Jarosav Hasek
Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Jarosav Hasek

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10. Schwejk als Offiziersdiener heim Feldkuraten

I

Schwejks Odyssee begann von neuem unter der ehrenvollen Begleitung zweier Soldaten mit »Bajonett auf«, die ihn zum Feldkuraten bringen sollten.

Seine Begleiter waren Männer, die einander gegenseitig ergänzten. War der eine von ihnen lang und hager, so war der andere klein und dick. Der Lange hinkte auf dem rechten Fuß, der kleine Soldat auf dem linken. Beide dienten im Hinterlande, weil sie früher, bis zum Krieg, vom Militärdienst vollständig befreit gewesen waren.

Sie gingen ernsthaft auf der Fahrbahn und blickten von Zeit zu Zeit von der Seite auf Schwejk, der in der Mitte schritt und jedem zweiten salutierte. Seine Zivilkleider waren im Magazin des Garnisonsarrestes verlorengegangen, samt seiner Militärkappe, mit der er zur Assentierung gegangen war. Bevor man ihn entließ, hatte man ihm eine alte militärische Montur gegeben, die einem Dickwanst gehört haben mußte, der um einen Kopf größer war als Schwejk.

In die Hosen, die er trug, wären noch drei Schwejks hineingegangen. Endlose Falten von den Füßen bis über die Brust, wohin die Hosen reichten, erweckten unwillkürlich die Verwunderung der Schaulustigen. Eine ungeheure Bluse mit Flicklappen auf den Ellbogen, voller Fettflecke und schmutzig, schlotterte an Schwejk wie ein Rock an einer Vogelscheuche. Die Hosen hingen an ihm hinunter wie ein Kostüm an einem Zirkusclown. Die Militärkappe, die man ihm gleichfalls im Garnisonsarrest ausgetauscht hatte, reichte ihm bis über die Ohren.

Auf das Gelächter der Vorübergehenden antwortete Schwejk mit einem weichen, warmen Lächeln und der Sanftmut seiner gutmütigen Augen.

Und so marschierten sie nach Karolinental, zur Wohnung des Feldkuraten.

Als erster wurde Schwejk von dem kleinen Dicken angesprochen. Sie schritten gerade auf der Kleinseite unter dem Laubengang.

»Woher bist du?« fragte der kleine Dicke.

»Aus Prag.«

»Und wirst du uns nicht weglaufen?«

Der Lange mischte sich ins Gespräch. Es ist eine überaus merkwürdige Erscheinung, daß die kleinen Dicken größtenteils gutmütige Optimisten zu sein pflegen, während die hageren Langen im Gegenteil Skeptiker sind.

Und deshalb sagte der Lange zu dem Kleinen:

»Wenn er könnt, möcht er weglaufen.«

»Und warum möcht er weglaufen«, ließ sich der kleine Dickwanst vernehmen, »er ist so gut wie frei, ausm Garnisonsarrest heraus. Hier trag ichs im Paket.«

»Und was is dort in dem Paket fürn Feldkuraten?« fragte der Lange.

»Das weiß ich nicht.«

»Also siehst du, weißt nicht und redst.«

Sie gingen in tiefem Schweigen über die Karlsbrücke. In der Karlsgasse sagte abermals der kleine Dicke zu Schwejk:

»Weißt du nicht, warum wir dich zum Feldkuraten führen?«

»Zur Beichte«, warf Schwejk gleichmütig hin, »morgen wer ich aufgehängt. Das macht man immer so und nennt es geistlichen Trost.«

»Und warum wird man dich, wie man sagt . . .«, fragte vorsichtig der Lange, während der Dicke Schwejk teilnahmsvoll betrachtete.

Beide waren Handwerker vom Land, Familienväter.

»Ich weiß nicht«, antwortete Schwejk, gutmütig lächelnd, »ich weiß von nichts. Vielleicht is es Bestimmung.«

»Wahrscheinlich bist du auf einem unglücklichen Planeten geboren«, bemerkte der Kleine mitfühlend mit Kennermiene, »bei uns in Jasena bei Josefstadt, noch während des Preußenkrieges, hat man auch einen gehängt. Sie ham ihn geholt, ham ihm nichts gesagt und in Josefstadt ham sie ihn gehängt.«

»Ich glaub«, sagte der Lange skeptisch, »daß man einen Menschen nicht um nichts und wieder nichts hängt, es muß immer eine Ursache dazu sein, damit mans begründen kann.«

»Wenn kein Krieg is«, bemerkte Schwejk, »so muß mans begründen, aber im Krieg nimmt man auf einen Menschen nicht Rücksicht. Soll er an die Front, oder zu Haus gehängt wern. Gehupft wie gesprungen.«

»Hör einmal, bist du nicht am Ende politisch?« fragte die Hopfenstange. Dem Ton dieser Frage merkte man an, daß der Lange anfing, Schwejk geneigt zu sein.

»Politisch bin ich bis zuviel«, lachte Schwejk.

»Bist du nicht Nationalsozialist?« Jetzt fing der kleine Dicke an, vorsichtig zu sein. Er mischte sich ins Gespräch. »Was geht uns das an«, sagte er, »überall is voll von Menschen, und man beobachtet uns. Wenn wir wenigstens in einem Hausflur die Bajonette abnehmen könnten, damits nicht so ausschaut. Wirst du uns nicht weglaufen? Wir hätten draus Unannehmlichkeiten. Hab ich nicht recht, Toni?« wandte er sich an den Langen, der leise sagte:

»Die Bajonette könnten wir abnehmen. Er ist doch einer von den Unsern.«

Er hörte auf, Skeptiker zu sein, und seine Seele war von Mitleid mit Schwejk erfüllt. Sie suchten also einen geeigneten Hausflur, wo sie die Bajonette hinunternahmen, und der Dicke erlaubte Schwejk, neben ihm zu gehen.

»Du möchtest rauchen, was?« sagte er, »ob sie dich wohl rauchen lassen werden, bevor sie dich aufhängen«, aber er vollendete den Satz nicht, denn er fühlte, daß es eine Taktlosigkeit gewesen wäre.

Sie rauchten alle, und die Begleiter Schwejks fingen an, ihm von ihren Familien im Königgrätzer Kreis zu erzählen, von ihren Frauen, Kindern, von einem Stückchen Feld, von einer Kuh. –

»Ich hab Durst«, sagte Schwejk.

Der Lange und der Kleine blickten einander an.

