesetzt, denn Susanna erhielt im Herbst regelmäßig von unserem Birnbaum ihren Tribut, und ich genoß ohnehin meines »guten Kopfs« wegen vor vielen eine Art von Vorzug, aber ich empfand den Unterschied doch auch und hatte besonders viel von der Magd zu leiden, die mir das Unschuldigste gehässig auslegte, das Ziehen eines Taschentuchs zum Beispiel einmal als ein Zeichen, daß ich es gefüllt haben wollte, was mir die glühendste Schamröte auf die Wangen und die Tränen in die Augen trieb. Sobald Susannas Parteilichkeit und die Ungerechtigkeit ihrer Magd mir ins Bewußtsein traten, hatte ich den Zauberkreis der Kindheit überschritten. Es geschah sehr früh.

Noch jetzt sind mir aus dieser Schulstube zwei Momente lebhaft gegenwärtig. Ich erinnere mich zunächst, daß ich dort von der Natur und dem Unsichtbaren, den der ahnende Mensch hinter ihr vermutet, den ersten furchtbaren Eindruck empfing. Das Kind hat eine Periode, und sie dauert ziemlich lange, wo es die ganze Welt von seinen Eltern, wenigstens von dem immer etwas geheimnisvoll im Hintergrund stehen bleibenden Vater, abhängig glaubt und wo es sie ebensogut um schönes Wetter wie um ein Spielzeug bitten könnte. Diese Periode nimmt natürlich ein Ende, wenn es zu seinem Erstaunen die Erfahrung macht, daß Dinge geschehen, welche den Eltern so unwillkommen sind, wie ihm selbst die Schläge, und mit ihr entweicht ein großer Teil des mystischen Zaubers, der das heilige Haupt der Erzeuger umfließt, ja, es beginnt erst, wenn sie vorüber ist, die eigentliche menschliche Selbständigkeit. Mir öffnete ein fürchterliches Gewitter, das mit einem Wolkenbruch und einem Schlossenfall verbunden war, die Augen über diesen Punkt. Es war ein schwüler Sommernachmittag, einer von denen, welche die Erde ausdörren und alle ihre Kreaturen rösten, wir Kinder saßen träge und gedrückt mit unseren Katechismen oder Fibeln auf den Bänken umher, Susanna selbst nickte schlaftrunken ein und ließ uns die Späße und Neckereien, durch die wir uns wach zu erhalten suchten, nachsichtig hingehen, nicht einmal die Fliegen summten, bis auf die ganz kleinen, die immer munter sind, als auf einmal der erste Donnerschlag erscholl und im wurmstichigen Gebälk des alten ausgewohnten Hauses schmetternd und krachend nachdröhnte. In desperatester Mischung, wie es eben nur bei Gewittern des Nordens vorkommt, folgte nun ein Schlossengeprassel, welches in weniger als einer Minute an der Windseite alle Fenster zertrümmerte, und gleich darauf, ja dazwischen, ein Regenguß, der eine neue Sündflut einzuleiten schien. Wir Kinder, erschreckt auffahrend, liefen schreiend und lärmend durcheinander; Susanna selbst verlor den Kopf, und ihrer Magd gelang es erst, die Läden zu schließen, als nichts mehr zu retten, sondern der bereits hereingebrochenen Überschwemmung zur Erhöhung des allgemeinen Entsetzens und zur Vermehrung der eingerissenen Verwirrung nur noch die ägyptische Finsternis beizugesellen war. In den Pausen zwischen dem einen Donnerschlag und dem anderen faßte Susanna sich zwar notdürftig wieder und suchte ihre Schützlinge, die sich, je nach ihrem Alter, entweder an ihre Schürze gehängt hatten oder für sich mit geschlossenen Augen in den Ecken kauerten, nach Kräften zu trösten und zu beschwichtigen; aber plötzlich zuckte wieder ein bläulich flammender Blitz durch die Ladenritzen, und die Rede erstarb ihr auf den Lippen, während die Magd, fast so ängstlich wie das jüngste Kind, heulend aufkreischte: Der liebe Gott ist bös! und wenn es wieder finster im Saal wurde, pädagogisch griesgrämlich hinzusetzte: Ihr taugt auch alle nichts! Dies Wort, aus so widerwärtigem Munde es auch kam, machte einen tiefen Eindruck auf mich, es nötigte mich, über mich selbst und über alles, was mich umgab, hinaufzublicken und entzündete den religiösen Funken in mir. Aus der Schule ins väterliche Haus zurückgekehrt, fand ich auch dort das Greuel der Verwüstung vor; unser Birnbaum hatte nicht bloß seine jungen Früchte, sondern auch seinen ganzen Blätterschmuck verloren und stand kahl da, wie im Winter; ja, ein sehr ergiebiger Pflaumenbaum, der nicht nur uns selbst, sondern noch obendrein den halben Ort und wenigstens unsere ziemlich weitläufige Gevatterschaft zu versorgen pflegte, war sogar um den reichsten seiner Äste gekommen und glich in seiner Verstümmlung einem Menschen mit gebrochenem Arm. War es nun schon für die Mutter ein leidiger Trost, daß unser Schrein jetzt auf acht Tage mit leckerer Kost versehen sei, so wollte er mir ganz und gar nicht eingehen, und kaum die reichlich umherliegenden Glasscherben, aus denen sich auf die leichteste Weise von der Welt durch Unterkleben mit feuchter Erde die trefflichsten Spiegel machen ließen, boten für die unwiederbringlichen Herbstfreuden einigen Ersatz. Jetzt aber begriff ichs auf einmal, warum mein Vater des Sonntags immer in die Kirche ging, und warum ich nie ein reines Hemd anziehen durfte, ohne dabei: das walte Gott! zu sagen; ich hatte den Herrn aller Herren kennen gelernt, seine zornigen Diener, Donner und Blitz, Hagel und Sturm, hatten ihm die Pforten meines Herzens weit aufgetan, und in seiner vollen Majestät war er eingezogen. Es zeigte sich auch kurz darauf, was innerlich mit mir vorgegangen war, denn als der Wind eines Abends wieder mächtig in den Schornstein blies und der Regen stark aufs Dach klopfte, während ich zu Bett gebracht wurde, verwandelte sich das eingelernte Geplapper meiner Lippen plötzlich in ein wirkliches ängstliches Gebet, und damit war die geistige Nabelschnur, die mich bis dahin ausschließlich an die Eltern gebunden hatte, zerrissen, ja es kam gar bald soweit, daß ich mich bei Gott über Vater und Mutter zu beklagen anfing, wenn ich ein Unrecht von ihnen erfahren zu haben glaubte.

Weiter knüpft sich an diese Schulstube mein erster und vielleicht bitterster Martergang. Um deutlich zu machen, was ich sagen will, muß ich etwas ausholen. Schon in der Kleinkinderschule finden sich alle Elemente beisammen, die der reifere Mensch in potenzierterem Maße später in der Welt antrifft. Die Brutalität, die Hinterlist, die gemeine Klugheit, die Heuchelei, alles ist vertreten, und ein reines Gemüt steht immer so da, wie Adam und Eva auf dem Bilde unter den wilden Tieren. Wieviel hiervon der Natur, wieviel der ersten Erziehung oder vielmehr der Verwahrlosung von Haus aus beizumessen ist, bleibe hier unentschieden: die Tatsache unterliegt keinem Zweifel. Das war denn auch in Wesselburen der Fall. Von dem rohen Knaben an, der die Vögel bei lebendigem Leibe rupfte und den Fliegen die Beine ausriß, bis zu dem fixfingerigen Knirps herunter, der seinen Kameraden die buntpapierenen Merkzeichen aus der Fibel stahl, war jede Spezies vorhanden, und das Schicksal, das die besser gearteten und darum zum Leiden verdammten Mitschüler den jungen Sündern zuweilen im Zorn prophezeiten, wenn sie eben Gegenstand ihrer Foppereien oder ihrer Heimtücke geworden waren, ging an mehr als einem buchstäblich in Erfüllung. Der Auswurf hat immer insoweit Instinkt, daß er weiß, wen sein Stachel am ersten und am schärfsten trifft, und so war denn ich den boshaften Anzapfungen eine Zeitlang am meisten ausgesetzt. Bald stellte sich einer, als ob er sehr eifrig im Katechismus lese, den er dicht vors Gesicht hielt, raunte mir aber übers Blatt weg allerlei Schändlichkeiten ins Ohr und fragte mich, ob ich noch dumm genug sei, zu glauben, daß die Kinder aus dem Brunnen kämen, und daß der Storch sie heraufhole. Bald rief ein anderer mir zu: Willst du einen Apfel haben, so nimm ihn dir aus meiner Tasche, ich habe einen für dich mitgebracht! Und wenn ich das tat, so schrie er: Susanna, ich werde bestohlen! und leugnete sein Wort ab. Ein Dritter bespuckte wohl gar sein Buch, fing dann zu heulen an und behauptete mit frecher Stirn, ich habe es getan. War ich nun solchen Vexationen fast allein preisgegeben, teils weil ich sie am empfindlichsten aufnahm und teils, weil sie wegen meiner großen Arglosigkeit am besten bei mir glückten, so gab es dagegen auch andere, die sich alle ohne Ausnahme gefallen lassen mußten. Dazu gehörten vorzugsweise die Prahlereien einiger hoch aufgeschossener Rangen, die uns übrigen in Jahren beträchtlich voraus waren, aber trotzdem noch auf der Abcbank saßen und von Zeit zu Zeit die Schule schwänzten. Sie hatten an und für sich nichts davon als doppelte Langeweile, denn zu Hause durften sie nicht kommen, und Spielkameraden fanden sie nicht, es blieb ihnen daher nichts übrig, als sich hinter einem Zaun hinzuducken oder in einem ausgetrockneten Wassergraben zu lauern, bis die Erlösungsstunde schlug, um sich dann, als ob sie gewesen wären, wo sie sein sollten, auf dem Heimweg unter uns zu mischen. Aber sie wußten sich zu entschädigen und sich den Spaß nachträglich zu bereiten, wenn sie wieder in die Schule kamen und uns ihre Abenteuer berichteten. Da war einmal der Vater ganz dicht am Zaune vorbeigegangen, das spanische Rohr, womit er sie durchzuwalken pflegte, in der Hand und hatte sie doch nicht bemerkt; da war ein anderes Mal die Mutter, vom Spitz begleitet, an den Graben gekommen, der Hund hatte sie ausgeschnüffelt, die Mutter sie entdeckt, und die Lüge, daß sie von Susanna selbst hergeschickt seien, um ihr Kamillenblumen zu pflücken, ihnen doch noch durchgeholfen. Dabei brüsteten sie sich, wie alte Soldaten den verwunderten Rekruten ihre Heldentaten erzählen, und die Applikation lautete stets: Wir riskieren Peitsche und Stock, ihr höchstens die Rute, und dennoch wagt ihr nichts! Dies war verdrießlich und um so mehr, da sich die Wahrheit nicht ganz in Abrede stellen ließ; als daher der Sohn eines Altflickers einst mit zerbläutem Rücken zur Schule kam und uns mitteilte, sein Vater habe ihn ertappt und ihn derb mit dem Knieriemen gezüchtigt, er werde es nun aber nur um so öfter probieren, denn er sei kein Hase, beschloß auch ich, meine Courage zu zeigen, und das noch denselben Nachmittag. Ich ging also, als meine Mutter mich zur gewohnten Stunde, mit zwei saftigen Birnen für den Durst ausgerüstet, fortschickte, nicht zu Susanna, sondern verkroch mich mit klopfendem Herzen und ängstlich rückwärts spähend in den Holzschuppen unseres Nachbars, des Tischlers, von seinem Sohn, der viel älter war als ich und schon in der Werkstatt hantierte, dazu aufgemuntert und dabei unterstützt. Es war sehr heiß und mein Schlupfwinkel so dunkel als dumpf; die beiden Birnen hielten nicht lange vor, auch aß ich sie nicht ohne Gewissensbisse, und eine im Hintergrund mit ihren Jungen kauernde alte Katze, die bei der geringsten meiner Bewegungen grimmig knurrte, trug nicht auf die angenehmste Weise zu meiner Zerstreuung bei. Die Sünde führte ihre Strafe unmittelbar mit sich; ich zählte alle Viertel- und Halbestunden der Uhr, deren Schläge gellend und, wie es mir vorkam, drohend vom hohen Turm zu mir herüberdrangen, ich ängstete mich ab, ob ich auch wohl unbemerkt aus dem Schuppen wieder herauskommen werde, und ich dachte nur sehr selten und äußerst flüchtig an den Triumph, den ich morgen zu feiern hoffte. Es war bereits ziemlich spät, da trat meine Mutter in den Garten und ging, vergnügt und fröhlich um sich blickend, zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Sie kam fast an mir vorbei, und mir stockte schon davon der Atem, aber wie ward mir erst, als der Vertraute meines Geheimnisses sie plötzlich fragte, ob sie auch wohl wisse, wo Christian sei, und auf ihre stutzend abgegebene Antwort: bei Susanna! halb schalkhaft, halb schadenfroh versetzte: nein! nein! bei der Katze! und ihr blinzelnd und zwinkernd meinen Versteck zeigte. Ich sprang, vor Wut außer mir, hervor und stieß nach dem lachenden Verräter mit dem Fuß, meine Mutter aber, das ganze Gesicht eine Flamme, setzte ihren Eimer beiseite und packte mich bei Armen und Haaren, um mich noch in die Schule zu bringen. Ich riß mich los, ich wälzte mich auf dem Boden, ich heulte und schrie, aber alles war umsonst, sie schleppte mich, viel zu empört darüber, in ihrem überall gepriesenen stillen Liebling einen solchen Missetäter zu entdecken, um auf mich zu hören, mit Gewalt fort, und mein fortgesetztes Widerstreben hatte keine andere Folge, als daß alle Fenster an der Straße aufgerissen wurden und alle Köpfe herausschauten. Als ich ankam, wurden meine Kameraden gerade entlassen, sie rotteten sich aber um mich herum und überhäuften mich mit Spott und Hohn, während Susanna, die einsehen mochte, daß die Lektion zu streng war, mich zu begütigen suchte. Seit jenem Tage glaube ich zu wissen, wie dem Spießrutenläufer zumute ist.

