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XIII.
Bekenntnisse.

Am Johannistage desselben Jahres ging eine fröhliche Gesellschaft, bestehend aus Honoratioren Birkendorfs und der Umgegend in den Wald. Man wollte auf Halldorf's Lieblingsplätzchen ein Pickenik halten. Der Fröhlichste bei der Gesellschaft war der Geometer, welcher heute die hübsche Müllerswittwe seinen Freunden als Braut vorgestellt hatte. Die alte Müllerin war Anfang Mai gestorben, und ihre Erbin hatte dem Altmühlscher, der ein schönes Vermögen besaß, die Mühle verkauft, denn der Geometer zog doch, trotz seiner Liebe für das Landleben, zum dauernden Aufenthaltsort die Stadt vor. Man lagerte sich im Grünen, trank und scherzte, sang anmuthige Lieder und war vom Herzen vergnügt.

Neben dem Glücklichen saß, blühend wie eine frische Rose, die junge Braut; plötzlich blichen ihre Wangen, starr richtete sie ihre Blicke auf den Mann, der eben an der Gruppe vorüber gehen wollte und höhnisch grüßte. Ein kläffender Spitz sprang auf den Wandrer zu und schnappte nach seinem langen Gewande.

»Verfluchter Hund!« schrie Pater Cölestin mit Zähneknirschen, und hob seinen dicken, mit Eisen beschlagenen Stock, der nahestehende Förster faßte den Arm des Paters, »schlagen Sie solch kleines Thier nicht, Pater!« rief Halldorf aus. Beide Männer wechselten einen Blick, aus dem des Grünrocks sprach Verachtung, aus des Kuttenträgers schwarzen Augen Haß und verbissene Rachsucht. Aber der Pater ließ die Hand sinken und sagte, sich etwas verbeugend im Vorübergehen: »Gelobt sei Jesus Christus!«

Später nahm der Förster den Geometer auf die Seite und flüsterte ihm zu: »ich weiß es jetzt, wer mich damals beinahe todt geschlagen hätte, doch hoffe ich, der Schuft wird mir aus dem Wege gehen.«

»Ich weiß es auch, lieber Freund, Ihnen einzig will ich vertrauen, daß der Pater lange Zeit meiner Braut nachgestellt hat. Schwärmerisch und zu gebildet für ihre Umgebungen, fand Apolonia längere Zeit ihr harmloses Vergnügen an der Unterhaltung des Paters, ließ sich etwas eitel auf ihre zierliche Handschrift und ihren guten Styl verleiten, des Paters Bitte, ihm zu schreiben, zu erfüllen. Frauen sind oft erschrecklich naiv, sie hatte in ihren Briefen manches in aller Unschuld gesagt, was eine boshafte Auslegung zuließ. Als der Pater der platonischen Liebe müde war und Apolonia sich zurückziehen wollte, bedrohte er sie mit Veröffentlichung ihrer Briefe. Seine Zuneigung für die junge Frau hatte sich in Haß verwandelt, er hatte unter allerhand Drohungen sie bewogen, an jenem verhängnißvollen Abende in die Kapelle zu gehen, wo Sie zu ihrer Rettung erschienen. Wäre der schöne Cölestin nicht ein Mönch, so wollte ich ihm bald das Handwerk legen, aber mit der Clerisei ist nicht gut Kirschen essen und jeder Einzelne wird von Allen geschützt, das hält sie, darin ist kein andrer Stand auf der Welt so klug. Ich halte es für gerathen, Apolonien nicht lange hier zu lassen; deßhalb drang ich darauf, daß sie ihre hiesigen Grundstücke verkaufte, obgleich etwas zu billig; allein ich habe sie aus Liebe gewählt und frage nicht nach ihrem Vermögen. In den nächsten Tagen werden wir in der Stille getraut und in der Residenz wird Pater Cölestin uns nicht aufsuchen.«

Während der Geometer seinem besten Freunde diese vertrauliche Mittheilung machte, hielt der Klosterbruder Zwiesprache mit sich selbst. Daß er durchschaut war, wußte er genau. Apolonien fürchtete der Pater nicht, sie konnte seine Handlungsweise nicht verrathen ohne ihrem Rufe zu schaden, auch kannte er ihren einfachen, edel angelegten Charakter nicht genug, um zu glauben, daß sie dem Geometer alles ehrlich beichten würde, denn von ihrer Verlobung mit demselben wußte der Pater jetzt. Aber Halldorf! er war nicht der Mann, sich vor irgend wem zu fürchten, wenn er gerechte Sache hatte.

Des Paters Verhältnisse im Kloster waren seit neuester Zeit wesentlich verändert. Nirgends herrscht wohl mehr Mißgunst und Klatscherei als in den heiligen Mauern; zu hoch begünstigt war er vom Herrn Guardian worden, als daß nicht dieser oder jener Klosterbruder hätte versuchen sollen, den Obern gegen Pater Cölestin einzunehmen. Er war jetzt, in der Klostersprache zu reden, um mehrere Pater noster bei dem Herrn Guardian im Rückstande. Der alte Herr Bischof, ein milder, freundlicher Mann, war gestorben und der neue, ein scharfsinniger, ascetischer Mann, welcher den Krummstab handhabte, als sei er ein Schwert.

