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VIII.
Die Galla-Colombo-Straße

Zoologische Arbeitspläne. – Untersuchungen über Seetiere. – Die Hafenbecken von Trinkomalie, Punto-Galla und Belligemma. – Ochsenkarren. – Königliche Postkutschen. – Tierquälerei der Singhalesen. – Fahrt von Colombo nach Punto-Galla. – Kokoswald. – Pandanus. – Flußmündungen. – Caltura. – Bentotte. – Lebensphilosophie der Siughalesen. Hoher Wert der weißen Hautfarbe.


 

Die ersten beiden Wochen in Ceylon waren mir in beständigem Schauen und Staunen wie ein Traum verflossen. Ich hatte in Colombo die wichtigsten Eigentümlichkeiten der singhalesischen Natur und Menschenwelt kennen gelernt und in Peradenia die erstaunliche Gestaltungskraft der tropischen Flora bewundert. Nun mußte ich daran denken, den wissenschaftlichen Hauptzweck meiner Reise, die Untersuchung der vielgestaltigen und zum großen Teil noch so wenig bekannten indischen Seetiere zur Ausführung zu bringen. Insbesondere war ich höchst gespannt, diejenigen Tierklassen, mit deren Studium ich mich seit mehreren Dezennien besonders eingehend befaßt hatte: Moneren und Radiolarien, Spongien und Korallen, Medusen und Siphonophoren, an den Gestaden von Ceylon weiter zu erforschen; ich durfte hoffen, hier ganz neue Gestaltungsverhältnisse zu finden, welche dieselben unter dem Einfluß der Tropensonne und der indischen Lebensbedingungen entwickeln.

Die Bedingungen, unter denen die genannten Seetierklassen zu ihrer vollen Entwicklung gelangen, sind vielfach eigentümlich, und es ist keineswegs gleichgültig, welchen Küstenort wir zu ihrer Erforschung aufsuchen. Nicht allein die verschiedene Beschaffenheit des Meerwassers – Salzgehalt, Reinheit, Temperatur, Strömung, Tiefe des Meeres, – sondern gleicherweise (und oft in höherem Maße) die Beschaffenheit der benachbarten Küste (ob felsig oder sandig, aus Kalk oder Schiefer gebildet, ob reich oder arm an Vegetation) wirkt vielfach und bedeutend auf die Entwicklung der marinen Fauna. Insbesondere kann der geringere oder größere Zufluß von Süßwasser, sowie die schwächere oder stärkere Brandung der Wellen, die Existenz gewisser Seetiergruppen ebenso begünstigen, wie sie diejenige von andren Gruppen verhindert. Für die massenhafte Entwicklung derjenigen Abteilungen von schwimmenden Seetieren, deren Untersuchung mir besonders interessant war: Radiolarien, Medusen, Siphonophoren, sind vorzüglich günstig Meeresbuchten mit tiefem, klarem und stillem Wasser, geschützt durch vorspringende felsige Landzungen, frei von größeren Süßwasserzuflüssen, und ausgestattet mit Strömungen, die schwimmende Seetierscharen hineinführen. Solchen günstigen Verhältnissen verdanken z. B. im Mittelmeer das Hafenbecken von Messina, der Golf von Neapel, die Bucht von Villafranca den großen Ruf, in dem sie seit Jahrzehnten bei uns Zoologen stehen.

Ein Blick auf die Karte von Indien belehrt uns nun, daß dergleichen geschützte Buchten hier äußerst wenig entwickelt sind, viel seltener und unbedeutender, als an den reich gegliederten und vielfach ausgeschnittenen Küsten unsres unvergleichlichen Mittelmeeres. An dem Gestade von Ceylon sind überhaupt nur drei solche Buchten vorhanden: an der südwestlichen Küste die beiden schönen Hafenbecken von Galla und Belligemma, an der nordöstlichen Küste der ausgezeichnete, große und inselreiche Golf von Trinkomalie. Dieser letztere wurde schon von Nelson für einen der besten Häfen der Welt erklärt. Die englische Regierung, die in allen Erdteilen die wichtigsten, für ihre Weltherrschaft günstigsten Stützpunkte ebenso scharfblickend erkennt als zweckentsprechend und ausgiebig benützt, säumte nach der Besitzergreifung von Ceylon nicht, Trinkomalie zu dessen Kriegshafen zu erheben und mit allen dazu gehörigen Verteidigungsmitteln reichlich auszustatten. Schon die Holländer hatten auf zwei vorspringenden Landzungen zum Schutze des Hafens zwei kleine Festungen erbaut: Fort Frederik im Nordosten, Fort Ostenburg im Süden. Von den Engländern wurden diese Fortifikationen verstärkt und weiter ausgebaut, sowie auch für die Hebung der kleinen Stadt vieles getan. Trotzdem bleibt vieles zu tun noch übrig, besonders, wenn man bedenkt, daß Trinkomalie der mächtigste und wichtigste Schutzhafen für das ganze englische Indien ist. In dem Kampfe, den das britische Weltreich früher oder später um den Besitz Indiens zu führen haben wird, dürfte dieser feste Platz voraussichtlich die größte Rolle spielen.

Der Hafen von Trinkomalie, ausgezeichnet nicht allein durch seine Größe und Tiefe, sondern auch durch seine reiche Küstengliederung und durch eine Anzahl bewaldeter Inseln, die seinen Eingang bewachen, läßt schon von vornherein eine besonders reiche Entfaltung des Seetierlebens erwarten. Und in der Tat scheinen viele Gruppen von Seetieren, vorzüglich die auf felsigem Boden kriechenden Weichtiere und Sterntiere (Mollusken und Echinodermen) hier eine größere Fülle verschiedener Arten zu bilden, als an den meisten übrigen Küstenpunkten der Insel. Insbesondere ist sein Reichtum an schönen Konchylien, prächtig gefärbten Schnecken, und zierlich geformten Muscheln, seit langer Zeit berühmt. Auch haben einzelne Zoologen, die Trinkomalie früher besuchten, dort viele neue Tierformen entdeckt. Es war daher natürlich, daß ich auf diesen Punkt vor allen andren meine Aufmerksamkeit richtete und wenigstens einen Monat dort zu fischen beschloß. Allein als es an die Ausführung dieses Planes ging, stellten sich leider unübersteigliche Hindernisse derselben entgegen.