Ich hätte oben eigentlich noch einen dritten Moment nennen sollen. Aber dieser, wie hoch oder wie niedrig man ihn auch anschlagen mag, wenn man auf ihn zurückschaut, ist jedenfalls im Menschenleben so einzig und unvergleichlich, daß man ihn mit keinem anderen zusammenstellen darf. Ich lernte in Susannas dumpfer Schulstube nämlich auch die Liebe kennen und zwar in derselben Stunde, wo ich sie betrat, also in meinem vierten Jahre. Die erste Liebe! Wer lächelt nicht, indem er dies liest, wem schwebt nicht irgend ein Ännchen oder Gretchen vor, das ihm auch einmal eine Sternenkrone zu tragen und in Himmelblau und Morgengold gekleidet zu sein schien, und das jetzt vielleicht – es wäre frevelhaft, das Gegenbild auszumalen! Doch wer sagt sich nicht auch, daß er damals, wie im Fluge, an jedem Honigkelch, der im Garten der Erde steht, vorübergeführt wurde, zu rasch freilich, um sich zu berauschen, aber langsam genug, um den heiligen Frühduft einzuatmen! Darum gesellt sich jetzt zum Lächeln die Rührung, indem ich des schönen Maimorgens gedenke, an welchem das längst beschlossene, immer wieder verschobene und endlich unwandelbar auf einen bestimmten Tag festgesetzte große Ereignis, nämlich meine Entlassung aus dem väterlichen Hause in die Schule, wirklich stattfand. »Er wird weinen!« sagte Meta am Abend vorher und nickte sibyllenhaft, als ob sie alles wüßte. »Er wird nicht weinen, aber er wird zu spät aufstehen!« erwiderte die Nachbarin Ohl. »Er wird sich tapfer halten und auch zur rechten Zeit aus dem Bette sein!« warf der gutmütige Alte dazwischen. Dann fügte er hinzu: »Ich habe etwas für ihn, und das geb' ich ihm, wenn er morgen früh um sieben gewaschen und gekämmt in meine Tür kommt.« Ich war um sieben Uhr beim Nachbar und bekam zur Belohnung einen kleinen Kuckuck; ich hatte bis halb acht guten Mut und spielte mit unserm Mops; mir wurde um dreiviertel flau, aber ich ward gegen acht wieder ein ganzer Kerl, weil Meta eintrat, und machte mich, die neue Fibel mit Johann Ballhorns Eier legendem Hahn unterm Arm, beherzt auf den Weg. Die Mutter ging mit, um mich feierlich zu introduzieren, der Mops folgte; ich war noch nicht ganz verlassen und stand vor Susanna, ehe ichs dachte. Susanna klopfte mich nach Schulmeisterart auf die Backen und strich mir die Haare zurück, meine Mutter empfahl mir im strengen Tone, der ihr viel Mühe kostete, Fleiß und Gehorsam und entfernte sich ziemlich eilig, um nicht wieder weich zu werden; der Mops war eine ziemliche Weile unschlüssig, zuletzt schloß er sich ihr an. Ich erhielt einen goldpapierenen Heiligen zum Geschenk; dann wurde mir mein Platz angewiesen, und ich war dem surrenden und sumsenden Kinderbienenstock einverleibt, welcher dem Antritt neugierig und der Unterbrechung froh zugesehen hatte. Es dauerte einige Zeit, bis ich aufzuschauen wagte, denn ich fühlte, daß ich gemustert wurde, und das setzte mich in Verlegenheit. Endlich tat ichs, und mein erster Blick fiel auf ein schlankes blasses Mädchen, das mir gerade gegenübersaß; sie hieß Emilie und war die Tochter des Kirchspielschreibers. Ein leidenschaftliches Zittern überflog mich, das Blut drang mir zum Herzen, aber auch eine Regung von Scham mischte sich gleich in mein erstes Empfinden, und ich schlug die Augen so rasch wieder zu Boden, als ob ich einen Frevel damit begangen hätte. Seit dieser Stunde kam Emilie mir nicht mehr aus dem Sinn; die vorher so gefürchtete Schule wurde mein Lieblingsaufenthalt, weil ich sie nur dort sehen konnte, die Sonn- und Feiertage, die mich von ihr trennten, waren mir so verhaßt, als sie mir sonst erwünscht gewesen sein würden; ich fühlte mich ordentlich unglücklich, wenn sie einmal ausblieb. Sie schwebte mir vor, wo ich ging und stand, und ich wurde nicht müde, still für mich hin ihren Namen auszusprechen, wenn ich mich allein befand; besonders waren ihre schwarzen Augenbrauen und ihre sehr roten Lippen mir immer gegenwärtig; wogegen ich mich nicht erinnere, daß auch ihre Stimme Eindruck auf mich gemacht hätte, obgleich später gerade hiervon alles bei mir abhing. Daß ich bald das Lob des fleißigsten Schulgängers und des besten Schülers davontrug, versteht sich von selbst; mir aber war dabei eigen zumut, denn ich wußte gar wohl, daß es nicht die Fibel war, die mich zu Susanna hintrieb, und daß ich nicht, um schnell lesen zu lernen, so emsig buchstabierte. Allein niemand durfte ahnen, was in mir vorging, und Emilie am wenigsten; ich floh sie aufs ängstlichste, um mich nur ja nicht zu verraten; ich erwies ihr, wenn die gemeinschaftlichen Spiele uns dennoch zusammenführten, eher Feindseligkeiten als etwas Freundliches; ich zupfte sie von hinten bei den Haaren, um sie doch einmal zu berühren und tat ihr weh dabei, um nur keinen Verdacht zu erregen. Ein einziges Mal jedoch brach die Natur sich gewaltsam Bahn, weil sie auf eine zu große Probe gesetzt wurde. Als ich eines Nachmittags, nämlich in der Tummelstunde, die dem Unterricht stets voranging, weil die Kinder nur langsam zusammenkamen und Susanna auch gern ein Mittagsschläfchen hielt, in die Schulstube trat, bot sich mir ein höchst betrübsamer Anblick dar: Emilie wurde von einem Knaben gemißhandelt, und dieser war einer meiner besten Kameraden. Er zupfte und knuffte sie weidlich, und das ertrug ich noch, obgleich nicht ohne große Mühe und mit immer steigender, stiller Erbitterung. Endlich aber trieb er sie in einen Winkel, und als er sie wieder herausließ, blutete ihr der Mund, wahrscheinlich, weil er sie irgendwo gekratzt hatte. Da konnte ich mich nicht länger halten, der Anblick des Blutes versetzte mich in Raserei, ich fiel über ihn her, warf ihn zu Boden und gab ihm seine Püffe und Schläge doppelt und dreifach zurück. Aber Emilie, weit entfernt, mir dankbar zu sein, rief selbst für ihren Feind nach Hilfe und Beistand, als ich gar nicht wieder aufhörte, und verriet so unwillkürlich, daß sie ihn lieber hatte, als den Rächer. Susanna, durch das Geschrei aus ihrem Schlummer geweckt, eilte herbei und forderte, mürrisch und unwillig, wie sie natürlich war, strenge Rechenschaft wegen meines plötzlichen Wutanfalls; was ich zur Entschuldigung hervorstotterte und stammelte, war unverständlich und unsinnig, und so trug ich denn als Lohn für meinen ersten Ritterdienst eine derbe Züchtigung davon. Diese Neigung dauerte bis in mein achtzehntes Jahr und hatte sehr verschiedene Phasen; ich muß daher noch mehrmals darauf zurückkommen.

