August Hagen
Norika
August Hagen

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Der Rotschmied Peter Vischer und seine Söhne.

Noch ehe ich zum Meister Dürer und den übrigen Freunden gegangen war, die ich alle so herzinniglich liebte, begab ich mich zu Peter Vischer, denn ich hatte was Großes in Gedanken, das ich mit ihm besprechen und beraten wollte. Ohne Führer fand ich seine Wohnung. Lange stand ich, wie damals, in der dunklen Hausflur und klopfte an die bekannte eichene Türe, aber auch jetzt öffnete sie keiner. Damals war alles totenstill, jetzt aber hörte ich einen schönen, vollstimmigen Gesang, den mehrere Frauen aufführten. Es war ein geistliches Lied und mir war so heilig zumute, als wenn ich in eine Kapelle eintreten sollte. Bei einer Stelle, da der Gesang leise ertönte, verstärkte ich mein Anpochen und die Türe ward endlich aufgetan.

Lieblich war es anzusehen, wie vier noch recht jugendliche Frauenzimmer fleißig am Spinnrocken saßen und, auf daß die Arbeit Gedeihen fände, ein frommes Lied dazu sangen. In der Mitte der Stube spielten zwei wunderliebliche Kinderchen, die mit einem Kätzlein ihren Spaß hatten, dem sie einen Pfropfen an einem Bindfaden zuwarfen, und ihn dann wieder zurückzogen. Vor dem freundlichen Anblick war es mir lange nicht möglich, eine der Frauen anzureden. Alsdann fragte ich die, die mir zunächst saß, nachdem sie mich wieder gegrüßt hatte, ob ich nicht den Herrn Peter Vischer sprechen könnte. Verlangt Ihr meinen Mann oder meinen Schwiegervater zu sprechen? war ihre Antwort. Herrn Peter Vischer, den Rotgießer! So suchte ich mich deutlicher zu erklären. Auch mein Mann ist Rotgießer, entgegnete sie lächelnd. Ihr seid zu jung, liebe Frau, ließ ich mich darauf vernehmen, als daß Ihr dessen Gattin sein könntet, den ich suche, wohl aber dessen Tochter. Schon vorher hatten die übrigen drei Frauen, von denen eine blühend wie ein junges Mädchen aussah, und denen um meine Verlegenheit leid tat, wie mit einer Stimme gerufen: Gewiß meint der fremde Herr unsern Schwiegervater! Die Erklärung nahm mich, wie vorher die Frage, Wunder, denn wie hoch ich Frauenfleiß achte, so schien es mir doch zu viel, daß so junge Frauen, die ihren Schwiegervater besuchen, anstatt beim Vesperbrot zu plaudern, zu scherzen und zu lachen, so fleißig das Rädchen drehten. Da ich noch unter ihnen stand, kam aus der Nebenstube ein Haufe von Kindern, alle munter und frisch, um den Fremden zu sehen, Mädchen und Buben, deren Furchtsamkeit die Neugierde überwand. Unser Schwiegervater und unsre Männer sind heute in der Gießhütte beschäftigt und daher habt die Güte und setzt Euch, bis der Alte kommt. So sprach eine der Frauen und befahl einem Knaben, Anton hieß er, den Großvater zu rufen. Ich bat um die Erlaubnis, mit dem Knaben mitgehen zu dürfen, da ich gern die Gießhütte und den alten Meister bei der Arbeit sehen möchte. Nachdem sie mich gebeten, mich wohl vorzusehen, damit ich mich nicht stieße, denn der Gang wäre finster und enge, so lief mir der Knabe voran und ich folgte ihm.

Kaum hatte ich die Stubentür geschlossen, so begann wieder der herzerhebende Gesang. Durch einen schachtartigen Kellergang brachte mich der kleine Führer auf einen engen, rings verbauten Hof. Da sah man Gänse, Enten und Hühner, die bei unserm Nahen die Flucht ergriffen, während eine Ziege dreist zum Knaben sprang und die Hand leckte, aus der sie oft Brot erhalten. In einer Ecke hinter einem Lattenverschlage grunzte begehrlich ein Schwein. So beschränkt der Hof war, und so wenig die Sonne Zugang hatte, so schien er doch der genügsamen Familie auch als Garten zu dienen, denn unter einer Espe sah man einen Tisch und zwei Bänke. Vornehmlich wurde mein Blick auf ein Gebäude hingelenkt, das ganz aus Feldsteinen bestand und an dem man kein Fenster, sondern nur eine gewölbte Türe wahrnahm, aus welcher bisweilen ein dicker, weißer Qualm sich hervordrängte. Kaum waren wir auf dem Hof, so lief Anton ein über das andere mal: Großvater!

