August Hagen
Norika
August Hagen

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Brief von Pirckheimer und Nachschrift des Verfassers.

Meinen freundlichen willigen Dienst Euch zuvor, lieber Herr Heller. Vergebt mir, wenn ich Euch erst jetzo danke für Euer Schreiben, das ich vorigen Monat empfing, und in dem Ihr meiner nicht allein in Gutem gedenkt, sondern mir auch mehr Lob und Ehre erweiset, als dessen ich mich würdig erkenne. Eure gute Meinung von mir verdanke ich ohne Zweifel unserem beiderseitigen Freunde Albrecht Dürer, den Ihr um seiner Kunst und Tugend willen dermaßen liebtet, daß auch die, so um ihn waren, Euch teuer sind. Um so trauriger ist es mir, Euch zu melden, wie unser Freund in der Karwoche am 6. AprilAm 18. April nach unserm Kalender. dieses Jahres, seines Alters im 57sten Jahre selig verschieden ist. Am folgenden Tage abends bei dem bleichen Scheine des Mondes ward er auf dem Johanniskirchhofe von einigen Künstlern zur Ruhe bestattet in feierlicher Stille, die nur das Wehklagen seiner Liebenden unterbrach. Die Künstler verloren ihr Vorbild, die Freunde ihren Stolz, die Stadt ihren Glanz. Künstler, die es in einer Kunst ihm gleich taten, mögen einzelne gefunden werden, aber nie solche, die seine mannigfaltigen Gaben besitzen. Ein Gesichtsabdruck von Wachs bewahrt die Züge des Entseelten, die so mild sind, als die des Lebenden. Ich habe wahrlich an Albrecht einen der besten Freunde, so ich auf dem Erdkreis hatte, verloren, und nichts bekümmert mich mehr, als daß er eines so mühseligen Todes starb. Nächst dem Verhängnisse Gottes kann ich ihn niemanden, denn seiner Hausfrauen zurechnen, deren Unfreundlichkeit ihm am Herzen nagte zu so großer Pein, so daß sein Hintritt dadurch gewaltsam beschleunigt wurde. Wie die Trauernden im Altertum, schnitt er sich vorlängst seine langen Haare ab, denn alle Freude war dahin, er ward bleich und dorrte aus zu einem Schemen. Niemals durfte er darauf denken, wieder guten Mut zu fassen, nie zu den Freunden gehen, so hatte sein böses Weib Sorge, daß er es sich nicht sauer genug werden ließe. Tag und Nacht trieb sie ihn härtiglich zur Arbeit, damit er ihr Geld verdiente, und immer tat sie, als wenn sie verderben müßte, und tut es noch, obgleich ihr Albrecht an sechstausend Gulden an Wert hinterließ. Aber da ist kein Genüge und kurz, sie ist seines frühen Todes Ursach. Oft habe ich ihr selbst ihr sträflich argwöhnisches Wesen vorgehalten und ihr warnend vorhergesagt, was es für ein Ende nehmen würde, aber ich habe mir bei ihr nur Undank erworben. Wer diesem Mann wohlwollte und um ihn wahr, zu dem blickte sie scheel und die tiefste Bekümmernis quälte Albrecht, bis sie ihn unter die Erde brachte. Da ist keine Spur von Vertrauen, und wer ihr nicht in allem Recht gibt, der ist ihr verdächtig. Lieber ein anrüchig Weib besitzen, als ein solches, das im Ruf der Ehrbarkeit steht, und bei dem der Mann vor Keifen und nagendem Argwohn weder Tag, noch Nacht Ruhe und Frieden haben kann. Er schied dahin und uns bleibt nichts anders übrig, als die Sache Gott zu befehlen. Er wolle dem frommen Albrecht barmherzig sein, der wie ein echter Biedermann gelebt hat und wie ein Christ selig verstorben ist. Auch mir verleihe er seine Gnade, daß ich bald dem Freunde nachfolge.Wilibald Pirckheimer starb zwei Jahre später 1530 und in demselben Jahre segnete auch der alte Peter Vischer das Zeitliche. Vischers Söhne starben in den besten Jahren, zuerst der älteste Hermann, der an der Seite seines brüderlichen Freundes, des Malers Wolf Traut, von einem Schlitten übergefahren und tötlich verwundet wurde. Der Kupferschmied Sebastian Lindenast war schon 1520 verschieden. Der blinde Veit Stoß lebte bis zum Jahre 1542.