»Auf ein Bier möchten wir auch gehn«, sagte der Kleine, die Zustimmung des Langen herausfühlend, »aber irgendwohin, wos nicht auffallend wär.«

»Gehn wir zum ›Kuklik‹«, schlug Schwejk vor, »die Bajonette stellt ihr in die Küche, der Wirt Serabona is Sokol, vor dem müßt ihr euch nicht fürchten.«

»Man spielt dort Geige und Harmonika«, fuhr Schwejk fort, »und es gehn Straßenmädel hin und verschiedene andere feine Leute, die nicht ins RepräsentationshausEin bekanntes Prager Restaurant. dürfen.«

Der Lange und der Kleine schauten einander nochmals an, und dann sagte der Lange: »Also gehn wir hin, nach Karolinental is noch weit.«

Unterwegs erzählte ihnen Schwejk verschiedene Anekdoten, und sie traten gutgelaunt bei »Kuklik« ein und taten so, wie Schwejk ihnen geraten hatte. Die Gewehre deponierten sie in der Küche und betraten das Lokal, wo Geige und Harmonika den Raum mit Klängen des beliebten Liedes erfüllten: »Ja in Pankrác, auf den kleinen Hügel, führt ein hübscher kühler Weg . . .«

Irgendein Fräulein, das einem abgelebten Jüngling mit glattfrisiertem Scheitel auf dem Schoß saß, sang mit heiserer Stimme: »Hab ein Mädel aufgegabelt, und ein anderer geht mit ihr.«

Bei einem Tisch schlief ein betrunkener Sardinenverkäufer, von Zeit zu Zeit wachte er auf, schlug mit der Faust auf den Tisch, murmelte: »Es geht nicht«, und schlief wieder weiter. Hinter dem Billard unter dem Spiegel saßen drei andere Damen und riefen einem Kondukteur von der Eisenbahn zu: »Junger Herr, spendierens uns a Wermut.« Bei der Musik stritten zwei darüber, ob eine gewisse Marie gestern von der Patrouille erwischt worden sei. Einer hatte es mit eigenen Augen gesehen, und der zweite behauptete, Marie sei sich mit einem Soldaten zu »Walsch« ins Hotel ausschlafen gegangen.

In der Nähe der Tür saß ein Soldat mit einigen Zivilisten und erzählte ihnen von seiner Verwundung in Serbien. Eine Hand hatte er verbunden und seine Taschen waren voller Zigaretten, die er von den Leuten bekommen hatte. Er sagte, daß er nicht mehr trinken könne, und einer von der Gesellschaft, ein glatzköpfiger Greis, forderte ihn unaufhörlich auf: »Trinken Sie nur, mein Lieber, wer weiß, ob wir noch mal zusammenkommen. Soll ich Ihnen was aufspieln lassen? Hören Sie gern ›Das Waisenkind‹?«

Das war nämlich das Lieblingslied des glatzköpfigen Greises, und wirklich kreischten bald darauf Geige und Harmonika auf, während dem Greis Tränen in die Augen schossen und er mit zitternder Stimme sang: »Als es Sprach erlangte, nach der Mutter bangte, nach der Mutter bangte.«

Vom Nebentisch her ertönte es: »Lassen Sie sich das. Lassen Sie sich ausstopfen. Hängen Sie sich auf einen Nagel. Verduften Sie mit Ihrem Waisenkind.«

Und gleichsam als letzten Trumpf begann der feindliche Tisch zu singen: »Scheiden, ach Scheidens Schmerz, mir bricht dabei das Herz . . .«

»Franto!« rief man dem verwundeten Soldaten zu, als man »Das Waisenkind«, alles übertäubend, zu Ende gesungen hatte, »laß sie schon sein und setz dich zu uns. Pfeif auf sie und schick Zigaretten herüber! Wirst sie doch nicht unterhalten, die Schlappschwänze.«

Schwejk und seine Begleiter betrachteten das alles mit Interesse.

Schwejk versenkte sich in Erinnerungen. Wie oft war er hier vor dem Krieg gesessen. Häufig war Polizeikommissär Draschner zu einer Razzia hergekommen, die Prostituierten, die sich vor ihm fürchteten, hatten ein Lied mit einem Spottext auf ihn verfaßt. Einmal sangen sie im Chor:

»Als mal Herr Draschner kam,
hub ein großes Breigel an,
Maňa, die war besoffen,
hats mit Draschner gut getroffen.«

Im nämlichen Augenblicke war Draschner mit seinen Leuten eingetreten, fürchterlich und unerbittlich. Es war, wie wenn man mitten unter Rebhühner schießt. Zivilpolizisten trieben alles zu einem Haufen zusammen. Auch er, Schwejk, kam damals in diesen Haufen, denn bei seinem Pech hatte er Kommissär Draschner gesagt, als ihn dieser aufforderte, sich zu legitimieren: »Haben Sie dazu eine Bewilligung von der Polizeidirektion?« Schwejk erinnerte sich auch eines Dichters, der hier unter dem Spiegel zu sitzen pflegte und in dem allgemeinen Lärm bei Gesang und Harmonikaklängen seine Gedichte schrieb und sie den Prostituierten vorlas.

Schwejks Begleiter hingegen hatten keinerlei ähnliche Reminiszenzen. Es war für sie etwas vollkommen Neues. Sie fingen an, Gefallen daran zu finden. Der erste von ihnen, der hier volle Befriedigung fand, war der kleine Dicke, denn solche Menschen besitzen außer ihrem Optimismus eine große Neigung zum Epikureismus. Der Lange kämpfte eine Weile mit sich selbst. Und als er bereits seine Skepsis verloren hatte, verlor er allmählich auch seine Gemessenheit und den Rest von Überlegung.

»Ich wer bißl tanzen«, sagte er nach dem fünften Bier, als er die Paare »Schlapak« tanzen sah.

Der Kleine gab sich völlig dem Genusse hin. Neben ihm saß ein Fräulein, das schlüpfrige Dinge sprach. Seine Augen funkelten nur so.

Schwejk trank. Der Lange beendete den Tanz und kam mit seiner Tänzerin zum Tisch zurück. Dann sangen sie, tanzten, tranken ununterbrochen, tätschelten ihre Nachbarinnen. In dieser Atmosphäre von käuflicher Liebe, Nikotin und Alkohol, kreiste unauffällig der alte Wahlspruch: »Nach uns die Sintflut!«

Nachmittags setzte sich ein Soldat zu ihnen und machte sich erbötig, ihnen für einen Fünfer eine Phlegmone und eine Blutvergiftung zu besorgen. Er habe die Injektionsspritze mit und werde ihnen ins Bein oder in die Hand Petroleum spritzen.Ein ziemlich bewährtes Mittel, ins Spital zu kommen. Allein der Geruch des Petroleums, der in der Schwellung bleibt, wirkt verräterisch. Benzin ist besser, weil es früher verraucht. Später hat man Äther mit Benzin eingespritzt und noch später andere Vervollkommnungen erreicht. Anm. des Verfassers. Er erklärte, sie würden damit wenigstens zwei Monate zubringen und, wenn sie die Wunde mit Speichel behandelten, eventuell ein Jahr, und man werde sie zum Schluß gänzlich vom Militärdienst befreien müssen.

Der Lange, der bereits sein seelisches Gleichgewicht verloren hatte, ließ sich auf dem Abort von dem Soldaten Petroleum unter die Haut am Bein spritzen.

Als sich bereits der Abend herabsenkte, schlug Schwejk vor, den Weg zum Feldkuraten anzutreten. Der kleine Dicke, der schon zu lallen anfing, redete Schwejk zu, noch zu warten. Der Lange war auch der Ansicht, der Feldkurat könne warten. Schwejk gefiel es aber nicht mehr bei »Kuklik«; und deshalb drohte er ihnen, allein zu gehen.

Sie gingen also, aber er mußte ihnen versprechen, daß sie alle noch irgendwo einkehren würden.

Sie kehrten auf dem Florenz in einem kleinen Kaffeehaus ein, wo der Dicke seine silberne Uhr verkaufte, um sich noch weiter vergnügen zu können.