Endlich trat aus der Gießhütte ein Mann, etwa ein Dreißiger, und fragte: mein Söhnchen, was willst du? Obgleich ihm Hände und Gesicht schwarz besudelt und die Haare, wie sie bei den Malern die Verdammten der Hölle haben, emporgesträubt waren, so fiel mir doch die sonderbare Ähnlichkeit auf zwischen dem Knaben und ihm und zwischen ihm und dem alten Herrn Vischer. Ich trug ihm mein Verlangen vor und er bat mich, eine kleine Geduld zu haben, bis sein Vater den Gußofen verlassen könnte. Ich vernahm von ihm, er nannte sich Johann, daß er mit seinen vier Brüdern dem Vater, der sonst keine Gesellen hätte, in seinem Geschäft beistünde, und daß die Frauen, die ich zusammen so fleißig hätte spinnen sehen, ihre Weiber wären. Sie bildeten nämlich alle eine Familie und wohnten mit dem Vater eng, aber zufrieden in demselben Hause zusammen. So glückliche Familien gibt es wenige, dachte ich bei mir und die Erzählung tat mir wohl, da Streitigkeiten oft selbst kleine Familien voneinander reißen.

Indem kam Meister Vischer, der mich auf dem Hof gesehen hatte, der hohe, starke Mann mit dem krausen Barte, dem ein Schurzfell von den Schultern herabhing. Er grüßte mich auf das herzlichste und sagte, daß ich zur rechten Zeit gekommen wäre, da er eben eine Arbeit unter den Händen hätte. Es war nämlich die bejahrte Schwester des Herrn Bürgermeisters Katharina Tucherin in Regensburg gestorben, der die Erben in dem Dom ein bronzenes Denkmal setzen ließen. Unser Herr Bürgermeister, sagte Vischer, hat von ihr ein artiges Sümmchen geerbt, aber ich gönne es ihm, denn er ist ein wackerer Mann, der viele zu ernähren hat. Seine Erzählung war mir nicht gleichgültig, da ich an des Bürgermeisters Tochter und ihren Liebsten Schäufelin dachte, in dessen Säckel vielleicht auch etwas geflossen sein möchte.

Wartet nur hier noch ein wenig, bester Herr Heller, sagte der Alte, bis die größte Glut vorüber ist, denn jetzt würdet Ihr den Qualm nicht ertragen können. Geschäftig lief er wieder ins Haus zurück. Ich nahte der Türe und sogleich biß mir der Rauch in die Augen, so daß ich weinen mußte. Als ich da so in die Werkstatt sah, wie alles in Flammen aufzugehen schien und Vischers Söhne umherliefen und der Meister dies und jenes anordnete, gemahnte es mich an Vulkan und die Cyklopen, obgleich der alte Vischer gut zu Fuße war und seine Söhne alle schöne Männer zu sein schienen. Der Meister kehrte bald wieder zu mir zurück und sagte. daß er jetzt mit mir in Ruhe kosen könnte; daß er mich lieber bei sich sähe, als Könige und Fürsten, die zu bloßem Zeitvertreib ihm die kostbare Zeit stählen.

Er bat mich, mich mit ihm auf die Bank zu setzen, und da sie unsauber war, so band er schnell das Schurzfell ab, legte es mit der vorderen Seite nach unten aufs Brett, und bat dann von neuem. Mein ältester Sohn, so erzählte er mir, mein Hermann, ein tüchtiger Arbeiter, ist in diesen Tagen aus Italien gekommen und hat Euch wunderschöne Zeichnungen mitgebracht. Die müßt Ihr alle sehen. Ich war auch in Italien und zehre noch immer an der Erinnerung. Ja, wer in Italien, in diesen Stiefel Europas, die Füße setzt, der zieht sich in der Kunst Meilenstiefel an, um mit Riesenschritten vorwärts zu kommen. Die Italiener, das ist sonst ein falsches Gesindel, namentlich die Schenkwirte, die dem armen Handwerksgesellen für ein Stück Brot den letzten Gulden abzwacken möchten, aber in der Kunst, da stehen sie obenan. Alle meine Söhne, so viele Ihr da seht, sollen nach Italien, und wenn es mein Letztes kosten sollte. – Ich entgegnete ihm darauf, daß, wie hoch ich ihn auch um der Kunst willen samt seinen Söhnen schätzte, mir dennoch das gesellige Leben seiner Familie noch viel mehr zusagte. Ja – sagte Vischer, wir möchten wohl geräumiger leben und nicht so zusammengeklemmt, allein es mag sein Gutes haben, wenn wir so nahe aneinander stehen, so können wir unsere Hände nicht gegeneinander brauchen. Ja, wir leben eingezogen, aber vergnügt und einträchtig. Meine Frau, Gott habe sie selig! die flößte meinen Söhnen Verträglichkeit ein, und guter Eltern Segen zins't Kindern und Kindeskindern. Seht all die Söhne da, die ehren ihren Vater, wie ich meinen Vater ehrte.