Schon in frühester Zeit war die Phantasie außerordentlich stark in mir. Wenn ich des Abends zu Bett gebracht wurde, so fingen die Balken über mir zu kriechen an, aus allen Ecken und Winkeln des Zimmers glotzten Fratzengesichter hervor, und das vertrauteste, ein Stock, auf dem ich selbst zu reiten pflegte, der Tischfuß, ja die eigene Bettdecke mit ihren Blumen und Figuren, wurden mir fremd und jagten mir Schrecken ein. Ich glaube, es ist hier zwischen der unbestimmten, allgemeinen Furcht, die allen Kindern ohne Ausnahme eigen ist, und einer gesteigerten, die ihre Angstgebilde in schneidend scharfen Formen verkörpert und der jungen Seele wahrhaft objektiv macht, wohl zu unterscheiden; jene teilte mein Bruder, der neben mir lag, aber ihm fielen immer sehr bald die Augen zu, und dann schlief er ruhig bis an den hellen Morgen; diese quälte mich allein, und sie hielt den Schlaf nicht bloß von mir fern, sondern scheuchte ihn auch, wenn er schon gekommen war, oft noch wieder fort und ließ mich mitten in der Nacht um Hilfe rufen. Wie tief sich die Ausgeburten derselben mir eingeprägt haben, geht daraus hervor, daß sie mit voller Gewalt in jeder ernsten Krankheit wiederkehren; sowie das fieberisch siedende Blut mir übers Gehirn läuft und das Bewußtsein ertränkt, stellen die ältesten Teufel, alle später geborenen vertreibend und entwaffnend, sich wieder ein, und das beweist ohne Zweifel am besten, wie sie mich gemartert haben müssen. Aber auch am Tage war die Phantasie ungewöhnlich und vielleicht krampfhaft rege in mir; häßliche Menschen zum Beispiel, über die mein Bruder lachte, und die er nachäffte, erfüllten mich mit Grauen; ein kleiner bucklichter Schneider, an dessen dreieckigem, leichenblassem Gesicht freilich unmäßig lange Ohren saßen, die noch obendrein hochrot und durchsichtig waren, konnte nicht vorbeigehen, ohne daß ich schreiend ins Haus lief, und fast den Tod hätte ich davon genommen, als er mir, höchlich aufgebracht, einmal folgte, mich einen dummen Jungen scheltend und mit meiner Mutter keifend, weil er glaubte, daß sie ihn in der häuslichen Erziehung als Knecht Ruprecht verwende. Ich konnte keinen Knochen sehen und begrub auch den kleinsten, der sich in unserem Gärtchen entdecken ließ, ja ich merzte später in Susannas Schule das Wort Rippe mit den Nägeln aus meinem Katechismus aus, weil es mir den eklen Gegenstand, den es bezeichnete, immer so lebhaft vergegenwärtigte, als ob er selbst in widerwärtiger Modergestalt vor mir läge. Dagegen war mir aber auch ein Rosenblatt, das der Wind mir über den Zaun zuwehte, so viel und mehr, wie anderen die Rose selbst, und Wörter wie Tulpe und Lilie, wie Kirsche und Aprikose, wie Apfel und Birne, versetzten mich unmittelbar in Frühling, Sommer und Herbst hinein, so daß ich die Fibelstücke, in denen sie vorkamen, vor allen gerne laut buchstabierte und mich jedesmal ärgerte, wenn die Reihe mich nicht traf. Nur leider bedarf man in der Welt viel öfter des Verkleinerungs- als des Vergrößerungsglases, und davon ist selbst die schöne Jugendzeit nur in den seltensten Fällen ausgenommen. Denn wie man vom Pferde sagt, daß es den Menschen darum respektiert, weil es nach der Konstruktion seines Auges einen Riesen in ihm erblickt, so steht auch das mit Phantasie begabte Kind nur deshalb vor einem Sandkorn still, weil es ihm ein unübersteiglicher Berg scheint. Die Dinge selbst können hier also nicht den Maßstab abgeben, sondern man muß nach dem Schatten fragen, den sie werfen, und so kann der Vater oft lachen, während der Sohn Höllenqualen erleidet, weil die Gewichte, womit beide wiegen, grundverschieden sind. Ein an sich drolliger Vorfall gehört hierher, da er gerade diesen für die Erziehung höchst wichtigen Punkt ins klarste Licht setzt. Ich sollte einmal zu Mittag eine Semmel holen, die Bäckersfrau reichte sie mir und gab mir zugleich in großmütiger Laune einen alten Nußknacker, der sich beim Aufräumen irgendwo vorgefunden haben mochte. Ich hatte noch nie einen Nußknacker gesehen, ich kannte keine seiner verborgenen Eigenschaften und nahm ihn hin, wie jede andere Puppe, die sich durch rote Backen und glotzende Augen empfahl, vergnügt den Rückweg antretend und den Nußknacker als neugewonnenen Liebling zärtlich an die Brust drückend, bemerkte ich plötzlich, daß er den Rachen öffnet und mir zum Dank für die Liebkosung seine grimmigen weißen Zähne zeigt. Man male sich meinen Schreck aus! Ich kreischte hell auf, ich rannte, wie gehetzt, über die Straße, aber ich hatte nicht soviel Besinnung oder Mut, den Unhold von mir zu werfen, und da er natürlich nach Maßgabe meiner eigenen Bewegungen während des Laufens sein Maul bald schloß, bald wieder aufriß, so konnte ich nicht umhin, ihn für lebendig zu halten und kam halb tot zu Hause an. Hier wurde ich nun zwar ausgelacht und aufgeklärt, zuletzt gar gescholten; es half aber alles nichts, es war mir nicht möglich, mich mit dem Unhold wieder auszusöhnen, obgleich ich seine Unschuld erkannte, und ich ruhte nicht, bis ich die Erlaubnis erhielt, ihn an einen anderen Knaben wieder zu verschenken. Als mein Vater die Sache erfuhr, meinte er, es gäbe keinen zweiten Jungen, dem so etwas begegnen könne; das war sehr möglich, denn es gab vielleicht keinen, dem die Vettern des Nußknackers des Abends vorm Eindämmern vom Baden und von den Wänden herab schon Gesichter geschnitten hatten. Bei Nacht gipfelte diese Tätigkeit meiner gärenden Phantasie in einem Traum, der so ungeheuerlich war und einen solchen Eindruck in mir zurückließ, daß er siebenmal hintereinander wiederkehrte. Mir war, als hätte der liebe Gott, von dem ich schon so manches gehört hatte, zwischen Himmel und Erde ein Seil ausgespannt, mich hinein gesetzt und sich daneben gestellt, um mich zu schaukeln. Nun flog ich denn ohne Rast und Aufenthalt in Schwindel erregender Eile hinauf und hinunter; jetzt war ich hoch in den Wolken, die Haare flatterten mir im Winde, ich hielt mich krampfhaft fest und schloß die Augen: jetzt war ich dem Boden wieder so nah, daß ich den gelben Sand, sowie die kleinen roten und weißen Steinchen deutlich erblicken, ja mit den Fußspitzen erreichen konnte. Dann wollte ich mich herauswerfen, aber das kostete doch einen Entschluß und bevor es mir gelang, gings wieder in die Höhe, und mir blieb nichts übrig, als abermals ins Seil zu greifen, um nur nicht zu stürzen und zerschmettert zu werden. Die Woche, in welche dieser Traum fällt, war vielleicht die entsetzlichste meiner Kindheit, denn die Erinnerung an ihn verließ mich den ganzen Tag nicht, und da ich, sowie ich trotz meines Sträubens zu Bett gebracht wurde, die Angst vor seiner Wiederkehr gleich mit hinein, ja unmittelbar mit in den Schlaf hinübernahm, so war es kein Wunder, daß er sich auch immer wieder einstellte.

Ich blieb in Susannas Schule bis in mein sechstes Jahr und lernte dort fertig lesen. Zum Schreiben ward ich, meiner Jugend wegen, wie es hieß, noch nicht zugelassen; es war das letzte, was Susanna mitzuteilen hatte, darum hielt sie vorsichtig damit zurück. Aber die notwendigen ersten Gedächtnisübungen wurden auch schon mit mir angestellt; denn sowie der Knirps sich vom geschlechtslosen Rock zur Hose und von der Fibel zum Katechismus aufgedient hatte, mußte er die zehn Gebote und die Hauptstücke des christlichen Glaubens auswendig lernen, wie Doktor Martin Luther, der große Reformator, sie vor dreihundert Jahren als Richtschnur für die protestantische Kirche formuliert hat. Weiter gings nicht, und die ungeheuren Dogmen, die ohne Erklärung und Erläuterung aus dem Buch in das unentwickelte Kindergehirn herüberspazierten, setzten sich hier natürlich in wunderliche und zum Teil groteske Bilder um, die jedoch dem jungen Gemüt keineswegs schadeten, sondern es heilsam anregten und eine ahnungsvolle Gärung darin hervorriefen. Denn, was tuts, ob das Kind, wenn es von der Erbsünde oder von Tod und Teufel hört, an diese tiefsinnigen Symbole einen Begriff oder eine abenteuerliche Vorstellung knüpft; sie zu ergründen ist die Aufgabe des ganzen Lebens, aber der werdende Mensch wird doch gleich beim Eingang an ein alles bedingendes Höheres gemahnt, und ich zweifle, ob sich das gleiche Ziel durch frühzeitige Einführung in die Mysterien der Regeldetri oder in die Weisheit der Äsopischen Fabeln erreichen läßt. Merkwürdig war allerdings dabei, daß Luther in meiner Einbildung fast unmittelbar neben Moses und Jesus Christus zu stehen kam; doch es hatte ohne Zweifel darin seinen Grund, daß sein donnerndes: »Was ist das?« immer augenblicklich hinter den majestätischen Lakonismen Jehovas herscholl, und daß obendrein sein derb-kerniges Gesicht, aus dem der Geist um so eindringlicher spricht, weil er offenbar mit dem widerstrebenden dicken Fleisch erst kämpfen muß, dem Katechismus in nachdrücklicher Schwärze vorgedruckt war. Aber auch das hatte meines Wissens für mich ebensowenig nachteilige Folgen, als mein Glaube an die wirklichen Hörner und Klauen des Teufels oder an die Hippe des Todes, und ich lernte, sobald es not tat, sehr gut zwischen dem Salvator und dem Reformator unterscheiden. Übrigens genügte der bescheidene Erwerb, den ich bei Susanna davontrug, vollkommen, mir zu Hause ein Ansehen zu verschaffen; dem Meister Ohl imponierte es ungemein, daß ich bald besser wußte, als er selbst, was der wahre Christ alles glaubt, und meine Mutter wurde fast zu Tränen gerührt, als ich ihr das erstemal, ohne zu stottern oder gar zu stocken, bei der Lampe den Abendsegen vorlas, ja sie fühlte sich so davon erbaut, daß sie mir das Lektoramt für immer übertrug, welches ich denn auch geraume Zeit mit vielem Eifer und nicht ohne Selbstgefühl versah. Gegen das Ende meines sechsten Jahres trat in den holsteinischen Schuleinrichtungen, und also auch in den meines Vaterländchens, eine große Veränderung, ja eine völlige Umgestaltung, ein. Bis dahin hatte der Staat sich in die erste Erziehung gar nicht, in die spätere wenig gemischt; die Eltern konnten ihre Kinder schicken, wohin sie wollten, und die Klipp- und Winkelschulen waren reine Privatinstitute, um die sich selbst die Prediger kaum bekümmerten, und die oft auf die seltsamste Weise entstanden. So war Susanna einmal an einem stürmischen Herbstabend, ohne einen Heller zu besitzen und völlig fremd, auf hölzernen Pantoffeln nach Wesselburen gekommen und hatte bei einer mitleidigen Pastorswitwe um Gottes willen ein Nachtquartier gefunden; diese entdeckt, daß die Pilgerin lesen und schreiben kann, auch in der Schrift nicht übel Bescheid weiß und macht ihr daraufhin Knall und Fall den Vorschlag, im Ort, ja in ihrem Hause zu bleiben und Unterricht zu geben. Die Jugend, wenigstens der kriechende Teil derselben, war nämlich gerade verwaist, der bisherige Lehrer, lange Zeit wegen seiner strengen Zucht höchlich gepriesen, hatte ein naseweises kleines Mädchen zur Strafe für irgend eine Ungezogenheit entblößt auf einen heißen Ofen gesetzt, vielleicht, um ein noch größeres Lob davonzutragen, und das war denn doch auch den unbedingtesten Verehrern der Rute zu stark gewesen. Susanna stand ganz verlassen in der Welt da und wußte nicht, wohin sie sich wenden oder was sie ergreifen sollte, sie vertauschte die gewohnte Handarbeit daher gerne, obgleich nicht ohne Angst, nach ihrem eigenen Ausdruck, mit der schweren Kopfarbeit, und die Spekulation glückte vollkommen und in kürzester Frist. Den mehr herangewachsenen Knaben und Mädchen öffneten sich, freilich ernst und finster, Rektorat und Konrektorat, die unter einer Art Kontrolle standen und sich nötigenfalls durch den weltlichen Arm rekrutierten. Aber auch hier wurden trotz der pomphaften, mir bis zur Stunde rätselhaft gebliebenen Namen, womit sie stolzierten, nur die notdürftigsten Realien traktiert, und ein wegen seiner Gaben allgemein angestaunter Bruder meiner Mutter, den der keineswegs überbescheidene Rektor mit der Erklärung entließ, daß er ihn nichts weiter lehren könne, weil er soviel wisse, wie er selbst, war allerdings ein gewaltiger Kalligraph und putzte seine Neujahrswünsche mit Tusch und Schnörkeln heraus, wie Fust und Schöffer ihre Inkunabeln, konnte jedoch nicht einen einzigen grammatikalischen Satz zustande bringen. Diesen unleugbar höchst mangelhaften und der Verbesserung bedürftigen Zuständen sollte nun ein für allemal ein Ende gemacht, das Volk sollte von der Wiege an erzogen und der Aberglaube bis auf die letzte Wurzel ausgerottet werden. Ob man gründlich erwog, was vornämlich zu erwägen gewesen wäre, bleibe dahingestellt, denn der Begriff der Bildung ist äußerst relativ, und wie der ekelhafteste Rausch durchs Nippen aus allen Flaschen entsteht, so erzeugt das flache, enzyklopädische Wissen, das sich allenfalls in die Breite mitteilen läßt, gerade jenen widerwärtigen Hochmut, der sich keiner Autorität mehr beugt und doch zu der Tiefe, in der sich die geil aufschießenden dialektischen Widersprüche und Gegensätze von selbst lösen, nie hinabdringt. Jedenfalls ergriff man das rechte Mittel, indem man auf der einen Seite Seminarien stiftete und auf der anderen Elementarschulen errichtete, so daß der Abkläricht, der dort ausgekocht und als Rationalismus in die leeren Schulmeisterköpfe hineingetrichtert wurde, sich von hier aus gleich über das ganze Land ergießen konnte. Das Resultat war, daß auf eine etwas abergläubische Generation eine überaus superkluge folgte, denn es ist erstaunlich, wie der Enkel sich fühlt, wenn er weiß, daß ein nächtliches Feuermeteor bloß aus brennbaren Dünsten besteht, während der Großvater den Teufel darin erblickt, der in irgend einen Schornstein mit seinen leuchtenden Geldsäcken hinein will. Doch, wie es sich hiermit auch im allgemeinen verhalten mochte, und ich wiederhole meine Überzeugung, daß der Durchschnittspunkt hier außerordentlich schwer zu treffen ist: für mich knüpfte sich an die Reform ein großes Glück. Auch Wesselburen erhielt nämlich seine Elementarschule, und an diese wurde ein Mann als Lehrer gewählt, dessen Namen ich nicht ohne ein Gefühl der tiefsten Dankbarkeit niederschreiben kann, weil er trotz seiner bescheidenen Stellung einen unermeßlichen Einfluß auf meine Entwicklung ausgeübt hat; er hieß Franz Christian Dethlefsen und kam aus dem benachbarten Eiderstedt, wo er schon eine kleine Bedienstung gehabt hatte, zu uns herüber.

