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XVIII.
Nurellia

Klima des Gebirgsplateau. – Kühle Nächte. – Die Gesundheitsstation von Nurellia. – Vergleich mit europäischen Badeorten. – Flora des Hochlandes. – Ausflüge von Nurellia. – Pedura-Talla-Galla. – Die höchste Bergspitze von Ceylon. – Uda Pussilawa. – Rambodde. – Hackgalla.


 

Der weitaus besuchteste und bekannteste Ort des Hochlandes von Ceylon, die beliebteste »Sommerfrische« der Insel, ist Nurellia (geschrieben Nuwara-Ellya, d. h. die »Lichtstadt«). Dieser Ort liegt inmitten eines muldenförmigen elliptischen Hochtales von 1–2 Stunden Ausdehnung, das rings von 1500 bis 2000 Fuß hohen Bergketten eingeschlossen ist. Das Plateau selbst liegt 6000 bis 6200 Fuß über dem Meere. Klima und Szenerie sind völlig verschieden von denjenigen des Tieflandes und erinnern vielmehr an das Gebirgsland von Mitteleuropa. Wenn auch um Mittag bisweilen die Tropensonne eine Hitze von 20–25° R hervorruft, so sind doch die Nächte beständig kühl, und im Frühjahr findet man nicht selten morgens das Gras mit Reif bedeckt und die Wassergefäße, die man zur Kühlung vor das Fenster gestellt hatte, mit einer dünnen Eisschicht überzogen. An den meisten Tagen wird abends und morgens Feuer in den Kaminen gemacht, die überall in den niedrigen steinernen Häusern angebracht sind.

Wenn man bedenkt, daß Nurellia unter 7° nördlicher Breite liegt, so erscheint eine mittlere Jahrestemperatur von 12–13° R bei nur 6000 Fuß Meereshöhe auffallend niedrig. Sie ist wohl, wie die unverhältnismäßig niedere Temperatur des Hochlandes überhaupt, vorwiegend der isolierten Lage von Ceylon und der überaus starken Verdunstung bei Tage, wie der nächtlichen Abkühlung durch Wärmestrahlung zu verdanken. Die Luft ist beständig feucht. Dichter Nebel erfüllt das ganze Hochtal oft tagelang. Die Regenmenge ist überaus groß; zahlreiche Quellen und Bäche, die überall von den Berghängen in reicher Fülle herabstürzen, begünstigen die üppigste Vegetation und speisen den kleinen See, der einen großen Teil der Südhälfte des Plateaus einnimmt.

Dieses Übermaß von kühler Feuchtigkeit, von Nebel- und Wolkenbildung, Regen und Sturm verstärkt den ernsten und melancholischen Eindruck, den die einförmige Gestalt der einschließenden Bergketten, die düstere Farbe ihrer schwarzgrünen Wälder und des braungrüuen Moorbodens der Sumpfwiesen unten im Tale hervorbringt. Man fühlt sich oft unwillkürlich fünfzig Breitengrade weiter nördlich, nach dem Hochlande von Schottland versetzt, und genau dieselbe düstere Stimmung, die mich vor wenigen Jahren (im Herbste 1879) beim Durchstreifen des letzteren erfaßt hatte, überkam mich auch zu wiederholten Malen in dem Hochmoore von Nurellia. Ja, ich glaube, daß sich aus dieser auffallenden Ähnlichkeit in Klima und Szenerie mit Schottland auch großenteils die ausgeprägte Vorliebe der britischen Kolonisten für Nurellia erklärt. Das Feuer im Kamin zaubert ihnen hier nicht weniger die Reize der entfernten nordischen Heimat vor, als draußen der Zug der grauen Nebelwolken, die sich von den schwarzen Bergwäldern auf das feuchte dunkle Moor und den blanken Spiegel des eiskalten Sees herabsenken.

Zwar war dies entlegene und verborgene Hochtal von Nurellia, mitten im höchsten Teile des waldigen Oberlandes, den Eingeborenen des heißen Unterlandes schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt; und ein alter Kandykönig soll schon im Jahre 1610 hier vor den portugiesischen Eroberern eine sichere Zuflucht gefunden haben. Allein den ersten Besuch von Europäern erhielt es erst im Jahre 1826. Es waren englische Offiziere, die sich auf der Elefantenjagd zufällig hierher verirrten: sie gaben von der erfrischenden Kühle und Schönheit des Gebirgstales eine so begeisterte Schilderung, daß der damalige Gouverneur, Sir Edward Barnes, sich alsbald daselbst ein Bungalow baute und eine Gesundheitsstation für die britischen Truppen gründete, die schon 1829 eröffnet wurde.

