August Hagen
Norika
August Hagen

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Die öffentlichen Kunstmerkwürdigkeiten Nürnbergs.

Der Schenkwirt zur goldenen Rose wies mir eine Treppe hoch ein heiteres Eckzimmer an. Hier vor Euch, werter Herr, seht Ihr die Sebalduskirche, in der heute viel Wesens ist, und hier zur Seite das Rathaus, die beiden vornehmsten Gebäude der Stadt. Den feierlichen Umgang, der um eine Stunde vor sich gehen wird, könnt Ihr hier ganz bequem aus diesem Fenster ansehn. So sprach der Wirt, der mit einer behaglichen Wohlbeleibtheit ein ruhiges und gemächliches Wesen verband. Allein ich halte nichts vom heimischen Leben an einem fremden Orte, zumal in den ersten Tagen. Kaum hatte ich einige Erquickungen zu mir genommen und den Staub von meinen Schuhen geschüttelt, so verließ ich schon die Schenke, nicht besorgt wegen des Wiederfindens, da der heil. Sebald mit den beiden Türmen mir von allen Punkten her als ein Pharus winkte, um sicher in den Hafen einzulaufen. Längs dem Rathause ging ich die gerade Straße und gelangte auf den großen Marktplatz, der etwa mitten inne zwischen jener Kirche und der des heil. Lorenz sich befindet.

Kaum betrat ich den Markt, so fesselte meinen Blick der schönste Brunnen, den es geben mag. Ein zierliches Türmchen von ansehnlicher Höhe mit tausend Bogen und Giebeln, kunstreich durchbrochen, umringt von vielen Bildsäulen, ragt stattlich über dem Becken empor. Die Bildsäulen schienen lauter Heldengestalten zu sein, von denen manche der Kurfürstenmantel schmückte. Als ich vor dem Brunnen bewundernd stand, gesellte sich ein junger hübsch gekleideter Mann zu mir. Der sagte mir ein altes Gedicht her, worin die Helden alle namhaft gemacht waren. Nur den Anfang habe ich behalten:

Am Markt zu Nürnberg steht ein Bronn,
So weit, als leuchten mag die Sonn',
Find't man desgleichen nicht.

Der Jüngling hieß Stephan Paumgärtner und war Dürers Freund. Als ich ihn fragte, wer dieses Kunstwerk verfertiget hätte, so zeigte er mir auf der Rüstung einer Bildsäule, die den Carolus Quartus darstellte, den Namen Schonhofer. Das ist ein alter Meister, sagte er, von dem man sonst nichts weiß. Man weiß genug von ihm, erwiderte ich, wenn man den Brunnen gesehn hat. Geschicklichkeit hat er besessen, nahm jener wieder das Wort, aber den jetzt lebenden Steinmetzen,»Steinmetze« hießen die Bildhauer, die zugleich Baukünstler waren. einem Adam Krafft, kömmt er nicht gleich. Hier an der Frauenkirche,»Frauensaal« Karl IV. ließ die Kirche erbauen und nannte sie Unsrer lieben Frauen Saal. Sie ward auch kaiserliche Kapelle genannt. (er wies nach einem Kirchlein auf dem Markte hin) da könnt Ihr sehn, was der eine und was der andere leistet. Die Kirche ist von Schonhofer, aber die kunstreiche Kapelle über dem Portal ist von unserem Krafft, dem geschicktesten Baukünstler und Bildhauer.

Wie angezaubert stand ich noch an dem Brunnen. Da schlug die Uhr der Frauenkirche und Paumgärtner zwang mich nach der Kirche zu gehen, um das Männleinlaufen zu sehn. Darunter verstand man das kunstreiche Uhrwerk über dem Eingang der Kirche, weil jede Stunde bewegliche, bunt bemalte Figuren hier einen Umzug hielten. Das sah gar possierlich aus. Auf dem Thron saß der Kaiser Karl. Ein Herold erschien und ihm folgten vier Posaunenbläser und darauf sieben Kurfürsten mit den Reichskleinodien. Jene, sobald sie vor dem Kaiser waren, setzten die Posaunen an den Mund und diese nahmen fein zierlich die Hermelinmützlein ab. Über dem siegprangenden Kaiser hieß es: »Mensch, bedenke dein Ende!« denn der Knochenmann schlug mit der Sense die Stunden an die Glocke. Wie es mir Paumgärtner erklärte, so waren diese schönen Figuren von Kupfer getrieben und vom Meister Sebastian Lindenast verfertigt, der vom Kaiser Max dafür allerlei Freibriefe erhalten hatte.