Die Verbindung von Trinkomalie mit den Hauptstädten der Insel ist noch heutzutage sehr unvollkommen und läßt viel zu wünschen übrig; ebensowohl zu Wasser als zu Lande. Für die projektierte Eisenbahn von Kandy nach Trinkomalie ist noch nichts geschehen. Da Kandy fast in der Mitte zwischen der westlichen und östlichen Küste liegt, und mit der ersteren durch die Colombo-Eisenbahn schon seit Jahren verbunden ist, so erscheint die Fortsetzung der letzteren nach der Ostküste als eine Notwendigkeit, besonders angesichts der hohen strategischen Bedeutung von Trinkomalie und der Vorzüglichkeit seines Hafens, der in merkantilischer Beziehung noch sehr wenig benutzt ist. Trotzdem kann man auch gegenwärtig von Kandy nach Trinkomalie nur auf beschwerlichen Wegen gelangen, die tagelang durch dichte unbewohnte Wälder führen. Zudem war gerade Anfang Dezember, als ich diese Reise unternehmen wollte, der Zustand jener Wege besonders schlecht. Die heftigen Regengüsse des Südwest-Monsun hatten mehrere Brücken weggeschwemmt und ganze Strecken der Straße unfahrbar gemacht. Ich mußte fürchten, daß die Ochsenkarren, die meine 16 Kisten mit Instrumenten usw. dorthin bringen sollten, unterwegs stecken bleiben oder nur unter großen Hindernissen und Beschädigungen Trinkomalie erreichen würden.

Nicht besser aber stand es leider mit dem Seewege. Die Regierung schickt allmonatlich einen kleinen Küstendampfer, den »Serendib«, zweimal um die ganze Insel herum, einmal mit der nördlichen, das andre Mal mit der südlichen Hälfte beginnend. Dieser kleine Dampfer vermittelt die einzige regelmäßige und direkte Kommunikation zwischen den Hauptpunkten der Küste; im übrigen verkehren zwischen denselben nur unsichere und mangelhafte Segelboote. Nun wollte es aber das Mißgeschick, daß gerade zu jener Zeit, als ich auf dem »Serendib« nach Trinkomalie fahren wollte, derselbe im Sturme Havarie erlitten hatte und behufs Reparatur nach Bombay geschleppt worden war. Ich mußte also zunächst auf den Besuch von Trinkomalie verzichten und ihn auf spätere Zeit verschieben. Zu meinem großen Bedauern kam aber auch später infolge andrer Hindernisse dieser Plan nicht zur Ausführung.

Zunächst blieb mir nichts andres übrig, als mich nach der Südwestküste zu wenden, und mein zoologisches Laboratorium entweder in Galla oder in Belligemma aufzuschlagen. Galla (oder Point de Galle), die bedeutendste Hafenstadt der Insel, die bis vor wenigen Jahren die Hauptstation aller Indienfahrer und der gewöhnliche Ankunftsplatz der europäischen Reisenden war, bot mir den Vorteil europäischer Zivilisation, leichtere Beschaffung der nötigsten Hilfsmittel und beständigen Verkehr mit gebildeten Engländern. Ich konnte dort sicher darauf rechnen, in dem schönen großen Hafen mit europäischen Booten zu fischen, auf den berühmten Korallenbänken eine Fülle interessanter Seetiere zu finden und diese mit verhältnismäßiger Leichtigkeit und Bequemlichkeit zu untersuchen und zu verpacken. Außerdem hatte ich den Vorteil, daß schon andre Zoologen vor mir dort gearbeitet und die Bekanntschaft mit Örtlichkeit und Tierwelt erleichtert hatten; insbesondere enthält Ransonnets schönes Werk viele wichtige Bemerkungen über die dortigen Korallenbänke.

siehe Bildunterschrift

XIV.
Zebu-Karren (Bullock-Hackery).

Das beliebteste Fuhrwerk in vielen Teilen von Ceylon ist der Bullock-Hackery oder die kleine zweirädrige »Zebu-Droschke«, die von einem schnellfüßigen kleinen Laufochsen gezogen wird (Ponyrasse des Buckelochsen).

Ganz andre Verhältnisse mußte ich in Belligemma erwarten. Die schöne und geschützte Bucht dieses Ortes, fünfzehn Meilen südlich von Galla (halbwegs zwischen diesem und Matura, der Südspitze der Insel gelegene), besaß zwar bezüglich der Korallenbänke und der sonstigen topographischen und zoologischen Verhältnisse voraussichtlich viel Ähnlichkeit mit Galla; sie hatte aber, selten besucht und wenig erforscht, den großen Reiz des Neuen und Unbekannten voraus. Die tropische Vegetation und die ganze Szenerie war nach allem, was ich darüber gelesen und gehört, noch schöner und reicher als in Galla. Ganz besonders aber reizte mich der Umstand, daß ich hier einmal auf einige Monate dem Zwange und der Unnatur unsres Kulturlebens gänzlich entfliehen konnte; ich durfte hoffen, inmitten aller Reize der üppigsten tropischen Natur mich ungestört ihrem Genusse hinzugeben, und mitten unter einfachen Naturmenschen eine Vorstellung von dem geträumten paradiesischen Urzustande unsres Geschlechts zu gewinnen. Denn Belligemma ist nichts weiter als ein großes, rein singhalesisches Dorf, bewohnt von Fischern, Hirten und Bauern; seine 4000 braunen Einwohner, unter denen sich kein einziger Europäer befindet, leben nur zum kleineren Teil im Dorfe selbst, am Strande der malerischen Bucht, zum größten Teile zerstreut in Hütten, die sich auf einen großen Flächenraum des herrlichsten Kokoswaldes verteilen. Ganz allein in dem einsamen und stillen Rasthause von Belligemma durfte ich außerdem hoffen, meine Arbeiten zusammenhängender und ungestörter auszuführen als in dem geselligen Galla unter vielen wohlwollenden Freunden und neugierigen Bekannten. Freilich mußte ich aber auch darauf gefaßt sein, für die Einrichtung meines zoologischen Laboratoriums und die Ausführung meiner Arbeiten hier auf viel größere Schwierigkeiten zu stoßen; möglicherweise konnten unvorhergesehene und unüberwindliche Hindernisse meine Pläne viel eher vereiteln als in Galla.

Nach längerem Schwanken, und nachdem ich alle für und wider sprechenden Gründe reiflich erwogen, entschied ich mich endlich für Belligemma, und ich hatte diese Wahl nicht zu bereuen. Die sechs Wochen, die ich dort verlebte, überreich an den wunderbarsten Eindrücken, werden mir immer unvergeßlich sein und bilden in dem Kranze meiner indischen Reiseerinnerungen eine der duftigsten und buntesten Blumengruppen. Wenn ich auch für meine speziellen zoologischen Arbeiten vieles besser und bequemer in Galla gefunden hätte, so gewann ich doch für meine allgemeine Naturanschauung und Menschenkenntnisse weit mehr in dem reizenden Belligemma.