Aus diesem Lokal führte sie Schwejk bereits unterm Arm. Das war eine schreckliche Arbeit. Ununterbrochen knickten ihnen die Knie ein, ununterbrochen wollten sie noch irgendwo einkehren. Der kleine Dicke hätte beinahe das Paket für den Feldkuraten verloren, weshalb Schwejk gezwungen war, das Paket selbst zu tragen.

Schwejk mußte sie unausgesetzt auf die Offiziere aufmerksam machen, die ihnen entgegenkamen. Nach übermenschlicher Anstrengung und Mühewaltung gelang es ihm schließlich, sie zu dem Haus in der Königstraße zu schleppen, wo der Feldkurat wohnte.

Schwejk selbst steckte ihnen die Bajonette auf die Gewehre und zwang sie durch Rippenstöße, ihn zu führen, statt sich von ihm führen zu lassen.

Im ersten Stock, wo sich an der Wohnungstür die Visitenkarte »Otto Katz, Feldkurat« befand, öffnete ihnen ein Soldat. Aus dem Zimmer ertönten Stimmen und das Klirren von Gläsern und Flaschen.

»Wir – melden – gehorsamst – Herr – Feldkurat«, sagte der Lange mühsam, indem er dem Soldaten salutierte, »ein – Paket – und ein Mann gebracht.«

»Kommt herein«, sagte der Soldat, »wo habt ihr euch denn so zugerichtet? Der Herr Feldkurat is hier . . .« Der Soldat spuckte aus.

Er verschwand mit dem Paket. Sie warteten lange im Vorzimmer. Dann öffnete sich die Türe, und der Feldkurat kam ins Vorzimmer, nicht geschritten, sondern geflogen. Er war nur in Hemdärmeln und hielt in der Hand eine Zigarre. »Also Sie sind schon da«, sagte er zu Schwejk, »man hat Sie also hergebracht. Eh – haben Sie keine Streichhölzer?«

»Nein, melde gehorsamst, Herr Feldkurat.«

»Eh – und warum haben Sie keine Streichhölzer? Jeder Soldat soll Streichhölzer haben, damit er Feuer geben kann. Ein Soldat, der keine Streichhölzer hat, ist . . . Was ist er?«

»Er is, melde gehorsamst, ohne Streichhölzer«, antwortete Schwejk.

»Sehr gut, er ist ohne Streichhölzer und kann niemandem Feuer geben. So, also das wäre eins, und jetzt das zweite. Stinken Ihnen nicht die Füße, Schwejk?«

»Melde gehorsamst, daß nicht.«

»So, das wäre das zweite. Und jetzt das dritte. Trinken Sie Schnaps?«

»Melde gehorsamst, daß ich nicht Schnaps trink, nur Rum.«

»Gut, schaun Sie sich hier diesen Soldaten an. Den hab ich mir für heut vom Oberleutnant Feldhuber ausgeborgt, er ist sein Putzfleck. Und der trinkt nichts, er ist Ab-ab-ab-stinenzler und wird deshalb mit der Marschkompanie abgehen. W-weil ich so einen Menschen nicht brauchen kann. Das ist kein Putzfleck, das ist eine Kuh. Die trinkt nur Wasser und die buht wie ein Ochs.«

»Du bist Abstinenzler«, wandte er sich an den Soldaten, »daß du dich nicht schämst, Trottl. Du verdienst paar Watschen.«

Der Feldkurat kehrte seine Aufmerksamkeit den beiden Helden zu, die mit Schwejk gekommen waren und in dem Bestreben geradezustehen hin und her wankten, wobei sie sich vergeblich auf ihre Gewehre stützten.

»Ihr habt euch be-betrunken«, sagte der Feldkurat, »habt euch im Dienst betrunken und dafür laß ich euch ein-einsperren. Schwejk, Sie nehmen ihnen die Gewehre ab und führen sie in die Küche und werden sie bewachen, bis die Patrouille kommt, um sie abzuführen. Ich werde gleich in die Kaserne telefonie-nie-nie-nie-nieren.«

Und so fanden Napoleons Worte: »Im Kriege verändert sich die Situation jeden Augenblick«, auch hier ihre volle Bestätigung.

Am Morgen hatten ihn die beiden »Bajonett auf« geführt, in der Angst, er könne ihnen weglaufen, dann hatte er selbst sie hergebracht, und zum Schluß mußte er sie selbst bewachen.

Anfangs waren sie sich dieser Veränderung nicht gut bewußt, erst als sie in der Küche saßen und Schwejk mit Gewehr und Bajonett bei der Tür stehen sahen, ging ihnen ein Licht auf.

»Ich möcht was trinken«, seufzte der kleine Optimist, während der Lange wieder einen Anfall von Skeptizismus bekam und sagte, daß das alles ein elender Verrat sei. Er fing an, Schwejk laut zu beschuldigen, weil er sie in eine solche Lage gebracht habe, und warf ihm vor, daß er ihnen versprochen habe, er werde morgen gehängt werden; jetzt stelle sich heraus, daß alles nur ein Jux gewesen sei, die Beichte und das Hängen.

Schwejk schwieg und ging vor der Tür auf und ab.

»Ochsen waren wir!« schrie der Lange.

Zum Schluß, nachdem er die beiden Beschuldigten angehört hatte, verkündete Schwejk:

»Jetzt seht ihr wenigstens, daß das Militär kein Honiglecken is. Ich tu meine Pflicht. Ich bin grad so hineingefallen wie ihr, aber wie man in der Volkssprache sagt, mir war das Glück hold.«

»Ich möcht was trinken«, wiederholte verzweifelt der Optimist.

Der Lange stand auf und ging schwankenden Schritts zur Tür. »Laß uns nach Haus«, sagte er zu Schwejk.

»Fahr ab«, entgegnete Schwejk, »ich muß euch bewachen. Jetzt kennen wir uns nicht.«

In der Tür zeigte sich der Feldkurat: »Ich – ich kann nicht und nicht eine Verbindung mit der Kaserne bekommen, also gehts nach Haus und me-merkt euch, daß man im Dienst nicht sau-saufen darf. Marsch!«

Zur Ehre des Herrn Feldkuraten sei gesagt, daß er nicht in die Kaserne telefoniert hatte, weil er gar kein Telefon besaß, sondern in eine Stehlampe gesprochen hatte.

II

Schwejk war bereits den dritten Tag Bursche beim Feldkuraten Otto Katz und hatte ihn während dieser Zeit nur einmal gesehen. Am dritten Tag kam der Bursche vom Oberleutnant Helmich und forderte Schwejk auf, er möge den Feldkuraten abholen.

Unterwegs teilte er Schwejk mit, der Feldkurat sei mit dem Oberleutnant in Streit geraten und habe das Pianino zerbrochen; er sei bis zur Bewußtlosigkeit besoffen und wolle nicht nach Hause gehn.

Oberleutnant Helmich sei ebenfalls besoffen, habe den Feldkuraten auf den Gang geworfen, und der sitze vor der Tür auf der Erde und schlummere.

Nachdem Schwejk an Ort und Stelle angelangt war, rüttelte er den Feldkuraten, und als dieser etwas brummte und die Augen aufschlug, salutierte Schwejk und sagte: »Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, daß ich hier bin.«

»Und was wollen Sie – hier?«

»Melde gehorsamst, daß ich Sie abholn soll, Herr Feldkurat.«

»Sie solln mich also abholen – und wohin gehn wir?«

»In Ihre Wohnung, Herr Feldkurat.«

»Und warum soll ich in meine Wohnung gehn, bin ich denn nicht in meiner Wohnung?«

»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, daß Sie am Gang in einem fremden Haus sind.«

»Und – wie – bin – ich hergekommen?«

»Melde gehorsamst, Sie waren zu Besuch.«

»Zu – zu – Besuch war ich – nicht. – Da – i-irren Sie sich.«

Schwejk hob den Feldkuraten auf und stellte ihn an die Wand.