In der Tat wirkt die kühle Gebirgsluft von Nurellia auf den europäischen Organismus, der durch längeren Aufenthalt im heißen Unterlande erschlafft ist, ganz wunderbar erfrischend; und wenn man jetzt mit Hilfe von Eisenbahn und Postkutsche innerhalb vierundzwanzig Stunden von Colombo hier hinauf gelangt, so fühlt man sich mit einem Schlage wie umgewandelt. Das ungewohnte Vergnügen des Frierens und der einseitigen Erwärmung am Kaminfeuer, das behagliche Gefühl, mit dem man wieder beim Ausgehen den längst entwöhnten Überrock und Plaid antut, und sich abends einmal wieder die warme Bettdecke bis über die Ohren zieht, wirken als Kontrast zu den nackten Gewohnheiten des heißen Unterlandes so anheimelnd, daß man allenthatben in den Städten des letzteren mit Begeisterung Nurellia preisen hört. Würden wir direkt aus unsrem frostigen Norddeutschland dahin versetzt, so würden wir von der überraschenden Ähnlichkeit nur wenig erbaut sein!

Im allgemeinen wird die Bedeutung von Nurellia als Gesundheitsstation sicher stark übertrieben; denn das feuchte und kalte Klima, dessen Temperatur an klaren Wintertagen zwischen Morgen (3–4°) und Mittag (20–25°) nicht selten um mehr als 20° R innerhalb sechs Stunden springt, disponiert natürlich leicht zu starken Erkältungen und ist für viele Leiden, insbesondere katarrhalische und rheumatische, nichts weniger als zuträglich. Auch hörte ich von vielen einzelnen Erkrankungen, die der plötzliche Klimawechsel zwischen Colombo und Nurellia herbeigeführt hatte. Trotzdem erhält sich, teils durch künstliche Reklame, teils infolge sekundärer Verhältnisse, sein hoher Ruf als klimatischer Kurort beständig und ist sogar fortwährend im Wachsen. Die Zahl der englischen Landhäuser oder »Cottages«, die den grasigen Talboden und den Fuß der waldigen Gehänge bedecken, nimmt von Jahr zu Jahr bedeutend zu, und es kann nicht lange mehr dauern, so wird Nurellia eine ansehnliche Stadt sein, allerdings nur während des dritten oder vierten Teils des Jahres bewohnt, während der trockenen Monate Januar bis April. Später, während der Dauer des Südwestmonsuns, läßt der ununterbrochene triefende Regen keinen längeren Aufenthalt mehr zu.

Der letztere Umstand macht es auch zweifelhaft, ob Nurellia sich, wie viele hoffen, bleibend zur Errichtung einer großen Erziehungsanstalt für die in Ceylon geborenen Kinder der Europäer eignen wird. Dazu kommt noch die enorme Teuerung der Wohnungen und Lebensmittel. Nirgend in Ceylon hat mein schlanker Jenenser Geldbeutel so schwer geblutet, wie in dem schlechten Rasthause von Nurellia. Beispielsweise mußte ich für jedes Hühnerei 50 Pfennige zahlen, für ein Pfund Butter 2 Mark, ebensoviel für jede Flasche schlechtes Bier usw. Obwohl daher jeder europäische Gentleman in den heißen Küstenstädten von dem heimlichen Verlangen beseelt ist, die trockene, kühle Frühjahrssaison in Nurellia zuzubringen, besinnt er sich doch mehr als einmal, ob sein Portemonnaie diese starke Erleichterung ertragen kann.