Kein Haus ist so klein, daß es dem Kinde, welches darin geboren ward, nicht eine Welt schiene, deren Wunder und Geheimnisse es erst nach und nach entdeckt. Selbst die ärmlichste Hütte hat wenigstens ihren Boden, zu dem eine hölzerne Leiter hinaufführt, und mit welchem Gefühl wird diese zum erstenmal erstiegen! Gewiß findet sich oben einiges altes Gerät, das unbrauchbar und vergessen in eine längst vergangene Zeit zurückdeutet und an Menschen mahnt, die schon bis auf den letzten Knochen vermodert sind. Hinterm Schornstein steht wohl eine wurmstichige hölzerne Kiste, welche die Neugier reizt; handhoch liegt der Staub darauf, noch sitzt das Schloß, aber man braucht nicht nach dem Schlüssel zu suchen, denn man kann hineingreifen, wo man will, und wenn das Kind es mit Zittern und Zagen tut, so zieht es einen zerrissenen Stiefel oder die zerbrochene Kunkel eines Spinnrades hervor, das schon vor einem halben Jahrhundert beiseite gestellt wurde. Schaudernd schleudert es den Doppelfund wieder von sich, weil es sich unwillkürlich fragt: wo ist das Bein, das jenen trug, und wo die Hand, die diese in Schwung setzte? doch die Mutter hebt das eine oder das andere wieder bedächtig auf, weil sie gerade eines Riemens bedarf, der sich noch aus dem Stiefel des Großvaters herausschneiden läßt, oder weil sie glaubt, daß sie mit der Kunkel der Urtante noch einmal Feuer anmachen kann. Wäre die Kiste aber auch während des letzten harten Winters, der die Leute sogar nötigte, getrocknete Mistfladen zu brennen, mit in den Kachelofen gewandert, so steckt doch im Dach noch eine verrostete Sichel, die einst blank und fröhlich zu Felde zog und tausend goldgrüne Halme in einem Ausholen darniederstreckte, und darüber hängt die unheimliche Sense, an der sich vor Zeiten ein Knecht die Nase ablief, weil sie zu dicht über der Bodenluke hing, und er die Leiter zu rasch hinanstieg. Daneben piepsen in den Ecken die Mäuse, es springen wohl auch ein paar aus den Löchern hervor, um nach kurzem Tanz wieder hineinzuschlüpfen, ja ein blendend weißes Wieselchen wird für einen Augenblick sichtbar, das kluge Köpfchen samt den Vorderpfoten spähend und schnuppernd in die Höhe hebend, und der einzige Sonnenstrahl, der durch irgend eine verstohlene Spalte dringt, ist einem Goldfaden so vollkommen ähnlich, daß man ihn gleich um den Finger wickeln möchte. Von einem Keller weiß die Hütte nichts, wohl aber das Bürgerhaus, wenn auch nicht des Weines, sondern der Kartoffeln und der Rüben wegen, die der ärmere im Freien unter einem tüchtigen Erdhaufen birgt, den er im Herbst aufwirft und im Winter bei starkem Frost noch vorsichtig mit Stroh oder Mist bedeckt. In den Keller zu kommen, will nun noch viel mehr heißen, als auf den Boden zu gelangen; wo aber wäre das Kind, welches nicht auch dieses Gelüst auf die eine oder andere Weise zu befriedigen wüßte. Es kann ja zum Nachbar gehen und sich schmeichelnd an die Schürze der Magd hängen, wenn sie gerade etwas heraufholen soll, es kann sogar den Augenblick erlauern, wo aus Versehen die Tür offen blieb und sich auf eigene Faust hinunterwagen. Das ist freilich gefährlich, denn sie kann plötzlich zugeschlagen werden, und die sechzehnfüßigen Kanker, die in ekelhaftester Mißgestalt an den Wänden herumkriechen, sowie das durchsickernde grünliche Wasser, das sich in den hier und da absichtlich gelassenen Vertiefungen sammelt, laden nicht zum langen Verweilen ein. Aber, was tuts, man hat die Kehle ja bei sich, und wer ordentlich schreit, der wird zuletzt gehört!

Macht nun schon das Haus unter allen Umständen einen solchen Eindruck auf das Kind: wie muß ihm erst der Ort vorkommen! Es tritt, wenn es zum erstenmal von der Mutter oder vom Vater mitgenommen wird, den Gang durch den Straßenknäuel gewiß nicht ohne Staunen an, es kehrt noch weniger ohne Schwindel von ihm zurück. Ja, es bringt von vielen Objekten vielleicht ewige Typen mit heim, ewig in dem Sinn, daß sie sich im Fortgang des Lebens eher unmerklich bis ins Unendliche erweitern, als sich jemals wieder zerschlagen lassen, denn die primitiven Abdrücke der Dinge sind unzerstörbar und behaupten sich gegen alle späteren, wie weit diese sie auch an sich übertreffen mögen. So war es denn auch für mich ein unvergeßlicher und bis auf diesen Tag fortwirkender Moment, als meine Mutter mich den Abendspaziergang, den sie sich in der schönen Sommerzeit an Sonn- und Feiertagen wohl gönnte, zum erstenmal teilen ließ. Mein Gott, wie groß war dies Wesselburen: fünfjährige Beine wurden fast müde, bevor sie ganz herumkamen! Und was traf man alles unterwegs! Schon die Namen der Straßen und Plätze, wie rätselhaft und abenteuerlich klangen sie! »Nun sind wir auf dem Lollfluß! Das ist Blankenau, hier gehts zum Klingberg hinüber! Dort steht das Eichennest!« Je weniger sich ein Anhaltspunkt für sie fand, um so sicherer mußten sie Mysterien verbergen! Nun gar die Sachen selbst! Die Kirche, deren metallne Stimme ich schon so oft gehört hatte, der Gottesacker mit seinen düstern Bäumen und seinen Kreuzen und Leichensteinen, ein uraltes Haus, das ein »Achtundvierziger« Die »Achtundvierziger« waren in Dithmarschen ein Obergericht von 48 auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern der Bauernrepublik, das, 1447 gestiftet, die Aufrechterhaltung des Landfriedens zur Hauptaufgabe hatte. bewohnt haben und in dessen Keller ein vom Teufel bewachter Schatz verborgen sein sollte, ein großer Fischteich: all diese Einzelheiten flossen für mich, als ob sie sich, wie die Glieder eines riesenhaften Tiers, organisch aufeinander bezögen, zu einem ungeheuren Totalbilde zusammen, und der Herbstmond übergoß es mit bläulichem Licht. Ich habe seitdem den Dom von Sankt Peter und jeden deutschen Münster gesehen, ich bin aus dem Père Lachaise und an der Pyramide des Cestius gewandelt, aber wenn ich im allgemeinen an Kirchen, Friedhöfe und so weiter denke, so schweben sie mir noch jetzt in der Gestalt vor, in der ich sie an jenem Abend erblickte.

