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XI.
Ein ganz unerwartetes Ereigniß.

Am andern Morgen, als die Birkendorfer noch beim Frühstück saßen, durchliefen die überraschendsten Neuigkeiten die Gegend. Der Baron von Geyersfels sollte freiwillig gestanden haben; daß er den Revierförster niedergeschlagen habe; die alte Müllerin im Sterben liegen und die junge Müllerin kränklich sein, endlich Halldorf als Gespenst umhergewandelt sein und bei der Frage, ob Geyersfels ihn ermordet habe, mit dem Kopfe genickt haben, dann sei er wieder starr und steif niedergefallen.

Die Wahrheit lautete jedoch ganz anders; die alte Müllerin kränkelte nur etwas, die junge aber war ernstlich krank und flößte dem Gerichtsarzt große Besorgniß ein, denn er wollte der hübschen freundlichen Frau, die im Hause der mürrischen Schwiegermutter nicht auf Rosen ging, herzlich wohl. Sie sagte im Delirium so Manches, was besser ungesagt geblieben wäre, es war ein Glück, daß die alte Müllerin harthörig war, und die Magd auf die unzusammenhängenden Reden der Fieberkranken nicht achtete. Der Gerichtsarzt wußte, daß die junge Müllerin, die Tochter eines armen gebildeten Beamten, den viel älteren reichen Mann geheirathet hatte, um ihre jüngeren Geschwister zu unterstützen. Daß sie kein tiefes Wittwenleid trug und vielleicht bald geneigt war einem jungen Mann nach ihrem Herzen die Hand zu geben, fand der milde Arzt nicht für verdammenswerth.

Die merkwürdigste Neuigkeit aber, die später sich als wahr auswies und wie ein Freudenfeuer von Haus zu Haus ging, war, daß Halldorf wirklich nur leicht verletzt war und im Starrkrampfe gelegen hatte. Er athmete hörbar, er regte sich wieder, die Farbe des Lebens war in sein Antlitz zurückgekehrt. Julie ging umher wie eine Verklärte, die Kinder jubelten, alle Freunde und Nachbarn fanden sich glückwünschend im Forsthause ein, nur der Geometer und der Gerichtsarzt zeigten noch ernste Mienen. Der Erstere freute sich über Halldorfs Rückkehr zum Leben, aber er zitterte für das der jungen Müllerin, die er aufrichtig liebte und von welcher er gern gesehen war, dem Gerichtsarzt wollte des Försters andauernde Bewußtlosigkeit nicht gefallen. Er fürchtete, daß die Gehirnerschütterung, welche in Folge des Falles Halldorf erlitten habe, von bösen Folgen sein könne. Der Kranke bewegte sich leicht, hatte Arznei und Nahrung zu sich genommen, schien aber Niemanden zu kennen, sich auf Nichts zu besinnen.

Als Geyersfels hörte, daß Halldorf lebe, faltete er die Hände, zwei große Thränen funkelten in seinen Augen, »nun wird sich Alles aufklären,« sagte er, »Halldorf muß wissen, wer ihn niedergeschlagen hat.«

Der Gerichtsarzt scherzte über sich selbst, daß er den Zwillingsbruder des Todes, den Starrkrampf, für den Tod selbst gehalten habe, setzte aber dann hinzu: »doch darf ich mich selbst nicht allzuhart des Irrthums anklagen, denn der Starrkrampf Halldorf's war so abnorm, daß eine ganze Versammlung von Aerzten ihn mit dem eingetretnen Ableben verwechselt haben würde. Geyersfels sandte fast täglich Briefe nach Italien, er erklärte daß er freiwillig in Birkendorf bleiben wolle, bis der Förster wieder bei vollem Bewußtsein sei und fähig, sich deutlich zu erinnern wer ihn verwundet habe. Julien sah er nie.


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