Der Feldkurat taumelte von einer Seite zur andern, wälzte sich auf Schwejk und sagte: »Ich fall um.«

»Fall um«, wiederholte er nochmals, blödsinnig lachend. Schließlich gelang es Schwejk, den Feldkuraten an die Wand zu drücken, worauf dieser in der neuen Position abermals zu schlummern anfing.

Schwejk weckte ihn. »Was wünschen Sie?« sagte der Feldkurat mit dem vergeblichen Versuch, an der Wand hinabzugleiten und sich auf die Erde zu setzen. »Wer sind Sie eigentlich?«

»Melde gehorsamst«, antwortete Schwejk, den Feldkuraten wieder an die Wand drückend, »ich bin Ihr Putzfleck, Herr Feldkurat.«

»Ich hab keinen Putzfleck«, sagte der Feldkurat mühsam mit einem neuen Versuch, auf Schwejk zu fallen, »ich bin kein Feldkurat.«

»Ich bin ein Schwein«, fügte er mit der Aufrichtigkeit des Säufers hinzu, »lassen Sie mich los, mein Herr, ich kenn Sie nicht.«

Der kleine Kampf endete mit dem völligen Sieg Schwejks. Schwejk nützte seinen Sieg dahin aus, daß er den Feldkuraten über die Treppe in den Hausflur schleppte, wo der Feldkurat Widerstand leistete, um nicht auf die Straße gezogen zu werden.

»Ich kenne Sie nicht, mein Herr«, sagte er zu Schwejk während des Kampfes ununterbrochen: »Kennen Sie einen gewissen Otto Katz? Das bin ich.«

»Ich war beim Bischof«, grölte er, während er sich am Haustor festhielt. »Der Vatikan interessiert sich für mich, verstehn Sie?«

Schwejk ließ das »Melde gehorsamst« beiseite und sprach mit dem Feldkuraten in rein vertraulichem Ton.

»Laß los, sag ich«, rief er, »oder ich hau dir eins über die Pratzen. Wir gehn nach Haus und basta. Kein Wort mehr.«

Der Feldkurat ließ die Türe los und umklammerte Schwejk: »Gehn wir also irgendwohin, aber zu ›Schuha‹ geh ich nicht, dort bin ich schuldig.«

Schwejk drängte und trug ihn aus dem Hausflur hinaus und schleppte ihn übers Trottoir in der Richtung der Wohnung.

»Was ist denn das für ein Herr?« fragte jemand von den Zuschauern auf der Straße.

»Das is mein Bruder«, antwortete Schwejk, »er hat Urlaub bekommen, so is er mich besuchen gekommen und hat sich vor Freude besoffen, weil er geglaubt hat, daß ich tot bin.«

Der Feldkurat, der irgendein Operettenmotiv vor sich hin pfiff, das niemand erkannt hätte, hatte die letzten Worte gehört, richtete sich auf und wandte sich an die Vorübergehenden: »Wer von euch tot ist, soll sich binnen drei Tagen beim Korpskommando melden, damit seine Leiche eingesegnet werden kann.«

Dann verfiel er in Schweigen, bemüht, mit der Nase aufs Trottoir zu fallen, während Schwejk ihn unter den Armen nach Hause schleppte.

Den Kopf nach vorn geneigt, die Füße nachschleppend, die er verwechselte, wie eine Katze mit zerschlagenem Rückgrat, summte der Feldkurat vor sich hin: »Dominus vobiscum – et cum spiritu tuo. Dominus vobiscum.«

Auf einem Droschkenstandplatz setzte Schwejk den Feldkuraten an die Wand und ging zu einem Droschkenkutscher, um mit ihm wegen der Heimfahrt zu verhandeln.

Einer der Droschkenkutscher erklärte, er kenne diesen Herrn sehr gut, er habe ihn einmal gefahren und werde es nie wieder tun.

»Alles hat er mir bekotzt«, drückte er sich unverblümt aus, »und nicht mal für die Fahrt bezahlt. Über zwei Stunden hab ich ihn gefahren, bevor er seine Wohnung gefunden hat. Erst nach einer Woche, als ich vielleicht dreimal bei ihm war, hat er mir für alles fünf Kronen gegeben.«

Nach langem Verhandeln entschloß sich einer von den Droschkenkutschern, ihn heimzufahren.

Schwejk kehrte zu dem schlafenden Feldkuraten zurück. Den harten schwarzen Hut (er pflegte gewöhnlich in Zivil zu gehen) hatte ihm jemand vom Kopf genommen und fortgetragen.

Schwejk weckte den Feldkuraten und beförderte ihn mit Hilfe des Droschkenkutschers in die Droschke. In der Droschke verfiel der Feldkurat in völlige Stumpfheit, hielt Schwejk für Oberst Just vom 75. Infanterieregiment und wiederholte einigemal hintereinander: »Sei nicht bös, Kamerad, daß ich dich duze, ich bin ein Schwein.«

Eine Zeitlang schien es, als sei er durch das Rattern der Droschke zu Vernunft gekommen. Er setzte sich grade hin und begann ein Lied zu singen. Mag sein, daß es nur seiner Phantasie entsprungen war:

»Ich denk der schönen Tage,
wo ich ihm am Schoße saß,
ja, es klingt wie eine Sage:
In Merklin bei Taus war das.«

Bald verfiel er jedoch wieder in vollständige Stumpfheit, und während er sich an Schwejk wandte, fragte er ihn, das eine Auge schließend: »Wie geht es Ihnen heute, gnädige Frau?«

»Fahren Sie irgendwohin auf Sommerwohnung?« sagte er nach einer kurzen Pause, und alles doppelt sehend, fragte er: »Sie haben schon einen erwachsenen Sohn?« Dabei zeigte er mit dem Finger auf Schwejk.

»Wirst du sitzen bleiben!« schrie Schwejk ihn an; als der Feldkurat auf den Sitz klettern wollte, »glaub nicht, daß ich dich nicht Ordnung lernen wer!«

Der Feldkurat verstummte und schaute mit kleinen Schweinsäuglein aus der Droschke, ohne zu begreifen, was eigentlich mit ihm vorging.

Er mengte alle Begriffe durcheinander und sagte, zu Schwejk gekehrt, beklommen: »Geben Sie mir erste Klasse, Frau.« Er machte den Versuch, die Hosen herunterzulassen.

»Gleich knöpfst du dich zu, Schweinkerl!« schrie Schwejk ihn an, »alle Droschkenkutscher kennen dich schon, einmal hast du dich schon bekotzt, und jetzt noch das! Glaub nicht, daß du wieder was schuldig bleiben wirst wie das letztemal!«

Der Feldkurat stützte den Kopf melancholisch auf die Hände und begann zu singen: »Mich hat schon keiner lieb . . .« Er unterbrach aber augenblicklich seinen Gesang und bemerkte: »Entschuldigen Sie, lieber Kamerad, Sie sind ein Trottl, ich kann singen, was ich will.«

Er wollte offenbar irgendeine Melodie pfeifen, aber statt dessen strömte ein so mächtiges: Prrr! von seinen Lippen, daß die Droschke stehenblieb.