Ungefähr um dieselbe Zeit, wo ich Susannas dumpfen Saal mit der neuerbauten, hellen und freundlichen Elementarschule vertauschte, mußte auch mein Vater sein kleines Haus verlassen und eine Mietwohnung beziehen. Das war nun für mich ein wunderlicher Kontrast. Die Schule hatte sich erweitert: ich schaute aus blanken Fenstern mit breiten Föhrenrahmen, statt das neugierige Auge an grünen Bouteillen-Scheiben mit schmutziger Bleieinfassung zu versuchen, und der Tag, der bei Susanna immer später anfing und früher aufhörte, als er sollte, kam zu seinem vollen Recht; ich saß an einem bequemen Tisch mit Pult und Tintenfaß, der frische Holz- und Farbengeruch, der noch jetzt einigen Reiz für mich hat, versetzte mich in eine Art von fröhlichem Taumel, und als ich auf mein Lesen hin vom inspizierenden Prediger angewiesen wurde, die dritte Bank, die ich bescheiden gewählt hatte, mit der ersten zu vertauschen und sogar auf dieser noch einen der obersten Plätze einzunehmen, fehlte mir nicht viel mehr zur Seligkeit. Das Haus dagegen war zusammengeschrumpft und hatte sich verfinstert: jetzt gab es keinen Garten mehr, in dem ich mich mit meinen Kameraden bei gutem Wetter herumtummeln konnte, keine Diele, die uns bei Regen und Wind gastlich aufnahm: ich war auf die enge Stube beschränkt, in der ich mich kaum selbst rühren, in die ich aber keinen Spielgefährten mitbringen durfte, und auf den Platz vor der Tür, auf dem es, da die Straße unmittelbar daran vorüberlief, nur selten einer bei mir aushielt. Der Grund der ganzen folgenschweren Veränderung war eigen genug. Mein Vater hatte sich bei seiner Verheiratung durch Übernahme einer Bürgschaft mit fremden Schulden beladen und würde ohne Zweifel schon viel früher ausgetrieben worden sein, wenn sein Gläubiger nicht glücklicherweise die lange Strafe einer Brandstiftung im Zuchthause abzubüßen gehabt hätte. Dies war einer der furchtbaren Menschen, die das Böse des Bösen wegen tun und den krummen Weg sogar dann noch vorziehen, wenn der gerade rascher und sicherer zum Ziele führt; er hatte den lauernd boshaften Höllenblick, den niemand aushält, und der in einer noch kindlichen Zeit den Glauben an Hexen und Hexenmeister entzündet haben mag, weil die Freude über das Unheil in ihm einen Ausdruck findet, der das Unheil selbst notwendig vermehren zu müssen scheint. Krugwirt und Krämer seines Zeichens und für seinen Stand mehr als wohlhabend, hätte er die friedlichste und fröhlichste Existenz führen können; aber er mußte durchaus mit Gott und der Welt in Feindschaft stehen und einem wahrhaft teuflischen Humor, von dem mir später selbst in Kriminalgeschichten kein zweites Beispiel vorgekommen ist, den Zügel schießen lassen. So ließ er seine Frau einmal auf ihre Bitte am Sonnabend mit der größten Freundlichkeit zur Beichte gehen, verbot ihr aber am Sonntag, nach protestantischem Brauch, auch das Abendmahl zu nehmen, weil sie ihn darum nicht ersucht hatte. Wenn irgend einem seiner Nachbarn ein junges schönes Pferd heranwuchs, so ging er zu ihm und bot ihm einen Spottpreis für das Tier. Wies dieser ihn ab, so sagte er: »Ich würde mirs doch überlegen und die alte Regel beherzigen, daß man alles hergeben soll, worum einmal gehandelt wurde; wer weiß, was geschieht!« Und sicher ward das Pferd trotz aller Überwachung, früher oder später, auf der Wiese oder im Stall mit durchschnittenen Fußsehnen gefunden und mußte erstochen werden, so daß er zuletzt kaufen konnte, was ihm irgend gefiel. Seinem Schwiegersohn half er bereitwilligst bei einem betrügerischen Bankerott, zu dem er ihn selbst verleitet haben mochte; als dieser jedoch nach geschworenem Meineid die unterschlagenen Sachen zurückverlangte, lachte er ihn aus und forderte ihn auf, zu klagen. Beim Feuerlegen wurde er aber von seiner eigenen Magd überrascht und, ungeachtet seiner Schlauheit und seines ebenso großen Glücks, auf der Tat ertappt, und diesem Umstand verdankte mein Vater, den er durch allerlei listige Vorspiegelungen in die Bürgschaft hineingeschwatzt hatte, die wenigen Jahre ruhigen Besitzes, deren er sich in seinem kurzen Leben erfreute. Sowie das Zuchthaus dem Gemeinwesen seinen Zögling zurückgab, mußten wir die Stätte verlassen, an der unsere Großeltern über ein halbes Jahrhundert Freud und Leid miteinander geteilt hatten; es war für mich und meinen Bruder wie Weltuntergang, als die alten Mobilien, die sonst kaum beim Weißen des Zimmers von der Stelle gerückt wurden, plötzlich auf die Straße hinauswanderten, als die ehrwürdige holländische Schlaguhr, die nie richtig ging und immer Verwirrung anstiftete, auf einmal, hell vom Strahl der Maisonne beschienen, an einem Ast des Birnbaumes hing, und der runde wurmstichige Speisetisch, der uns, wenn gerade wenig darauf war, so oft den Wunsch abnötigte, daß wir alles haben möchten, was schon darauf verzehrt worden sei, wackelnd darunter stand. Doch war das Ganze natürlich auch ein Schauspiel für uns, und als sich sogar beim Aufräumen ein mir längst verloren gegangener bunter Pfeifenkopf in irgend einem Rattenloch wiederfand und noch obendrein bei den mit uns ausziehenden Familien dies und jenes, was sich des Mitnehmens nicht zu verlohnen schien, für uns, die wir auch noch das Letzte brauchen konnten, im Durchstöbern der Winkel abfiel, kam der Tag uns bald als ein Festtag vor und wir schieden, zwar nicht ohne Rührung, aber doch ohne Schmerz, von den Räumen, in denen wir geboren waren. Was das eigentlich hieß, erfuhr ich erst nachher, aber freilich bald genug; ich war, ohne es selbst zu wissen, bis dahin ein kleiner Aristokrat gewesen und hatte nun aufgehört, es zu sein. Das hing so zusammen. An und für sich schaut der Kätner auf den Häuerling herab, wie der Bauer und der reiche Bürger auf ihn, und ebenso wird mit einem gewissen Respekt wieder zu ihm hinaufgeschaut. Er ist des ersten Grußes so sicher, als ob er einen Wechsel darüber in Händen hätte und ihn durch die Gerichte eintreiben könnte; kann er sich aber auf seiner Höhe nicht behaupten, so geht es ihm, wie jeder Größe, die zum Fall kommt: die Unteren rächen sich dafür an ihm, daß er sie einst überragt hat. Die Kinder richten sich in allen diesen Stücken nach den Eltern, und so hatte ich die Ehre der Erhebung, aber auch die Schmach des Sturzes mit meinem Vater zu teilen. Als wir uns noch im Besitz befanden, wurde mein Ansehen als Kätnerssohn noch bedeutend durch den Birn- und den Pflaumenbaum unseres Gartens gesteigert. Selbst im Winter wurde es nicht ganz vergessen, daß ich im Sommer etwas zu verschenken hatte, und mancher hartgefrorene Schneeball, der mir ursprünglich zugedacht war, flog doch an meinen Ohren vorüber, weil man besorgte, daß ich zu ungelegener Zeit Revanche nehmen möchte. Kam der Frühling heran, so begann man, durch allerlei kleine Gaben um meine Protektion zu werben; bald erhielt ich ein Heiligenbild, bald ein buntes Merkzeichen, bald eine Muschel, und huldvoll versprach ich dafür, was man verlangte. Zeigten sich die ersten Blüten, so wurden mit Tischlers Wilhelm förmliche Geschäfte abgeschlossen; er überließ mir auf Kredit bald einen kleinen Wagen, bald einen Puppensarg, bald ein Schränkchen und ähnliche Spielereien, die er selbst zierlich genug aus den Holzabfällen seines Vaters zurecht zu schnitzeln wußte, und ich wies ihm dafür ganze oder halbe Körbe von Birnen und Pflaumen an. Prangten die Bäume im vollen Flor, so war die Ernte auch in der Regel schon verkauft, aber allerdings ganz in der Stille, denn meine Mutter war wenig geneigt, die von mir eingegangenen Kontrakte zu realisieren, und Wilhelm stand ihr gegenüber immer als großmütiger und uneigennütziger Schenker da. Waren die Früchte reif, ein Zeitpunkt, über den Kinder und Erwachsene bekanntlich weit voneinander abweichen, so warf mein Gläubiger von seinem Garten aus mit Knütteln und Steinen dazwischen, während ich aufpaßte, ob auch jemand käme, und das Gefallene hurtig und ängstlich für ihn zusammenlas. Wir wählten gewöhnlich die Mittagsstunde dazu, und oft glückte es mir, meine Schulden vollständig abzutragen, bevor die allgemeine Obstlese eintrat; oft wurden wir aber auch von dieser überrascht oder sonst ertappt, und dann holte Wilhelm sich ohne Erbarmen, und ohne sich darum zu kümmern, daß er zuweilen den größten Teil des bedungenen Preises schon eingestrichen hatte, in günstiger Stunde seine Sachen wieder, indem er rasch über den Zaun sprang und sie mir wegriß. Dies alles hatte nun ein Ende, und die Folgen waren anfangs recht bitter. Zunächst wurden meine Eltern feierlich als »Hungerleider« eingekleidet; denn es ist charakteristisch an den geringen Leuten, daß sie das Sprichwort: »Armut ist keine Schande!« zwar erfunden haben, aber keineswegs danach handeln. Dazu trug nun nicht wenig mit bei, daß meine Mutter etwas zurückhaltender Natur war und auch jetzt noch nicht aufhörte, ihr oft ausgesprochenes Prinzip: »Wegwerfen kann ich mich immer, damit hat es keine Eile!« fest zu befolgen. Dann fing man an, auf uns Kinder zu hacken. Die alten Spielkameraden zogen sich zurück und ließen uns den eingetretenen Unterschied wenigstens empfinden; denn der Knabe, der einen Eierkuchen im Leibe hat, blickt den von der Seite an, der sich den Magen mit Kartoffeln füllen muß; die neuen hänselten uns und zeigten sich widerwärtig, wo sie konnten, ja die Pflegehausjungen drängten sich heran. Diese, arme Waisen, die auf öffentliche Kosten in einem Mittelding von Mildtätigkeitsanstalt und Hospital unterhalten wurden, bildeten nämlich die allerunterste Klasse; sie trugen graue Kittel, hatten in der Schule, wie die Grafen in Göttingen, ihre eigene Bank, nur aus anderen Gründen, und wurden von allen gemieden, so daß sie sich selbst als halbe Aussätzige betrachteten und sich nur dem näherten, den sie verhöhnen zu dürfen glaubten. Doch hatte das alles zuletzt sehr gute Folgen für mich. Ich war bis dahin ein Träumer gewesen, der sich am Tage gern hinter den Zaun oder den Brunnen verkroch, des Abends aber im Schoß der Mutter oder der Nachbarinnen kauerte und um Märchen und Gespenstergeschichten bat. Jetzt ward ich ins tätige Leben hineingetrieben; es galt, sich seiner Haut zu wehren, und wenn ich mich auf die erste Rauferei auch nur nach langem Zögern und vielen, keineswegs kühnen Rettungsversuchen einließ, so fiel sie doch so aus, daß ich die zweite nicht mehr scheute und an der dritten oder vierten schon Geschmack fand. Unsere Kriegserklärungen waren noch lakonischer, wie die der Römer oder der Spartiaten. Der Herausforderer sah seinen Gegner während der Schulstunde, wenn der Lehrer für eine Minute den Rücken wandte, ernsthaft an, ballte die rechte Hand zur Faust und legte sie sich auf den Mund oder vielmehr aufs Maul. Der Gegner wiederholte das symbolische Zeichen in der nächsten sicheren Minute, ohne auch nur mit einem Blick auf ein ausführlicheres Manifest zu dringen, und mittags wurde der Handel auf dem Kirchhof in der Nähe eines alten Grabkellers, vor dem sich ein grün bewachsener Fleck befand, mit den Naturwaffen durch Ringen und Hauen, im äußersten Fall auch durch Beißen und Kratzen bündig vor der ganzen Schule ausgemacht. Ich erhob mich zwar nie zum Rang eines eigentlichen Traineurs, der seine Ehre darein setzte, das ganze Jahr mit blauem Auge oder verschwollener Nase herumzugehen; aber ich verscherzte doch sehr bald das mütterliche Lob, ein frommes Kind zu sein, das mir bis dahin so wohl getan hatte, und stieg dafür im Ansehen bei meinem Vater, der es mit seinen Söhnen verhielt, wie Friedrich der Große mit seinen Offizieren, indem er sie bestrafte, wenn sie sich prügelten, und sie verhöhnte, wenn sie sich etwas bieten ließen. Einst biß mich mein Gegner, als ich auf ihm lag und ihn gemächlich durchwalkte, bis auf den Knochen in den Finger, so daß ich die Hand wochenlang nicht mehr zum Schreiben brauchen konnte; das war aber auch die gefährlichste Wunde, deren ich mich erinnere, und sie führte, wie dies wohl auch noch später im Leben zu geschehen pflegt, zu einer innigen Freundschaft. – – – –