Natürlich mußte ich für einen längeren Aufenthalt in diesem einfachen Fischerdorfe zahlreiche Vorbereitungen treffen. Da das einzige Unterkommen in demselben durch das Regierungsrasthaus geboten wird, und da der Aufenthalt in solchen Rasthäusern nicht über drei Tage dauern darf, so erbat ich zunächst die Erlaubnis, dasselbe für mehrere Monate bewohnen zu dürfen. Der Gouverneur von Ceylon, Sir James Longden, an den ich von der englischen Regierung besonders empfohlen war, und dem ich für seine freundliche Aufnahme hier meinen besten Dank abstatte, ließ mir ein Empfehlungsschreiben an den Präsidenten der Südprovinz ausfertigen, in dem mir nicht nur jene Erlaubnis gewährt, sondern auch sämtliche Regierungsbeamte angewiesen wurden, mir in jeder Weise gefällig und dienstbar zu sein. Bei der musterhaften Ordnung und Disziplin des Regierungsmechanismus, die in den englischen Kolonien ebenso wie im Mutterlande herrscht, ist eine solche offizielle Empfehlung des Gouverneurs ein unschätzbarer und oft ein unentbehrlicher Talisman. Ganz besonders gilt das von Ceylon, da diese Insel von der Regierung Indiens unabhängig ist und unmittelbar unter dem Kolonialministerium in London steht: der Gouverneur ist ziemlich unumschränkter Alleinherrscher und kehrt sich an die Beschlüsse seines bloß beratenden Parlamentes sehr wenig. Man schiebt dieser absolutistischen Regierungsform, die gar nicht nach dem Geschmacke der konstitutionellen Engländer ist, den größten Teil der vielen Mängel zu, unter denen die Verwaltung der schönen Insel leidet. Einer der größten ist aber jedenfalls der, daß der Gouverneur die Zügel der Regierung nicht länger als vier Jahre führen darf – ein viel zu kurzer Zeitraum, der kaum ausreicht, die Insel gehörig kennen zu lernen. Allein unter den eigentümlichen Verhältnissen ihrer Bevölkerung, bei dem Umstande, daß unter den 2½ Millionen Einwohnern sich nur 3000 Europäer befinden, ist die Konzentration der Regierungsgewalt in einer Hand auch in vieler Beziehung vorteilhaft. Im allgemeinen gewann ich bei näherer Bekanntschaft mit den Verwaltungsverhältnissen die Überzeugung, daß auch hier, wie in den meisten andren Kolonien, der praktische Sinn der Engländer regelmäßig das Richtige trifft und die Verwaltung mit größerer Umsicht und Einsicht leitet, als es der Mehrzahl der andren Kulturvölker möglich sein würde.

Nachdem ich mich auch für Galla mit Empfehlungen versehen und noch mancherlei Einkäufe für die Ausstattung meines Aufenthaltes in Belligemma besorgt hatte, packte ich meine 16 Kisten auf einen großen zweiräderigen Ochsenkarren, der dieselben innerhalb 8 Tagen bis Galla befördern sollte. Diese Bullock-Carts sind in ganz Ceylon, soweit Fahrstraßen existieren, die allgemein gebräuchlichen Lastfuhrwerke. Die größten Karren nehmen bis 40 Zentner Last auf ihre beiden gewaltigen Räder und werden von 4 starken Buckelochsen (oder Zebus) der größten Rasse gezogen. Das Joch der Deichsel wird nicht an der Stirn befestigt, sondern einfach auf den Nacken gelegt, unmittelbar vor dem Fetthöcker, der als Widerhalt dient. Der ganze Karren ist von einem tonnenförmigen Dach überwölbt, das aus gekreuzten Blattfiedern der Kokospalme gefertigt ist und dessen dichtes doppeltes Geflecht die darunter geborgene Fracht auch vor den heftigsten Regengüssen schützt. Matten aus gleichem Geflecht werden auch vorn und hinten vor dem Eingang des Gewölbes befestigt. Die Last muß kunstgerecht so gleichmäßig verteilt werden, daß der Schwerpunkt in der Mitte über der Achse des Räderpaares ruht. Der Fuhrmann sitzt vorn auf der Deichsel unmittelbar hinter den Ochsen oder er geht zwischen ihnen; unaufhörlich treibt er die Tiere durch Rufen oder durch Reiben des Schwanzes zwischen den Hinterbeinen zu rascherem Gange an. Hunderte solcher Ochsenkarren, bald mit zwei, bald mit vier Zebus bespannt, bilden die beständige Staffage aller Landstraßen. Dazwischen bewegen sich dann in rascherem Gange oder selbst in munterem Trabe die kleinen Ochsendroschken: »Bullock-Bandys« oder »Hackerys«; das sind leichtere zweiräderige Karren derselben Form, die von einem niedlichen schnellfüßigen Laufochsen gezogen werden.

Am 9. Dezember verließ ich das freundliche Whist-Bungalow, begleitet von den herzlichen Wünschen und guten Ratschlägen meiner lieben Gastfreunde. Die Fahrt von Colombo bis Galla bildet ein stehendes Lieblingskapitel in allen Reisebeschreibungen von Ceylon. Da bis vor wenigen Jahren alle Postdampfer zuerst in Galla landeten, und da der erste Ausflug der Reisenden stets von dort nach der Hauptstadt gerichtet war, so wurden die Ankömmlinge auf dieser Strecke zuerst mit den Naturschönheiten der Insel bekannt. Allerdings sind dieselben aber auch hier im ganzen recht reich und üppig entwickelt; der Kokospark mit seiner unendlichen Mannigfaltigkeit von reizenden Bildern, wie ich sie zuerst auf der Exkursion nach Kaduwella sah, nimmt einen breiten Küstenstrich in dem ganzen südwestlichen Teile der Insel ein. Bald schlängelt sich die Straße mitten durch denselben hin, bald berührt sie unmittelbar die felsige oder sandige Meeresküste, bald durchschneidet sie dichtere Waldpartien, oder geht auf Brücken über die zahlreichen kleinen Flüsse, die an der Westküste münden.