Als sie dann über Schwejks Aufforderung den Weg fortsetzten, versuchte der Feldkurat, sich die Zigarettenspitze anzuzünden.

»Es brennt nicht«, sagte er verzweifelt, als er eine Schachtel Streichhölzer verbraucht hatte, »Sie blasen mir hinein.«

Er verlor jedoch sofort wieder den Faden zur Fortsetzung und begann zu lachen: »Das ist ein Jux, wir sind allein in der Elektrischen, nicht wahr, Herr Kollege?« Er begann seine Taschen zu durchsuchen.

»Ich hab die Karte verloren!« schrie er, »halten Sie an, die Karte muß sich finden!«

Er winkte resigniert mit der Hand:

»Fahren Sie nur . . .«

Dann plapperte er: »In den meisten Fällen. – Ja, in Ordnung. – In allen Fällen. – Sie sind im Irrtum. – Zweiter Stock? Das ist eine Ausrede. – Es handelt sich nicht um mich, aber um Sie, gnädige Frau. – Zahlen. – Ich hab einen Schwarzen . . .«

Er begann im Halbtraum mit irgendeinem vermeintlichen Feind zu streiten, der ihm das Recht absprach, im Restaurant am Fenster zu sitzen. Dann fing er an, die Droschke für einen Zug zu halten, neigte sich hinaus und schrie tschechisch und deutsch auf die Straße: »Nimburg, umsteigen!«

Schwejk zog ihn zurück, und der Feldkurat vergaß den Zug und begann verschiedene Tierstimmen nachzuahmen. Am längsten verweilte er beim Hahn, und sein Kikeriki scholl siegreich aus der Droschke.

Eine Zeitlang war er sehr lebhaft und unruhig und versuchte aus der Droschke zu fallen, wobei er die Leute, an denen die Droschke vorbeifuhr, Gassenbuben schimpfte. Dann warf er das Taschentuch aus der Droschke und schrie, man möge halten, er habe das Gepäck verloren. Hierauf begann er zu erzählen: »In Budweis gabs einen Tambour. – Er hat geheiratet. – In einem Jahr ist er gestorben.« Er fing zu lachen an: »Ist das nicht eine gute Anekdote?«

Während der ganzen Fahrt verfuhr Schwejk mit dem Feldkuraten mit rücksichtsloser Strenge.

Bei den verschiedenen Versuchen des Feldkuraten, einen kleinen Scherz zu vollführen, so wie etwa aus der Droschke zu fallen oder den Sitz abzubrechen, versetzte ihm Schwejk eins nach dem andern in die Rippen, was der Feldkurat mit ungewöhnlicher Stumpfheit hinnahm.

Nur einmal machte er den Versuch, sich aufzulehnen und aus der Droschke zu springen, indem er erklärte, er fahre nicht mehr weiter, er wisse, daß sie statt nach Budweis nach Bodenbach kommen würden. Binnen einer Minute liquidierte Schwejk seine Empörung vollständig und zwang Katz in seine frühere Lage auf den Sitz zurück, wobei er darauf achtete, ihn nicht einschlafen zu lassen. Das Feinste, was er dabei vorbrachte, war: »Schlaf nicht, du Krepierl!«

Der Feldkurat bekam plötzlich einen Anfall von Melancholie und begann zu weinen, während er Schwejk fragte, ob er eine Mutter gehabt habe.

»Ich bin allein auf der Welt, Leutl!« schrie er aus der Droschke, »nehmt euch meiner an!«

»Mach mir keinen Schkandal«, ermahnte ihn Schwejk, »hör auf, sonst wird jeder sagen, daß du dich besoffen hast.«

»Ich hab nichts getrunken, Kamerad«, antwortete der Feldkurat, »ich bin ganz nüchtern.«

Aber auf einmal stand er auf und salutierte: »Melde gehorsamst, Herr Oberst, ich bin besoffen.«

»Ich bin ein Schwein«, wiederholte er rasch hintereinander in verzweifelter, aufrichtiger Hoffnungslosigkeit.

Und zu Schwejk gekehrt bat und bettelte er hartnäckig: »Werfen Sie mich doch aus dem Automobil hinaus! Warum wollen Sie mich mitnehmen?«

Er setzte sich nieder und brummte: »Um den Mond herum bilden sich Räder. – Glauben Sie an die Unsterblichkeit der Seele, Herr Hauptmann? Kann ein Pferd in den Himmel kommen?«

Er fing laut zu lachen an, aber bald darauf wurde er traurig und apathisch und schaute Schwejk an, wobei er bemerkte:

»Erlauben Sie, mein Herr, ich hab Sie schon irgendwo gesehn. Waren Sie nicht in Wien? Ich erinner mich an Sie aus dem Seminar.«

Eine Zeitlang unterhielt er sich damit, lateinische Verse zu deklamieren:

»Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo.«

»Weiter gehts nicht!« sagte er, »werfen Sie mich hinaus! Warum wollen Sie mich nicht hinauswerfen? Es wird mir nichts geschehn.«

»Ich will auf die Nase fallen«, erklärte er mit entschiedener Stimme.

»Lieber Herr«, fuhr er wieder bittend fort, »teurer Freund, geben Sie mir eine Ohrfeige.«

»Eine oder mehrere?« fragte Schwejk.

»Zwei.«

»Hier sind sie . . .«

Der Feldkurat zählte laut die Ohrfeigen, die er bekam, wobei er glückselig zu sein schien.

»Das tut wohl«, sagte er, »wegen dem Magen, es fördert die Verdauung. Geben Sie mir noch eins übers Maul.«

»Herzlichen Dank!« rief er, als Schwejk ihm schnell willfahrte, »ich bin vollständig zufrieden. Zerreißen Sie mir die Weste, ich bitt Sie.«

Er äußerte die merkwürdigsten Wünsche. Er wünschte, Schwejk solle ihm ein Bein ausreißen, ihn ein bißchen würgen, ihm die Nägel schneiden oder die Vorderzähne ziehen.

Er äußerte Märtyrerwünsche und verlangte, Schwejk möge ihm den Kopf abreißen und in einem Sack in die Moldau werfen.

»Mir würden die Sternchen um den Kopf gut stehen«, sagte er mit Begeisterung, »ich könnt ihrer zehn brauchen.«

Dann begann er von den Rennen zu sprechen und ging schnell zum Ballett über, bei dem er sich auch nicht lange aufhielt.

»Tanzen Sie Csárdás?« fragte er Schwejk, »kennen Sie den Bärentanz? So . . .«

Er wollte in die Höhe springen und fiel auf Schwejk, der zu boxen anfing und ihn dann auf den Sitz legte.

»Ich will etwas!« schrie der Feldkurat, »aber ich weiß nicht was. Wissen Sie nicht, was ich will?« Er ließ den Kopf in völliger Resignation hängen.

»Was gehts mich an, was ich will«, sagte er ernst, »und Sie, Herr, gehts auch nichts an. Ich kenne Sie nicht. Was unterstehn Sie sich, mich zu fixieren? Können Sie fechten?«

Er wurde für eine Minute kampflustig und machte den Versuch, Schwejk vom Sitz zu werfen.

