August Hagen
Norika
August Hagen

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Zweiter Aufenthalt in Nürnberg.

Der störrische Schuster. Der Herrenkeller.

Ich hatte meine Geschäfte in Augsburg und Regensburg zur Zufriedenheit beendigt und kehrte froh nach Nürnberg. Meine Sehnsucht nach der Geliebten war groß, und um so froher und schneller meinte ich in den Hafen des Glückes eilen zu müssen. Törig genug, da mich die Erfahrung hätte belehren sollen, daß ich dem Mädchen in Nürnberg selbst nicht näher wäre, als hundert Meilen davon. Mein diesmaliger Einzug in die Stadt glich wenig dem ersten. Damals schienen alle Freuden sich zu meinem Empfange zu vereinen, jetzt Verdruß und Schmerz.

Wohlgemut fuhr ich auf bequemen und ebenen Wegen dem Frauentor entgegen. Ich schaukelte mich in einem kleinen Wäglein und hinter mir zogen vier starke Pferde einen Frachtwagen, auf dem meine erhandelten Stückgüter lagen mit Stricken und Ketten beschnürt. Etwa eine Viertelstunde vor der Stadt, wo die Landstraße schmaler wird, holte ich ein winziges Fuhrwerk ein, das denselben Weg verfolgte. Es war ein kleiner Bauernwagen, ganz voll Leder gepackt, den ein schleichendes Gerippe von Pferd mühsam fortzog, welchem bei noch lebendigem Leibe ein Platz im Wagen zu gebühren schien. Der Fuhrmann, ein Jüngling von etlichen zwanzig Jahren mit krausem Bart und einem selten lebhaften Auge, stach in dem Kutscherhemde und der schlechten Mütze wenig von dem Angespann ab. An den schwarzen Händen erkannte ich bald, wes Glaubens der Mann wäre. Es war, wie ich dies richtig geschlossen hatte, ein Schuster aus Nürnberg, der auf dem Lande umher Leder eingehandelt hatte. Da es mein Wunsch war, möglichst bald Nürnberg zu begrüßen, so erschien mir die Krüppelfuhre um so ärgerlicher, da ich mir voraus sagen konnte, daß die Versteuerung der Felle am Tor einen langen Aufenthalt verursachen würde, während ich für meine Kisten, die nach Frankfurt gingen, nichts zu erlegen hatte. Als ich in der Nähe des Schusters war, so rief ich ihm zu, er möchte ein wenig zur Seite fahren, damit ich vorbei könnte. Dies stieß ich wider meine Absicht etwas gebieterisch aus, wie man oft in der Eile den rechten Ton verfehlt. Er erwiderte mir höhnisch, ich möchte sehen, ihn zu überholen, und damit setzte er seinen Gaul in einen raschen Trott und die Peitsche ersetzte, was dem Tiere an Mut abging. Wohl konnte er mir Trotz bieten, weil meine Pferde schon etwas müde waren und der Frachtwagen sich nicht zum Wettrennen eignete. Da jener sah, daß ich es mit seinem Tiere nicht versuchen wollte, so ließ er es wieder ganz bedächtig gehen und ich mußte dem Leichenwagen langsam folgen, Meine Unterhaltung waren jetzt die lustigen Lieder, die der Schuster, vielleicht um meinen Ärger durch seine Laune noch mehr zu reizen, sehr behaglich und anmutig sang. Ich gab nicht die Hoffnung auf, seinen Eigensinn zu kirren und den Augenblick, da er die Peitsche verlor und rasch vom Wagen sprang, um sie aufzuheben, wußte ich klüglich zu benutzen. Ich stieg vom Wagen, lief zu ihm hin und redete ihn freundlich an. Ich fragte ihn, ob er aus Nürnberg wäre, lobte seine Lieder und reichte ihm meine Weinflasche, nachdem ich ihm zugetrunken hatte, indem ich sagte, daß ein Trunk bei der Hitze wohltäte. Allein er gab mir auf alles kurzen Bescheid und versicherte, daß er in dem Hemde nichts von der Hitze litte und daß er im Weinkeller am Tor einkehren würde, wenn es ihm ums Trinken zu tun wäre. Ich bat ihn, indem ich wichtige Geschäfte vorschützte, mich vorher ins Tor fahren zu lassen. Aber er erwiderte mir, daß er gleichfalls Geschäfte hätte, und daß ich mir nicht einbilden sollte, den Vorrang zu haben, weil er nur ein armer Schuster und ich ein reicher Kaufherr wäre. Er meinte, ich müßte wohl ein Fremder sein. Ich bin ein Fremder, sagte ich, aber nicht fremde in Nürnberg, wo ich von allen stets mit entgegenkommender Freundlichkeit behandelt werde, so daß ich in meiner Vaterstadt nicht genug die edlen Nürnberger werde zu rühmen wissen. Um so mehr aber würde es mir leid tun, wenn es heute anders wäre. Die Nürnberger, sagte er darauf, sind zu berühmt, als daß sie es auf etwas Lob mehr oder weniger anzusehen brauchten. Er hatte es noch nicht ausgesprochen, so saß er schon wieder auf den Fellen und trieb das Pferd. Ich bat ihn, ich schalt, ich fluchte – allein umsonst. Er klatschte mit der Peitsche und fuhr in das dunkle Tor. Hier wartete er auf den Zolleinnehmer und vertauschte indes das Fuhrmannshemd mit einem schlichten Anzug. Ich mußte also gleichfalls anhalten und hatte Zeit, das Tor zu betrachten und die daran angebrachten Verzierungen. Das Tor war wie ein Triumphbogen ausgeputzt. Ein bunt angestrichenes Lattengerüst war davor aufgerichtet und dasselbe überall mit Blumenkränzen und Laubgewinden behängt,Hier heißt es »die Pforten waren gar köstlich geziert mit Kammerspielen«. Kammerspiele sollen allegorische Vorstellungen sein aber die Blätter und Blumen waren schon verwelkt und alles nicht mehr in gehöriger Ordnung. Da erinnerte ich mich der hundert Kanonenschüsse, die ich unterwegs gehört hatte, wodurch, wie mir die Leute sagten, die Ankunft des Kaisers Maximilian in Nürnberg gefeiert würde, und mir wurde alles klar. Ja, guter Kaiser, für dich wölbte sich dieser Blumenbaldachin, den du vielleicht kaum eines Blickes würdigtest und den ich nun bewundern muß, um wider Willen dem Unrecht gut zu machen. So dachte ich, während auf des Schusters Wagen Fell für Fell nachgezählt wurde.