Jetzt beschaute ich die Kirche, die nur klein war, und bewunderte die schöne Bauart, namentlich die des Eingangs, über dem sich ein Söller befand, von dem herab dem Volke an einzelnen Feiertagen seltene Heiligtümer von einem Priester gezeigt wurden, als da sind: die kaiserliche Krone, das Zepter und der Reichsapfel, Überreste von der Krippe des Heilandes, vom Gedeck des Abendmahlstisches und von der Dornenkrone. Ich nahm mir vor, mir alles Sehenswerte künftighin zeigen zu lassen, aber je länger ich in Nürnberg war, desto weniger schien es mir möglich, denn daselbst gibt es gar vieles zu sehen.

Auf den Rat des Herrn Paumgärtner begab ich mich jetzt nach der Lorenzkirche, um daselbst das Sakramentshäuschen von Adam Krafft zu sehen, das er mir als das kunstvollste Werk schilderte. Der gerade Weg dahin führte mich über die Holzbrücke (Königsbrücke), von der das Auge die gelblichen Fluten der Pegnitz sich an den Borden fruchtbarer Inseln brechen sieht. Ich stand jetzt vor dem Lorenzmünster und die Frauenkirche war vergessen. Als ich zwischen den beiden goldgedeckten Türmen den Giebel mit dem runden sternförmigen Fenster, die reichen Bildwerke des Eingangs sah, da meinte ich, daß die Baukunst nichts Höheres erschaffen könnte, doch als ich in die Kirche trat und die himmelanstrebenden Gewölbe erblickte, ward ich zweifelhaft. Erhebend ist ein Blick zwischen die Pfeilerreihen, deren Bogen sich wie zu einem Laubengange vereinigen. Unbegreiflich, wie die Steine ihre Natur verleugneten und emporstiegen auf das Machtgebot der Kunst, als wenn der Stämme Lebenskraft die Zweige aufwärts zöge. Ich ging in den ungemeßnen Räumen umher ungewissen Schrittes, bis ich an einem Pfeiler zunächst dem Hochaltar anstaunend weilte. Hier ragte nämlich das kunstvolle Gebäude schlank und zierlich empor, in dem des Bischofs Hand die Hostie verwahrt. Nicht aus Stein schienen hier die Äste, Ranken und Blätter gehauen, sondern Blätter, Ranken und Aste versteinert. Und in der Tat war das Sakramentshäuschen wohl sechzig Fuß hoch, nicht ein Werk des Meißels, sondern der Gießkunst,Das Geheimnis der Steingießkunst ist längst als ein Märchen erkannt. denn Kraffts übermenschliche Kraft verstand die Steine zu erweichen und in Formen zu gießen. Es war das Bild des Meisters selbst, der mit zween Gesellen kniend die Balustrade trug, die das Gebäude umgab, jener, ein ehrwürdiger Kahlkopf mit langem Barte, blickte so mild hinauf, wie diese so störrisch und bäuerisch grob. Darüber befand sich der heilige Schrank, von jeder der vier Seiten mit Erzgittern verwahrt. Blumen und Zweige in lieblicher Verschlingung umflochten dann das durchsichtige Türmchen, dessen Spitze sich in einem Krummstabe endigt. Zwischen den Stäben und Ästen waren anmutige Bildwerke angebracht, die des Erlösers Leidensgeschichte vom Gebet auf dem Ölberg bis zur Auferstehung zeigten. Der dienstbeflissene Kirchner, der unaufgefordert sich neben mich stellte und der wohl meinen mochte, daß je schwerer er sich das Erklären werden ließ, desto schwerer das Trinkgeld ausfallen würde, quälte mich nicht wenig. Von allen Dingen, die er mir vortrug, war mir nur das eine angenehm zu hören, daß mein Freund Imhoff sich durch dieses Werk hier ein Denkmal gestiftet hätte. Fast mit Gewalt zog er mich von diesem Preise der menschlichen Erfindung und zeigte mir hier ein großes Schnitzwerk, das am Gewölbe hing und die Verkündigung Mariens vorstellte, ein Werk von Veit Stoß, und dort die gemalten Fenster, die mit blendendem Glanz wie Saphire und Rubinen schimmerten, von denen das eine, das Volkamerische, den Stammbaum der Mutter Gottes enthielt, das andere, das Markgrafenfenster, Bildnisse der Burggrafen von Zollern zeigte. Der Stadtmeister Veit Hirschvogel hatte diese Fenster gemalt, der wie Veit Stoß noch lebte, Kunstgenossen des größern Krafft. Ob ich auch nach diesen Herrlichkeiten zu verschiedenen Altarblättern hinblickte, die der Erklärer mir weitläuftig beschrieb, so stand das Sakramentshäuschen doch immer vor meinen Augen. Als ich wieder dahin sehnsüchtig zurückkehrte, lachte jener still für sich und fragte mich, ob ich schon in der Sebalduskirche das Sebaldusgrab von Vischer gesehen hätte. Auf meine Verneinung rief er ein über das andere Mal: was werdet Ihr da erst für Augen machen, denn Peter Vischer ist mein Seel! der erste. Ich sah ihn zweifelnd an, worüber er fast ärgerlich ward. Habt Ihr denn wirklich, hub er wieder an, nichts von dem vornehmsten Rotschmid,Rotschmiede oder Rotgießer wurden die Messingarbeiter genannt. von Peter Vischer, gehört? Überall in Deutschland, was sag' ich Deutschland? in Böhmen, Ungarn und Polen ist mit seinen Werken sein Ruhm hingedrungen. Keiner der Potentaten, so viel ihrer nach Nürnberg kamen, verließ je die Stadt, ohne Vischers Gießhütte besucht zu haben, und mancher Fürst ist bloß seiner Werke und seinethalb hieher gereist, und kein Kunstkenner, wie Ihr einer seid, darf darin den gekrönten Häuptern nachstehen. Was ist Krafft und was ist Vischer? Ich hielt es für Geschwätz.