Unterdes hatte sich Hermann, von dem der Alte sprach, zu uns gesellt. Er sah bleich aus und der müßte wahrlich noch keinen Gram erlitten haben, der nicht in seinen Zügen den herbsten Gram erkannte. Er hörte eine Zeitlang stille uns zu und wandte den Blick hinweg, als der Vater sein Glück rühmte. Fremder Herr, begann er dann, wäret Ihr vor einem Jahre zu uns gekommen, da hättet Ihr in unserm Häuschen fünf glückliche Ehepaare gefunden. Meine Frau hat mich seitdem verlassen. Verlassen? wiederholte ich mit Teilnahme. Heimweh riß sie von meiner Seite, so klagte der Arme und zeigte nach oben. Ich hätte mit ihm weinen mögen, aber der Alte schüttelte den Kopf und sagte: Ja, eine böse Zigeunerin wahrsagte mir, daß ich all die meinen überleben würde. Das ist hart, allein wenn es Gott schickt, so muß es getragen werden. Nicht doch Hermann! Keine Tränen! Hätten wir dich vergeblich nach Rom reisen lassen, was mir und den Brüdern sauer genug geworden ist? Aber nein – du bist wahrlich nicht vergeblich gereist. Geschwinde bringe die Mappe her mit den Zeichnungen, die du mitgebracht hast, und zeige sie uns vor, denn Herr Heller versteht es.

Hermann entfernte sich. Da ich so viel von Kindesliebe hörte (wie kann ein Glück ohne sie bestehen?), machte ich den Meister mit dem eigentlichen Grunde meines Kommens bekannt. Ich brachte die sorgsam zusammengerollte Zeichnung hervor, die ich als ein teures Geschenk von Vischer aufhob, und eröffnete ihm, daß ich willens wäre, ein Bild von Bronze darnach in Lebensgröße gießen zu lassen. Vischer betrachtete die Zeichnung mit dem heil. Martin und gestand dann selbst, daß sie nicht übel geraten wäre, und daß sich ein solches Bronzebild wohl ausnehmen dürfte. Lange ging ich mit dem Plane um, hub ich an, meinem seligen Vater ein Denkmal zu setzen, aber nicht in der Kirche ein Denkmal der Trauer, sondern auf einem schönen öffentlichen Platz ein Bild seiner Tugend. Vitam, non mortem cogita!! (des Lebens denke, nicht des Todes!) las ich neulich auf einer kleinen Bronze, die aus Eurer Gießhütte gekommen war, und der Spruch sagte ganz meinem Gefühle zu. Warum ich aber den heil. Martin wähle, hat folgenden Grund. Mein Vater selig hieß Martin und in Aschaffenburg wird der Platz, an dem sein Haus lag, noch jetzt der Martinsplatz genannt. Wie er reich war, so war er auch wohltätig und gleich dem heil. Martin teilte er gern mit dem Armen. Drum soll dessen Bild da prangen, umgeben von sinnbildlichen Figuren des Wohltuns, wo jetzt ein unansehnlicher Springbrunnen sich befindet. Ich legte ihm einen Riß des letztern von der Hand eines Baumeisters vor.

Vischer zog einen Rötel aus der Tasche und auf dem Tischblatte, das er abstäubte, zeichnete er mir gar schöne Erfindungen. In der Mitte stand der heil. Martin auf hohem Steine. An den vier Ecken des Brunnenbeckens strömten Seepferde Wasserstrahlen aus, indem sich ihre Delphinenschwänze am Stein emporkrümmten. Zwischen ihnen standen vier Figuren, zuerst die Wohltätigkeit, die aus einem Kruge Wasser aus Fischlein schüttete, die auf dem Boden lagen. Die Fischlein sollten an des Werkmeisters Namen erinnern. Dann der Überfluß, ein Weib, das aus Mund und Brüsten Wasser sprudelte. Ferner der Reichtum, der auf dem Schoß viele Münzen trug und vor dem ein Knabe aus einem Füllhorn Wasser ausgoß. Die Münzen sollten den Stifter Heller bezeichnen. Zuletzt die Tugend, die einen Kelch über einen Kohlentopf hinneigt, die nämlich durch das Wasser des Glaubens das Feuer der Sinnlichkeit erstickt.

