August Hagen
Norika
August Hagen

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Albrecht Dürers Erinnerungsbuch.

Ein seltenes Vertrauen faßten wir bald gegenseitig zueinander, der erhabene Dürer und ich. Dieses erkannte ich am unzweideutigsten daran, daß er mir ein Buch mit Familiennachrichten anvertraute, ein Buch, worin er aufzuzeichnen pflegte, was ihm Schlimmes und Gutes widerfuhr. Da er keine Kinder hatte, in deren Munde sein Andenken einst fortlebte, so durfte er die Mühe nicht scheuen.

Familiennachrichten.

Ich, Albrecht Dürer, bin am Prudentientage, der war am Freitag, da man gezählt hat 1471 Jahr, in der freien Reichsstadt Nürnberg geboren. Meine ältesten Vorfahren, von denen ich weiß, lebten im Königreich Ungarn als Landleute von der Vieh- und Pferdezucht. Mein Großvater Anton lernte in dem Städtlein Wardein die Goldschmiedarbeit und es ging ihm wohl. Sein ältester Sohn Albrecht Dürer, der mein lieber Vater war, erlernte dieselbe Kunst, ein sinnreicher und gottesfürchtiger Mann. Frühe begab er sich auf die Wanderschaft und kam nach Deutschland. So geschickt er war, so fand er doch wenig Arbeit und strich unstät umher, indem er mit Not und Mühsal zu kämpfen hatte. Je leichter sein Ranzen war, desto schwerer ward das Wandern, und wenn er oft müde des Abends in eine Herberge einkehrte, so mußte mit seinen Füßen auch sein Magen rasten. Allein Gott verläßt die Seinen nicht, das bewährte sich an ihm. Als er das erstemal die Türme unsrer Stadt sah, seufzte er: Wie du heute hungerst, so wirst du auch hungern müssen, wenn das Ziel deiner Reise erreicht ist! Denn er hatte in Nürnberg keinen Verwandten und Freund, keinen Stüber im Säckel und keine andere Empfehlung, als sein ehrliches Gesicht. Es war im Jahre 1455, da er in die Stadt kam. Aus Unkunde ging er, statt durch das Tiergärtnertor, durch das zunächst gelegene Vestnertor, und da er seinen Irrtum einsah, verdroß ihn der Umweg, denn er war matt und müde.

An demselben Tage feierte der reiche Hans Pirckheimer seine Hochzeit, und zwar auf der Veste, weshalb mein Vater ferne schon Pauken und Trompeten hörte. Die Reichen Nürnbergs waren da alle zum Feste geladen und die Armen fanden sich ungeladen ein, um all die Pracht zu sehen und auch etwas vom Hochzeitstisch zu erbeuten. Auf dem Hofe, wo noch jetzt die große Linde steht, trieb die Jugend allerlei Kurzweil und Essen und Trinken war in unglaublicher Fülle umhergereicht und freigebig unter die Armen verteilt. Auch der fremde Handwerksgesell erhielt sein Teil, und die Kost erquickte ihn dermaßen, daß er darob die Müdigkeit vergaß. Die schön geputzten Jünglinge und Jungfrauen sollten einen großen Tanz um die Linde aufführen dem Brautpaar zu Ehren, und sie übten sich in den verschiedenen Stellungen und Gruppierungen des Reigens. Aber das Ding wollte nicht gehen, denn jeder meinte es zu verstehen und tanzte nach seiner Weise, und es gab nichts, denn Unordnung und Verwirrung. Da faßte sich mein Vater ein Herz, der um solche Festtänze wußte, trat hervor und schlug Anordnungen vor. Sie wurden freudig angenommen. Alle fügten sich ihm, und die Aufführung fiel nicht nur gut aus, sondern machte Aufsehen wegen der vielen schönen Tanzfiguren. Unter den Gästen, die den Reigen bewunderten, befand sich auch Herr Hieronymus Holber. Er erkundigte sich, wer alles angeordnet hätte, und ihm ward der Fremde gezeigt, der ungebeten Herrn Pirckheimers Hochzeit mitfeierte. Da Herr Holber, der der erste Goldschmied in Nürnberg war, vernahm, daß mein Vater sich seiner Kunst befliß, bestellte er ihn andern Tages zu sich, denn er wollte sehen, ob seine Geschicklichkeit von so weit her sei, als er selbst. Wer war froher als er? Und da Herr Pirckheimer, der Bräutigam, ihm noch etliche Gulden zum Geschenk machte, so pries er seinen Schöpfer und rühmte Nürnberg und hörte sein Lebelang nicht auf zu rühmen und preisen. Herr Holber hatte sich in ihm nicht getäuscht. Und Dürer war bald kein Fremdling mehr. Jener nahm ihn alsobald als Gesellen ins Haus und trennte sich von ihm nicht eher, als da er sich auch von seiner Tochter trennte, die er ihm zum Weibe gab.