Als reifer Mann hat uns Hebbel in dem oben mitgeteilten Fragment »Meine Kindheit« einen Blick in diese erste Lebenszeit tun lassen, dabei – was er an Goethes Dichtung und Wahrheit rühmte – »das Beschwichtigende und Ausgleichende« hervorhebend. Spätere Tagebucheintragungen und Gedichte mögen das Bild ergänzen.

Tagebuch 22. Nov. 1838.

... Ich bleibe dabei: die Sonne scheint den Menschen nur einmal, in der Kindheit und der früheren Jugend. Erwarmt er da, so wird er nie wieder völlig kalt, und was in ihm liegt, wird frisch herausgetrieben, wird blühen und Früchte tragen. Tieck sagt in diesem Sinne irgendwo: »Nur wer Kind war, wird Mann«; ich erbebte, als ich dies zum ersten Male las; nun hatte das Gespenst, das mich um mein Leben bestiehlt, einen Namen. Wie war nicht meine Kindheit finster und öde! Mein Vater haßte mich eigentlich, auch ich konnte ihn nicht lieben. Er, ein Sklave der Ehe, mit eisernen Fesseln an die Dürftigkeit, die bare Not geknüpft, außer stande, trotz des Aufbietens aller seiner Kräfte und der ungemessensten Anstrengung, auch nur einen Schritt weiter zu kommen, haßte aber auch die Freude; zu seinem Herzen war ihr durch Disteln und Dornen der Zugang versperrt; nun konnte er sie auch auf den Gesichtern seiner Kinder nicht ausstehen, das frohe, Brust erweiternde Lachen war ihm Frevel, Hohn gegen ihn selbst, Hang zum Spiel deutete auf Leichtsinn, auf Unbrauchbarkeit, Scheu vor grober Handarbeit auf angeborene Verderbnis, auf einen zweiten Sündenfall. Ich und mein Bruder hießen seine Wölfe; unser Appetit vertrieb den seinigen; selten durften wir ein Stück Brot verzehren, ohne anhören zu müssen, daß wir es nicht verdienten. Dennoch war mein Vater (wäre ich davon nicht innig überzeugt, so hätte ich so etwas nicht über ihn niedergeschrieben) ein herzensguter, treuer, wohlmeinender Mann; aber die Armut hatte die Stelle seiner Seele eingenommen ...

Bubensonntag. 24. Mai 1836.

Wenn ich einst, ein kleiner Bube,
Sonntags früh im Bette lag,
und die helle Kirchenglocke
all das Schweigen unterbrach:

O, wie schlüpft ich dann so hurtig
aus dem Bett ins Kleid hinein,
und wie gern ließ ich das Frühstück,
um zuerst bei Gott zu sein!

Ein Gesangbuch unterm Arme,
eh ichs Lesen noch verstand,
ging ich fort, gebeugten Hauptes,
fromm verschränkend Hand in Hand.

Kam ein Hündchen froh gesprungen,
schalt ich: komm mir nicht zu nah!
Kaum daß ich, zur Seite schielend,
nach der Vogelfalle sah.

Fiel die Kirchentür nun knarrend
hinter meinem Rücken zu,
sprach ich furchtsam-zuversichtlich:
Jetzt allein sind Gott und du!

Längst mit ganzem, vollem Herzen
hing ich ja an meinem Gott,
doch, daß niemand ihn erblicke,
hielt ich stets für eitel Spott.

Und so hofft ich jeden Morgen,
endlich einmal ihn zu sehn;
wars denn nichts in meinen Jahren,
stets um fünfe aufzustehn?

Auf dem hohen Turm die Glocke
war schon lange wieder stumm,
der Altar warf düstre Schatten,
Gräber lagen rings herum.

Drang ein Schall zu mir herüber,
dacht ich: jetzt wirst du ihn schaun!
Aber meine Augen schlossen
sich zugleich vor Angst und Graun.

Und dies Zittern, dies Erbangen
und mein kalter Todesschweiß –
daß der Herr vorbeigewandelt,
galt mir alles für Beweis.

Still und träumend dann nach Hause
schlich ich mich in süßer Qual,
und mein klopfend Herz gelobte
sich mehr Mut fürs nächste Mal.

Tagebuch 29. März 1842.

Mein Vater war aus Meldorf gebürtig, und eine Reise nach Meldorf, um die alte Großmutter und die Onkel und Tanten, die dort als Bürger und Handwerker lebten, zu sehen, war der höchste Preis, der mir und meinem Bruder als Lohn für unsere Folgsamkeit und unsern Gehorsam versprochen wurde. Endlich, nachdem wir lange umsonst gehofft hatten, kam es so weit; noch am letzten Tage aber, wo die Reise schon angetreten werden sollte, hätte der Schuster, der mir ein Paar neue Schuhe machte, sie fast wieder hintertrieben; denn anfangs hatte es den Anschein, als ob er die Schuhe trotz seines feierlichen Versprechens gar nicht liefern würde, und als die sehnlichst erwarteten zuletzt gebracht wurden, waren sie zu klein. Ein anderer Schuster half mir jedoch aus der Not, indem er für die derben bestellten ein Paar leichte Marktschuhe hergab, und so machten wir uns denn, ich acht, mein Bruder sechs Jahre alt, mit dem Vater auf den Weg. Meldorf war ungefähr drei Meilen von Wesselburen entfernt, für unser Alter eine beträchtliche Strecke. Anfangs freilich ging es rasch vorwärts, und der Vater suchte uns vergebens an Vergeudung unserer Kräfte zu hindern, indem wir lustig links und rechts über die Gräben sprangen und bald eine Blume herbeiholten, bald einen Schmetterling jagten; dann schritten wir ganz ehrbar hinter ihm drein, machten aber doch wohl noch, wenn er uns fragte, ob wir auch schon Müdigkeit fühlten, einen erzwungenen Freudensprung, um ihm nicht für alle Zukunft das Reisen mit uns zu verleiden; endlich aber machte der Moment alle seine Rechte geltend; uns blieb zur Verstellung nicht Mut und Kraft mehr, und als wir mit Einbruch der tiefen Dämmerung in Meldorf eintrafen, fielen wir im wörtlichsten Verstande über jeden Stein. Nun führte der Vater uns aber keineswegs sogleich zu den Verwandten, er begab sich vielmehr mit uns in eine abgelegene Straße, wo er in einen Bäckerladen eintrat und eine Masse Brot kaufte, das wir verzehren mußten, indem wir uns weiterschleppten. Als wir uns murrend für satt erklärten, brachte er uns zur Großmutter, die mit dem Onkel, einem Hutmacher, in einem und demselben Hause wohnte. Die Lichter waren schon angezündet; wir wurden freundlich empfangen; uns Kinder reizten aber nur die Stühle; daß wir nach einem so angreifenden Marsch keinen oder doch nur sehr geringen Appetit zeigten, erregte große Verwunderung. Am nächsten Morgen hofften wir nach Lust und Laune in Meldorf herumstreifen zu dürfen, aber darin hatten wir uns verrechnet, denn der Vater erklärte, wir müßten zu Hause bleiben, um Kräfte für die Rückreise zu sammeln, die noch denselben Nachmittag angetreten werden sollte. Umsonst baten wir und machten, da dies nicht half, finstere Gesichter; umsonst legte die Großmutter sich ins Mittel und suchte uns ein längeres Bleiben auszuwirken; der Vater war unerschütterlich, er dachte viel zu ehrenhaft, um seinen Verwandten, die arm waren, wie er, seine Kinder länger, als auf einen Tag, aufzubürden; die Großmutter konnte es kaum erlangen, daß sie mich zu dem eine Viertelstunde vom Ort liegenden Galgenberg, der mich am Abend zuvor, als ich ihn in der Dämmerung abseits liegen sah, schauerlich angezogen hatte, hinausführen durfte, und nachdem ich hier eine rote Mohnblume gepflückt, mußten ich und der Bruder uns bis zum Mittagessen nicht allein streng im Zimmer, sondern sogar sitzend auf den Stühlen halten, bis dann gleich nach Tisch die Rückreise angetreten ward. Diese ging übrigens leichter von statten, denn wir trafen einen Bauerwagen und legten die größere Hälfte des Wegs fahrend zurück. Es wollte damals jedoch so wenig mir als meinem Bruder behagen, daß wir nur darum mit großer Anstrengung von Wesselburen nach Meldorf gewandert waren, um in Meldorf durch Sitzen auf dem Stuhl Kräfte für die Rückwanderung nach Wesselburen zu gewinnen.

Seine geistigen Bedürfnisse suchte der Knabe Hebbel durch Schulmeister Dethleffsens bescheidene Bücherei zu befriedigen; er las sogar nachts heimlicherweise bei einem Talglicht. Aber als er heranwuchs, da begann der Vater, ihn als Handlanger beim Maurerhandwerk zu beschäftigen, mußte jedoch den völlig Unanstelligen bald wieder heimschicken, der dann mit leichterer Arbeit, mit Botengängen, etwas Geld ins Haus einbrachte. Nach dem Tode des Vaters mußte die Mutter für den Unterhalt der Familie sorgen. Da ward Friedrich vom Kirchspielvogt Mohr als Schreiber angestellt. Dieser hochmütige, in Formen und Dünkel erstarrte dänische Beamte nutzte den begabten Schreiber, den er am Gesindetisch essen und beim Kutscher unter der Bodentreppe schlafen ließ, acht Jahre lang aus, ohne ihn geistig anders als dadurch zu fördern, daß er ihm seine Bibliothek nicht vorenthielt. Allerdings lernte Hebbel von seinem Vorgesetzten Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit in der Arbeit, und dem Einblick, den er als Protokollaufnehmer bei Verhören in menschliche Leidenschaften und Konflikte tat, verdankt der spätere Dramatiker sicherlich viel.