Während früher die ganze Strecke von Colombo bis Galla nur mit Wagen befahren wurde, ist gegenwärtig im ersten Drittel derselben eine Eisenbahn an die Stelle der Fahrstraße getreten. Die Bahn hält sich ebenfalls ganz nahe der Küste, durchschneidet fast geradlinig in südlicher Richtung den Palmenwald und endet vorläufig in Caltura. Die Fortsetzung der Bahn von hier nach Galla, die für letzteren Ort von größtem Vorteil sein würde, ist von der Regierung nicht gestattet worden, aus Besorgnis, daß dadurch Galla wieder sich heben und einen Vorsprung vor der Hauptstadt Colombo gewinnen könnte. Da der Verkehr zwischen beiden Städten sehr lebhaft und in stetigem Wachstum begriffen ist, so kann über die gute Rentabilität der Eisenbahn kein Zweifel sein. Lediglich der maßgebende Wunsch, Colombo auf Kosten von Galla immer mehr zu heben, bestimmt die Regierung, selbst der wohlfundierten Gesellschaft, die das Kapital für den Bahnbau nachgewiesen hatte, die Konzession zu verweigern. Es ist das ein beständiges Objekt vieler Klagen, die man allerorten auf dieser Strecke hört. Der Reisende ist daher gezwungen, entweder sehr teures Privatfuhrwerk zu mieten oder sich dem Postomnibus anvertrauen, der täglich von Galla nach Caltura und zurück fährt; aber auch dieser ist teuer und dabei nichts weniger als bequem.

Allerdings führt dieser Omnibus den stattlichen Titel der » Königlichen Postkutsche« ( Royal Mailcoach) und zeigt auf seiner Türe das englische Wappen mit der stolzen Überschrift: » Hony soit qui mal y pense!« Diese Warnung klingt jedoch wie die reine Ironie angesichts der Beschaffenheit der Kutsche selbst und der Pferde, die mit deren Beförderung gequält werden. Der leicht gebaute Wagen erscheint kaum für die Ausnahme von einem halben Dutzend Passagiere ausreichend, wird aber bei günstiger Gelegenheit auch mit der doppelten Zahl vollgestopft. Sowohl die beiden schmalen Bänke im engen Innenraum als auch die hinten angebrachte Bank werden dann mit je drei Personen besetzt, obgleich sie kaum für zwei hinreichend breit sind. Die besten Sitze bleiben noch die vorn auf dem freien Bock neben dem Kutscher, unter einem weit vorspringenden Schattendach. Hier genießt man den freiesten Umblick in die herrliche Szenerie nach allen Seiten, und bleibt dabei von den starken, nichts weniger als angenehmen Düften verschont, welche die schwitzenden, mit Kokosöl gesalbten Singhalesen, in dem engen Innenraum zusammengepreßt, entwickeln. Dabei beträgt der Fahrpreis der fünfstündigen Omnibusfahrt für jeden »weißen« Europäer 15 Rupien (= 30 Mark) – mithin für jede Stunde Fahrzeit 6 Mark! Der farbige Eingeborene zahlt nur die Hälfte.

Der unangenehmste Umstand bei dieser Omnibusfahrt, wie bei allen ähnlichen Postkutschfahrten in Ceylon, ist die greuliche Quälerei der armen Postpferde. Die guten Singhalesen scheinen nämlich seit alters her und bis auf den heutigen Tag keine Vorstellung davon zu haben, daß Rosselenken eine Kunst ist, die gelernt sein will, und daß die Pferde für das Wagenfahren eingelernt oder »angepaßt« werden müssen. Vielmehr scheinen sie anzunehmen, daß sich das alles von selbst versteht, und daß die Tiere das Wagenziehen bereits durch Vererbung kennen. Ohne sie daher gehörig einzufahren, werden die ungelernten Pferde in ein ebenso unbequemes als unpraktisches Geschirr vor den Wagen gespannt und nun solange in der verschiedensten Weise gemartert, bis sie aus Verzweiflung davonlaufen. Da gewöhnlich dazu weder die lautesten Zurufe noch harte Peitschenschläge ausreichen, so werden die mannigfaltigsten Marterwerkzeuge angewendet: die empfindlichen Nasenlöcher werden mit Haken auseinander gerissen; die Ohren werden an Knebel befestigt und mittels dieser um ihre Achse gedreht, als ob sie aus dem Kopfe ausgeschraubt werden sollten; an den Vorderbeinen werden lange Stricke befestigt, an denen ein halbes Dutzend johlender und kreischender Jungen die armen Tiere vorwärts ziehen; andre zerren inzwischen hinten aus Leibeskräften am Schwanze und schlagen mit Stangen auf die Hinterbeine; ja bisweilen, wenn alles das nicht ausreicht, die gequälten Geschöpfe zur Verzweiflung zu bringen und zum Fortrennen zu veranlassen, wird ihnen eine brennende Fackel unter den Bauch gehalten. Kurz – es wird keine Marter gespart, die jemals die heilige Inquisition zur Bekehrung ungläubiger Ketzer angewendet hat; und wenn ich oft oben auf dem Bocksitze eine Viertelstunde lang und länger diese abscheuliche Tierquälerei mit ansehen mußte, ohne sie hindern zu können, stieg immer unwillkürlich der Gedanke in mir auf, für welche Sünden diese armen Pferde gestraft werden sollten. Wer weiß, ob ähnliche Vorstellungen nicht auch in den Köpfen der schwarzen Kutscher und Pferdeknechte spuken, die meistens dem Sivakultus und der Lehre von der Seelenwanderung anhängen. Vielleicht denken sie, durch diese Martern sich an den wandernden Seelen der grausamen Fürsten und Krieger zu rächen, die früher die Peiniger ihres Volkes waren.

Entweder derartige Vorstellungen oder gänzlicher Mangel an Mitgefühl, – vielleicht auch die sonderbare, selbst in Europa zuweilen auftauchende Vorstellung, daß die Tiere kein Gefühl besäßen, – erklären es, daß die Singhalesen diese und ähnliche Tierquälereien als eine Art amüsanter Unterhaltung betrachten. So sind die armen Ochsen überall mit den riesengroßen Namenszügen ihrer Besitzer bezeichnet, die aus dem lebendigen Fell ausgeschnitten werden. In den Dörfern an der Landstraße, wo die Pferde gewechselt werden, ist die Ankunft der Postkutsche stets das wichtigste Ereignis des Tages, und alle Einwohner strömen neugierig zusammen, teils um die durchkommenden Reisenden zu mustern und zu kritisieren, teils um dem aufregenden Schauspiel des Pferdewechsels beizuwohnen und sich an dem Martern der neu eingespannten Tiere aktiv zu beteiligen. Sind diese dann endlich in der Verzweiflung zur Flucht gebracht, so rennen sie gewöhnlich, von lautem Geschrei des johlenden Volkes begleitet, in gestrecktem Galopp oder in voller Karriere so lange als ihr Atem anhält und fallen dann erst in langsameren Trab. Schweißbedeckt, mit schäumendem Munde und zitternden Gliedern, kommen sie nach einer halben Stunde auf der nächsten Station an, wo sie von ihren Leidensgefährten abgelöst werden. Natürlich ist diese Fahrmethode für die Reisenden, die sich der gebrechlichen Postkutsche anvertrauen, weder angenehm noch gefahrlos. Häufig wird die letztere umgeworfen und zerbrochen; die verzweifelten Pferde springen nicht selten querfeldein oder drängen rückwärts den Wagen in ein Bananengebüsch oder in einen Graben hinein; ich gebrauchte daher in kritischen Momenten auf meinem hohen Bocksitze stets die Vorsicht, mich zum Sprunge bereit zu halten. Übrigens ist kaum zu begreifen, wie die englische Regierung, die sonst so streng auf Ordnung und Zucht hält, diesem Unfug der Tierquälerei nicht längst ein Ende gemacht und namentlich für die armen Rosse ihrer eigenen »königlichen Postkutsche« durchgreifende Schutzmaßregeln ergriffen hat.

