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9

Holmengraa arbeitet mit einer großen Mannschaft, er hat einen Aufseher für die Zimmerleute und einen Aufseher für die Steinarbeiter, er mietet Pferde, wo er sie bekommen kann, und bezahlt gut, aber er bezahlt nicht Taglohn, er bezahlt für jede Fuhre. Es erweist sich, daß die alte Kirche aus den prächtigsten Stämmen erbaut ist.

In die ganze Gegend ist Leben gekommen, das hat seine guten wie seine bösen Seiten. Segelfoß war der reine Markt geworden, Unruhe ist überall, Dynamitschüsse auf den Höhen, Menschen und Fuhrwerke auf den Wegen. Küstensegler kommen mit Bauholz und Eßwaren, mit Öfen, Tapeten, Möbeln, Säcken und Kisten, großen Kisten; es kamen Schweden, die sich als Arbeiter anboten.

Holmengraa wohnt im Gutshause. Das ist selbstverständlich, sagte der Leutnant.

Das ist eine neue große Liebenswürdigkeit, sagte Holmengraa.

Die Aufseher wohnten auch auf dem Gute, im Knechtehaus hatte jeder von ihnen eine Kammer. In der ganzen Runde wurden in allen Häusern und Hütten die Leute reich davon, daß sie für zwei Schillinge die Nacht die Arbeiter beherbergten.

So lange Coldevins auf Segelfoß waren, gab es keinen Tag, wo der alte Herr und seine Frau nicht ihren Spaziergang gemacht hätten, nach Osten hinüber – gen Osten über die Äcker von Segelfoß, und über die Wiesen hingeschaut hätten, über die Felder und Wälder. Große Entfernungen auf Segelfoß! sagt der Greis jeden Tag, und die Frau, sie kann das noch immer nicht auswendig, denn sie antwortet jedesmal: Ja, so sieht es aus, ich wußte nicht, daß sie so groß waren.

Holmengraa war auch jetzt noch ein aufrichtiger und rücksichtsvoller Mann. Als Konsul Fredrik ihm erzählt hatte, daß den Alten der Verkauf des Bodens sehr nahe gegangen sei, suchte er sie zu versöhnen: er befleißigte sich, einen guten Eindruck auf sie zu machen, er erhob sich, wenn sie kamen, und blieb stehen, bis sie sich gesetzt hatten, er drängte sich nicht auf, sondern benützte immer nur die passendste Gelegenheit, sie anzureden. Eines Tages setzte er sich zu ihnen hin und erzählte ihnen etwas von seiner Familie: daß seine Frau in Mexiko gestorben sei, daß er bis zum Frühling warten wolle, um seine Kinder zu holen; er wollte sie nämlich selbst abholen. Holmengraa entschuldigte sich vielmals wegen all der Unruhe, die er nach Segelfoß mitgebracht habe, er hoffe, das Schlimmste werde nun bald vorüber sein, er habe ja viele Leute in Arbeit. Und dann können Sie sich wieder an dem Frieden und der Ruhe auf Segelfoß erquicken, schloß er.

Für uns, antwortete der alte Coldevin, ist es nicht so schlimm, wir reisen bald ab. Aber ich muß sagen, setzt er lächelnd hinzu, ich beneide keinen, der jetzt dableibt.

Frau Coldevin will seine Worte abschwächen:

Was haben Sie alles in dieser kurzen Zeit in Gang gebracht! Täglich sind hier neue Arbeiter eingetroffen und Schiffsladungen mit Materialien und allen möglichen Sachen.

Ich habe auch allen Grund, dem Leutnant und seiner Frau dafür dankbar zu sein, antwortete Holmengraa. Im Vertrauen zu ihrer ersten halben Zusage vor einigen Wochen konnte ich alles vorbereiten.

Gott sei Dank, dann trägt ja Fredrik nicht allein die Schuld für das ganze Geschäft! dachten wohl die beiden Alten; das war ihnen eine Erleichterung, nahm ihnen eine Sorge ab, und der alte Coldevin fragte:

Wir können von unseren Fenstern im ersten Stock sehen, daß Sie die Kirche, die da früher stand, niedergerissen haben. Also haben Sie die wohl gekauft? Ja? verstehen Sie mich nicht falsch, fügt er verwirrt hinzu.

Ich mißverstehe Sie nicht. Ja, ich habe die Kirche gekauft, antwortet Herr Holmengraa. Ich hatte bemerkt, daß sie aus ganz besonders guten Stämmen gebaut ist, aus ungewöhnlich starken Stämmen. Es ist meine Absicht, diesmal ein Haus daraus zu machen.

Coldevin erinnerte sich noch gut daran, was man sich von der alten Kirche erzählte, die in der Jugend seines Vaters erbaut worden war, damals, als es im Nordland wirklich große Stämme gab. Jeder Stamm vier Armlängen Umfang, das war noch etwas! Ja, hier auf Segelfoß gab es ja heute noch große Stämme, Gott behüte!

Ohne Zweifel.