Sehr amüsant zu beobachten ist es, wie die Anpassung an die Vorstellung, in einem » Badeorte erster Klasse« zu leben, hier unter dem 7. Grade nördlicher Breite ganz dieselben Kulturauswüchse und Modekrankheiten hervorruft, wie 50 Breitengrade weiter nördlich in den vornehmen Bädern von Nordeuropa. Das starke Geschlecht wetteifert mit dem schönen in Produktion der elegantesten, teuersten und geschmacklosesten Toiletten. Die kleinen Kinder erscheinen oft in Kleidungen, die lebhaft an diejenigen ihrer vierhändigen Stammverwandten im Affentheater erinnern. Die reichsten und vornehmsten Residenten suchen sich in ihren modernen Equipagen auf den Promenadenanlagen ebenso durch Glanz der Ausstattung zu überbieten, wie innerhalb ihrer Cottages durch Luxus des Mobiliars. Daher entwickeln sich auch bereits mitten zwischen den Bananen- und Reishandlungen der Singhalesen jene charakteristischen Luxusläden unsrer Badeorte, in denen raffinierte Schwindler durch zehnfach übertriebene Preise den eleganten Badegästen die wohlverdiente Strafe für ihre Modenarrheiten angedeihen lassen. Mir kam dieses europäische Badetreiben mitten im wilden Hochlande von Ceylon, wo zahlreiche Elefanten, Bären und Leoparden noch jetzt die Wälder in wenigen Stunden Entfernung bevölkern, um so komischer vor, als ich noch ganz von den Erinnerungen an mein primitives Singhalesenleben in dem erst kürzlich verlassenen Belligemma erfüllt war.

Die Illusion, hier in einem europäischen Badeorte sich zu befinden, wird um so größer, als auch die Mittagstafeln von Nurellia sich möglichst denjenigen der letzteren anzupassen suchen. Da bekommt man zu seiner großen Überraschung frische Kartoffeln in der Schale, gewürzt mit frischer Butter, zu essen, ferner frische grüne Erbsen und Bohnen, Kohl usw. Alle diese edlen europäischen Gemüse gedeihen in den Gärten und auf den Äckern von Nurellia fast ebensogut wie daheim bei uns; und die Kartoffeln (– für die germanische Rasse natürlich die Hauptsache! –) können bei guter Düngung (mit Knochenmehl) sogar viermal im Jahre auf demselben Acker geerntet werden! Leider muß man dafür auch das Vier- bis Sechsfache zahlen! Es ist aber sehr unterhaltend bei Tische, den Enthusiasmus zu vernehmen, mit dem hier der kühle Brite von den vortrefflichen Kartoffeln und Erbsen, von dem warmen Überrock und dem Kaminfeuer spricht. Man sieht, der Hauptreiz des Lebens liegt überall in der Kontrastwirkung!

Die große Ähnlichkeit, die das gelobte Land von Nurellia mit Nord-Europa besitzt und die ihm die warme Sympathie der europäischen Kolonisten von Ceylon einbringt, ist übrigens zum großen Teile nur oberflächlich und zeigt bei genauerem Zusehen mancherlei Differenzen. Das gilt sowohl von dem Klima, als von der Vegetation, den beiden Hauptfaktoren, die den Charakter jedes Landes bestimmen. Was das Klima betrifft, so zeichnet sich nicht allein Nurellia, sondern auch das übrige Hochland von Ceylon durch ganz eigentümliche Verhältnisse aus, die durch die insulare Lage, frei im Indischen Ozean und unterhalb der Südspitze des vorderindischen Festlandes bedingt sind. Die beiden Passatwinde, der trockene Nordost-Monsun des Winters ebensowohl als der nasse Südwest-Monsun des Sommers, führen infolge der lokalen Verhältnisse hier beide Niederschläge herbei, nur mit dem Unterschiede, daß die schweren Regenmassen des letzteren weit bedeutender und anhaltender sind, als die des ersteren. Daß auch die sogenannte »trockene Jahreszeit« hier (ebenso wie an der Küste von Südwest-Ceylon) ihren Namen nur euphemistisch führt, davon konnte ich mich aus eigener Erfahrung genügend überzeugen. Während meines dreiwöchigen Aufenthaltes im Hochlande kamen häufig (besonders nachmittags) starke Regengüsse, bisweilen von solcher tropischen Gründlichkeit, daß ich trotz Regenschirm und Regenmantel keinen trockenen Faden am Leibe behielt.