Die Sonne brannte, meine Ungeduld kannte keine Grenzen und ich machte noch einen Versuch, ihn freundlich und ernst dazu zu vermögen, daß er den Wagen, was leicht zu bewerkstelligen war, hart an die Mauer rückte, damit der Frachtwagen vorbeifahren konnte. Allein ich hörte nur Grobheiten von ihm, die ich, da alle Aussicht, zu meinem Zwecke zu gelangen, abgeschnitten war, weidlich erwiderte. Der Zolleinnehmer, der sich entfernt hatte, erschien von neuem und berichtete, wieviel für die Leder zu erlegen wäre. Drob stutzte jener und erklärte, so viel nimmer zu bezahlen. Er wüßte, wie die Steuer für die Felle wäre. Der Zolleinnehmer drang auf die Bezahlung der Summe, aber der Schuster blieb dabei, daß er keinen Stüber zuviel geben würde. Der letztere siegte, denn es fand sich, daß der Zolleinnehmer das feine Roßleder für Kalbleder angesehen, der sich endlich von jenem über die eigentliche Beschaffenheit der Ware belehren ließ. Mit vieler Behendigkeit riß der Schuster ein Leder aus dem Vorrat, rieb eine Stelle und machte auf den Geruch aufmerksam, der von dem des Kalbleders ganz verschieden war. Er verglich sich nun mit ihm über die Art der Besteuerung, Ein lederner Geldbeutel, den er herauszog, ward mehr als einmal umgekehrt, aber die nötige Zahl von Stübern wollte nicht herausfallen. Unerträglich lang hatte ich geharrt und es war nicht Großmut, wenn ich jetzt hinzutrat und das fehlende Geld zu erlegen mich bereit erklärte. Nichts von Großmut! rief aber jener. Sieh, da kommt ein anderer, der mich aus der Verlegenheit ziehen wird.

Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich Herrn Hans Imhoff sah, auf den er hinwies. Dieser, von meiner Rückkehr durch mich unterrichtet, war nach gewohnter Freundlichkeit mir bis zum Tore entgegen gekommen. Der feine Imhoff drückte dem ungeschliffenen Menschen die Hand mit eben der Herzlichkeit, als mir, seinem treuen Freunde. Mein Erstaunen stieg immer höher, als ich hörte, daß der Schuster Hans Sachs, der weltberühmte Meistersänger, wäre. Ich sah ihn mit großen Augen an und vergab ihm in Ansehung seines Ruhms halb seine Schuld, denn:

           Pictoribus atque poëtis
Quidlibet audendi semper fuit aequa potestas.

          (Den Malern war wie den Poeten,
Jegliches Ding zu wagen, von jeher gleiche Befugnis.)

Imhoff nannte mich ihm und leitete eine Bekanntschaft ein, als Sachs wegen neuer Zufuhr genötigt wurde, das Feld zu räumen, und mit seinem lustigen Pegasus von dannen zog. Imhoff rief ihm nach, sich alsbald im Herrenkeller einzustellen. Das Zusammentreffen mit Hans Sachs, das mich früher bis zur Verzweiflung geärgert hatte, bot jetzt mir und dem Freunde tausend Stoff zum Lachen dar. Er schilderte mir ihn, von dessen Gedichten ich mehreres kannte, namentlich die köstlichen Schwänke und Fastnachtsspiele, als einen vortrefflichen Menschen, der nur ein wenig reizbar wäre. Ich fügte mich dem Wunsche des Herrn Imhoff und, nachdem ich wegen des Frachtwagens die nötigen Bestimmungen getroffen, blieb ich am Tore zurück, um mit ihm das Fest des Wiedersehens bei einer Flasche Wein zu feiern. Denn als eine Gewissenssache stellte er es mir dar, mit dem nah gelegenen Herren- oder großen Ratskeller Bekanntschaft zu machen, der in Nürnberg mit allen Merkwürdigkeiten um den Preis des Ruhmes stritte.

Der Eingang dazu lag der alten Wage (Mauth) gegenüber, aber der Kellerraum lief unter der Straße fort und erstreckte sich bis ans Ende des Gebäudes. Das war ein uraltes schwarzes Gewölbe, länger als alle Kirchen der Stadt. Zwischen den kurzen Pfeilern, deren unabsehbare Reihen beim Kerzenschein einen ganz schauerlich stimmten, lagen gewaltige Fässer dicht an dicht, die zum Trost eine unversiegbare Quelle der Freudigkeit enthielten. Tief und dumpf ist der Schacht, aus dem das edle Gold gefördert wird, dachte ich, und tief und dumpf muß daher auch das Flußbett sein, in dem der edle Rebensaft strömt, und so gab ich meinen trüben Empfindungen keinen Raum. Nachdem wir vom Kellner, der mit dem Grubenlicht uns auf die Zahlen und die buntangestrichenen närrischen Bildwerke einzelner Fässer aufmerksam machte, uns die Pfeilerallee hatten führen lassen, kehrten wir nach dem Eingange zurück, wo das Tageslicht uns nach dem Dunkel der Nacht erfreulich anlachte. Neben der Treppe stand schon, wie es mein Freund angeordnet hatte, ein Tisch mit Flaschen und Gläsern besetzt. Es saß sich hier nach dem Wagengerassel ganz gemütlich. Meine Fragen, wie es um all die Lieben in Nürnberg stünde, durchkreuzten sich vielfach bei der Heftigkeit meiner Sehnsucht.