Während der Kirchner noch sprach, erscholl auf einmal ein Schreien und Jubeln und alle Glocken klangen und ein geistlicher Gesang ertönte bei Posaunen und Pauken. Jetzt kommt, geehrter Herr, den feierlichen Umgang zu sehen, der unsrer Kirche vorbei nach dem St. Sebald zieht. Ich beschaute das Sakramentshäuschen und äußerte meine Gleichgültigkeit, dergleichen zu sehen. Aber der Umgang wird heute gar prächtig ausfallen, sagte der Kirchner, der vor Neugierde brannte und dennoch nicht von mir weichen wollte. Ja, folgt mir, denn ich habe Euch noch außerhalb der Kirche herrliche Bildwerke zu erklären, die alle von Adam Krafft, von dem großen Meister, herrühren. Mir blieb nichts anders übrig, als ihm zu gehorchen. Und ich bereute es nicht, denn die schönsten Jünglinge und Jungfrauen sah ich hier in den geschmackvollsten Trachten. Auch hier zeigte sich, daß in Nürnberg der Kunstsinn zu Hause ist.

Als wir aus der Kirche traten, war der Zug der Priester schon vorüber und rechts und links, wie weit das Auge reichte, flatterten Fahnen und dampften Kerzen. Feierlich tönte überall Gesang und Musik. Alle Stände und Zünfte mit den Zeichen ihrer Hantierung folgten in buntem Gewühl. Am meisten gefiel mir ein Zug von schmucken jungen Leuten, die die Propheten und allerlei Heilige vorstellten. Da sah ich im Purpurmantel, feierlich angetan mit goldener Krone, den König David, wie er die Harfe spielte, und hier die heil. Margarete, die in den Händen eine Palme und einen Drachen trug. Am schönsten aber war Ursula, an dem langen Pfeil erkennbar, und ihr Gefolge, eine Zahl der schönsten Jungfrauen, und daneben ihr keuscher Bräutigam mit einem Zuge von Rittern und Knappen. Die waren alle so prachtvoll und schön gekleidet, wie man sie auf alten Gemälden sieht. Wer ist das Mädchen dort und der Jüngling? fragte ich den Kirchner, ob er gleich Gebete vor sich hinmurmelte. Die Ursula, belehrte er mich, ist Afra Tucherin, des Bürgermeisters Tochter, und ihr Bräutigam ist wirklich ihr Bräutigam, Hans Schaufelin, Dürers Schüler. Sein Name war mir bekannt und die geschmackvolle Anordnung rühmte seine Kunst. Unter Ursulas Begleiterinnen war vor allen eine Jungfrau, schön, im roten Kleide mit blauem Überwurf, ein wahrhaftes Madonnenbild. Wie sie ihr blaues Auge so sittsam niedersenkte und das blonde Haar ihr lieblich auf die Schultern floß!