Einen angemessenen Verkehr fand Hebbel unter einigen jungen Leuten, die geistig rege und empfänglich, sogar ein Gefühl für seine Überlegenheit und bedeutende Veranlagung hatten, und einen traulichen Unterschlupf bei der Familie des Kirchspielschreibers Voß, dessen Tochter Emilie bald von ihrer Schwester Doris aus Hebbels Herzen verdrängt ward. An sie und ein anderes Wesselburener Mädchen sind die Gedichte »Ein frühes Liebesleben« gerichtet.

Allmählich ward der Druck des niedrigen Berufes, die Frohnarbeit, für den werdenden Dichter, der sich übrigens schon zuweilen im »Dithmarscher und Eiderstedter Boten« gedruckt sah, unerträglich; bald faßte er den verzweifelten Entschluß, Schauspieler zu werden, bald wandte er sich an Uhland und den dänischen Dichter Ohlenschläger, die aber beide nicht helfen konnten. Schließlich kam ihm die Rettung durch die Herausgeberin der »Neuen Pariser Modeblätter«, Amalie Schoppe in Hamburg, die Gedichte und Novellen von ihm abgedruckt hatte und jetzt sich seiner annahm. Sie interessierte einige wohlhabende Leute für den jungen Dichter und ermöglichte so dessen Übersiedelung nach Hamburg.

Tagebuch 6. Febr. 1843.

In meiner Jugend und frühesten Kindheit gingen die Dinge, die mich umgaben, fast in mich über. Mit welch unendlicher Seligkeit führte ich bei meinem Zeichenlehrer Harding die erste Zeichnung aus! Ein Garten, Herbsttag, ein Mädchen stand hinter der Pforte. Mir war wirklich, als müßte die von mir gemalte Pforte sich auftun, sobald ich nur auch das Mädchen fertig gemacht. Ich hab das Gefühl noch ganz, aber wie wärs auszudrücken! Auch die Nacht, wo ich mit dem Sohn des Malers zusammen aufsaß und wir Bürgers Leonore miteinander lasen! Wonne, Wehmut, Leben, Tod, alles auf einmal: ein Urgefühl!

Tagebuch Dezember 1836.

Als mein Vater am Sonnabend, abends um 6 Uhr, den 11. November 1827, nachdem ich ihn am Freitag zuvor noch geärgert hatte, im Sterben lag, da fleht ich krampfhaft: nur noch acht Tage, Gott; es war, wie ein plötzliches Erfassen der unendlichen Kräfte, ich kanns nur mit dem konvulsivischen Ergreifen eines Menschen am Arm, der in irgend einem ungeheuren Fall Hilfe oder Rettung bringen kann, vergleichen. Mein Vater erholte sich sogleich; am nächstfolgenden Sonnabend, abends 6 Uhr, starb er!

8. Juli 1836.

An die Großmutter

Mit Ehrfurcht stand ich einst vor dir
in einer ernsten Stunde;
den Segen fromm erbat ich mir
von deinem heilgen Munde.
Du sahst nicht mehr, du hörtest kaum,
Kalt waren deine Hände,
und sprachst du, wars, als ob im Traum
ein Toter Worte fände.

Du strichst die Locken mir zurück,
dann frugst du manche Sachen
und batest mich, dein letztes Glück
im Alter noch zu machen.
»Sie sagten mir, du wärest tot!«
Dumpf riefst dus aus und weintest,
da ward mir klar in deiner Not,
daß du den Vater meintest.

Von seinem Leben sprachst du nun,
als wärs mein eignes Leben;
ich sah ihn in der Wiege ruhn,
mit Wonne dich daneben,
ich gab durch manches schöne Jahr
gerührt ihm das Geleite,
ich sah ihn endlich am Altar
an meiner Mutter Seite.

Manch schlichtes Glück erfreute ihn,
ich wurde ihm geboren;
mein Bruder dann; jetzt aber schien
der Faden dir verloren.
Du stocktest plötzlich, brachest ab
und frugst, was nun gekommen,
ich dachte an sein frühes Grab,
doch schwieg ich, tief beklommen.

Du schluchztest, aufgetaut und weich,
als hättst du nichts vergessen,
und doch begannest du zugleich
von einer Frucht zu essen,
Den Stuhl zum Ofen schobst du dann,
dich wieder einsam wähnend,
und fingest laut zu beten an,
dein Haupt vornüber lehnend.

Ich aber sah von fern die Zeit
auch mein schon dunkel harren,
wo mir die Welt nichts weiter beut,
als Gräber aufzuscharren,
und, weil dem schlotternden Gebein
sich noch versagt das Bette,
ich, selbst verglüht, in Gottes Sein
mich still hinüber rette.

Tagebuch 1. Januar 1836.

Bis in mein vierzehntes Jahr habe ich, obwohl ich Verse machte, keine Ahnung gehabt, daß ich für die Poesie bestimmt sein könnte. Sie stand mir bis dahin wie etwas Ungeheures vor der Seele, und eher würde ich es meinen körperlichen Kräften zugemutet haben, eine Alp zu erklimmen, als meinen geistigen, mit einem Dichter zu wetteifern, obwohl mich beides reizte. Ich stand in einem Verhältnis zur Poesie wie zu meinem Gott, von dem ich wußte, daß ich ihn in mich aufnehmen, aber ihn nicht erreichen könne. Deutlich erinnere ich mich übrigens noch der Stunde, in welcher ich die Poesie in ihrem eigentümlichsten Wesen und ihrer tiefsten Bedeutung zum erstenmal ahnte. Ich mußte meiner Mutter immer aus einem alten Abendsegenbuch den Abendsegen vorlesen, der gewöhnlich mit einem geistlichen Liede schloß. Da las ich eines Abends das Lied von Paul Gerhard, worin der schöne Vers:

»Die goldnen Sternlein prangen
am blauen Himmelssaal«

vorkommt. Dies Lied, vorzüglich aber dieser Vers, ergriff mich gewaltig; ich wiederholte es zum Erstaunen meiner Mutter in tiefster Rührung gewiß zehnmal. Damals stand der Naturgeist mit seiner Wünschelrute über meiner jugendlichen Seele, die Metalladern sprangen, und sie erwachte wenigstens aus einem Schlaf.

Tagebuch 5. Januar 1836.

Was ich zuerst zu bemerken habe, ist der Tag, an welchem mir Uhland zuerst entgegentrat. Ich las von ihm in einem »Odeum« ein Gedicht: des Sänger Fluch, und war jemals ein Gedicht ein Alp gewesen, der mich erdrückte, so war es dieses. Er führte mich auf einen Gipfel, dessen Höhe ich im ersten Augenblick nur dadurch erkannte, daß mir die Luft zum freien Atmen fehlte. Ich hatte mich bei meinem Nachleiern Schillers – über diesen Lyriker spricht der Umstand das Urteil, daß er dem Menschen in der Jugend nahe steht und bei vorgerückten Jahren ferne, wogegen bei anderen Dichtern das umgekehrte Verhältnis stattfindet – sehr wohl befunden und dem Philosophen manchen Zweifel, dem Ästhetiker manche Schönheitsregel abgelauscht, um Seitenstücke zum »Ideal und Leben« und zu anderen Treibhauspflanzen, die es bei erkünstelter Farbe doch nie zu Geruch und Geschmack bringen, zu liefern; von Goethe war mir nur wenig zu Gesicht gekommen, und ich hatte ihn um so mehr etwas geringschätzig behandelt, weil sein Feuer gewissermaßen ein unterirdisches ist, und weil ich überhaupt glaubte, daß zwischen ihm und Schiller ein Verhältnis, wie etwa zwischen Mohammed und Christus, bestehe; daß sie fast gar nicht miteinander verwandt seien, konnte mir nicht einfallen. Nun führte Uhland mich in die Tiefe einer Menschenbrust und dadurch in die Tiefen der Natur hinein; ich sah, wie er nichts verschmähte – nur das, was ich bisher für das Höchste angesehen hatte – die Reflexion! – wie er ein geistiges Band zwischen sich und allen Dingen aufzufinden wußte, wie er, entfernt von aller Willkür und aller Voraussetzung – ich weiß kein bezeichnenderes Wort – alles, selbst das Wunderbare und Mystische, auf das einfach Menschliche zurückzuführen verstand, wie jedes seiner Gedichte einen eigentümlichen Lebenspunkt hatte, und dennoch nur durch den Rückblick auf die Totalität des Dichters vollkommen zu verstehen und aufzunehmen war. Dieses reine, harmonische Glockenspiel erfreute mich so lange, bis ich es zu seinem Ursprung zu verfolgen und mir über den Eindruck, den es auf mich hervorgebracht, Rechenschaft zu geben suchte; und nicht, ohne der Verzweiflung, ja dem Wahnsinn nahe gewesen zu sein, gewann ich das erste Resultat, daß der Dichter nicht in die Natur hinein, sondern aus ihr heraus dichten müsse. Wie weit ich nun noch von der Erfassung des ersten und einzigen Kunstgesetzes, daß sie nämlich an der singulären Erscheinung das Unendliche veranschaulichen solle, entfernt war, läßt sich nicht berechnen. Ich bedauere, daß die Führung eines Tagebuchs, die ich mir vorgenommen, damals unterblieb; aber ich mochte nicht wühlen in meinen Wunden und erinnere wenig mehr über jene Periode, als daß ich einen sehr langen und sehr finsteren Weg zurückgelegt und das Ziel früher erreicht, als erkannt habe. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß jeder tüchtige Mensch in einem großen Mann untergehen muß, wenn er jemals zur Selbsterkenntnis und zum sichern Gebrauch seiner Kräfte gelangen will; ein Prophet tauft den zweiten, und wem diese Feuertaufe das Haar sengt, der war nicht berufen.

7. Oktober 1831.

An Th. Hedde

Freund Hebbels im benachbarten Heide, später Postmeister in Glückstadt.

... Es ist leider so äußerst selten, daß die Freude einmal den irdischen Horizont beglänzt, wie ein himmlisches Morgenrot; wer dann aber noch nicht einmal hervorgehen darf in die heitere, anmutige Freie, und in dem finstern Schacht unwürdiger, drückender Geschäfte fortwühlen muß, wie ein Bergmann, der ist wahrlich bemitleidungswert. Übrigens kann Gottschau sich Glück wünschen: wäre mein Schicksal nur erst, wie das seinige, bestimmt, so würde ich wahrhaftig nicht klagen und wenn ein Weltall von Unannehmlichkeiten über mich hereinbräche: mich hat noch nie ein Weg verdrossen, wenn er auch noch so lang und rauh und ich auch noch so müde war, sobald ich nur wußte, daß er mich zum Ziel führte, aber jeder Schritt ermordete meine gute Stimmung, wenn ich zweifelte, ob ich auch dahin gelangte, wohin ich wollte ...

22. Mai 1832.

... Meinen Entschluß, Schauspieler zu werden, habe ich aufgegeben, denn ich zweifele, daß ich Talent dazu besitze; dies ist freilich auch von vornherein nur ein Entschluß gewesen, den die Not reifte; ich habe mich entschlossen, alles aufzubieten, um noch zu studieren; zwar weiß ich nicht, wie ich dies bewerkstelligen soll, aber es wird sich ja wohl ein Weg durch diesen Felsen auftun; ich bitte dich indes, hierüber gegen niemand etwas zu äußern, indem ich es sogar hier vor jedermann geheim halte. Der Teufel hole ein Leben, das selbst nicht weiß, wohin es führt ...