Ungeheuer viel Stämme, meilenweit vielleicht. Glaubst du nicht auch, meilenweit, Charlotte?

Ja, das habe ich doch immer so gehört, sagt seine Frau.

Und der prächtigste Jungwald; der kleine Willatz wird ein mächtiger Mann. Was ich noch sagen wollte, Herr Holmengraa: Wir sehen von unsern Fenstern, daß auch unten an der See gearbeitet wird, das sind wohl Ihre Arbeiter?

Ja, sie mauern. Ich baue einen Kai ganz hinaus bis dorthin, wo der Grund abfällt.

Damit Küstensegler anlegen können, ja.

Ja, und große Fahrzeuge, Seeschiffe, Lastboote. Ich habe unter anderem vor, einen Mühlenbetrieb etwas größeren Stils zu errichten. Es kommt nur darauf an, ob ich es aushalten kann.

Na. Und so Korn für andere mahlen. Ja, aber die Leute haben doch Wassermühlen, sie mahlen mit ihren Wassermühlen. Wir, bei uns, haben eine Mühle, die geht – wir könnten mehr mahlen, als wir tun.

Aber Herr Coldevin kaufe wohl Roggen von anderswo her?

Von Bergen, ja. Verfrachte ihn so auf Küstenseglern. Dann mahlen wir den Roggen. Aber Feinmehl, das kaufen wir. Unsere Mühle kann nicht fein mahlen.

Statt dessen würde ich den Roggen von den Roggenländern her beziehen.

Na. Ja, das haben wir nicht getan. Das haben meine Eltern auch nicht getan. Und wie war das mit deinen Eltern, Charlotte?

Wir bekamen den Roggen mit den Küstenseglern. Und Feinmehl und Griesmehl und Weizenmehl mit den Küstenseglern.

Da hören Sie es! sagt der alte Coldevin und nickt.

Es mag wohl sein, daß es so das beste war.

Nicht wahr! Jetzt wollen Sie also Mehl mahlen; aber was sollen dann die Leute mit ihren Wassermühlen anfangen? So müssen ja die Wassermühlen verfallen.

Aber alle haben doch keine Wassermühlen. Mehl müssen sie aber alle haben.

So mahlen wir für sie. Alle, die keine Wassermühlen haben, die mahlen eben bei uns, die wir Mühlen haben. So machen wir es. So machten es auch unsere Eltern.

Ich meinte also, wenn ich das Korn direkt aus den Kornländern beziehe, so braucht es nicht erst durch die zweite Hand über Bergen zu gehen und teurer zu werden.

Kommt das nicht auf eins heraus? Ob Sie es nun direkt beziehen, oder ob die Bergener es direkt beziehen, das kommt wohl auf eins heraus?

Dann trete ich also mit ihnen in Wettbewerb. Ich mache es billiger. Zur Not unterbiete ich die Bergener.

Na. Ja so, sagte Coldevin.

Der Transport von Bergen kostet ja etwas, diese Unkosten fallen für die Leute fort, wenn sie das Mehl hier bekommen.

Die haben sie sowieso nicht zu bezahlen. Unsere Küstensegler nehmen das Mehl mit.

Aber nicht alle haben Küstensegler?

Nein. Aber wir, die wir welche haben, nehmen Mehl für alle mit. So machen wir es, genauso machten es unsere Eltern.

Ja, aber entschuldigen Sie, fragt Holmengraa lachend, dann kostet es jedenfalls Sie etwas, das Mehl für alle mitzunehmen?

Nun, wenn alles so billig wäre! antwortet Coldevin. Sollten unsere Schiffe vielleicht mit Ballast zurücksegeln? Sie sind mit Fischen nach Bergen gegangen, aber sie müssen doch nach Hause zurück. – Sollen sie denn mit Ballast segeln und keine Fracht mitnehmen? Nein, da müssen Sie entschuldigen, das können unsere Kutter nicht.

Frau Coldevin sitzt da und sieht nur ihren Mann an. Es war ein Anblick, ihre Bewunderung zu beobachten, diesen Aberglauben in ihren alten Augen. Weder sie noch ihr Mann sahen, daß diese Sitte, Mehl und andere Lebensmittel auf den Seglern des Gutsbesitzers für die anderen heimzuführen, einer sterbenden Zeit angehörte.

Dann reisten Coldevins ab.

Aber bevor das geschah, hatte der Leutnant sich mit seinem Freund, dem Konsul, wegen einer Schule für Willatz beraten. Eine Schule für Menschen, hatte der Leutnant gesagt, Kenntnisse jawohl, aber vor allem Umgangsformen, Lesen, gebildeten Verkehr, eine Schule für einen Holmsen. Was Fredrik von England dächte? Gut, die Schule liege in Harrow, hatte der Konsul geantwortet, er kenne sie durch seine Geschäftsverbindungen, Xavier Moore könne ein Auge auf Willatz haben. Der Konsul schrieb sofort an Xavier Moore, um ihn vorzubereiten.