Barbara Holberin, eine hübsche schlanke Jungfrau, war fünfzehn Jahre alt, die meine teure Mutter wurde. Einen Hausstand anzufangen, ist für den, der noch nichts erworben hat, ein schwierig Ding, und daher nahm liebreich sich meines Vaters der Herr Pirckheimer an, dem es Gott noch dorten vergelten mag! Der wohnte in einem großen Hause, der Frauenkirche gegenüber, zunächst dem schönen Brunnen. Er besaß noch ein Hinterhaus, das an der Winklerstraße gelegen war, und dieses räumte er dem jungen Ehepaare ein. Barbara gebar achtzehn Kinder, von denen nur drei die Eltern überlebten, nämlich ich Albrecht, Andreas, der jetztund Maler des Königs von Polen ist und der, wenn ich vor ihm sterbe, mein Erbe sein soll, und endlich Johann, der gleichfalls unsre Kunst erwählt hat. Die lieben Eltern verwandten den höchsten Fleiß darauf, ihre Kinder zur Ehre Gottes zu erziehen, auf daß sie ihm und den Menschen angenehm wären.

In dem genannten Hause ward ich also geboren und nur etliche Monate früher Wilibald Pirckheimer, der mein Freund von Kindesbeinen an war und es bis zum Grabe bleiben wird. Stets verträglich spielten wir zusammen als Kinder eines Hauses, und eine gleiche Neigung zu edlen Dingen verband uns mit jedem Tage inniger. Er lehrte mich, was er von seinen vornehmen Hofmeistern, das waren Geistliche, gelernt hatte. Sonderlich war es die Geschichte der Römer, die uns höchlich ergötzte, wie sie durch Tapferkeit alle Völker unterjochten und die Herren des ganzen Erdkreises wurden. Ich verfertige Ballisten und Katapulten, Widder und Feldzeichen und gab den Plan zu Verschanzungen an, die auf dem Hofe angelegt wurden. Wir kriegten, siegten und hielten Triumphzüge mit Sang und Klang.

Mein Vater, der an mir ein sonderliches Wohlgefallen hatte, ließ mich in die Schule gehen und wollte, daß ich mich einst wie Willbald mit den Wissenschaften abgeben sollte, da er Anlagen dazu in mir verspürte. Er hielt es für ein gutes Vorzeichen, daß in dem Jahre unsrer Geburt der berühmte Johannes Regiomontanus nach Nürnberg gekommen war, ein Mathematiker, wie keiner vor ihm und wie es keinen nach ihm geben wird. Allein der starb, da ich noch in den Jahren des zarten Kindesalters war. Mein Vater gab da den Vorsatz auf, und da ich nun schreiben und lesen gelernt hatte, lehrte er mich die Goldschmiedekunst. Mir kam es zu statten, daß ich von jeher fleißig gezeichnet und für Wilibald bei unsern Kriegsspielen oft Visierungen»Visierungen« sind Entwürfe, Vorzeichnungen, Kartons. gemacht hatte. Ich lernte sauber arbeiten und einzelne Stücke gelangen mir sehr wohl. So bildete ich für Kaiser Maximilian einen Degenknopf, mit dem er zu siegeln pflegt, und auf dem man, außer dem Herren Christus am Kreuz, Marien und Johannes noch andere Figuren sieht, zierlich und wunderbar klein.