Wenn Stürme brausen, Blitze schmettern,
der Donner durch die Himmel kracht,
da les ich in des Weltbuchs Blättern
das dunkle Wort von Gottes Macht;
da wird von innern Ungewittern
das Herz auch in der Brust bewegt:
Ich kann nicht beten, kann nur zittern
vor ihm, der Blitz und Sturm erregt.

Doch wenn ein sanfter, stiller Abend,
als wie ein Hauch aus Gottes Mund,
beschwichtigend und mild erlabend,
herniedersinkt aufs Erdenrund;
da wird erhellt jedwedes Düster,
das sich gedrängt ums Herz herum:
Da werde ich ein Hoherpriester,
darf treten in das Heiligtum.

Da sehe ich der Allmacht Blüte,
die Welten labt mit ihrem Duft:
Die ewig wandellose Güte,
die Lampe in der Totengruft:
Da höre ich der Seraphime
erhabensten Gesang von fern;
da sauge ich, wie eine Biene
am Blumenkelch, an Gott, dem Herrn!

»Gott.« 1832.

Ein frühes Liebesleben.

Zum ersten Male ist sie heut gegangen
als junge Christin zum Altar des Herrn;
die dunklen Worte, die vorher erklangen,
sie hielten ihr die ganze Erde fern;
ein Todesschauer bleichte ihre Wangen
und fast verglimmte ihres Auges Stern,
denn, wer nicht würdig ißt und trinkt, so spricht
Gott selbst, der ißt und trinkt sich das Gericht.

Und dennoch hat sie heut sich mir ergeben,
wo jegliche Empfindung ihrs verbot;
sie wagte einmal, ihren Blick zu heben,
da sah sie mich und wurde wieder rot;
nun nahte sie sich dem Altar mit Beben
und nahm nur noch mit Angst das heilge Brot,
und als sie auch verschüttete den Wein,
da jauchzte ich: sie ist auf ewig mein!

 

Die Glocken hast du noch gepflückt,
die uns den Lenz verkünden,
doch nicht, vom schweren Schnee gedrückt,
in Farben sich entzünden.

Auch hast du dir zum Sonntagsstrauß
die Veilchen noch gewunden
und ihren Duft im Gotteshaus
so süß, wie nie, gefunden.

Ein frischer Maienblumenkranz
war dir ins Haar geflochten,
als dir in deinem letzten Tanz
die zarten Schläfe pochten.

Die Rosen treffen dich schon bleich
im Kreise deiner Schwestern:
Der weißen bist du heute gleich,
der roten glichst du gestern.

Doch kommen sie zur rechten Frist,
um deinen Sarg zu decken,
und was du warst und was du bist,
noch einmal zu erwecken!

Die Nelken blühen mir allein
und können mich nur freuen,
um sie bei hellem Mondenschein
dir auf das Grab zu streuen.

 

Oft, wenn ich bei der Sterne Schein
zum Kirchhof meine Schritte lenke,
und mich so tief, so ganz hinein
in jene selge Zeit versenke,
wie wir zusammen Hand in Hand
hier wandelten in stillem Wehe,
da ist es mir, als ob das Band
noch immer heiter fort bestehe.

Wir gehen fort und immer fort
und schaun die Gräber in der Runde,
du hast für jegliches ein Wort
und sprichst es aus mit sanftem Munde,
du sprichst vom frühen Schlafengehn
und von der Eitelkeit der Erde
und von dem großen Wiedersehn,
das Gott uns nicht versagen werde.

Und kommt zuletzt dein eigen Grab,
so rufst du aus: wir müssen scheiden!
Der Vater ruft die Tochter ab,
wir wußtens längst, und wollens leiden!
Und ruhig wandle ich hinaus,
wie einst aus deines Vaters Garten,
wenn er dich heimrief in das Haus,
du aber sprachst, ich solle warten.

 

Auf deinem Grabe saß ich stumm
in lauer Sommernacht;
die Blumen blühten rings herum,
die schon dein Grab gebracht.
Und still und märchenhaft umfing
ihr Duft mich, süß und warm,
bis ich in sanftem Weh verging,
wie einst in deinem Arm.

Und meine Augen schlossen sich,
vom Schlummer leicht begrüßt;
mir war, als würden sie durch dich
mir leise zugeküßt.
Still auf den Rasen sank ich hin,
der deinen Staub bedeckt,
doch ward zuletzt der innre Sinn
mir wunderbar geweckt.

Was ich geträumt, ich weiß es nicht,
ich ahn es nur noch kaum,
daß du, ein himmlisches Gesicht,
mir nahe warst im Traum.
Doch was dies flüchtge Wiedersehn
in meiner Brust geschafft,
das kann die Seele wohl verstehn,
die glüht in neuer Kraft.

Du hast der Dinge Ziel und Grund
an Gottes Thron durchschaut,
und tatest kühn mir wieder kund,
was dir der Tod vertraut,
und wenn das große Lösungswort
auch mit dem Traum entschwand,
so wirkt es doch im tiefsten fort,
gewaltig, unerkannt!

1837.

An Hedwig

(eine holsteinische junge Schauspielerin.)

Es war in schöner Frühlingszeit,
als ich dich fand bei Spiel und Scherz,
da drängte all die Lieblichkeit
sich lind, wie nie noch, an mein Herz.

Du selber warst dem Frühling gleich,
der nur verspricht, doch nicht gewährt,
drum ward ich nicht vor Sehnsucht bleich
und von Entzücken nicht verklärt.

Es war der Morgen vor dem Fest,
an dem man nur noch Träume tauscht,
das Weh, das keinen Stachel läßt,
die Freude, welche nicht berauscht.

Wie nur noch grün der Rosenstrauch,
doch auch schon grün die Nessel war,
so glichen sich die Stunden auch,
die uns beglückten, wunderbar.

Nach manchem Tag kam dann der Tag,
der uns, vielleicht auf ewig, schied;
ich trug es, wie mans tragen mag,
wenn man den Frühling scheiden sieht.

Nur selten stieg dein holdes Bild
mir auf in der erstarrten Brust,
doch ward ich einmal weich und mild,
so war ich gleich mir dein bewußt.

Und dieses fühl ich: blick ich einst
von meinem Sterbebett zurück,
so ist, daß du mir noch erscheinst,
mein letzter Wunsch, mein letztes Glück.

Du warst mein Lebensengel, sei
denn du mein Todesengel auch,
dann mischt noch in den Herbst der Mai
den überquellend-vollen Hauch.

Am Morgen, wo der Mensch ersteht
für seinen schweren Tageslauf,
und abends, wenn er schlafen geht,
da schaut er gern zum Himmel auf!

1835.

Auf ein altes Mädchen

Dein Auge glüht nicht mehr, wie einst
und deine Wang ist nicht mehr rot,
und wenn du jetzt vor Sehnsucht weinst,
so gilt es keinem, als dem Tod.
Nichts bist du, als ein Monument,
das, halb verwittert und gering,
nur kaum noch einen Namen nennt,
mit dem ein Leben unterging.

Doch wie hervor die Toten gehn
aus ihrer Gruft in mancher Nacht,
darfst du zuweilen auferstehn
zu altem Glanz und alter Pracht,
wenn tief dich ein Gefühl ergreift,
wie es vielleicht dich einst bewegt,
und dir den Schnee vom Herzen streift,
der längst sich schon darauf gelegt.

Da bist du wieder, wie zuvor,
und was die Mutter einst entzückt,
wodurch du der Gespielen Chor
einst anspruchslos und still beglückt,
das alles ist noch einmal dein,
von einem Wunderstrahl erhellt,
gleichwie vom späten Mondenschein
die rings im Schlaf begrabne Welt.

Mir aber wird es trüb zumut,
mir sagt ein unbekannter Schmerz,
daß tief in dir verschlossen ruht,
was Gott bestimmt hat für mein Herz,
und wills dann hin zu dir mich ziehn,
ach, mit allmächtiger Gewalt,
so muß ich stumm und blutend fliehn,
denn du bist wieder tot und kalt.

25. Juni 1834.

Das alte Haus

Der Maurer schreitet frisch heraus,
er soll dich niederbrechen;
da ist es mir, du altes Haus,
als hörte ich dich sprechen:

»Wie magst du mich, das lange Jahr
der Lieb und Eintracht Tempel war,
wie magst du mich zerstören?

Dein Ahnherr hat mich einst erbaut
und unter frommem Beten
mit seiner schönen, stillen Braut
mich dann zuerst betreten.
Ich weiß um alles wohl Bescheid,
um jede Lust, um jedes Leid,
was ihnen widerfahren.

Dein Vater ward geboren hier,
in der gebräunten Stube,
die ersten Blicke gab er mir,
der muntre, kräftge Bube.
Er schaute auf die Engelein,
die gaukeln in der Fenster Schein,
dann erst auf seine Mutter.

Und als er traurig schlich am Stab
nach manchen schönen Jahren,
da hat er schon, wie still ein Grab,
in meinem Schoß erfahren;
in jener Ecke saß er da,
und stumm und händefaltend sah
er sehnlich auf zum Himmel.

Du selbst – doch nein, das sag ich nicht,
ich will von dir nicht sprechen,
hat dieses alles kein Gewicht,
so laß nur immer brechen.
Das Glück zog mit dem Ahnherrn ein,
zerstöre du den Tempel sein,
damit es endlich weiche.

Noch lange Jahre kann ich stehn,
bin fest genug gegründet,
und ob sich mit der Stürme Wehn
ein Wolkenbruch verbündet;
kühn rag ich, wie ein Fels, empor,
und was ich auch an Schmuck verlor,
gewann ichs nicht an Würde?

Und hab ich denn nicht manchen Saal
und manch geräumig Zimmer?
Und glänzt nicht festlich mein Portal
in alter Pracht noch immer?
Noch jedem hats in mir behagt,
kein Glücklicher hat sich beklagt,
ich sei zu klein gewesen.

Und, wenn es einst zum letzten geht,
und wenn das warme Leben
in deinen Adern stille steht,
wird es dich nicht erheben,
dort, wo dein Vater sterbend lag,
wo deiner Mutter Auge brach,
den letzten Kampf zu streiten?«

Nun schweigt es still, das alte Haus
mir aber ists, als schritten
die toten Väter all heraus,
um für ihr Haus zu bitten,
und auch in meiner eignen Brust,
wie ruft so manche Kinderlust:
Laß stehn das Haus, laß stehen!

Indessen ist der Mauermann
schon ins Gebälk gestiegen,
er fängt mit Macht zu brechen an,
und Stein und Ziegel fliegen.
Still, lieber Meister, geh von hier,
gern zahle ich den Taglohn dir,
allein das Haus bleibt stehen.

1834.

An H. A. Th. Schacht

in Kopenhagen, Jugendfreund, der Hebbel im Lateinischen unterrichtet hatte.

... Denke Dir es einmal – ich bin einundzwanzig Jahr alt und für die Aufgabe meines Lebens ist nichts geschehen. Dieses Nichts ist hinreichend, mich zu einem Nichts zu machen; der langjährige Kampf mit den Verhältnissen hat mich so abgemattet, daß nur eine baldige Hilfe noch Hilfe für mich sein kann; nur noch ein Jahr und meine Kraft ist gebrochen, Du weißt dies alles. Meine Seele verliert ihre Spannkraft; die Lage zerstört den Menschen, wenn der Mensch die Lage nicht zerstören kann – es ist gewiß ...

... Wäre ich nur erst aus Wesselburen – Du solltest sehen, ich würde aufblühen, wie Arons Stab ...


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