Dann, als Schwejk ihn beruhigt hatte, wobei er ihn ohne Scheu sein physisches Übergewicht fühlen ließ, fragte der Feldkurat: »Haben wir heut Montag oder Freitag?«

Er war auch neugierig, ob gerade Dezember oder Juni sei und bezeugte eine große Fähigkeit, die verschiedensten Fragen zu stellen: »Sind Sie verheiratet? Essen Sie gern Gorgonzola?Käse, nach dem italienischen Ort Gorgonzola benannt. Habt ihr zu Haus Wanzen gehabt? Hatte euer Hund die Hundeseuche?«

Er wurde mitteilsam. Er erzählte, daß er die Reitstiefel, die Peitsche und den Sattel schuldig sei, daß er vor Jahren Tripper gehabt und ihn mit Hypermangan kuriert habe.

»Zu etwas anderem war weder Zeit noch Rat«, sagte er rülpsend, »kann sein, daß es Ihnen bitter scheint. Aber sagen Sie, eah, eah, was soll ich machen, eah? Sie müssen mirs schon verzeihn.«

»Autotherm«, fuhr er fort, indem er vergaß, wovon er vor einer Weile gesprochen hatte, »heißen Gefäße, die Getränke und Speisen in ihrer ursprünglichen Wärme erhalten. Was halten Sie davon, Herr Kollege, welches Spiel ist gerechter: Färbl oder Einundzwanzig?«

»Wirklich, ich hab dich schon irgendwo gesehn!« rief er, indem er versuchte, Schwejk zu umarmen und mit den Lippen voller Speichel zu küssen, »wir sind zusammen in die Schule gegangen.«

»Du guter Kerl, du«, sagte er sanft, während er seinen eigenen Fuß streichelte, »wie du gewachsen bist, seit ich dich nicht gesehn hab. Die Freude, daß ich dich seh, wiegt alle Leiden auf.«

Er geriet in Dichterlaune und hub an, von der Rückkehr glücklicher Gesichter und heißer Herzen zum Sonnenglanz zu sprechen.

Dann kniete er nieder und begann zu beten: »Gegrüßt seist du, Maria«, wobei er aus vollem Halse lachte.

Als sie vor seiner Wohnung hielten, war es sehr schwer, ihn aus der Droschke zu bekommen.

»Wir sind noch nicht an Ort und Stelle!« schrie er, »helft mir! Man entführt mich! Ich will weiterfahren!« Er wurde im wahren Sinne des Wortes aus der Droschke gezogen wie eine gekochte Schnecke aus dem Gehäuse.

Einen Augenblick lang schien es, als würde er in Stücke gerissen, denn er verfing sich mit den Füßen hinter dem Sitz.

Er lachte laut, weil er sie angeschmiert hatte: »Ihr zerreißt mich, meine Herren.«

Dann wurde er durch den Hausflur über die Treppe zu seiner Wohnung geschleppt und in der Wohnung wie ein Sack aufs Kanapee geworfen. Er erklärte, daß er das Automobil nicht zahlen werde, weil er es nicht bestellt habe, und es dauerte über eine Viertelstunde, bevor man ihm erklärte, daß es sich um eine Droschke handle.

Auch dann gab er nicht seine Zustimmung und wandte ein, daß er nur im Fiaker fahre.

»Ihr wollt mich anschmieren«, erklärte der Feldkurat, indem er Schwejk und dem Droschkenkutscher bedeutungsvoll zuzwinkerte, »wir sind zu Fuß gegangen.«

Und plötzlich, in einer Anwandlung von Großmut, warf er dem Droschkenkutscher seine Börse zu: »Nimm dir alles, ich kann zahlen. Mir kommts nicht auf einen Kreuzer an.«

Er hätte sagen sollen, daß es ihm auf 36 Kreuzer nicht ankomme, denn mehr gabs in der Börse nicht. Zum Glück unterzog ihn der Droschkenkutscher einer gründlichen Untersuchung, wobei er von Watschen sprach.

»Also hau mir eine herunter«, sagte der Feldkurat, »glaubst du, daß ichs nicht aushalte? Fünf Watschen von dir halt ich aus.«

In der Weste des Feldkuraten fand der Droschkenkutscher ein Fünfkronenstück. Er ging, sein Schicksal und den Feldkuraten verfluchend, der ihn aufgehalten und ihm das Geschäft verdorben habe.

Der Feldkurat schlief nur langsam ein, weil er ununterbrochen Pläne schmiedete.

Er wollte alles mögliche unternehmen, Klavier spielen, Tanzstunden besuchen und Fische backen.

Dann versprach er Schwejk seine Schwester, die er nicht hatte.

Auch wünschte er, man solle ihn ins Bett tragen und zu guter Letzt schlief er ein, indem er erklärte, er fordere, ihn als einen Menschen anzusehen, der den gleichen Wert besitze wie ein Schwein.

III

Als Schwejk am Morgen zum Feldkuraten ins Zimmer trat, fand er ihn auf dem Diwan liegend und angestrengt darüber nachdenkend, wieso ihn jemand auf so sonderbare Art begossen hatte, daß er mit der Hose an dem ledernen Kanapee klebe.

»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, »daß Sie sich in der Nacht . . .«

Einige Worte klärten ihn auf, wie entsetzlich er sich irre, wenn er glaube, begossen worden zu sein. Der Feldkurat, der einen ungewöhnlich schweren Kopf hatte, war in bedrückter Stimmung.

»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er, »wie ich aus dem Bett aufs Kanapee gekommen bin.«

»Im Bett waren Sie überhaupt nicht, gleich wie wir gekommen sind, hab ich Sie aufs Kanapee gelegt, weiter is es nicht mehr gegangen.«

»Und was hab ich aufgeführt? Hab ich überhaupt was aufgeführt? War ich nicht vielleicht betrunken?«

»Nicht zum Sagen!« entgegnete Schwejk. »Vollkommen, Herr Feldkurat, ein kleines Delirium is auf Sie gekommen. Ich glaube, es wird Ihnen guttun, wenn Sie sich überziehn und abwaschen wern.«

»Mir ist, wie wenn mich jemand verprügelt hätt«, klagte der Feldkurat, »und dann hab ich Durst. Hab ich mich nicht gestern herumgeschlagen?«

»Es war nicht so arg, Herr Feldkurat. Der Durst is die Folge von dem gestrigen Durst. Draus kommt man nicht so bald heraus. Ich hab einen Tischler gekannt, der hat sich zum erstenmal am Silvester im Jahre 1910 besoffen und am ersten Jänner früh hat er solchen Durst gehabt und es war ihm so schlecht, daß er sich einen Hering gekauft hat und von neuem getrunken hat, und so macht ers täglich schon über vier Jahre und niemand kann ihm helfen, weil er sich immer schon Samstag Heringe auf die ganze Woche kauft. Das is halt so ein Ringelspiel, wie ein alter Feldwebel beim 91. Regiment gesagt hat.«

Der Feldkurat war von einem vollendeten Kater und einer vollständigen Depression befallen. Wer ihn in diesem Augenblick gehört hätte, wäre überzeugt gewesen, daß er die Vorträge des moralischen Doktors Alexander Batěk »Erklären wir dem Dämon Alkohol, der uns unsere besten Männer mordet, Krieg auf Tod und Leben« besuche und seine »Hundert ethischen Funken« lese.