Großer Buddha, der du so sehr bestrebt warst, das Elend dieses Jammerdaseins zu mindern und die Leiden der gequälten Geschöpfe zu lindern, welchen großen Fehler hast du begangen! Welche Wohltat hättest du der gequälten Menschheit und Tierheit erwiesen, wenn du statt des törichten Verbotes, ein Tier zu töten, vielmehr das segensreiche Gebot erlassen hättest, kein Tier zu quälen! Das erstere Verbot wird von den buddhistischen Singhalesen in der Regel mit großer Sorgfalt befolgt, wenn auch mit vielen Ausnahmen. Sie sehen es zwar sehr gern, wenn der Naturforscher ihnen die Affen und Flederfüchse wegschießt, die ihre Bananen und Mangofrüchte stehlen; oder wenn der Pflanzer die Elefanten tötet, die ihre Reisfelder verwüsten, die Leoparden, die ihre Ziegen verzehren, die Palmenmarder, die ihre Hühner morden. Allein sie selbst weisen in der Regel jede derartige Zumutung mit Abscheu von sich und hüten sich sehr, ein Tier direkt zu töten. Aus diesem Grunde sind auch die Mitglieder der Fischerkaste meist Katholiken; sie haben den Buddhaglauben verlassen, um am Töten der Fische keinen Anstoß zu nehmen.

Bei der hartnäckigen Insubordination, welche die indischen Pferde ihren Peinigern entgegensetzen, und bei ihrer Neigung zu unvermuteten Seitensprüngen, sowie bei der verzweifelten Schnelligkeit ihres Laufes erfordert das Amt der Rosselenker natürlich besondere Geschicklichkeit. Sowohl der Kutscher als sein Assistent, der Pferdeknecht, muß beständig auf seiner Hut sein. Die Ausdauer und Behendigkeit des letzteren ist bewunderungswürdig; ganz nackt, nur mit einer Schwimmhose und einem umgehängten Posthorn bekleidet, auf dem Haupte einen weißen Turban, läuft der schwarze Tamil lange Strecken neben dem dahinjagenden Wagen her, zieht dabei die Stränge der Pferde bald hier, bald dorthin, und schwingt sich mitten im schnellsten Lauf den Wagentritt an der Deichsel. Wenn ein andres Fuhrwerk entgegenkommt oder der Weg eine plötzliche Biegung macht, ergreift er rasch den Kopf der Pferde und lenkt sie mit gewaltigem Ruck nach der freien Seite. Wenn die Kutsche eine der langen hölzernen Brücken passiert, welche die breiten Flüsse überschreiten, hemmt er plötzlich den jähen Lauf der Tiere und führt sie in bedächtigem Schritt über die lockeren und klappernden Holzschwellen. Wenn ein Kind, wie es oft passiert, mitten über den Weg läuft, oder eine alte Frau dem Wagen nicht ausweicht, springt der Pferdeknecht rasch entschlossen vor die Pferde und schiebt sie mit kräftiger Hand hinweg. Kurz, er muß beständig aufpassen und bei der Hand sein.

Obgleich der Charakter der Landschaft auf der ganzen, siebenzig englische Meilen langen Strecke zwischen Colombo und Galla derselbe bleibt, so wird dennoch das entzückte Auge des Reisenden nie ermüdet. Der unendliche Reiz der Kokoswälder und die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit in der Gruppierung und Abwechslung ihrer Staffage läßt keine Gleichgültigkeit aufkommen. Die stechende Glut der Tropensonne wird nur selten lästig, da sie sowohl durch die kühlende Seebrise als den Schatten der Wälder bedeutend gemildert wird. Zwar liefert das zierliche Fiederwerk der Kokospalmen, wie der meisten übrigen Palmen, nicht den dichten und erfrischenden Schatten unsrer nordischen Laubwälder; denn durch die Spalten zwischen den Fiedern dringen allenthalben die Sonnenstrahlen, wenn auch gebrochen, hindurch. Allein vielfach sind die schlanken Stämme der Palmen mit den zierlichen Gewinden der kletternden Pfefferrebe und andren Schlingpflanzen bedeckt; gleich den schönsten künstlichen Girlanden schwingen sich die dichtbeblätterten Ranken der letzteren von Krone zu Krone; von oben hängen sie gleich prächtigen Ampeln frei herunter. Manche von diesen Kletterpflanzen sind mit den herrlichsten Blüten geschmückt, so die feuerrote Prachtlilie, die blaue Thunbergia, die rosenrote Bougainvillea, goldgelbe Schmetterlingsblüten aus verschiedenen Gattungen usw. Ferner stehen unter und zwischen den herrschenden Palmen vielfach andre Bäume, so namentlich der edle Mango und der gewaltige Brotfruchtbaum mit seiner dichten, dunkelgrünen Krone. Der schlanke, säulengleiche Stamm des zierlichen Melonenbaumes ( Carica papaya) ist elegant getäfelt und mit einem regelmäßigen Diadem von breiten, handförmig eingeschnittenen Blättern geziert. Verschiedene Arten von Jasmin, von Orangen- und Limonenbäumen sind über und über mit duftigen, weißen Blüten bedeckt. Und dazwischen sind nun die niedlichen, weißen oder braunen Hütten der Singhalesen mit ihrer idyllischen Staffage überall zerstreut; man würde glauben, durch ein einziges, ununterbrochenes Dorf mit Palmengärten zu fahren, wenn nicht hier und da eine dichtere Waldpartie dazwischen träte, und dann wieder ein ländlicher Basar mit einer Reihe zusammengedrängter Häuser uns in ein wirkliches, dichter bevölkertes Dorf hineinführte.