Fredrik Coldevin vergaß nicht, noch eine letzte tändelnde Unterhaltung mit der Haushälterin, Jungfer Salvesen, zu arrangieren, bevor er abfuhr:

Gott, wie Sie mich erschrecken, Herr Konsul, auf einmal stehen Sie da! sagt die Jungfer durch das Speisekammerfenster.

Ich stand hier und betrachtete Sie ein bißchen, ich darf wohl behaupten, daß kein Mann da hätte widerstehen können.

Haha, jetzt fängt es wieder an!

Ich muß abreisen, jetzt kommt bald die letzte Stunde. Ich stehe hier, um nun endlich ein Ende zu machen.

Haha.

Lachen Sie nicht. Das beweist eine Nichtachtung für meine Gefühle, die ich nicht verdiene. Aber mehr habe ich jetzt nicht zu sagen. Seitdem Sie sich vor einigen Jahren verlobt haben, ist es Schluß mit mir. Nun habe ich vor, etwas zu tun, ich möchte mich nur mit Ihnen noch beraten – über die Form. Chloroform ist wohl die beste Form?

Nein, ich glaube, Sie sind verrückt, Konsul! Hahaha, Sie bringen mich so ins Lachen, daß ich nicht weiß, wie ich aussehe, sagt Jungfer Salvesen kokett.

In einem solchen Augenblick zu lachen, kann zweierlei bedeuten: entweder lachen Sie einfach, und das würde Sie erniedrigen, oder Sie lachen, um nicht zu weinen.

Ja, sagt Jungfer Salvesen, ich lache, um nicht zu weinen.

Danke, stößt der Konsul hervor. Das meinte ich, als ich sagte: ich wollte ein Ende machen. Es ist nicht das beste Ende, nicht das wundervollste Ende, aber den Umständen nach das brauchbarste Ende. Es gibt also doch etwas in diesem Augenblick, das Sie rührt, dafür danke ich Ihrem Herzen, meine Bitterkeit bekam einen Knick, ich kann mich also hinsetzen und mich an meinen Erinnerungen laben.

Oja –, aber ach, Sie Armer, was für eine Zukunft!

Meine Hoffnung ist, daß es im Jenseits etwas gemütlicher sein wird.

Haha! lacht die Jungfer gegen ihren Willen. Aber Sie dürfen nicht dastehen und mit so etwas Unsinn treiben.

Wenn ich in dem letzten von meinen tausendunddrei Betten auf dieser Welt liegen werde, da will ich an Sie denken. Glauben Sie, daß ich dies vergessen kann?

Nein, nein.

Und was werden Sie dafür tun?

Ich will mich an dem Tage hier in die Speisekammer setzen und heulen, was ich kann – oder wird es eine Nacht sein?

Ja, eine Nacht, eine schwarze Nacht.

Das ist aber doch dumm. Denn da kann ich ja keinen wecken.

Weib, Weib, du spaßest mit einer Seele, die in den letzten Zügen liegt! Jungfer Salvesen, reichen Sie mir Ihre Hand.

Gott, ich weiß nicht, ob – ja warten Sie, einen Augenblick!

Die Jungfer trocknet sich gründlich die Hände ab.

Danke. Und leben Sie wohl, Jungfer Salvesen, leben Sie wohl! Das ist mein Wunsch.

Leben Sie wohl, Herr Konsul, auch für dieses Jahr meinen schönen Dank.

Der Konsul geht, aber er dreht sich um.

Ja, richtig, ich traf einen Mann auf dem Schiff, als ich nordwärts fuhr –

Den Pfarrer? Das haben Sie erzählt.

War er Pfarrer? Unmöglich!

Sie erzählten eine Geschichte von einem Pfarrer.

Unmöglich! War er wirklich Pfarrer? Hab' ich Ihnen eine Geschichte erzählt? Das weiß ich gar nicht.

Von einem Pfarrer und seinen drei Söhnen.

Nein, diese Geschichte habe ich nicht erzählt. Die haben Sie von dem Mann gehört, mit dem Sie sich verlobt haben, ich ahne, es muß eine ganz furchtbare Geschichte sein. Drei Söhne, – also uneheliche?

Nein, Gott, Konsul, Sie sollen mich nicht so ins Lachen bringen! heult Jungfer Salvesen.

Oh, wie ihr Weiber doch mit uns Männern euer Spiel treibt! sagt der Konsul. Ich traf einen Mann auf dem Dampfschiff, der auch ein Lied davon singen konnte. Er hatte das leidenschaftlichste und traurigste Gesicht, das ich je gesehen habe, oh, da verstehen Sie wohl, wie der Mann ausgesehen hat. Ein Weib hatte ihn zugrunde gerichtet. Wie das zugegangen war? Ja, sagte er, sie log mir die Jacke voll, sie sagte, ich sei der Einzige. Aber schließlich bekam ich heraus, daß ich der Nachfolger eines andern war, sagte er. Ich, Fredrik Coldevin, antwortete so schonend, wie ich nur konnte: Da mußten Sie wohl sehr leiden? – O ja, sagte er, ich litt kolossal. Aber es tröstete mich, daß ich der Vorgänger eines dritten wurde, sagte er. – Nein, Gott, sagte ich, Fredrik Coldevin, und schlug die Hände zusammen, war sie ein Wirtshaus der Liebe? – Ein Wirtshaus? sagte er und dachte darüber nach. Eine Herberge ist das richtige Wort, das ich gebrauchen möchte, sagte er. Wir liebten sie alle, und sie eröffnete eine Herberge für uns.