Dennoch fand ich größere Lust an der Malerei, als an der Goldschmiedekunst, und ich mochte es meinem Vater nicht verhehlen. Er war damit nicht zufrieden, denn es reute ihn um die verlorne Zeit. Aber weil ich nicht von meinem Verlangen abging, so beschloß er mich zu Martin Schön, einem damals hochberühmten Maler, in die Lehre zu geben, der in Colmar war. Allein wie es mir mit jenem Mathematiker ging, so auch jetzt. Es starb Meister Schön, noch ehe ich seinen Unterricht genossen, im Jahre 1486. Jetzt gab mich mein Vater zu Michael Wohlgemuth auf drei Jahre, dieweil er in Nürnberg die besten Gemälde fertigte. Gott gab meinem Fleiße Gedeihen und meiner kindlichen Verehrung schenkte der Meister sein ganzes Vertrauen. Nie werde ich vergessen, was der ehrwürdige Wohlgemuth an mir Gutes getan. Aber in seinem Hause hatte ich viel von boshaften Gesellen zu leiden, die, weil ich jung war und geduldig alles trug, mich stießen und mißhandelten. Allein sie haben ihren Lohn erhalten und einer holt sich sogar nun Almosen von mir ab, der mich ehedem schlug und sagte, ich würde nie etwas begreifen. Ich gebe und erinnere ihn nicht daran.

Als ich zum Gesellen gesprochen war, trat ich meine Wanderschaft an. Meister Wohlgemuth schied wie ein Vater mit Tränen von mir und, um seinen Schmerz zu verhehlen, meinte er lächelnd, es wäre gut, daß ich ginge, sonst würde er aus Ehrfurcht mich weggetrieben haben. Im Jahre 1490 schickte mich mein lieber Vater nach den Niederlanden und dort war ich vier ganze Jahre. Als Geselle verließ ich meine Vaterstadt und als Meister begrüßte ich sie wieder, und der Ruf einer großen Geschicklichkeit ging mir voran. Ein Freund meines Vaters war Hans Frey, der war ein geschickter Harfenschläger und kunstreicher Meister von kleinen Wasserkünsten. Dieser Mann hatte den Glauben, daß es niemandem besser ginge, als den Malern, und daß sie das bequemste Brot äßen. Daher wollte er seine Tochter Agnes an einen Maler verheiraten, und zwar an den geschicktesten, den es gäbe. Da Herr Frey nun von meiner Geschicklichkeit hörte, wie mich die Leute den deutschen Apelles nannten, so handelte er mit meinem Vater wegen seiner Tochter. Jungfer Agnes Freyin ward mir auf solche Art zuteil und mit ihr 200 Gulden, wofür ich das Haus in der Zisselgasse kaufte. Die Hochzeit richtete Hans Frey aus, die war gar herrlich und dies geschah im Jahre 1494. Es war im achten Jahre meiner Ehe, als sich am Himmel ein schrecklicher Komet sehen ließ. Ich hatte dessen kein Arg. Da erkrankte mein Vater plötzlich und ein hitziges Fieber unterbrach ihn in seinem emsigen, kunstreichen Wirken. Kindesliebe trieb mich zu seinem Krankenbette und ich verließ es nicht, zwei Nächte hindurch. Die dritte Nacht überwältige mich der Schlaf und die Mutter wachte; ich aber ging hinauf in die Kammer. Der Kranke war unruhig, da ihn die Glut ergriff, und erschöpft stieg er aus dem Bette. Große Schweißtropfen fielen ihm von der Stirne herab und er klagte über Durst. Meine Mutter gab ihm ein wenig Wein. Aber er kostete ihn kaum und verlangte wieder ins Bette und dankte ihr. Von Stund an griff er krampfhaft in das Deckbette,»hatt er von Stund an in die Zwg gegriffen.« Diese Stelle wurde wohl unrichtig verdolmetscht durch: in die letzten Züge gefallen. In Ostpreußen, vornämlich in Königsberg, sind viele veraltete Nürnbergische Idiotismen noch im Gebrauch, wie »Züche« für Bettüberzug, »Zwele« für Handtuch, »Schaff « für Schrank, »Spannbett« für ein zusammenlegbares Bettgestell, das als »Bettlade« erklärt ist. Die genannten Wörter kommen in unsrer Handschrift vor. und die betrübte Frau zündete die Lampe an und sprach ihm St. Bernhards Verse (ein Sterbelied) vor und, da sie den dritten Vers betete, war er verschieden. Gott sei ihm gnädig! Als die Stubenmagd den Alten stöhnen hörte, lief sie schnell zu meiner Kammer und weckte mich. Aber ich kam zu spät. Mit großem Schmerze sah ich es an, daß ich nicht würdig gewesen, bei seinem Sterben zu sein. O all ihr Freunde, ich bitte euch um Gottes Willen, wollt seiner Seele gedenken mit einem Vaterunser und Ave Maria, um eurer eignen Seele wegen. Wer so wohl gelebt, der kann nicht übel Abschied nehmen von dieser Welt. Als mein Vater zween Tage vorher die heiligen Sakramente empfangen, da befahl er mir meine Mutter an, die eine arme betrübte Witwe war (denn er hatte nicht mehr verdient, als er brauchte) und befahl uns göttlich zu leben.