Dann wendet sich streckenweise der Weg wieder zum Meere und führt oft unmittelbar an der felsigen Küste hin. Hier wechselt weicher flacher Sandstrand mit felsigen Hügeln, und diese letzteren namentlich sind mit den seltsamen Pandangs oder Schraubenbäumen malerisch bekleidet. Die Pandangs ( Pandanus odoratissimus) gehören zu den merkwürdigsten Charakterpflanzen der Tropen. Sie sind den Palmen nahe verwandt und werden auch Schraubenpalmen oder (unpassender) Schraubenfichten ( Screw-Pines) genannt. Der niedere, zylindrische Stamm, der meist zwischen 20 und 40 Fuß Höhe erreicht, ist vielfach verbogen und gabelförmig oder nach Art eines Armleuchters verzweigt. Jeder Zweig trägt am Ende einen dichten Busch von großen, schwertförmigen Blättern (ähnlich den Dracaenen und der Yucca). Diese Blätter sind bald seegrün, bald dunkelgrün, zierlich umgebogen und am Grunde dergestalt spiralig geordnet, daß der Zweig einer regelmäßig gewundenen Schraube gleicht. An der Basis der Blätterbüsche hängen weiße, wundervoll duftende Blütentrauben oder große, rote, einer Ananas ähnliche Früchte. Das Merkwürdigste an den Pflanzen sind aber zahlreiche dünne Luftwurzeln, die an vielen Stellen vom Stamme abgehen und sich nach unten gabelförmig verzweigen; unten am Boden angelangt, schlagen sie wieder Wurzeln und dienen als Stützpfeiler für den schwachen Stamm. Es sieht aus, als ob der Baum auf Stelzen ginge. Höchst phantastisch erscheinen diese Pandangs, wenn sie sich auf ihren Stelzbeinen hoch über niederes Buschwerk erheben, wenn sie zwischen den zerklüfteten Felsen des Seestrandes sich anklammern oder schlangenartig zwischen denselben auf dem Boden fortkriechen.

Der weiße Sandboden, der den flachen Meeresstrand bildet und mit dunkeln, felsigen Vorgebirgen vielfach wechselt, ist belebt von munteren, rasch entweichenden Sandkrabben, deren Schnellfüßigkeit ihnen den klassischen Namen Ocypodee eingetragen hat. Aber auch zahlreiche Eremitenkrebse ( Pagurus) wandeln bedächtiger zwischen ihren leichtfüßigen Cousinen einher und schleppen das Schneckenhaus, in dem sie ihren weichen, empfindlichen Hinterleib verbergen, mit vieler Würde. Hier und da sind Strandläufer, zierliche Reiher, Regenpfeifer und andre Strandvögel mit Fischfang am Strande beschäftigt und machen den fischenden Singhalesen erfolgreich Konkurrenz. Die letzteren treiben ihr Gewerbe teils einzeln, teils in Gesellschaften; sie fahren dann meist in mehreren Kanoes mit mächtigen Netzen hinaus, die sie gemeinschaftlich an den Strand ziehen. Die Einzelfischer hingegen fangen ihre Beute mit Vorliebe in den Wellen der schäumenden Brandung, und es gewährt ein unterhaltendes Schauspiel, wie die nackten, braunen Gestalten, nur durch einen großen breitkrempigen Strohhut gegen den Sonnenstich geschützt, kühn in die brandenden Wogen hineinspringen und die Fische mit einem kleinen Handnetz herausfangen. Das erfrischende Seebad scheint ihnen ebensoviel Vergnügen zu machen, wie ihren kleinen Kindern, die scharenweis am Strande spielen und schon mit sechs oder acht Jahren sich als Meister in der edlen Schwimmkunst bewähren.

Gleich einem zierlichen, schmalen Atlasbande zieht sich der weiße oder gelbliche Saum des Seesandes oft stundenlang längs der vielfach eingeschnittenen oder in schönen, flachen Bogen ausgerandeten Küste hin und trennt die tiefblaue Fläche des indischen Ozeans von den lichtgrünen Kokoswäldern. Dieser Saum erscheint um so reizender, als die schlanken Stämme der dicht gedrängten Kokospalmen stark über denselben überhängen, gleich als strebten ihre zierlichen Fiederkronen, die kühlende Seebrise voll einzuatmen und die Fülle des Sonnenlichts ungeteilt zu genießen. Dazu ist der Boden zu ihren Füßen mit den schönsten Strandblumen geziert, unter denen besonders drei hervortreten: die Geißfußwinde mit ihren zweilappigen Blättern und violettroten Blüten ( Ipomoea pescapri), eure zierliche rosenrot blühende Balsamine ( Impatiens) und die stolze Trichterlilie von Ceylon ( Pancratium ceylanicum); die stattlichen weißen Blüten der letzteren, mit schmalen, überhängenden Blumenblättern, stehen in Dolden auf schlanken Stengeln von 6–8 Fuß Höhe. Demnächst sind es dann wieder vorzugsweise die herrlichen Pothos- und Kallapflanzen ( Aroideae), die mit ihren gewaltigen Pfeilblättern den Weg verzieren. Wird die Sonnenglut gar zu unerträglich oder kommt plötzlich ein Regenschauer, so bricht der Singhalese zu seinem Schutze einfach ein solches Kaladiumblatt ab; es schützt besser als ein baumwollener oder seidener Schirm und ist noch dazu auf das zierlichste mit hellen Adlerfiguren, oft auch mit purpurnen Flecken bemalt. So wachsen in diesem sonnigen Paradiese sogar die Parasols am Wege – oder vielmehr die » Entout-cas«, da sie gleichzeitig ebenso gute Regen- als Sonnenschirme sind!