Damit will der Konsul gehen.

Es ist gut, daß Sie jetzt gehen, sagt Jungfer Salvesen, denn sonst hätte ich nicht gewußt, was ich machen sollte. Hahaha, das ist ja einfach gräßlich, sagte sie.

Wieso denn?

Ja, das sage ich geradeheraus. Aber so ist es, man muß immer ängstlich sein, wenn Sie etwas erzählen, Herr Konsul.

Und Ihr Bräutigam?

Mein Bräutigam?

Denken Sie nur an den Pfarrer mit den drei Unehelichen.

Hahaha, nein, Gott, ich will nicht mehr mit Ihnen sprechen.

Leben Sie wohl, Jungfer Salvesen.

Leben Sie wohl, und willkommen im nächsten Jahr!

 

Das tägliche Leben auf Segelfoß – einsam und einförmig? Jetzt nicht mehr, das war einmal gewesen, Holmengraa hatte darin Wandel geschaffen. Alle diese Arbeiter, alle diese Pferde, der Gesang der Maurer, die Sprengschüsse, die Lieder der Schiffer auf den Kuttern – all dieses wirkte störend und geradezu unfein auf der Holmsenschen Besitzung. Aber in den Städten, dachte wohl der Leutnant, um sich selbst zu trösten, dort kann man vornehm sein mitten im Lärm. Ja, aber auch dort ist man am vornehmsten in der Stille. Sieh, hier arbeiteten nun seine eigenen Leute und Pferde auf den Feldern, bei der Heumahd, bei der Ernte; in den früheren Jahren hatte das ausgesehen wie ein Heer der Arbeit unter der Leitung des Knechtes Martin, jetzt sah man sie kaum in dem Schwarm der Fremden.

Aber immerhin!

Am Tage nach Coldevins Abreise trifft der Leutnant das Mädchen Daverdana und sagt zu ihr:

Wir werden mit den Abenden Schluß machen. Wir werden nicht mehr lesen.

Daverdana ist bleich und ängstlich und sagt:

Ich vergaß es auch gestern abend nicht; aber die gnädige Frau schickte mich nach den Schuhen.

Ein zufriedenes Lächeln flog über des Leutnants Gesicht, und er antwortet:

Ich habe dich nach den Schuhen geschickt. Wir werden vorläufig nicht mehr lesen.

Als der Leutnant gehen will, sagt Daverdana: Soll ich – fort?

Nein, antwortet er, fort? Du bist ein tüchtiges Mädchen, die Jungfer kann dich gut brauchen.

Ein gutes Wort vom Leutnant hatte hohen Wert, Daverdana wird rot vor Freude und findet sich in seinen Befehl.

Der Leutnant geht weiter. Alles war jetzt den Umständen nach für ihn zum Aushalten, er hatte Geld im Rücken, hatte ein ganzes Vermögen nach Drontheim gesandt, das Zinsen bringen sollte, er hatte freiere Hände, er steckte nicht mehr so oft den Ring von der rechten Hand an die linke. Jetzt hätte Adelheid also ihre Heimat besuchen können – worauf wartete sie?

Oh, eigentlich sah er es gar nicht gern, daß Adelheid reiste, sie kam von zu Hause jedesmal etwas weniger liebenswürdig und etwas großartiger zurück – was nun auch die Ursache sein mochte; er selbst hatte jedwede Verbindung mit ihrem Elternhaus abgebrochen. Adelheid war wohl einigermaßen zu entschuldigen. War nicht ihr Vater ein General, den das Schicksal als Oberst erledigt hatte, weil es kein Hannover mehr gab? Und war nicht sie seine Tochter, die sich lebendig in Norwegen begraben hatte, im Nordland, wo die ganze Welt tot war?

Ich habe mir gedacht, sagt der Leutnant zu ihr, Willatz geht hier nur herum, er hat auch schon angefangen, ungebildete Ausdrücke zu lernen, er flucht auch schon, er muß wohl fort?

Ich möchte gern wissen, ob er diese Worte nicht von Daverdana und ihrem Bruder lernt? antwortet seine Frau. Ich weiß nicht.

Daverdana? sagt der Leutnant auch jetzt wieder sehr zufrieden. Apropos, die Jungfer kann in Zukunft ganz und gar über Daverdana bestimmen.

Soll sie Sie nicht bedienen?

Nein. Sie hat das Alphabet angerührt.

Was für ein Alphabet?