Als der Zug etwa in Zeit von einer Stunde vorüber war, zeigte mir mein Führer den Ölberg, den Adam Krafft unter einem Fenster an einem vorspringenden Pfeiler angebracht hatte. Unter einem Dach, das auf dünnen Säulen ruhte, sah man den Heiland, wie er inbrünstig betete, und die drei Jünger mit schlaftrunknen Augen. Hier brannte für beständig ein Lämpchen. Vielleicht kam es, weil ich zerstreut war, daß mir dieses Werk nicht sonderlich gefiel. Ich erwies mich jetzt dem Kirchner für seine Mühe dankbar und ging den Weg zurück, um mit dem Festzuge, der sich langsam vor mir her bewegte, nach dem Sebaldusgrabe zu wallfahrten.

Auf dem Wege bedachte ich, wie so wunderbar auf einmal mein Sinn sich verändert hatte, wie ich sonst ein so begeisterter Bewunderer von Gemälden war und gleichgültig bei Bildwerken vorüber ging, wie ich sonst in jeder Kirche aufmerksam von Altar zu Altar mich begab und mich lange noch der gesehenen Bilder freute und wie ich jetzt, da ich kaum dem heil. Lorenz den Rücken gekehrt, mich keines Gemäldes mehr zu erinnern wußte. In der Sebaldskirche setzte ich mir vor, meinen Fehl zu bessern, und sah daher diesmal den schönen Brunnen auf dem Markt nur mit halben Blicken an, ebenso die Eingangsseite der Sebaldskirche, an den ein ungeheures Kruzifix von Bronze hing.

Mühsam drang ich in die Kirche, da die ganze Stadt auf dem Kirchenplatz versammelt schien. Auf dem Hochaltar hielt ein Bischof eben die Messe. Flüchtig sah ich nur die gewebten Teppiche an, die heute die Wände der Kirche bekleideten, – bunt genug nahmen sich auf ihnen die Wunder des heil. Sebald aus – flüchtig den Taufstein, der nach Wenzel genannt wird, weil bei der Taufe ihn der Kaiser Wenzel taufte. Mit magnetischer Kraft dagegen zog mich die erzne Kapelle an, die in unvergleichlicher Herrlichkeit mitten in der Kirche des heil. Sebald silbernen Sarg, groß wie ein Hünengrab, umschloß. Am Sockel las ich die Inschrift:

»Peter Vischer, Bürger in Nürnberg, machte dieses Werk mit seinen Söhnen. Ist allein Gott dem Allmächtigen zu Lob und St. Sebald dem Himmelsfürsten zu Ehren mit Hülfe andächtiger Leute von Almosen bezahlt.«

Kunstreiche Pfeiler trugen an dem Gußwerke des Gewölbes kunstreiche Bogen. An ihnen standen die zwölf Apostel, als die wahrhaften Stützen der heiligen Kirche. Zwischen den Pfeilern standen hochragende Leuchter, wie man diese neben Särge stellt, aber, genau betrachtet, waren die Lichte schlanke Säulen, die das Gewölbe tragen halfen. Drei vielfach durchbrochene Türmchen krönten das Werk. Aber was sage ich von all den kleinen Figuren, von den viel tausenden, die oben und unten auf der Platte sich befanden? Unter ihnen das Bild des werktätigen Meisters mit dem Schurzfell, das den Meister ziert, wie den König der Purpur. Gar selten und lustig waren viele Figuren auf der Platte, die auf kriechenden Schnecken ruhte. Ich dachte an den redseligen Kirchner und beschämt erkannte ich seine Worte als wahr. Unbeweglich würde ich vor dem Kunstwerke geweilt haben, nicht achtend dessen, was um mich in der Kirche geschah, wenn nicht nach geendigter Messe sich der bunte Zug nach dem Sebaldusgrabe begeben hätte, um hier nun seine Andacht zu halten. Ich floh die heilige Stätte, erleuchtet durch ein Wunder der Kunst. Nur im Vorübergehen betrachtete ich die Bildwerke, die die hintere Seite der Kirche von außenher schmückten mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Christi. Einen Teil von ihnen konnte ich aus meiner Schenke sehen. Sie ließen mich kalt, obgleich sie von Adam Krafft herrührten.

