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[Vorwort]

Den unendlichen Reichtum der Gedanken und Erkenntnisse Friedrich Hebbels auszumünzen will dies Buch nicht versuchen. Lediglich das Bild der menschlichen Persönlichkeit will es widerspiegeln, in ihrem unerhörten Ringen mit dem Schicksal, in der tragischen Größe ihrer Entwickelung, dazu in allen menschlichen Beziehungen und Fragen. So hofft der Herausgeber das erwachende Interesse für Hebbel in die Breite, aber auch in die Tiefe zu leiten: der starke Eindruck dieses Menschenlebens wird viele ein neues persönliches Verhältnis zu dem Dichter finden lassen, der immer entschiedener den wenigen Ganzgroßen zugezählt wird. – Hebbels Briefe bilden die zweite, seine Tagebücher die dritte Abteilung der großen von Richard Maria Werner herausgegebenen historisch kritischen Gesamtausgabe der Werke Friedrich Hebbels. (Berlin, B. Behr's Verlag.)

Der Witwe des Dichters
Frau Christine v. Hebbel
in Ehrfurcht gewidmet.

siehe Bildunterschrift

Friedrich Hebbel, nach einer zuerst vom »Kunstwart« veröffentlichten photographischen Aufnahme.

Dies Dithmarschen, seit drei Jahrhunderten zum Herzogtum Holstein geschlagen und jetzt dänischer Oberherrschaft unterworfen, bildete bis zum Jahre 1559 eine kleine Bauern-Republik, die sich trotz ihrer geographischen Winzigkeit in völliger Unabhängigkeit, sowohl von ihren neidischen Nachbarn, wie von Kaiser und Reich zu erhalten verstand. Oft wurde die Unterjochung versucht, Friedrich der Dritte belehnte den König von Dänemark sogar ausdrücklich mit dem Ländchen, aber er schenkte ihm einen Löwen, der erst gefangen werden sollte, und dies mißglückte jedesmal, am kläglichsten in der Schlacht bei Hemmingstedt, wo 30 000 Dänen und Holsteiner von 500 Dithmarschen, freilich unter Mitwirkung der Elemente, vernichtet und aufgerieben wurden. Allerdings waren diese Bauern nicht mit dem hörigen Menschenvieh zu vergleichen, welches anderwärts dumpf und gedankenlos unter der Peitsche des Treibers hinkeuchte; sie trugen ihren Kopf aufrecht und wußten wohl warum, ja die Dänen selbst erfanden seit dem Hemmingstedter Tage den Reim: Die Dithmarschen wären Bauern? sie mögen wohl Herren sein! Die Entwicklung Europas zu einem geschlossenen Staatenorganismus mußte der kleinen Republik trotz ihrer Zähigkeit zuletzt ein Ende machen, doch sie fiel würdig und edel und wußte viele wichtige Vorrechte bis auf den gegenwärtigen Tag zu behaupten ... Auch ist dem Dithmarschen bis in die jüngste Gegenwart hinein seine Eigentümlichkeit geblieben; er sieht auf die übrigen Friesen, die das Joch viel früher trugen als er, mit einem Stolz herab, wie die anderen Griechen auf die Böotier, und weiß sich überall, mit oder ohne Gewalt, den ersten Platz zu verschaffen. Ich leugne nicht, ich bilde mir auf meinen Volksstamm etwas ein, und habe nichts dagegen einzuwenden, wenn manche Kritiker in meinem Schriftstellerischen seine Fehler wie seine Tugenden wieder zu erkennen glaubten, ich glaube sogar, daß diese Bemerkung Grund hat.

Wien den 15. September 1852.
Friedrich Hebbel.


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