Schon oft hatte er, seit er die Herrschaft angetreten hatte, die Geistlichen seines Sprengels auf das Plötzlichste überrascht, und ertappte er sie auf der kleinsten Unregelmäßigkeit, dann wehe ihnen; er gestattete ihnen nicht einmal einen gutbesetzten Tisch, gegen den in der Regel die Herren Bischöfe und Prälaten Nichts einzuwenden haben. Auch in die innern Angelegenheiten der Klöster, die zu seinem Sprengel gehörten, hatte er sich gemischt, man flüsterte, daß Mönche in unterirdischen Kerkern schmachteten, wie in früheren Jahrhunderten, und zwar wegen kleiner Vergehungen gegen die strengste Disciplin, und redete ihm nach, daß er in einem Nonnenkloster den frommen Schwestern mit Vermauerung gedroht habe, wenn sie noch einmal mit irgend einem Manne freundlich sprächen, und sei es ihr Arzt. Pater Cölestin hatte durchaus nicht Lust, den Zorn des Herrn Bischofs zu reizen, er nahm jetzt eine demüthige Miene an, kehrte, wenn er in Aufträgen des Guardians ausgegangen war, schnell zurück, und erwies sich den Fratres bei jeder Gelegenheit gefällig. Mit dem tauben Pförtner stand er gut, denn diesen versorgte er heimlich fortwährend mit dem besten Wein, den er sich schon auf seinen Ausgängen bei reichen Frommen zu verschaffen wußte, dafür ließ ihn der alte Trinker auch sehr oft bei Nachtzeit zur Pforte heraus, und ehe der Morgen graute herein und Pater Cölestin war bei der Frühmette stets einer der Ersten in der Klosterkirche.

Jetzt galt es den Revierförster unschädlich zu machen, der Bischof hatte geäußert, daß er demnächst Gnadenort besuchen würde, und Halldorf war der Mann darnach, ungenirt seine bischöfliche Gnaden um Gehör zu bitten und den Pater anzuklagen.

Einige Tage hatte der Mönch nachgesonnen, wie er sich vor dieser Gefahr schützen könne. In Halldorf's Haus konnte er nicht kommen, im Walde den Gegner anzufallen, war auch nicht räthlich, da seit jenem Ueberfalle bei der Kapelle der Förster nicht mehr unbewaffnet ausging, allein ein so kluger Mann wie unser Pater geräth nicht so leicht in Verlegenheit.

Ein glücklicher Zufall, wie der Pater sich sagte, aber in Wahrheit die Nemesis fügte es, daß Pater Cölestin, als er für den erkrankten Pater Leodegar im Beichtstuhl saß, das Bekenntniß eines Mannes vernahm, welcher sich des Wilddiebstahls anklagte, und Absolution dafür begehrte.

»Das ist ein arger Frevel,« sagte salbungsvoll der Pater, »und Ihr müßt dem heiligen Hubertus eine dicke Kerze weihen, das heißt das Geld dafür bei mir niederlegen, wenn ich Euch absolviren soll. Für die Kerze will ich schon sorgen und sie soll am dritten November am St. Hubertustage vor dem Bilde dieses Heiligen flammen.« Pater Cölestin kehrte sich wenig an das Gelübde; er war so gehorsam, als er mußte, so keusch, als es der äußre Anstand erforderte und hatte heimlich immer etwas Geld.

Der Wildschütz zog seinen Lederbeutel heraus und legte einen harten Thaler in des Paters Hand und dieser sagte, indem er das Geldstück in seine geheime Tasche schob: »ich sehe, Ihr seid ein frommer Mann und Eure That reut Euch, darum will ich Euch einen Rath ertheilen; der Birkendorfer Förster ist Euch auf der Spur, bleibt fortan dem Revier dieses Mannes fern, sonst könnt es Euch schlimm ergehn. Er kennt Euch!«

»Der Birkendorfer, Schockschwerenoth, das ist nicht möglich, wenn ich auf die Jagd gehe, setze ich eine fuchsrothe Perücke auf und färbe mein Gesicht schwarz.«

»Das weiß ich, aber der Förster weiß es auch, er hat in meiner Gegenwart geschworen, Euch niederzuschießen wie einen tollen Hund, sobald er Euch im Walde sieht. Indes seid ruhig, Mann, laßt Euer heimliches Jagen und Euch wiederfährt Nichts. Mit dem Birkendorfer ist nicht zu spaßen, er ist ein Ketzer und zieht nicht einmal vor Christus am Kreuze den Hut.«

Der Beichtsohn erhob sich von seinen Knieen, der Pater, ein Menschenkenner, dachte: »nun ist für den Förster gesorgt.«


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