Als ich nach meiner Herberge zurückkehrte, empfing mich der Wirt, der sich ein zierliches Kleid angelegt und darüber eine schneeweiße Schürze gebunden hatte, mit den Worten: ich wäre zur rechten Zeit gekommen, denn die Suppe würde eben aufgetragen. Er führte mich in seinen Garten, wo unter duftenden Bäumen gespeist wurde. Eine Anzahl der angesehnsten Bürger waren zum Mahl versammelt und an Zuschauern fehlte es nicht, die sich vom Volke dazu einfanden, denn am Sebaldustage war allen Armen gleichsam ein Freibrief gegeben, die Brocken von der Reichen Tisch zu sammeln. Unter den Gästen befand sich auch Herr Paumgärtner, der mir einen Platz neben sich und dem Ratsherrn Paulus Volkamer, einem etwas steifen Herrn, anwies. Ich überströmte gegen Paumgärtner in Ausdrücken der Bewunderung, womit all die Herrlichkeiten mich erfüllt hatten. Volkamer fragte mich, ob ich das Fenster betrachtet, das er in die Lorenzkirche gestiftet, und ihn schien es zu befremden, daß ich außer demselben noch etwas anderes daselbst bewundert hatte. Viel wurde von Nürnberg erzählt und sie erklärten sich darüber mit so viel Vorliebe, als ich mit Aufmerksamkeit ihnen zuhörte. Die Freude des Mahls wurde noch durch Musik erhöht, die Bergleute aus Böhmen dazu anstimmten. An ihr nahmen immer mehr Teil, je reichlicher den Armen von der reich besetzten Tafel gespendet wurde. Unter den Ungebetenen zog auf einmal meinen Blick jenes Mädchen auf sich mit den blonden Locken voll holdseliger Verschämtheit, das im Gefolge der heil. Ursula mir besser als sie selbst gefiel. Freudig erregt wandte ich mich zu meinem jungen Nachbar und fragte: Wer ist die Jungfrau? obgleich der Frauenzimmer viel umherstanden; und Paumgärtner wußte sogleich, wen ich meinte, und sagte: Maria heißt sie, Maria Rosenthalerin, ein armes Mägdlein. Der Name prägte sich tief mir ein und ich flüsterte vor mich hin: Maria – wie könnte auch die Jungfrau anders heißen! Unterdes ward auf die Gesundheit des mächtigen Kaisers und Königs getrunken – ich trank auf die meiner Königin, sodann auf die des weisen Rates – ich trank auf die des weißen Mädchens, endlich auf die aller Nürnbergischen Bürger – ich trank auf die der schönsten Nürnbergerin. Meinem Freunde entging es nicht, daß ich unverwandt zu ihr blickte, und weil er ein Schalk war, so wußte er es so einzufädeln, daß ich sie ganz in der Nähe sah. Er stand auf und bat ein Wort an die ehrenwerte Versammlung richten zu dürfen; alsdann stellte er es wahrhaft bewegend dar, wie mancher Edle unverdienter Weise an diesem Tage darbte, während sie selbst, vom Glück begünstigt, der Freude ihr Herz öffneten; wie vor allen ein armer, einst arbeitsamer Greis in ihrer Vaterstadt die Teilnahme der Guten verdiente, den Blindheit daran hinderte, Brot zu erwerben, und Stolz, es zu erbetteln. Jeder in der Gesellschaft erklärte sich bereit, dem Greise (der nicht genannt wurde) durch ein Scherflein die Not zu mildern. Der Redner stand jetzt auf, nahm einen Teller und schritt zur schönen Maria hin, damit sie die Gaben einsammelte. Wer war froher als ich? Da nun die Jungfrau mir den Teller hinreichte, so legte ich unter die kleinen Silbermünzen einen Dukaten. Dafür meinte ich aber auch dem Mädchen ins Angesicht sehen zu können, und wahrlich, ich hatte nicht zu viel gegeben. Maria aber wollte das Goldstück nicht nehmen und wollte es mir zurückgeben. Ich zog die Hand hinweg und Paumgärtner warf sich als Vermittler auf, indem er sagte: Nimm, Mädchen, das Geschenk! Du sammelst ja das Geld nicht für Dich, sondern für den alten Vater. Ebenso freudig als beschämt schüttete sie das Geld aus dem Teller in ein Tuch und – fort war sie. Mein Auge folgt ihren Tritten, und mir war ganz wunderlich zumute.


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