Ich bewunderte seine Geschicklichkeit und seine Erfindungsgabe und alles erschien mir gar trefflich. Vischer meinte, daß es ein schönes Stück Geld kosten und er und Herr Rößner etwas Ansehnliches dabei verdienen würde.Konrad Rößners Gewerbe war Messing darzustellen oder zu brennen und er führte als solcher den Namen Brenner. Zu Vischers Sebaldusgrab brannte er den Messing. Ich bat ihn, mir so bald als möglich einen Anschlag zuzuschicken, und fügte hinzu, daß ich nichts sparen wollte, da es das Andenken meines Vaters beträfe und da der Himmel meine Geschäfte in Augsburg gesegnet hätte. Das Werk kostete wirklich eine große Summe, die ich verschweige, damit nicht einst meine Erben auf mich schelten, wenn sie dieses lesen sollten.

Vischer wollte anfangs nicht den heil. Martin, wie er ihn entworfen, gießen und meinte, in der Mappe des Sohnes würde ich etwas finden, was sich noch besser ausnähme. Unterdessen kamen die Söhne samt und sonders aus der Gießhütte, indem sie die Schweißtropfen von den rot erhitzten Gesichtern mit den Hemdärmeln abwischten. Der Söhne waren fünf. Hermann, der junge Witwer, war der älteste. Peter, der Schönste unter allen, mit langem, lichtbraunem Haar und Bart, verstand sich auf die Gelehrsamkeit und war, wie Albrecht Dürer, Genannter des Rats. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, doch konnte ich mich lange nicht entsinnen, wo und wann ich ihn gesehen hätte. Hans war das treue Ebenbild des Vaters, nur wo man beim letztern einen waldartigen Bart sah, war bei ihm ein dünner Aufwuchs. Paul hatte etwas Widerwärtiges im Gesichte, und ich hörte, daß er mit gedoppelten Zahnreihen begabt wäre, drum war er auch so bissiger Natur. Fremden begegnete er barsch, weil sie ihn in der Arbeit störten, sonst aber war er im Hause tüchtig und gut. Die treusten Haushunde sind die schlimmsten gegen Fremde. Der jüngste endlich, Jakob, war der Lieblingssohn, der Benjamin unter den Brüdern. Oft findet man, daß die Eltern die jüngsten Kinder am meisten lieben. Er mochte es aber auch verdienen, denn immer war er freundlich und wohlwollend, und jetzt hatte er gut lachen, da er in den Flitterwochen lebte. Alle diese waren gewiegt in ihrer Kunst, und was zur Rotgießerei gehörte, darin hatte sie der Vater auf das gründlichste unterwiesen. Allein wie es nie fehlt, daß selbst unter Meistern sich der eine mehr in diesem, der andere mehr in jenem Stück auszeichnet, so ward dies auch hier gefunden. Wenn sie eine Bestellung erhielten, so war es der Vater, der eine Zeichnung des ganzen vorriß. Peter alsdann, der alle Dichter kannte, alte und neue, und jene sogar im Lateinischen las, durchmusterte alles und gab artige Erfindungen an, sei es in Gegenständen der heidnischen Götterlehre oder der biblischen Geschichte oder den Heiligensagen. Hermann machte alsdann aus Ton ein kleines Modell, das meist so zierlich aussah, daß man es weiß getüncht für eine Elfenbeinarbeit gehalten hätte. War dies fertig, so kam die Reihe an Paul, der darnach ein Tonmodell formte in der angegebenen Größe, um davon Tonformen zu nehmen oder es in Formsand abzudrücken. Der jugendliche Jakob gab den Erzguß, wenn er vollendet war, durch die Feile den höchsten Grad der Sauberkeit. Hans war ein Erzmechanikus, der lange das Schlosser-Handwerk beim Meister HeußDem Verfertiger des künstlichen Uhrwerks aus der Frauenkirche. gelernt hatte. Er verfertigte zuerst das Holzgestell, worüber die großen Figuren von Ton gebildet wurden, und wenn die Bronzearbeiten fertig waren, so war er es, der die einzelnen Teile auf das künstlichste verband, so daß wer nicht darum wußte, glauben mochte, das größte Werk bestünde aus einem Stück. Denn von Nieten und Döbeln war nirgends zu sehen. Er pflegte oft zu sagen, wohl nur im Scherz, daß er der vornehmste Arbeiter unter allem wäre, wie der Zimmermann unter den Bauleuten, wenn es auch nicht gleich den Anschein hätte. Was vermöchte aber der Maurer, wenn er ihm nicht zu den Mauern das Gerüst und zu den Gewölben die Bogen schaffte? So wäre auch er der Zimmermann, der zuerst das Fachwerk zimmerte, woran die andern nur Erde anklebten, und wenn es fertig wäre, das Gebäude aufrichtete.