Unterdes trat zu uns der störrische Poet ein, wohlgemut und heiter, der, gleichfalls Imhoffs Einladung folgend, seinem Braunen die Zäume abgenommen und etwas Heu vorgeworfen hatte. Voll philosophischen Tiefsinns überhob ihn derselbe aller weitern Sorge. Sachs drückte mir zur Versöhnung die Hand und ich sah es gern. Alsdann ergriff er ein gefülltes Glas und trank es in einem Zuge mit den Worten aus: Auf dessen Gesundheit, auf dessen Rechnung ich trinke. Hätte ich geahnt, hub ich an, daß Ihr der berühmte Dichter Hans Sachs wäret, ich hätte es für eine Ehre angesehen. Euch nachzufahren, denn die den Königen vorhergehen, haben nicht so viel zu bedeuten, als die ihnen zunächst folgen. Und hätte ich geahnt, versetzte Hans Sachs, daß Ihr der Freund Imhoffs wäret, daß Ihr also reich sein könntet, ohne darauf zu pochen, ich würde meines armen schachmatten Pferdes geschont und würde Eure Weinflasche nicht verschmäht haben, da mich gewaltig dürstete. Aber, redete ich wieder, Ihr wäret auch gar zu kurz angebunden und es heißt doch:

Ingenuas didicisse fideliter artes,
Emollit mores, nec sinit esse feros
.

(Eifrig gelernt zu haben die edelen Künste,
Mildert die Sitten und läßt nicht ungebändigt sie sein.)

Die Dichter, erwiderte er, sind Seher. Ich erkannte gleich, was für eilige Geschäfte Ihr hättet, und ließ Euch nicht vorausfahren, damit Ihr mir hier nicht allen Wein vorweg tränket.

Daß Euch keine Nachreu draus erwachs',
Das wünscht von Herzensgrund Hans Sachs.

Darauf stieß er mit mir an und wir wurden die besten Freunde, insonderheit da er hörte, daß ich die Künste sehr liebte und für die Poesie nicht unempfindlich wäre. Sein Gespräch war eben so erheiternd als kernig, und ich konnte mir noch gar nicht vorstellen, wie der plumpe Schuhknecht und der gelehrte Dichter eine Person sein könnte, wie Hans Sachs bei seinem Gewerbe Zeit gewann, so viele Gedichte zu machen, denn ihre Zahl betrug damals schon mehrere tausende, und was noch mehr war, wie er so viele Bücher von alten und neuen Skribenten lesen konnte. Wenn er was behauptete, so führte er oft Stellen aus alten Lateinern an und oft aus solchen, die ich kaum dem Namen nach kannte. Ich äußerte den Wunsch, ihn einmal ein Gedicht vortragen zu hören. Er meinte, daß sich das wohl einmal fügen könnte, nur heute nicht, denn er müßte jetzt nach Hause, wo die ausgelassenen Burschen, wenn der Meister nicht da wäre, den Gesellen nichts gutes tun wollten. Er trank noch ein Paar Gläser, dankte für die Aufnahme, freute sich meiner als eines neuen Bekannten und zog dann pfeifend von dannen.