Das vom Jungen. Sie entsinnen sich dessen vielleicht nicht mehr, aber ich habe es aufbewahrt, seit Willatz klein war, ich habe es aufgehängt und sehe es an. Ein großes Alphabet auf Pappe. Das hat sie angerührt.

Im ersten Augenblick hüpfte ein kleines Lächeln über das Gesicht der Frau, und selbst der Leutnant lächelte mit, so zufrieden war er in diesem Augenblick.

Eine Eigenheit von mir, sagte er. Wenn Willatz abreist, will ich einige Kleinigkeiten von ihm für mich haben. Ich habe mir gedacht, wenn Sie sofort Ihre Reise nach Hannover antreten würden, könnten Sie den Jungen mitnehmen.

Wohin soll der Junge?

Sie sind zwar so deutsch, antwortet der Leutnant prüfend, aber – nach England, meinen Sie nicht auch? Nach Harrow, Fredrik hat dort Verbindungen. Natürlich nach England.

Und ich soll nach Hannover?

Über Harrow wäre es zwar ein Umweg. Aber bei gutem Wetter könnte eine solche Reise Ihnen nicht unwillkommen sein – im Gegenteil, sie könnte eine erfrischende Zerstreuung für Sie werden. Sie müßten natürlich Ihre Mädchen mitnehmen.

Da mit einmal schien sich ein Verdacht in ihr zu regen, sie ging in der Stube auf und ab, blieb am Fenster stehen und sah hinaus. Und stand da und lächelte wieder, aber es war kein echtes Lächeln.

Was meinen Sie dazu?

Ja, antwortete sie.

Es scheint Ihr Mißfallen zu erregen?

Ist es denn durchaus notwendig, daß Willatz fortkommt?

Er treibt sich ja den ganzen Tag in den Häuslerhütten herum, und kommt er wirklich nach Hause, so spielt er Klavier.

Könnten Sie sich nicht überwinden, einen Hauslehrer zu nehmen?

Wenn es keinen anderen Ausweg gibt.

Ich reise nicht nach Hannover, sagte sie.

Pause.

Nein, nein, antwortet er.

Sie wandte sich zu ihm um und sagte: So also! Ich beginne zu begreifen!

Was jetzt? Ihr höhnisches Wesen verwirrte ihn; stand er denn nicht hier und war das Entgegenkommen selbst? Fast hätte er sie für ihr absichtliches Mißverstehen ein Lehrgeld zahlen lassen, aber er wußte nur zu gut, daß das nicht das geringste nützen würde, und schwieg.

Sie machten die Rechnung ohne den Wirt, sagte sie. Aber wie häßlich und schlau das von Ihnen war.

Wie Sie sprechen!

Das ist meine Überzeugung.

Bin ich jetzt also auch häßlich und schlau? Aber wenn Sie mir nun aus alter Gewohnheit meine Fehler immer wieder aufzählen, das kann mich ja nicht besser machen. Meine Fehler – oh, ich muß bekennen, ich habe alles Interesse für sie verloren.

Und ich muß bekennen, antwortete sie, daß ich einmal, vor langer Zeit jedenfalls, Ihnen dies nicht zugetraut hätte.

Das sollten Sie nicht sagen, das ist jedenfalls nicht klug von Ihnen. Sehen Sie denn nicht ein, daß dies einen Schatten auf Ihre eigene Urteilskraft wirft?

Ach Unsinn, ich war ein Kind.

Kind? Täuscht Sie Ihr Gedächtnis nicht.

Ich war ein Kind.

Jetzt war der Krieg im vollen Gang, und sie hatte nicht vor, ihn zu schonen, sondern schoß scharf, ho, sie schoß lustig. Sie zog die Augenbrauen so großartig hoch in die Stirn und sah ihn von der Seite mit fast zugekniffenen Augen an, oh, sie war so über alle Maßen spöttisch:

Sie wollten mich beruhigen, als Sie das Mädchen aus Ihrem persönlichen Dienst entließen, es verabschiedeten. Und dann sollte ich reisen. Ich danke Ihnen schön dafür.

Er hatte sicherlich manchen Unsinn von ihr zu hören bekommen, aber er meinte niemals einen behaglicheren, rein herausgesagt: niemals einen erfreulicheren gehört zu haben. Er sah aus, als wollte er ihr entgegengehen, als wollte er ihr etwas sagen, ihr etwas versichern, Gott weiß; aber sie erwartete das nicht von ihm und wartete nicht auf ihn.

Ich danke Ihnen schön dafür! wiederholte sie und ging.

Na, noch hätte er sich vielleicht Gehör bei ihr verschaffen können, er hätte sagen können: Es lag mir so fern, Sie beruhigen zu wollen, denn wie konnte ich annehmen, daß Sie nach der Richtung hin eine Beruhigung nötig hätten! Er ging ihr den ganzen Tag über nach, aber sie war und blieb unversöhnlich, sie vermied ihn, und schließlich ging sie hinaus zu den Arbeitern Holmengraas und sah ihnen zu. Beim Abendessen konnte er nichts zu ihr sagen, weil Herr Holmengraa zugegen war, und als sie sich in ihr Zimmer zurückzog, war es zu spät. Er hätte sich etwas beeilen sollen, ja, das hätte er tun sollen.