Besonders schöne Zierden der herrlichen Galla-Colombostraße sind die zahlreichen Flußmündungen, welche den Kokospark unterbrechen, und die ausgedehnten Lagunen, die namentlich in ihrer nördlichen Hälfte (zwischen Colombo und Caltura) die Küstenflüsse in Kommunikation setzen. Die früheren Herren der Insel, die Holländer, fanden an diesen Wasserstraßen, als Erinnerungen an ihr Heimatland, solchen Gefallen, daß sie ein förmliches Kanalnetz herstellten und darüber die Landstraßen sehr vernachlässigten. Gleich den bekannten »Treckschuiten« der Niederlande, fuhren damals zahlreiche Frachtboote auf den Küstenlagunen von Ort zu Ort und vermittelten hauptsächlich ihren Verkehr. Seitdem die Engländer nun die vorzügliche Landstraße hergestellt haben, sind jene Wasserbahnen ziemlich außer Gebrauch gekommen. Aber mit den dichten Bambus- und Palmenwäldern ihrer Ufer, mit den reizenden kleinen Inseln und Felsgruppen, die in den spiegelnden Wasserbecken reichlich zerstreut sind, gewähren sie dem vorübereilenden Reisenden eine Fülle verlockender Bilder, besonders dort, wo über den dunkelgrünen, dichten Waldmassen sich ganze Scharen schlanker Kokospalmen erheben – wie Humboldt treffend sagt: »ein Wald über dem Walde«. Dazu bilden die aufsteigenden Hügelreihen in blauer Ferne einen passenden Hintergrund; hier und da treten auch die höheren Häupter des Berglandes darüber vor, unter allen immer am meisten auffallend der stattliche Kegel des Adams-Pik.

An den Mündungen der größeren Flüsse, deren man auf dieser Strecke eine ganze Anzahl überschreitet, nimmt die heitere Landschaft einen ernsteren Charakter an; die dunklen Mangrovenwälder machen sich da vorzugsweise geltend. Meist ist hier das Ufer dicht mit solchen Manglebäumen gesäumt, deren verzweigte Luftwurzeln ein undurchdringliches Dickicht herstellen. Früher waren dieselben auch bevölkert von Krokodilen; jetzt sind diese vor der unaufhaltsam vordringenden Kultur nach dem oberen Teile der Flüsse zurückgewichen. Der stattlichste unter diesen Flüssen ist der prachtvolle Kalu-Ganga, der »schwarze Fluß«, den ich später im größten Teil seiner Länge befuhr; in seiner letzten Strecke ist er so breit wie der Rhein bei Köln. An seiner Mündung liegt Caltura, ein großes Dorf, an dem vorläufig die Eisenbahn aufhört. Am südlichen Ende von Caltura wölbt sich ein prachtvoller Benyan- (oder Benjamin-)Baum gleich einem Triumphbogen über der Landstraße. Dieser riesige Feigenstamm ( Ficus indica) hat Luftwurzeln getrieben, die auf der entgegengesetzten Seite der Straße Grund gefaßt haben und zu mächtigen Stämmen herangewachsen sind; sie bilden jetzt zusammen mit dem Hauptstamme einen hochgewölbten gotischen Bogen, um so malerischer, als zahlreiche parasitische Farne, Orchideen, wilder Wein und andre Kletterpflanzen den Stamm überwuchert haben. In der Nähe am Strande entdeckte ich bei einem späteren Besuche von Caltura ein andres Baumwunder, einen Gummibaum, dessen Pfeilerwurzeln, vielfach gewunden und in Gestalt hoher Bretterzäune aufsteigend, ein wahres Labyrinth bildeten; Scharen von munteren Kindern spielten in den Nischen zwischen den einzelnen Wurzellatten Verstecken.

Ein andrer reizender Punkt ist das Rasthaus von Bentotte, an dem die »königliche Postkutsche« eine Stunde anhält, um die Fahrgäste etwas ausruhen und sich durch ein Frühstück stärken zu lassen. Eine besondere Delikatesse desselben bilden die berühmten Austern des Ortes; man genießt sie entweder frisch oder gebacken, auch wohl in Essig eingemacht. Das Rasthaus liegt reizend auf einem Hügel zwischen hohen Tamarindenbäumen und gewährt einen prächtigen Blick auf das sonnenbeglänzte Meer und auf die Brücke, die eine Flußmündung überschreitet. Unterhalb der Brücke sah ich nach eingenommenem Frühstück dem Austernfang zu und schlenderte dann noch eine Viertelstunde durch den malerischen Basar des langgestreckten Dorfes. Der Handel und Wandel in diesen Basaren stimmt ebenso vortrefflich zu der idyllischen Umgebung, wie die einfache Ausstattung der indischen Hütten und die primitive Kleidung ihrer halbnackten Bewohner. Den weitaus bedeutendsten Handelsartikel bilden Reis und Curry als wichtigste Nahrungsmittel, Betel und Areca als beliebteste Genußmittel. Diese sowohl als die meisten andren Handelsartikel liegen in den einfachen Läden, deren einzige Öffnung Türe und Fenster zugleich ist, zierlich ausgebreitet auf den frischgrünen Bananenblättern; abwechselnd mit Haufen von Kokosnüssen, prächtigen Bananentrauben und duftenden Ananas, den stärkemehlreichen Wurzeln der Yams, der Colocasia usw. Dazwischen erblicken wir die riesigen Brotfrüchte und die nahe verwandten, oft 30–40 Pfund schweren Yackfrüchte, ferner als besondere Delikatesse die edle Mango und die feine Annona (den » Custard-Apple« der Engländer). Während uns an diesen Fruchtläden, welche die Singhalesen oft niedlich mit Blumen und Zweigen verzieren, der Duft der edlen Früchte anzieht, werden wir dagegen an andren abgestoßen durch intensive Gerüche, die nichts weniger als duftig sind: hier liegen in Haufen aufgestapelt frische und getrocknete Seetiere, hauptsächlich Fische und Krebse; von letzteren sind besonders große Garnelen oder »Shrimbs« beliebt, hier »Prawns« genannt, wichtige Ingredienzien für die Reiswürze, den Curry.

Man würde sehr irren, wenn man auf diesen singhalesischen Märkten den lauten Lärm und die wogende Unruhe suchte, die das bunte Marktgetreibe der meisten Völker, insbesondere der südeuropäischen, charakterisieren. Wer z. B. den lebendigen Verkehr auf der reizenden Piazza del' erbe in Verona, oder das lebhafte Gewimmel auf der Santa Lucia in Neapel kennt, der möchte denken, daß ein tropischer Basar auf Ceylon noch einen viel höheren Grad des lebendigen Marktgewühles zeigte. Nichts von alledem! Der stille und sanfte Charakter des Singhalesenvolkes zeigt sich auch in ihrem Handelsverkehr. Das Interesse an demselben erscheint sowohl bei den Käufern als bei den Verkäufern gering; so gering wie der Wert der Kupfermünzen, um die man die schönsten Früchte kauft. Diese Münzen sind, beiläufig bemerkt, Kupferstücke von 1 Cent und von 5 Cents, von denen 100 (beziehungsweise 20) auf eine Rupie (oder einen indischen Silbergulden = 2 Mark) gehen; sie tragen als Gepräge eine Kokospalme. Sind die Singhalesen auch gegen den Wert des Geldes keineswegs gleichgültig, so bedürfen sie dessen doch in weit geringerem Maße als die meisten übrigen Völker der Erde. Denn an wenigen Stellen derselben schüttet die gütige Mutter Natur aus ihrem reichen Füllhorn eine solche unerschöpfliche Fülle der edelsten Gaben ununterbrochen aus, wie es auf dieser bevorzugten Insel der Fall ist. Soviel Reis, als zum Leben absolut erforderlich ist, kann auch der ärmste Singhalese mit leichter Mühe sich erwerben: 10–15 Cents (oder ungefähr doppelt soviel Pfennige) sind für den Tag ausreichend; der Reichtum an Früchten, den das Land schenkt, die Fülle von Fischen, die das Meer liefert, ist so groß, daß es auch an der Curryzutat zum Reis und an mannigfacher Abwechselung nicht fehlt.