Imhoff erzählte mir jetzt, was seit der Anwesenheit des Kaisers in Nürnberg für ein reges Leben stattfände. Angelegentlich erkundigte ich mich bei ihm nach unsern gemeinschaftlichen Freunden. Wie geht es Dürern? fragte ich ihn. Ist schon mein Altarblatt vollendet? Was macht Adam Krafft, der Biedergreis? Euer Altarblatt, erwiderte er, ist vollendet und Adam Krafft hat vollendet. Ich blickte ihn zweifelnd und verwundernd an und er wiederholte, daß Meister Krafft, sanft wie er gelebt, sanft sein Leben beschlossen hätte. Sein plötzlicher Tod und seine Verdienste waren Ursache, daß er wie ein geliebter Jüngling betrauert wurde, auf dessen Grab auch die Erwartungen einer zweifelhaften Zukunft Kränze opfern. Imhoff teilte es mir gerührten Herzens mit, und Wehmut trübte meinen Blick. Du hast schlecht Wort gehalten, ehrwürdiger Meister, hub ich an, und dachte an den verabredeten Besuch des Johanniskirchhofs. Jetzt könnt Ihr ihn, entgegnete jener, dort selbst besuchen. Das erschien mir als eine heilige Verpflichtung und ich traf mit dem Freunde die Übereinkunft, nächstens daselbst die Meisterwerke Kraffts in Augenschein zu nehmen und an seinem Grabhügel ein Vaterunser zu beten.

Wir verließen jetzt den Weinkeller, Imhoff versprach als Entschädigung für die Ärgernis an der alten Wage mir ein herrliches Bildwerk von Krafft zu zeigen. Dasselbe schmückte die Türe der Frohnwage und drückte, sprechend wahr, die Bestimmung des Gebäudes aus. Es enthielt drei Figuren und stellte das zum Zweck der Versteuerung übliche Wägen der Waren dar. Wie aufmerksam blickte der Wagmeister zur Zunge des Wagbalkens, forschend, ob sie Wahres gesprochen oder ob sie zweifelnd hin und her schwanken würde. Unwillig sah man den Kaufherren in den Geldbeutel greifen, während ein Knecht sich anschickte, noch auf die Wage zu legen.

Betrachtet dies, sagte Imhoff, das ist ein Seitenstück zum Gänsemann des von euch vergötterten Vischer und meine überwiegende Bewunderung für Adam Krafft wird Euch nicht ungereimt scheinen. Aber wir wollen nicht die Meister durch einen Vergleich ihrer Arbeiten einander entgegen stellen, die in Friedlichkeit zusammen lebten. Wie sie in Werken der Kunst wetteiferten, wetteiferten sie auch in Werken der Liebe, fern von Neid und Eifersucht, jeder sich seines Wertes bewußt. Als Krafft dieses Bild, einen Gegenstand aus dem gemeinsten Leben, mit eben dem glücklichen Erfolge entworfen hatte, als früher Darstellungen aus der heiligen Geschichte, wollte auch Vischer seine Stärke in ähnlichen Leistungen zeigen und schuf den Gänsemann. Die Neuheit der Erscheinung erregte allgemeine Aufmerksamkeit. Viele Stimmen gaben diesem Werke den Vorzug und viele jenem. Ich veranlaßte darauf einen glänzenden Wettstreit. Oft rühmte Krafft gegen mich die Schönheit des Brunnens an der Frauenkirche. Kein Wunder, daß ihn dieses Werk vor allen anzog, da er Bildhauer und Baukünstler war und da keines in einem lieblicheren Vereine die Bildhauerei und Baukunst zeigt, als die zierliche Brunnenpyramide mit den stattlichen Figuren. Seiner Wünsche heißester war es, einst ein ähnliches Werk zu vollführen. Achthundert Gulden, die ich bei einem Geschäft gewonnen, wandte ich da an, um Krafften zu beglücken und der Lorenzkirche ein würdiges Vermächtnis zu hinterlassen. Nie hatte Vischer vorher seinen Kunstgenossen beneidet, als jetzt, da er an dem bewunderungswürdigen Sakramentshäuschen bildete. Herr Sebald Schreyer, der Kirchenmeister zu St. Sebald war, wirkte dahin, daß durch Almosen und Ablaßgelder eine gleiche Summe zusammengebracht wurde, für die seiner Kirche ein nicht weniger herrliches Denkmal zuteil werden sollte. Peter Vischer ward zum Werkmeister gewählt. So entstanden zwei Werke, Kraffts Sakramentshäuslein und Vischers Sebaldusgrab, von denen eines allein hingereicht hätte, unsrer Stadt ein ewiges Andenken zu sichern. Alle schauten, prüften und bewunderten, aber keiner wagte, ein Werk über das andere zu erheben. Nur zwei Männer gaben eine bestimmte Erklärung. Peter Vischer sagte, daß in Nürnberg kein kunstvolleres Werk vorhanden wäre, als das Sakramentshäuslein, und Adam Krafft entschied, daß nie das Sebaldusgrab übertroffen werden könnte.