Spät abends geht er hinaus. Ihr Fenster steht wie gewöhnlich offen, er hört sie innen gehen, ein Gedanke durchzuckt ihn, und er fragt leise hinauf:

Ist Ihre Türe geschlossen, Adelheid? Ich wollte nur –

Ja, ich bin zu Bett gegangen, antwortete sie.

 

Am nächsten Morgen ritt der Leutnant wieder aus. Seine täglichen Ritte waren durch den Coldevinschen Besuch unterbrochen worden, jetzt gewährte es ihm eine Befriedigung, sich wieder im Sattel zu wiegen und weit hinaus über Land und Meer zu schauen. Na, Schwarzer, du hast lang genug gefaulenzt, du bist übermütig!

Der Leutnant reitet nach der Landstraße hinunter, der Gaul trabt, als ging es zu einem Fest, in kleinen Tanzschritten. Man hört von irgendwoher einen Ruf: Achtung! Aufgepaßt! Der Leutnant reitet weiter, er war nicht der Mann, den man auf seinem Weg aufhalten konnte, wie konnte man sich überhaupt unterstehen, ihn anzurufen?

Da krachte ein Schuß.

Der nächste Augenblick ist nur noch Katastrophe, ein Wirbel peitscht durch das Pferd, es macht einen Sprung, einen mächtigen Seitensprung und wirft seinen Reiter aus dem Gleichgewicht, der bleibt an der einen Seite hängen, weiter geht's im wilden Galopp, über die Landstraße hin, die Erde donnert unter den Hufen, weiter und wilder, an Hütten und Höfen vorbei, sie entschwinden dem Auge, der Reiter gleitet tiefer und tiefer hinab, der Sattel rutscht, jetzt sind es noch Sekunden – jetzt!

Dieser Augenblick ist kostbar. Der Reiter hat seinen einen Fuß auf dem Rücken des Pferdes, den andern unter dessen Bauch, er ist steif wie eine Stange, er hängt waagerecht auf der Seite des flüchtenden Pferdes – greift hinauf mit der Hand, nach dem Hals des Pferdes, hinein in die Mähne, das war ein Stahlgriff, – der hieb durch die Luft, und er fand Halt. Im selben Augenblick war der Sattel unter dem Bauch des Pferdes, der Gaul war gelähmt, die nächsten Sprünge waren wie auf Stelzen, bis er endlich strauchelte.

Nanu, hat er immer noch nicht genug? Der Gaul wirft den Vorderkörper hoch und fällt wieder, erhebt sich wieder und fällt abermals, schnaubt, zittert, schlägt ohnmächtig mit dem Kopfe. Der Leutnant hat endlich sein gefesseltes Bein losbekommen und kann bis an den Kopf des Pferdes hinauf langen, er schnallt den Sattel ab und bringt den Gaul auf die Beine.

Auf dem Heimweg sitzt er wieder im Sattel und reitet wie gewöhnlich im Schritt. Leute kommen ihm entgegengelaufen, sein eigener Knecht Martin, fremde Arbeiter, die Aufseher, Holmengraa selbst, alle in größter Angst. Holmengraa ist ganz grau vor Aufregung und gibt sich selbst die Schuld: Diese Schüsse, dies gräßliche Geknalle! Und sind Sie wirklich nicht zu Schaden gekommen? Und das Pferd!

Der Leutnant sieht seine Frau eilend vom Hofe herkommen, er will ihr entgegenreiten, will ihr den Weg abkürzen, deshalb hält er nicht an bei diesen besorgten Menschen, sondern gibt ihnen nur kurze Antwort.

Scheute es? Wie denn – sind Sie heruntergefallen? fragt sie hastig. Haben Sie sich verletzt?

Ich bin nicht heruntergefallen, antwortet er.

Wirklich nicht? Wie ging das zu? Denken Sie, wenn ein Unglück geschehen wäre! Und Sie haben sich nicht verletzt?

Ich habe mich nicht verletzt, antwortet er.

Oh, er hörte aus ihrem Ton gut heraus: sie war von Herzen froh, daß er noch lebte, vielleicht aber dachte sie, er sei beim Reiten nicht vorsichtig genug gewesen, habe nicht darauf geachtet, im Schritt zu reiten, wie er es gewohnt war!

Und das Pferd? fragte sie. Ich hörte, es ging durch wegen eines Schusses? Ich verstehe das nicht, hielten Sie denn nicht die Zügel straff? Ein Schuß ist doch eine einfache Sache.

Ja, eine einfache Sache.

Nicht wahr, ein Schuß ist nichts? Aber man muß natürlich zu Pferde sitzen können. Und Sie sind ja ein alter Reiter.

Apropos, sagte er, als wenn ihm etwas ganz anderes einfiele, Sie sollten sich dennoch in der nächsten Zeit etwas vor den Schüssen in acht nehmen, wenn Sie ausreiten. Oft gibt es schwere Knalle. Die Minenschüsse, meine ich.