Hermann schlug die große Mappe auf und zeigte schöne Zeichnungen von wunderherrlichen Werken, namentlich von florentinischen Meistern, die es in der Bildnerei allen zuvor getan haben von früher Zeit an bis zu Michel Angelo Buonarotti. Vom letztern zeigte er den David mit der Schleuder und den Moses mit den Gesetztafeln. Es war eine Freude, diese Schätze mit den Künstlern zu beschauen, von denen jeder ein prüfender Wardein das echte und falsche herausfand. So viel ich aber auch hier des Lobenswerten fand, so gefiel mir doch Vischers heil. Martin mehr als alles und ich blieb bei ihm.

Die Glut in der Gießhütte war jetzt erträglich und Vischer, der von seinen Gästen verlangte, daß sie Feuer, Rauch und Kohlenstaub vertrügen, führte mich jetzt zum Gußofen, von dem er sich, wenn der Guß geschehen war, nie anders als mit einem frommen Gebet trennte. Jungen, die wie Essenkehrer aussahen, schaufelten unablässig Kohlen in die Glut. Da ich an ihnen vorbeiging, hielten sie mir zum Trinkgelde ihre papiernen Mützen auf, wie sie die Chorschüler am Dreikönigsfeste tragen. Diese verhinderten nämlich, daß ihnen die Haare versenkten.

Hans Vischer erklärte mir alles, und ich bewunderte, wie der menschliche Scharfsinn so die Elemente zu beherrschen imstande wäre. Aus Erde entstand die Form, das Feuer schmelzte das Metall und Wasser bewegte das Gebläse, das Luft aushauchte. Die Gießhütte war ein hohes Gewölbe, in dessen Mitte ein turmähnlicher Schornstein emporstieg. Daran stieß ein anderes Gewölbe, wo sich außer einem Bronzewerke, nämlich dem Grabmal eines Magdeburgischen Erzbischofs, Modelle teils groß, teils klein, von den meisten seiner Arbeiten befanden, wie die Statue eines Apolls und die Apostel vom Sebaldusgrabe. Erstere schien mir nicht ganz nach antiker Weise gebildet zu sein, und ich sagte meine Meinung.

Paul, das war der Schlimme, sah mich da mit großen Augen an und sagte: Getadelt kann alles werden. Da hat uns neulich Hermann ein artiges Geschichtchen erzählt vom großen Michel Angelo, wie er die Davidstatue vollendet hatte und aufrichtete. Ein Ratsherr sah dieselbe und erklärte, die Nase wäre viel zu groß. Der Künstler nahm schnell einen Meißel und stieg aufs Gerüst, um dem Fehler abzuhelfen. Er legte aber das Eisen nur zum Scheine an und streute Marmorstaub herunter. Da rief auf einmal der Ratsherr: Haltet ein! jetzt ist alles recht. Der Ratsherr sah die lange Nase nicht mehr, wohl aber der Künstler.

Mich verdroß die Rede, da ich aber Unwillen in allen Gesichtern las, mochte ich nichts darauf antworten und redete schnell den jüngern Peter an. Immerfort hatte ich mich mit der Frage gequält, wo ich ihn wohl gesehen haben könnte, jetzt fiel es mir beim Namen David ein und ich begann: Wäret Ihr nicht der, der am Sebaldusfest den roten Mantel trug, die goldene Krone auf dem Haupte und der die Leier spielte – ja, Ihr stelltet im feierlichen Umgange den König David vor. Der alte Vischer bejahte es und belehrte mich, daß er wohl jenen Sänger hätte machen können, da er in der Meistersingekunst erfahren und schon einmal begabt wäre, d. h. den Preis errungen hätte. Vieles hatte ich schon in der Heimat von der holdseligen Kunst der Meistersinger gehört und von dem berühmten Hans Sachs. Um so erfreulicher war mir die Nachricht, daß in diesen Tagen dem Kaiser zu Ehren eine Singeschule gehalten werden sollte. Der junge Peter, den ich immer lieber gewann, versprach mir, mich dazu abzuholen. In Freude und Frieden schied ich darauf von der Vischerschen Familie und auch von Paul.


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