Ich nahm nunmehr die Mutter zu mir und auch Hans, meinen jüngsten Bruder. Mein Bruder Andreas war in der Fremde. Meine Mutter Barbara, als eine fromme Frau, ertrug christlich des Vaters seeliges Absterben. Da sie viele Kinder gehabt und wenig Einnahme, so mußte sie alles selbst tun, waschen und kochen, und war an Schmerz und Entbehrung gewöhnt. Oft war sie krank gewesen und hatte von verläumderischen Nachbarinnen Verachtung, Hohn und Verspottung ertragen und andere Widerwärtigkeit, aber sie ward darum nicht rachsüchtig und trug alles mit Geduld. Als Witwe war sie immer in der Kirche zu finden und sie verwies es mir fleißig, wenn ich mich nicht auch fromm zeigte. Ihre Sorge war es, mich und die Ihrigen vor Sünde zu behüten, und wenn ich aus- und einging, so waren ihre Worte: Im Namen Christi! Ihre heiligen Ermahnungen taten der Seele wohl und ihre guten Werke und Barmherzigkeit, die sie jedermann erzeigte, kann ich nicht genugsam erheben. Wir lebten friedlich zusammen. Das Jahr vor ihrem Tode kränkelte sie viel. Im Jahre 1503, da begab sich ein großes Wunder. Es fielen überall Kreuze vom Himmel herab auf viele Leute, insbesondere auf Kinder. Meiner Mutter, die im Hofe saß, fiel ein solches Kreuzlein in den Schoß und sie weinte und klagte, denn sie fürchtete sterben zu müssen. Das Kreuz hat so ausgesehen.

(Hier war ein Kreuz mit der Feder gezeichnet.)

Eines Morgens, es war in der Kreuzwoche, kam meine Mutter nicht zum Vorschein. Wir klopften an ihre Schlafkammer, aber niemand antwortete und die Türe war verriegelt. Da brach ich sie mit Gewalt auf und fand meine Mutter tötlich krank. Man gab ihr die Sakramente, denn ihr Ende schien nahe. Aber sie quälte sich noch etliche Zeit, bis am 17. Mai 1504 meine fromme Mutter Barbara Dürerin christlich verschieden ist und kraft päpstlicher Gewalt von Pein und Schuld absolviert. Sie gab mir ihren Segen und wünschte mir göttlichen Frieden. Sie fürchtete den Tod, aber sie sagte, vor Gott zu kommen, fürchtete sie nicht. Und sie hat ein hartes Ende gehabt, da sie oft Weihwasser forderte, um ihrer Angst los zu werden, bis ihr die Augen brachen. Ich betete ihr vor. Davon habe ich so großen Schmerz gehabt, daß ich es nicht aussprechen kann. Sie war dreiundsechzig Jahre alt, und ich habe sie ehrlich nach meinem Vermögen begraben lassen. Gott sei ihr gnädig! Sie hat ihren Lohn gefunden und in ihrem Tode sah sie viel lieblicher aus, denn da sie noch lebte. Gott verleihe auch mir ein seliges Stündlein, und möchte er mit seinen himmlischen Heerscharen mit Vater und Mutter zu meinem Ende kommen und mir das ewige Leben geben. Amen!

Im Jahre 1503 unterhandelte mit mir die deutsche Gemeinde in Venedig, daß ich dahin käme und ihre Kirche mit Gemälden schmückte. Es ward viel hin- und hergeschrieben, bis ich mich dazu entschloß, um der Sterbgedanken zu vergessen, die seit der Mutter Tod mich quälten. Ich reiste nach Venedig von wegen der Kunst, nicht des Verdienstes, denn der war klein. Ungern trennte ich mich von meinen Freunden, namentlich von Wilibald Pirckheimer, der immer mein Trost war, und ich versprach fleißig an ihn zu schreiben. 1505 begab ich mich nach Venedig auf ein Jahr.

Leider reichten die Familiennachrichten nur bis zum Jahre 1507, die sämtlich kurz vor der Reise nach Venedig aufgesetzt waren. Jetzt folgten einige Briefe aus späterer Zeit, die teils absichtlich, teils zufällig in dem Buche aufgehoben waren, etliche Gedichte und Haushaltungsscheine.