Von den grausamen Taten des Türken wird hier viel gesprochen und von dem Elende, daß unsere Fürsten und Herren nicht einträchtig sind. Wehe denen, die helfen können und untätig zu der Sache sehen. Aber das sind Strafen von Gott darum, daß die Christen so feindlich gegeneinander gesinnt sind. Wie unsere evangelischen Glaubenshelden gegeneinander im Felde liegen, ist gar schrecklich, und wie weit lutherische Worte und Werke voneinander abstehen. Ich war anfänglich gut lutherisch gesinnt, wie auch unser Albrecht, denn wir meinten, daß der römischen Büberei ein Ende gemacht werden sollte und der Mönche und Pfaffen Schalkheit. Aber die evangelischen Buben treiben es noch ärger. Die Papisten sind doch zum wenigsten unter sich selber eins, aber die, so sich evangelisch nennen, sind auf das Höchste untereinander uneins. Wir alle hielten Lutherum für den vom heiligen Geist erleuchteten Mann, der den wahren christlichen Glauben aufrichten sollte. O Gott, ist Luther tot, so schrieb einst Albrecht Dürer, da ihm vor etlichen Jahren die Kunde kam, daß jener ermordet wäre, wer wird uns hinfort das heilige Evangeliums so deutlich vortragen, der klärer schrieb, als, alle vor ihm. O ihr frommen Christen, helft mir fleißig den gottgeistigen Mann beweinen und flehen, daß er andere wie ihn erleuchte. O Erasmus von Rotterdam, wo bleibst du? Nachmals erkannte Freund Albrecht mit innigem Schmerz, sich in Erasmus gar sehr getäuscht zu haben.

Euch wird mein Schreiben befremden, die Ihr bei Euch nichts von bösen Religionshändeln wißt, die alles verändern, aber nichts verbessern. Aller Glaube wird mit Füßen getreten, und niemand ist seines Leibes und Gutes sicher. Mit Predigen und Worten sind wir überaus geschickt, aber mit den Werken hält es schwer. Doch ich will Euch nicht vorklagen, sondern mit dem tröstlichen Worte schließen, das einst Luther sagte, daß im Himmel ganz anders, als in Nürnberg über die Sache beschlossen ist.

Nürnberg, im Monat April 1528.

Wilibald Pirckheimer.

Eine Beilage enthält eine lateinische Elegie Pirckheimers auf den Tod seines Freundes und die Inschrift, die er ihm setzte, als Dürer in das Grab seines Schwiegervaters Hans Frey versenkt wurde. Sie lautet also:

Me (moriae) Al (berti) Du (reri). Quicquid Alberti
Dureri mortale fuit sub hoc conditur tumulo emigravit
VIII Idus Aprilis MDXXVIII.

AD

(Dem Andenken Albrecht Dürers. Was an Albrecht Dürer
sterblich war, ruht unter diesem Grabhügel, er selbst ist heimgegangen
am 6ten April 1528.)

Ich las den Brief, aber es währte lange, ehe ich ihn gelesen hatte, denn häufige Tränen hinderten mich daran. So ist er denn dahin und die Segnungen des Friedens mit ihm, die Nürnberg dereinst vor allen Städten verherrlichten. Soll wirklich die alte Sage sich bewähren, daß einst ein Fuhrmann vorüberfahren werde, mit der Peitsche klatschen und sagen: Hier stand Nürnberg! Nein – das mag der barmherzige Himmel verhüten! Die Glaubensfehden, so die Künste zerstören, wie Stürme zarte Blüten, sie werden verrauschen und nicht alles in ihren Strudel hinabziehen. Wenn auch erst späte Jahrhunderte die Schuld der Gegenwart sühnen, so wird doch dereinst das Andenken an die frühere Herrlichkeit neu erwachen und an seine verklärten Künstler, die wie ein Sternenkranz die Stadt schmücken, deren größter Stolz Albrecht Dürer war, der deutsche Apelles.


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