Er legte sichs allerdings auf seine Art aus. »Wenn man noch«, sagte er, »edle Getränke trinken möcht, wie Arrak, Maraschino, Kognak, aber ich hab gestern Wacholderbranntwein getrunken. Ich wundre mich, daß ich das saufen kann. Schmecken tuts widerlich. Wenns wenigstens Griotte wäre. Die Leute erfinden verschiedene Schweinereien und trinken sie wie Wasser. So ein Wacholderbranntwein ist nicht einmal schmackhaft, er hat nicht mal Farbe, brennt im Hals. Und wenn er wenigstens echt wär, ein Destillat aus Wacholder, wie ichs einmal in Mähren getrunken hab. Aber dieser Wacholderbranntwein war aus Holzspiritus und Öl. Schaun Sie, wie ich krächz.«

»Schnaps ist Gift«, sagte er überzeugt, »oder er muß ein ursprüngliches Original sein, echt und nicht in einer Fabrik auf kaltem Weg von Juden hergestellt. Das ist so wie mit dem Rum. Ein guter Rum ist eine Seltenheit.«

»Wenn ich einen echten Nußbranntwein hier hätte«, seufzte er, »der tät mir den Magen in Ordnung bringen. So ein Nußbranntwein, wie ihn Hauptmann Schnabl in Bruska hat.« Er fing an, seine Taschen zu durchsuchen, und schaute in seine Börse.

»Ich hab alles in allem 36 Kreuzer. Was, wenn ich das Kanapee verkaufen würde? Dem Hausherrn sag ich, daß ichs weggeborgt hab, oder daß es uns jemand gestohlen hat. Nein, das Kanapee laß ich mir. Ich werde Sie zum Herrn Hauptmann Schnabl schicken, er soll mir hundert Kronen borgen. Er hat vorgestern beim Kartenspiel gewonnen. Wenn Sie dort nichts ausrichten, so gehn Sie nach Wrschowitz in die Kaserne zum Oberleutnant Mahler. Gehts dort nicht, gehn Sie auf den Hradschin zu Hauptmann Fischer. Dem sagen Sie, daß ich Furage fürs Pferd zahlen muß, die ich vertrunken hab. Und wenns Ihnen nicht mal dort gelingt, versetzen wir das Klavier, und wenn weiß Gott was geschehn sollt. Ich schreib Ihnen für alle Fälle paar Zeilen auf. Lassen Sie sich nicht abfertigen. Sagen Sie, daß ichs brauch, daß ich ganz ›schwarz‹ bin. Denken Sie sich aus, was Sie wolln, aber kommen Sie mir nicht mit leeren Händen zurück, oder ich schick Sie an die Front. Fragen Sie beim Hauptmann Schnabl, wo er diesen Nußbranntwein kauft, und kaufen Sie zwei Flaschen.«

Schwejk erfüllte seine Aufgabe glänzend. Seine Einfalt und sein ehrliches Gesicht sicherten ihm vollkommenes Vertrauen: man glaubte ihm ohne weiters, daß alles, was er sagte, wahr sei.

Schwejk hielt es für angezeigt, weder bei Hauptmann Schnabl noch bei Hauptmann Fischer oder Oberleutnant Mahler davon zu sprechen, daß der Feldkurat die Furage für das Pferd zahlen müsse, sondern stützte seine Bitte auf die Erklärung, der Feldkurat müsse Alimente zahlen. Er erhielt überall Geld.

Als er, ruhmreich von der Expedition zurückgekehrt, 300 Kronen vorwies, war der Feldkurat, der sich inzwischen gewaschen und umgekleidet hatte, sehr überrascht.

»Ich war lieber gleich bei allen«, sagte Schwejk, »damit wir uns nicht morgen oder übermorgen von neuem um Geld kümmern müssen. Es ist glatt genug gegangen, nur vorm Hauptmann Schnabl hab ich auf die Knie fallen müssen. Das scheint eine Bestie zu sein. Aber wie ich ihm gesagt hab, daß wir Alimente zahlen müssen . . .«

»Alimente?« wiederholte der Feldkurat entsetzt.

»Na freilich, Alimente, Herr Feldkurat, eine Abfindung für die Mädln. Sie ham gesagt, ich soll mir was ausdenken, und mir is nichts anderes eingefallen. Bei uns hat ein Schuster für Mädln Alimente gezahlt und war darüber ganz verzweifelt und hat sich auch drauf ausgeborgt und jeder hat ihm gern geglaubt, daß er in einer schrecklichen Lage is. Sie ham mich gefragt, was das für ein Mädl is, und ich hab gesagt, sie is sehr hübsch und noch nicht fünfzehn Jahre alt. Da ham sie ihre Adresse gewollt.«

»Da haben Sie was Schönes angestellt, Schwejk«, seufzte der Feldkurat und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Das ist wieder ein hübscher Skandal«, sagte er, während er sich am Kopfe packte, »ich hab solche Kopfschmerzen.«

»Ich hab Ihren Bekannten die Adresse von einer alten, tauben Frau bei uns in der Gasse gegeben«, erklärte Schwejk. »Ich habs gründlich durchführen wolln, denn Befehl is Befehl. Ich hab mich nicht abfertigen lassn – und etwas hab ich mir doch ausdenken müssn. Und im Vorzimmer wartet man auf das Klavier. Ich hab die Leute gleich mitgebracht, damit sies uns ins Versatzamt schaffen, Herr Feldkurat. Es wird gar nicht übel sein, wenn das Klavier wegkommt. Es wird mehr Platz sein, und wir wern mehr Geld beisamm ham. Und ham auf paar Tag Ruh. Und wenn der Hausherr fragen wird, was wir mit dem Klavier gemacht ham, sag ich, daß die Drähte drin gerissen sind und daß wirs in die Fabrik zur Reparatur geschickt ham. Der Hausmeisterin hab ichs schon gesagt, damits ihr nicht auffällig is, wenn sie das Klavier wegtragen und aufladen wern. Ich hab auch schon einen Käufer fürs Kanapee. Es is ein Bekannter von mir, ein Trödler. Er kommt nachmittag her. Heutzutag bezahlt man ein Lederkanapee gut.«

»Sonst haben Sie nichts angestellt, Schwejk?« fragte der Feldkurat verzweifelt, während er sich den Kopf mit den Händen festhielt.

»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, ich hab noch statt zwei Flaschen Nußbranntwein, wie ihn der Hauptmann Schnabl kauft, fünf Flaschen gebracht, damit bißchen Vorrat da is und damit wir was zu trinken ham. Kann ich jetzt das Klavier wegschaffen lassen, bevor man uns das Versatzamt sperrt?«

Der Feldkurat machte eine hoffnungslose Handbewegung, und kurz darauf wurde das Klavier schon auf den Wagen geladen.

Als Schwejk aus dem Versatzamt zurückkam, saß der Feldkurat vor einer offenen Flasche Nußbranntwein und schimpfte darüber, daß er zum Mittagmahl ein nicht durchgebratenes Schnitzel bekommen habe.

Der Feldkurat war wieder betrunken. Er erklärte Schwejk, daß er von morgen an ein neues Leben führen werde.

Alkohol trinken sei gemeiner Materialismus, man müsse ein geistiges Leben führen.