Was jetzt folgt, betrifft meine Habe, die ich mir mit saurer Mühe erarbeitet. Nie hat es mir glücken wollen, viel zu gewinnen. Dagegen habe ich großen Schaden gehabt, indem ich Geld verborgte, das ich nicht wieder erhielt, indem Gesellen den Lohn voraus nahmen, die davongingen, indem mir einer zu Rom starb und ich so um das meinige kam. Im dreizehnten Jahre meiner Ehe mußte ich eine große Schuld bezahlen, die ich in Venedig gemacht hatte.

Hausrat ist ziemlich gut an Kleidern, Zinngeschirr, Betten, Behältern, Schränken, Werkzeugen und an Farben, die allein 100 rheinische Gulden betragen.

Geschrieben am Sonntage Trinitatis im Jahre 1508.

Im Jahre 1509 da fing ich an, die ersten Reime zu schreiben, aber ich verstand es noch nicht recht anzufangen, bis mir Wilibald Pirckheimer Unterweisung gab. Ich beschrieb darauf in Reimen viel schöne Lebensregeln. Pirckheimer war damit zufrieden, aber der Ratsschreiber Lazarus Spengler trieb seinen Spott damit und schickte mir folgendes Gedicht.

Wiewohl viel Sachen sich begeben,
Die der Natur g'rad widerstreben,
So will ich eine doch entdecken,
Die Spott und Lachen soll erwecken.
Wenn Nürnberg euch nur ward genannt,
So ist euch auch ein Mann bekannt
Mit krausem Haar und langem Bart,
Der ist von angeborner Art
Ein Maler seit jeher gewesen.
Weil er nun schreiben kann und lesen,
So meint er Verse auch zu schreiben –
Wohl besser wär's, er ließ es bleiben.
Ihm möcht es, wie dem Schuster gehn,
Der eines Malers Bild gesehn
Und rief: der Schuh ist ungestalt!
Der Meister, der das Bild gemalt,
Half alsobald dem Fehler ab,
Den jener zu erkennen gab.
Das war dem Altschuhflicker recht.
Stolz rief er: auch der Rock ist schlecht!
Wie paßt zum Schnitte diese Naht?
Da sprach der Künstler: laß den Rat!
Nicht über deinen Leisten, Schuster! –
Nehmt euch, Herr Maler, dran ein Muster.

Drauf erwiderte ich, wie folgt:

An jedem was zu modeln hat
Ein Schreiber hier in dieser Stadt,
Der hat mit mir Gespött getrieben,
Weil ich ein klein Gedicht geschrieben.
Ein Fastnachtsspiel hat er erdacht,
Zum Altschuhflicker mich gemacht,
Der des Apelles Bilder sehend,
Sich selber schmähte, diese schmähend.
Als Maler sollt' ich mich nur zeigen,
Meint er. Doch will ich noch nicht schweigen.
Zu lernen das, was man nicht kann,
Drum strafet mich kein weiser Mann
Wer stets bei einem Dinge bleibt,
Daneben nie ein andres treibt,
Dem geht's wie jenem Schreiber wohl,
Der eine Form von Protokoll
Nur kannte, des mußt er sich schämen.
Einst hatt' er Leute zu vernehmen
Und schrieb die Schrift bis auf die Namen.
Der erste hieß Götz Rosensamen.
Das schien dem Schreiber wunderlich
Und sprach: mein Freund, besinne dich!
Der Namen ist mir nicht bekannt,
Hier wird nur Franz und Fritz genannt.
Das mir nichts gleiches widerfahre,
Tut's not, daß keinen Fleiß ich spare.
Zu lernen wird mir Zeit noch wohl.
Früh brennt, was Nessel werden soll.
Ich will auch Arzneikunst treiben
Und gute Mittel euch verschreiben.
Der Schlemmer esse Milch und Brot,
Dann tut kein Elixier ihm not,
Ist lästig euch das Zipperlein,
So trinket Wasser hübsch für Wein.
Mein Rat bewährt sich euch als wahr,
Wenn ihr schon zählet hundert Jahr.
Fortan will ich Gedichte machen,
Mag auch der Schreiber immer lachen –
So spricht zum Schreiber spöttischer Art
Der Maler mit dem langen Bart.

»Copia eines kaiserlichen Schreibens an den Rat in Nürnberg.

Vom Jahre 1517.

Maximilian von Gottes Gnaden, Erwählter Römischer Kaiser.