Mit inniger Teilnahme hörte ich der Erzählung zu, die mich nur schmerzlicher den Tod des alten Meisters betrauern ließ. Es war indes manches Stündchen verflossen, und ich entschloß mich, meinen Weg fortzusetzen, da des Kutschers mitleidsvoller Blick mir nicht entging und der müden Pferde mich jammerte. Ich schied von Herrn Imhoff, indem ich dem Kutscher zurief: Jetzt geschwind nach der goldenen Rose! Allein es war heute mir bestimmt, meine Fahrt auf mancherlei Weise gehemmt und aufgehalten zu sehen.

Kaum war ich wieder eine kurze Strecke gefahren, so ließ mich buntes Volksgewühl nicht von der Stelle. Bald vernahm ich, daß der Kaiser vorüberfahren würde, und da ich begierig war, ihn und sein Gefolge zu sehen, so ließ ich, anstatt in eine Nebengasse einzulenken, den Kutscher halten. Zwei buntscheckige Läufer, die ihre Stäbe mit den goldenen Knäufen bald im Kreise umherschwangen, bald sie in die Höhe schleuderten und sie sehr geschickt auffingen, eröffneten den Zug. Darauf kam des Kaisers prächtiger Wagen, den acht glänzend schwarze Rappen zogen. Vom Kaiser selbst konnte ich leider! nur das Federbarett sehen, denn mir verdeckte ihn ein dicker Mann Johannes Stabius, gekrönter Poet und kaiserlicher Geschichtschreiber. Auf dem Rücksitz thronte der lustige Rat Kunz von der Rosen in einer buntwürfligen Jacke und einer Schellenmütze. Er war stets des Kaisers treuer Begleiter. In dem Gefolge fiel mir unter den Reitern einer wegen seiner außerordentlichen Größe auf, ganz in Eisen gehüllt vom Kopfe bis zum Fuß, Johannes von Schwarzenberg.

Leute, die neben meinem Wagen standen, fragte ich, wohin der Kaiser führe. Die gaben mir lächelnd die Antwort: Der Kaiser fährt wieder ins Gäßchen zu den Frauen. Ei, ist der Kaiser denn so verliebt? dachte ich. Das Rätsel ward mir später gelöst. Wohl war der Kaiser verliebt, aber in die Kunst. Er fuhr täglich ins Frauengäßchen, daher das Witzwort, zu dem Formschneider Rösch, der sich nach seinem Taufnamen Hieronymus nannte. Der Künstler war lahm und konnte nicht zu dem Kaiser kommen, weshalb dieser zum Künstler kam, da er ein Werk für ihn unter den Händen hatte. Wahrlich ein seltenes Beispiel der Herablassung! Hieronymus war ein unvergleichlicher Meister und schnitt nach Dürers Zeichnung den Triumph des glorreichen Kaisers Marimilians, einen Festzug von mannigfaltigen Gruppen. An solchen Darstellungen fand der Kaiser ein sonderliches Wohlgefallen.


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