Auch die Flora von Nurellia, die auf den ersten Blick überraschend viel Ähnlichkeit mit unsrer nordeuropäischen hat, zeigt bei genauerer Betrachtung sehr wesentliche Unterschiede. Die braungrünen subalpinen Moorwiesen, welche die Talsohle größtenteils bedecken, sind zwar auch, wie bei uns vorzugsweise aus Riedgräsern und Binsen zusammengesetzt ( Carices und Juncaceae) und darin finden sich überall viele liebe alte Bekannte zerstreut: Veilchen, Glockenblumen, Ranunkeln, Maiblümchen, Baldrian, Hornkraut, Knöterich, Brombeeren, Fingerhut usw. Aber daneben und dazwischen entdecken wir auch viele eigentümliche Blumen, die uns ganz fremd sind, so z. B. prachtvolle große Balsaminen von höchst origineller Blütenform, phantastische bunte Orchideen, scabiosenähnliche Restiazeen, große violette Gentianen mit gelben Staubfäden ( Exacum), besonders aber hohe Lobelien mit roten, mehrere Fuß langen Blütentrauben. Folgen wir dem Laufe der Bäche aber aufwärts und dringen in die schattigen Schluchten ein, so entdecken wir sofort einige tropische Charakterpflanzen, die unsre europäischen Illusionen zerstören: vor allen die herrlichen Farnbäume ( Alsophila), die mächtigen Schirmfarne ( Angiopteris), die merkwürdigen Nillustauden ( Strobilanthus) und die prachtvollen baumartigen Alpenrosen ( Rhododendron arboreum): letztere 20–30 Fuß hohe, knorrige Bäume, deren Äste die schönsten Riesenbuketts von blutroten großen Blüten tragen.

siehe Bildunterschrift

XII.
Aussicht vom Rambodde-Pass.

Die Anhöhen zu beiden Seiten des Rambodde-Passes (7000 Fuß über dem Meere) sind mit dichtem Walde bedeckt, aus dem hohe pinienähnliche Schirmbäume verschiedener Familien hervorragen (vgl. Erklärung von Tafel IX). Im Mittelgrunde ist das Tal von Nurellia sichtbar, dahinter der See (S. 316) und darüber der Hakgalla-Berg (S. 325). Schwere Monsunwolken ziehen von Südwesten herüber.

Noch größere Verschiedenheiten zeigt der Wald, der mit seinen dichten, dunkelgrünen Laubmassen aus der Entfernung fast wie Nadelwald aussieht. Er setzt sich aus sehr vielen Baumarten zusammen, die größtenteils zu den Familien der Myrten, Lorbeeren, Heidekräuter, Guttabäume und Mangnoliazeen gehören. Obwohl die zahlreichen Spezies dieser Bäume nach Blütenbau und Frucht zu ganz verschiedenen Familien gehören, sehen sie sich doch auffallend ähnlich im äußerem Habitus und Wachstume. Die lederartigen Blätter sind dunkelgrün oder braungrün, unten oft filzig. Der säulenförmige gerade Stamm gleicht oft ganz den südeuropäischen Pinien und geht oben in zahlreiche Gabeläste ans, die eine breite, flache Schirmkrone tragen. Auffallend pinienähnlich sind namentlich die hohen Guttabäume ( Calophillum), von denen zahlreiche Prachtexemplare Stämme von 80–90 Fuß Höhe und 10–12 Fuß Dicke bilden, ausgezeichnet durch die spirale Drehung ihrer Borkenrinde. Sehr groß ist auch in diesen Wäldern des kühlen Hochlandes, ebenso wie in denjenigen des heißen Tieflandes, die Menge und Mannigfaltigkeit der Schmarotzer, der Kletter- und Schlingpflanzen; nur sind es hier größtenteils andre Arten und Gattungen als dort. Außerdem kommen aber hier dazu noch dichte Mäntel von Laubmoosen an den Baumstämmen.

Viele Wälder in der nächsten Umgebung von Nurellia sind jetzt zugänglich gemacht durch breite bequeme Promenadenwege oder wenigstens durch passable Fußpfade, und der zivilisierte zahme Badegast, der hier nachmittags gemächlich lustwandelt, kann sich dabei mit dem schauerlichen Gedanken kitzeln, daß nachts an derselben Stelle, kaum eine Stunde von seiner Wohnung entfernt, wilde Elefanten seinen Weg gekreuzt, oder Leoparden ein wildes Schwein erlegt haben. Freilich ist die üppige Übermacht der wilden Vegetation auch hier so groß, daß die Forstaufseher beständig mit der Axt nachhelfen müssen, um die Waldpfade leidlich gangbar zu erhalten.