Nachdem unser und des Rats getreuer Albrecht Dürer in den Visierungen,Hierunter sind wahrscheinlich die Zeichnungen von Dürer zu verstehen, die für den Kaiser der berühmte Formschneider Hieronymus Andree Rösch schnitt. Die Zeichnungen stellten den Kaiser auf einem Triumphwagen dar, die aber in keiner Verbindung mit dem Wandgemälde desselben Gegenstandes stehen, das Dürer im Rathause malte. die er auf unsern Wunsch gemacht, den größten Fleiß angewendet hat, so sollt ihr denselben Dürer, der in der Kunst der Malerei vor andern Meister erhaben ist, von allen Steuern befreien in Ansehn unsrer Gnad' und seiner berühmten Kunst, durch die er eure Stadt verherrlicht.«

»Copia eines Schreibens an den Rat zu Nürnberg.

Vorsichtige, Ehrbare, Weise, Liebe Herren. Dieweil ich vorlängst geneigt war, Eurer Weisheit ein Gemälde von mir zum Gedächtnis zu verehren, so habe ich es so lange unterlassen, aus Furcht, vor E. W. nicht wohl damit zu bestehen. Da ich aber jetzo eine Tafel unter Händen habe, die Adam und Eva vorstellt, und auf die ich mehr Fleiß, als auf andere Gemälde gewendet habe, so frage ich dero halb E. W. mit untertänigem Fleiße an, ob sie dieselbe als ein kleines Geschenk gnädig annehmen und meine günstig liebe Herren, wie bisher sein und bleiben wollen. Das will ich mit aller Untertänigkeit bei E. W. zu verdienen beflissen sein.

Am Sonntag nach Andreä 1517,

Ew. Weisheit untertäniger

Albrecht Dürer.

Daneben lag ein schmeichelhaftes Antwortschreiben des Rates. Unter vielen Briefen lautete einer folgendermaßen:

Nürnberg im Hornung 1502.

Meinen willigen Dienst zuvor, lieber Herr Pirckheimer, und meinen Wunsch, daß es Euch immer auf dem Lande wohl ergehe. Man hat mir gesagt, daß Ihr unwillig darüber seid, daß ich so lang nicht geschrieben. Ich soll mich gegen Euch darum verantworten, aber ich kann Euch keinen andern Grund angeben, als daß ich faul bin, zu schreiben. Ich weiß, Ihr werdet es mir verzeihen, denn ich habe keinen andern Freund auf Erden als Euch. Wie könntet Ihr auf mich zürnen, da ich Euch nicht anders, als meinen Vater achte. Mit Freuden habe ich vernommen, wie der Kaiser Eure Verdienste anerkennt und Euch so viel Huld erweist. Wahrlich, ich weiß nicht, wie ich mit Euch künftig leben soll Eurer großen Weisheit halber. Billig dürftet Ihr nimmer auf der Gasse mit dem armen Vater Dürer reden. Andern Eures Standes wäre es eine große Schande, aber ich bin froh Eurer Tugend und Gütigkeit. Ich male jetzt an einer großen Tafel, einer Dreifaltigkeit für Matthäus Landauer, die wird Euch gar schön. Meine Rechenmeisterin ist aber nicht zufrieden, daß ich damit nicht vorwärts komme. Auch an Euch habe ich gedacht, und schicke Euch das Bildnis mit schwarzer Kreide»Mit dem Kohle conterfet.« gezeichnet.

(Hier war eine Rose mit der Feder gezeichnet.)

Ähnlich ist es. Ich wünsche, daß es Euch gefalle oder lieber, daß es Euch nicht gefalle. Nehmt es mir nicht übel, aber ich hätte nimmer geglaubt, daß Ihr nach Eurer Frauen Crescentien seligem Absterben ein solches Wesen treiben würdet. Steht davon ab, ehe Euch Spott und Schande daraus fließt. Denkt, daß ihr schon alt und sie so lange unbescholten« – –

Am Ende war ein großer Klecks, und dieser war ohne Zweifel schuld daran, daß der Brief zurückbehalten und statt seiner ein anderer abgeschickt wurde. Wie gern hätte ich über das Geheimnis Aufschluß erhalten, denn die leiseste Erinnerung an Liebe rief in meiner Seele das Andenken an die Rosenthalerin wach, um wie viel mehr, da hier die Rose mich anlächelte und Dürer, der die Maria in der Himmelfahrt gemalt, der Unterhändler war.


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