Er philosophierte etwa eine halbe Stunde lang. Als er die dritte Flasche öffnete, kam der Trödler, und der Feldkurat verkaufte ihm für eine Bagatelle das Kanapee, forderte ihn auf, sich mit ihm zu unterhalten, und war sehr ungehalten, als der Händler sich entschuldigte, er müsse gehen, da er noch einen Nachttisch kaufen wolle.

»Schade, daß ich keinen hab«, sagte der Feldkurat vorwurfsvoll, »der Mensch denkt nie an alles.«

Nachdem der Händler gegangen war, knüpfte der Feldkurat eine freundschaftliche Unterhaltung mit Schwejk an und leerte mit ihm eine weitere Flasche. Ein Teil der Unterhaltung war dem persönlichen Verhältnis des Feldkuraten zu Weibern und Karten gewidmet.

Sie saßen lange. Auch der Abend traf Schwejk und den Feldkuraten in freundschaftlichem Gespräch an.

In der Nacht änderte sich jedoch das Verhältnis. Der Feldkurat verfiel in seinen gestrigen Zustand, verwechselte Schwejk mit jemand anderem und sagte ihm: »Keineswegs, gehn Sie nicht fort, erinnern Sie sich an den rothaarigen Trainkadetten?«

Diese Idylle dauerte so lange, bis Schwejk dem Feldkuraten sagte: »Jetzt hab ich genug, jetzt kriechst du ins Bett und schläfst ein, verstehst du!«

»Ich kriech schon, Schatzerl, ich kriech schon – wie sollte ich nicht kriechen«, lallte der Feldkurat, »erinnerst du dich, daß wir zusamm in die Quinta gegangen sind und daß ich dir die Griechischaufgaben gemacht hab? Ihr habt eine Villa in Zbraslaw und könnt mit dem Dampfer auf der Moldau fahren. Wissen Sie, was das ist, die Moldau?«

Schwejk zwang ihn, Stiefel und Kleider auszuziehen. Der Feldkurat folgte mit einem Protest an unbekannte Personen.

»Sehn Sie, meine Herren«, sagte er zum Schrank und zum Ficus,Gummibaum. »wie meine Verwandten mit mir umgehen?«

»Ich kenne meine Verwandten nicht«, entschloß er sich plötzlich, indem er sich ins Bett legte, »und wenn sich Himmel und Erde gegen mich verschwören sollten, ich kenn sie nicht . . .«

Und durchs Zimmer dröhnte das Schnarchen des Feldkuraten.

IV

In diese Tage fällt auch der Besuch Schwejks in seiner Wohnung bei seiner alten Bedienerin Frau Müller. Schwejk fand dort eine Kusine von Frau Müller vor, die ihm weinend mitteilte, letztere sei noch an dem nämlichen Abend, an dem sie Schwejk zur Assentierung gefahren hatte, verhaftet worden. Man hätte die alte Frau vor das Kriegsgericht gestellt, und weil man ihr nichts nachweisen konnte, halte man sie im Konzentrationslager in Steinhof gefangen. Es war bereits eine Karte von ihr eingetroffen.

Schwejk ergriff diese häusliche Reliquie und las:

»Liebe Aninka! Wir haben uns hier sehr gut, alle sind wir gesund. Die Nachbarin neben mir im Bett hat Fleck ▮ und auch schwarze ▮ gibts hier. Sonst ist alles in Ordnung.

Essen haben wir genug und klauben Erdäpfel ▮ auf Suppe. Ich hab gehört, daß Herr Schwejk schon ▮ is, also krieg das irgendwie heraus, wo er liegt, damit wir ihm nach dem Krieg das Grab bepflanzen lassen können. Ich hab vergessen Dir zu sagen, daß am Boden in dem dunklen Winkel in dem Kistel ein kleines Hunterl is, ein Rattler, ein Junges. Aber das is schon viele Wochen, was er nichts zu fressen gekriegt hat seit der Zeit, wo sie wegen ▮ um mich gekommen sind. So denk ich, daß schon zu spät is und daß das Hunterl auch schon in Gottes ▮ ruht.«

Und über den ganzen Brief die rosa Stampiglie: Zensuriert k. u. k. Konzentrationslager Steinhof.

»Und wirklich war das Hunterl schon tot«, schluchzte die Kusine der Frau Müller, »und auch Ihre Wohnung möchten Sie nicht mehr erkennen. Ich hab dort Näherinnen auf Quartier. Und die ham sich draus einen Damensalon gemacht. Überall sind Modebilder auf den Wänden und Blumen in den Fenstern.«

Die Kusine der Frau Müller war nicht zu beruhigen.

Unter unaufhörlichem Schluchzen und Wehklagen äußerte sie zu guter Letzt die Befürchtung, Schwejk sei desertiert und wolle auch noch sie ruinieren und ins Unglück stürzen.

Zum Schluß redete sie mit ihm wie mit einem verkommenen Abenteurer.

»Das is sehr spaßig«, sagte Schwejk, »das gefällt mir ausgezeichnet. Also daß Sies wissen, Frau Kejr, Sie ham ganz recht, ich bin freigekommen. Aber erst hab ich fünfzehn Wachtmeister und Feldwebel erschlagen müssn. Aber sagen Sies niemandem . . .«

Und Schwejk verließ sein Heim, das ihn nicht aufnahm, mit den Worten:

»Frau Kejr, in der Wäscherei hab ich ein paar Kragerln und Vorhemden, also beheben Sies mir, damit ich mich, bis ich vom Militär zurückkomm, im Zivil in was anzuziehn hab. Geben Sie auch acht, daß mir im Schrank nicht Motten in die Kleider kommen. Und die Fräuleins, was in meinem Bett schlafen, laß ich grüßen . . .«

Dann ging Schwejk in den »Kelch«. Als Frau Palivec ihn erblickte, erklärte sie, sie werde ihm nichts einschenken, er sei wohl desertiert.

»Mein Mann«, begann sie die alte Geschichte aufzuwärmen, »war so vorsichtig und is dort, der Arme sitzt für nichts und wieder nichts. Und solche Leute gehn in der Welt herum und laufen vom Militär fort. Man hat Sie hier schon wieder vorige Woche gesucht.«

»Wir sind vorsichtiger als Sie«, schloß sie ihre Rede, »und sind im Unglück. Jeder hat nicht das Glück wie Sie.«

Diesem Gespräch wohnte ein älterer Herr bei, ein Schlosser aus Smíchov, der auf Schwejk zukam und ihm sagte:

»Ich bitt Sie, warten Sie draußen auf mich, ich muß mit Ihnen sprechen.«

Auf der Straße verständigte er sich mit Schwejk, den er nach der Empfehlung der Wirtin Palivec für einen Deserteur hielt.

Er teilte ihm mit, daß er einen Sohn habe, der auch desertiert sei und sich bei der Großmutter in Jasena bei Josefstadt befinde.

Ohne der Versicherung Schwejks, er sei kein Deserteur, zu achten, drückte er ihm einen Zehner in die Hand.

»Das is die erste Hilfe«, sagte er, »ich versteh Sie, vor mir müssen Sie sich nicht fürchten.«

Schwejk kehrte spät in der Nacht zum Feldkuraten zurück, der noch nicht zu Hause war.

Er kam erst gegen früh, weckte Schwejk und sagte: »Morgen fahren wir eine Feldmesse zelebrieren. Kochen Sie schwarzen Kaffee mit Rum. Oder noch besser, kochen Sie Grog.«


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