Ich habe keine Furcht vor Minenschüssen, antwortete sie, das fehlte gerade noch!

Sie streichelte sein Pferd und sagte zu dem: Wie dumm du bist! Denk, wenn du nun im Kriege wärst und könntest kein Knallen vertragen!

Damit ich es nicht vergesse, sagt der Leutnant, heute in acht Tagen reisen Willatz und ich nach England. Sie sorgen wohl dafür, daß seine Sachen in Ordnung sind.

Oh, er hatte keinen Grund, Umstände mit Adelheid zu machen, er hatte es nicht nötig, und er fühlte auch gar keinen Drang mehr dazu.

Abends setzte er sich in seine Stube und ergötzte sich damit, Patience zu legen, wie eine alte Dame. Daverdana las ihm nicht mehr vor, er mußte einen Ersatz dafür haben, eine Handarbeit, einen weiblichen, unschuldigen Zeitvertreib. Morgens ritt er wieder aus, er wartete einen Schuß oder zwei ab, dann nichts als Stille in der ganzen Runde, er hörte die Maurer ihre Steinlieder singen unten am neuen Kai – das war alles. Aber das war nun nicht nach seinem Wunsch, und als es auf diese Weise ein paar Tage weiterging, wünschte er eine Abwechslung. Den ganzen Tag über wurde geknallt, aber wenn der Leutnant ausritt, war alles still. Sicherlich stand einer auf Wache. Das Merkwürdige dabei war, daß in dem Augenblick schon, wo er den Befehl zum Satteln gab, alles ruhig wurde, nicht erst, wenn er hinausgeritten kam. Was sollte das heißen?

Eines Vormittags steht er am offenen Fenster und beobachtet, wie die Minenleger zu bohren beginnen. Er sieht, wie sie tiefer und tiefer bohren und mit immer längeren Bohrern arbeiten, bis sie schließlich fertig sind. Er hat mit Absicht so lange zu Hause herumgetrödelt, um draußen beim Reiten den großen Dynamitschuß zu genießen, und gibt erst jetzt Befehl zum Satteln des Pferdes. Bei der weiteren Arbeit, während sie das Loch austrocknen und laden, beobachten die Leute unablässig den Gutshof, und endlich gibt einer von ihnen den andern einen Wink mit dem Arm. Es muß da draußen an irgendeiner Stelle einen Telegraphen geben; der Leutnant lehnt sich aus dem Fenster hinaus und sucht das ganze Haus ab. Was war das? Ein Tuch, ein weißes Handtuch hängt in einem von Frau Adelheids Fenstern. Es hängt in der Sonne, es soll wohl trocknen, der Wind spielt sacht mit dem Tuch.

Der Leutnant geht hinaus, prüft Sattel und Zaumzeug, schnallt den Sattelgurt noch ein Loch fester und steigt zu Pferde. Während er hinunterreitet, sieht er noch einmal nach dem Handtuch – es hängt noch immer dort. War Adelheid mit Holmengraa übereingekommen, daß ihr Mann, Willatz Holmsen, nicht zu Pferde sitzen könne und man ihn deshalb vor Dynamitgeknalle schützen müsse? Daß er vor jeder schnelleren Gangart als Schritt eine gewisse Scheu habe?

Er reitet den Weg hinunter, er merkt, daß alles zum Abfeuern bereit ist, aber daß die Leute sich jetzt mit andern Arbeiten zu schaffen machen. Er reitet geradewegs zu ihnen hin und befiehlt: Schießt!

Oh, der Leutnant war nicht der Mann, dem man trotzen konnte! Die Arbeiter eilten zur Mine hin, der Aufseher kam und fragte: Sollen sie schießen?

Ja.

Wir dachten – das Pferd verträgt ja kein Schießen?

Es soll sich daran gewöhnen.

Steif und halsstarrig sitzt der Leutnant im Sattel und weiß, daß dies eine dumme Art ist, ein Pferd ans Schießen zu gewöhnen; trotzdem, er sitzt im Sattel.

Achtung h-i-e-r! rufen die Arbeiter.

Ja, aber hier sollte der Herr Leutnant doch auf alle Fälle nicht stehen bleiben, sagt der Aufseher.

Sie stehen ja selbst hier?

Mit mir ist das was anderes, ich kann weglaufen.

Das können wir wohl auch noch, antwortet lächelnd der Leutnant.

Die Lunte raucht, die Arbeiter bringen sich außer Schußweite.

Das Pferd schnuppert nach dem Rauch hin und wird unruhig, es ahnt, daß etwas geschehen soll, der Leutnant streichelt es mit der Reitgerte und redet ihm zu. Weil er so viele Zuschauer hat, zeigt er sich vielleicht ruhiger, als er ist, man bemerkt nur, daß er die Bügel hart an den Bauch des Pferdes klemmt, als ob dies ihn gegebenenfalls retten könnte. Und er streichelt und streichelt das Pferd und redet ihm zu.