Warum sollten da die Singhalesen das Leben sich durch Arbeit sauer machen? Nein, dazu besitzen sie viel zu viel Bequemlichkeit oder »Lebensphilosophie«. Und so sieht man sie denn allenthalben in ihren einfachen Hütten zur behaglichsten Ruhe ausgestreckt oder plaudernd in Gruppen auf dem Boden hockend; die wenige Arbeit, die ihr kleines Stück Gartenland erfordert, ist in kürzester Frist getan, und die übrige Zeit gehört dem Spiele des Lebens. Und auch dieses ist nichts weniger als aufregend und leidenschaftlich. Vielmehr erscheint über das ganze Tun und Treiben dieser glücklichen Naturmenschen ein Zauber des Friedens und der Ruhe ausgebreitet, der uns abgejagte Kulturmenschen des neunzehnten Jahrhunderts gar seltsam und verführerisch anmutet.

Ihr beneidenswerten Singhalesen! Euch plagt weder die Sorge um den nächsten Tag noch um die fernere Zukunft. Was Ihr für Euch und Eure Kinder zum Leben braucht, das wächst Euch von selbst in den Mund; und was Ihr sonst noch als Luxus begehrt, könnt Ihr mit leichtester Mühe verdienen. Ihr seid wahrhaft »wie die Lilien auf dem Felde«, die rings um Eure einfachen Hütten wuchern; sie säen nicht, sie ernten nicht, und die himmlische Natur ernährt sie doch! Euch beseelt kein politischer oder militärischer Ehrgeiz; keine angstvolle Betrachtung über die wachsende Geschäftskonkurrenz oder das Fallen und Steigen der Papierkurse trübt Euren Schlaf. Jene höchsten Ziele des höheren Kulturmenschen, der Geheimeratstitel und der Ordensstern, sind Euch unbekannt. Und trotzdem freut Ihr Euch Eures Lebens! Ja ich glaube fast, Ihr beneidet nicht uns Europäer um unsre tausend überflüssigen Bedürfnisse; Ihr begnügt Euch damit, einfache Menschen zu sein, Naturmenschen, die im Paradiese leben und dies Paradies genießen! Wie Ihr da träumerisch hingestreckt unter dem Palmendache Eurer Hütten liegt und das Spiel der zitternden Lichter zwischen den Fiedern der Kokoswedel betrachtet; wie Ihr Euch am unvergleichlichen Genuß des Betelkauens erquickt und dazwischen mit Euren niedlichen Kindern spielt; wie Ihr ein erfrischendes Bad am Flußufer auf offener Straße nehmt und bei der folgenden Toilette bloß bestrebt seid, den zierlichen Schildpattkamm möglichst blendend in den kunstgerecht gewundenen Zopf zu stecken! Ja, welcher sorgenschwere Kulturmensch sollte Euch da nicht um Euren naiven Naturzustand und Euren Paradiesesfrieden beneiden?

Solche und ähnliche Betrachtungen erfüllten meine Seele, als ich auf der letzten Station vor Galla während des Pferdewechsels die Gruppen ruhender Singhalesen betrachtete, die im Frieden ihrer Hütten unter Bananenschatten sich ihres Daseins erfreuten! Hier schien fürwahr der harte »Kampf ums Dasein« aufzuhören, wenigstens schien es so. Ich wurde erst aus diesen Träumen geweckt, als die beiden Rossebändiger mich aufforderten, wieder meinen hohen Bocksitz einzunehmen. Die edlen Malabaren belehrten mich dann zugleich in gebrochenem Englisch, daß es Zeit sei, an das landesübliche Trinkgeld zu denken; nach der Ankunft in Galla seien sie zu sehr beschäftigt und auch die Zeit zu kurz, um diesen wichtigen Gegenstand gehörig zu bedenken. Da ich bemerkt hatte, daß ein vornehmer, vorher ausgestiegener Singhalese als Trinkgeld jedem der beiden eine »Doppelanna«, ein kleines Silberstück von 25 Pfennig Wert, verabreicht hatte, glaubte ich meinen höheren Wert als »weißer Mann« hoch genug zu taxieren, wenn ich das Vierfache dieser Summe gab, nämlich jedem einen Schilling. Indessen sowohl der Kutscher als der Pferdeknecht wiesen ihren Schilling mit Entrüstung zurück und hielten nur eine Vorlesung über die Bedeutung meiner weißen Haut, die mir höchst schmeichelhaft war. Der Grundgedanke derselben bestand darin, daß jeder weiße »Gentleman« mindestens das Doppelte (eine Rupie) jedem von ihnen als Trinkgeld verabreichen müsse, daß aber ein so weißer Mann, wie ich, mit blonden Haaren, jedenfalls zu einer der höchsten Kasten gehöre und demnach noch einen beträchtlichen Zuschlag zahlen müsse. Obwohl mir nun eine derartig hohe Taxation meiner hellfarbenen Persönlichkeit nur angenehm sein konnte, ließ ich mich doch zu weiteren Überschreitungen der »Weißentaxe« nicht bewegen, zahlte jedem der beiden Rosselenker eine Rupie und hatte schließlich noch die Genugtuung, zu hören, daß sie mich für einen vollendeten »Gentleman« erklärten. Angesichts der kostbaren Naturgenüsse, welche diese herrliche fünfstündige Wagenfahrt mir gewährt hatte, fand ich sogar den hohen Fahrpreis von 17 Gulden noch recht billig und bedauerte es trotz der Hitze und Ermüdung sehr, als gegen 4 Uhr der Leuchtturm von Galla sichtbar wurde. Bald darauf rollte die Postkutsche polternd über die Zugbrücke des alten Festungsgrabens, dann durch einen langen dunklen Torweg und hielt vor dem eleganten »Oriental Hotel« von Punto-Galla.


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