Die vier Tage, die ich in Nurellia verweilte, verwendete ich dazu, um interessante Ausflüge nach allen vier Himmelsgegenden zu machen. Am 16. Februar bestieg ich den höchsten Berg der Insel, den östlich gelegenen Pedro-Talla-Galla und feierte auf der Spitze desselben meinen achtundvierzigsten Geburtstag. Diese höchste Bergspitze von Ceylon erreicht 8200 Fuß Meereshöhe und liegt mithin nur 2000 Fuß höher als das Plateau von Nurellia. Sie führt ihren Namen: »Matten-Gewebe-Berg«, von den vielen Binsen, die auf ihrem wasserreichen Fuße wachsen und zum Weben von Matten verwendet werden.

Es war ein prächtiger, sonniger Frühlingsmorgen, als ich in zwei Stunden von Nurellia hinaufstieg, nur von einem Tamilkuli begleitet, der mein Malzeug und den Proviant trug. Der enge Pfad führt anfangs ziemlich steil, später sanfter aufwärts; fast bis zur Spitze durch dichten Wald, mehrmals über rauschende Bergbäche und kleine Wasserfälle. Das Merkwürdigste, was ich beim Hinaufsteigen fand, war einer der großen, berühmten Regenwürmer des Hochlandes von Ceylon; sie sind die Riesen ihres Geschlechts, fünf Fuß lang, zolldick und von schöner himmelblauer Farbe. Außerdem traf ich hier zum ersten Male den prächtigen Waldhahn des Gebirges ( Gallus Lafayetti), den ich später »am Ende der Welt« sehr häufig fand. Auch der große aschgraue Affe des Berglandes ( Presbytis ursinus) zeigte sich, war aber so scheu, daß ich nicht zum Schusse kommen konnte. Die dichte, mit langem rotgelben Moospelze verbrämte Walddecke des Pedura geht fast bis zu dessen Gipfel hinauf. Eine eigentlich alpine, oder selbst subalpine Vegetation fehlt auf Ceylon. Die Schneelinie würde hier erst bei 14–15 tausend Fuß Höhe beginnen.

Die freie Aussicht von dem baumlosen Gipfel ist großartig und umfaßt den größten Teil der Insel bis zum Meere hin, von dem westlich und östlich ein schmaler Silberstreifen sichtbar ist. Im Osten erhebt sich der schöne Namuna-Pik über den Tälern von Badula, während im Westen der Adams-Pik alle andren Höhen überragt. Wie auf dem letzteren, so ist auch hier das imposante Panorama insofern einförmig, als der größte Teil desselben von dunkelgrünen, dichtbewaldeten Bergmassen eingenommen wird, durchzogen von den dünnen Silberfäden zahlreicher Bäche und Ströme, aber nur hier und da von kleinen Stücken heller grünen Kulturlandes unterbrochen. Es ist mehr das Gefühl der Erhabenheit, das inmitten dieser unendlichen Waldeinsamkeit das Gemüt umfängt, und die Vorstellung, eine der schönsten und reichsten Inseln der ganzen Welt von einem Punkte aus zu überschauen. Während am frühen Morgen die Rundsicht vom Pedura noch ganz rein und klar war, stiegen bald nachher zahlreiche Nebel aus den Tälern auf und ballten sich zu dichten Wolkenmassen. Ich folgte dem interessanten Spiele derselben mehrere Stunden, wie ich denn überhaupt kaum irgendwo in unsren Gebirgsländern so merkwürdige Wolkenstudien machen konnte, wie im Hochlande von Ceylon.

Am 17. Februar, ebenfalls einem ausnehmend schönen Frühlingstage, wanderte ich von Nurellia auf guter Fahrstraße fünf Meilen südwärts, über die Brücke von Uda-Pussilawa nach dem südöstlichen Rande des Plateaus. Ich bestieg hier einen Berggipfel, der eine prächtige Aussicht nach Süden auf den Hakgalla gewährt. Dieser »Kieferberg« besitzt unter allen Bergen, die ich auf Ceylon gesehen habe, die schönste Form und gleicht durch die edle Komposition seiner Massen und den feinen Schwung seiner Linien dem berühmten Monte Pellegrino bei Palermo. Die waldigen, tief eingeschnittenen Schluchten dieser Gegend, in denen hohe Wasserfälle herabrauschen, zeichnen sich durch den Reichtum an prächtigen Baumfarnen aus.