Er war damit noch nicht fertig, als der Schuß krachte. Der nächste Augenblick war wie ein Blitz; das Pferd stellt sich hoch, wirft sich herum und macht ein paar gewaltige Sätze hin über das steinige Feld. Aber diesmal saß ein Reiter im Sattel, der sich nicht abwerfen ließ, jeder Versuch war nutzlos, jetzt ging es schon besser, noch immer in mächtigen Sätzen über den Feldweg hin, aber sicher, gebändigt; und als sie nahe dem Kreuzweg sind, mäßigt das Pferd von allein seinen Lauf, immer mehr, und beide erreichen in bester Haltung die offene Landstraße, schwenken im gestreckten Galopp nach rechts ab durch das Dorf und verschwinden in einer Sandwolke.

 

Es ist Sonntag.

Klein-Willatz geht von Häuslerhütte zu Häuslerhütte und sagt seinen Kameraden Lebwohl, er heimst dabei Ehre und Ruhm ein, er soll ja nach Engelland, in die große Welt, und würde niemals wiederkommen. Gottfred, der arme Kerl, hatte sicherlich nicht zu seinem täglichen Verkehr gehört, doch er vergißt auch ihn nicht, ja er schenkt ihm sogar zwei Kleinigkeiten, die dem armen Gottfred im Laufe der Jahre einmal zugute kommen könnten: einen Hahn, in den man hineinpfeifen kann, und einen von Frau Adelheids Haarkämmen, dem einige Zähne fehlten.

Alsdann ging Willatz zu Lars Manuelsens. Er hatte für Julius ein Pferd auf Rädern mitgebracht und eine ganze Schachtel voll von den verschiedensten Kostbarkeiten. Julius sah in die Schachtel hinein und sagte:

Der Hahn ist nicht dabei.

Den Hahn hat Gottfred bekommen.

Hat er den bekommen. Dann hat er wohl auch den Farbenkasten mitbekommen?

Nein, den hat Papa bekommen. Er bat darum.

Was sitzt du da und fragst? sagt Julius' Mutter. Und dankst nicht einmal für das, was du bekommen hast? Ich habe schon immer gesagt: du bleibst, was du warst, ein Lümmel!

Julius dankt für die Geschenke, und Willatz schämt sich ordentlich, weil seine Gaben so gering sind.

Dann nimmt Julius' Mutter von einem Dachbalken einen Brief herunter, und bittet Willatz, ihn vorzulesen – er ist von ihm, von dem Lars aus dem Seminar. Der alte Lars Manuelsen liegt auf seinem Bett und schläft, denn es ist Sonntag, und seine Frau weckt auch ihn, denn jetzt können sie den Brief vorgelesen bekommen.

Liebe Eltern, begann Willatz.

Wann hat er das geschrieben? fragt Lars.

Willatz liest das vor.

Na, dann ist der Brief einen Monat unterwegs gewesen.

Eine ganze Woche hat er nun schon oben auf dem Balken gelegen, sagt seine Frau.

Der Brief handelt von der Reise nach Tromsö und von der Stadt und von dem Leben dort, von allen den Häusern, allen den Schiffen im Hafen, den tausend und abertausend Menschen auf den Straßen, es war ein langer Brief, mit deutlicher Schulschrift geschrieben. Und was das Essen angeht, so gab es jeden Tag feines Essen, aber nicht genug Brotschnitten, die andern Seminaristen hätten ihm welche weggenommen, und so etwas sei ja eine Sünde; aber er, euer Sohn, vertraue auf Gott.

Da hätte ich nur dort sein sollen! sagt Lars von seinem Bett her.

Was meinst du, was hättest du getan? fragt seine Frau.

Hörst du denn nicht, sie lassen ihn verhungern!

Außerdem handelt der Brief von gelehrten Sachen: daß es hier furchtbar viel Bücher über alle möglichen Sachen gäbe, und außerdem hätten sie einen Schulsaal, der größer sei als die Kirche, und obendrein ein Haus, in dem nur gesprungen und gelaufen würde, zur Ausbildung des Körpers nämlich. Aber das alles miteinander würde schon gehen, denn euer Sohn sei fest im Glauben, und den könne ihm niemand nehmen. Zum Schluß einen ordentlichen Gruß an alle zusammen, besonders an die daheim und an Daverdana bei Leutnants.

Als Willatz gehen wollte, begleitet Julius ihn hinaus, die beiden haben so viel miteinander zu sprechen, aber Willatz ist niedergedrückt und mutlos.

Du mußt mir nun aber auch bestimmt schreiben, sagt Julius.

Ja, aber du kannst ja nicht lesen?

Doch, wenn du mit Druckschrift schreibst.

Was Willatz denn auch gelobte.

Ja, das mußt du nun aber bestimmt tun.

Was ist das für ein kaputter Ball, der dort liegt? fragt Willatz.

Ball? Ja, das ist der, den wir verloren hatten. Ich suchte ihn und fand ihn, aber da war er schon verfault. Sieh ihn dir nur an, wie faul er ist.


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