Den folgenden Tag machte ich von Nurellia aus nordwärts eine Exkursion in die Gegend von Rambodde, auf der Hauptfahrstraße, die von Kandy hier heraufführt. Der Weg steigt zunächst zwei Stunden aufwärts zur Höhe des Ramboddepasses, ungefähr 7000 Fuß über dem Meere. Der Sattel dieser Paßhöhe gewährt einen prächtigen Doppelblick, südwärts auf den ganzen Talkessel von Nurellia, im Hintergrunde der schön geformte Hakgalla, darunter der blanke Spiegel des Sees; nordwärts auf die waldigen Schluchten des Kotmallitales und darüber hinaus auf die weiten Hügelflächen des Pussilawadistriktes. Unter den vielen Berghäuptern des letzteren erhebt sich in der Mitte vor allen stattlich der Doppelkegel des Alla-Galla. In vielen Schlangenwindungen senkt sich hier die Fahrstraße steil abwärts gegen Rambodde, und ich folgte ihr mehrere Meilen weit, bald der zahlreichen hübschen Wasserfälle mich erfreuend, die von beiden Seiten in den engen Talbecken herabstürzen, bald der üppigen Buschvegetation und besonders der schönen Baumfarne, welche die Bachufer säumen. Der herrliche Hochwald, der die Berglehnen hier noch vor wenigen Jahren bedeckte, ist jetzt fast allenthalben den Kaffeepflanzungen gewichen. Die Straße war besäet mit sehr zahlreichen großen Ochsenkarren, jeder mit vier starken, weißen Zebu bespannt, die Proviant und Luxusartikel nach Nurellia hinaufschleppten.

Am 19. Februar benutzte ich den schimmernden Sonntagsmorgen, um in aller Frühe die Bergkette zu besteigen, die die Westseite des Nurelliabeckens begrenzt. Ich hatte von der Höhe die schönste Aussicht auf den Adams-Pik und die zwischenliegenden Bergketten von Dimbula. Zu Mittag folgte ich der Einladung des Gouverneurs, der tags zuvor mit seiner Gemahlin nach Nurellia gekommen war und in dem freundlichen, von einem hübschen Garten umgebenen »königlichen Landhaus«, der »Queen's Cottage«, an der westlichen Talseite residierte. Hier konnte ich einen auserlesenen Flor von Rosen, Veilchen, Tulpen, Nelken und andren europäischen Gartenpflanzen bewundern, die in schönster Blüte standen; auch üppige Kirschbäume und andre europäische Obstbäume. Sie bekommen hier reichen Blätter- und Blütenschmuck, tragen aber niemals Früchte.

Ich traf hier mit Dr. Trimen zusammen, der inzwischen alle Vorbereitungen für unsre Hochgebirgsreise vollendet hatte, und noch am selben Nachmittage traten wir unsre Tour an »das Ende der Welt« an. Wir fuhren jedoch für heute nur zwei Stunden weiter südwärts, bis Hakgalla, wo die Fahrstraße und die menschliche Zivilisation überhaupt aufhört. Hier befindet sich in 6000 Fuß Höhe, unmittelbar am südlichen Fuße der vorher erwähnten prächtigen Gebirgskuppe, ein botanischer Garten für tropische Gebirgspflanzen, eine Filiale des großen Peradeniagartens, und gleich diesem von Dr. Trimen dirigiert. Wir benutzten einige Abendstunden, um denselben zu durchwandern und die Pflanzschulen für die verschiedenen Cinchona- und Kaffeesorten zu mustern, sowie die prachtvollen Baumfarne und Pothospflanzen, von denen hier Riesenexemplare gezüchtet werden. Man genießt von den Terrassen dieses höchstgelegenen Gartens von Ceylon eine schöne Aussicht auf die stattliche Felspyramide des Namuna-Pik, der sich ostwärts über den Tälern von Badula isoliert erhebt. Wir übernachteten im Hause des schottischen Gärtners, dem äußersten Vorposten europäischer Kultur in diesem Teile des Hochlandes.


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