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V.
Kaduwella

Fahrwege und Fuhrwerke in Ceylon. – Vorstädte von Colombo. – Paradiesische Dorfgärten. – Lage von Kaduwella am Kelany-Flusse. – Rasthäuser. – Dschungelvegetation. – Urwalddickicht. – Riesen-Eidechsen. – Buddhatempel in einer Felsengrotte. – Kokosnüsse.


 

Die Fülle von neuen herrlichen und großartigen Eindrücken, welche die erste Woche meines Aufenthalts auf Ceylon mir brachte, wurde gekrönt durch eine reizende Exkursion, die meine Freunde am 27. November nach Kaduwella veranstalteten. Es war mein erster Sonntag auf der Insel, und obgleich die mannigfaltigen Naturgenüsse der vorhergegangenen Wochentage nur jeden derselben als einen Festtag erscheinen ließen, so wurde doch meine festliche Stimmung durch die Erlebnisse dieses ersten Feiertages noch ganz besonders gesteigert. Der Ausflug nach Kaduwella war zugleich die erste größere Exkursion in die weitere Umgebung von Colombo, und da die Szenerie, die ich hier zum ersten Male sah, sich in wesentlich gleichbleibendem Charakter im größten Teile des Flachlandes der Südwestküste wiederholt, so will ich gleich hier dieselbe kurz zu schildern versuchen.

Kaduwella ist ein singhalesisches Dorf, das am linken (südlichen) Ufer des Kelanyflusses liegt, zehn englische Meilen von Whist-Bungalow entfernt. Der schöne Fahrweg (der sich weiterhin nach Awisawella und bis zum Fort Ruanwella fortsetzt), führt bald unmittelbar an dem waldigen Flußufer hin, bald nur in geringer Entfernung von demselben, die mannigfaltigen Biegungen des Flusses abschneidend. Gleich allen Fahrwegen auf der Insel, die viel benutzt werden, befindet sich auch dieser in ausgezeichnetem Zustande: und das ist doppelt anzuerkennen, weil die heftigen und häufigen Regengüsse beständig viel Erde wegschwemmen und die gute Instandhaltung der Wege erschweren. Die englische Regierung betrachtet aber hier, wie in allen Kolonien, die Einrichtung und Erhaltung guter Kommunikationsmittel mit Recht als eine ihrer ersten und wichtigsten Aufgaben; und es spricht für ihr unvergleichliches Kolonisationstalent, daß sie keine Mühe und keine Kosten scheut, um dieser Anforderung, selbst den schwierigsten Hindernissen der Terrainformation und des Tropenklimas gegenüber, gerecht zu werden.

Meine Gastfreunde von Whist-Bungalow und einige andre deutsche Landsleute, die damals in dem benachbarten schönen (auch von Sir Emmerson Tennent lange Zeit innegehabten) Eliehaus wohnten, hatten alle Vorbereitungen getroffen, um unsre Exkursion auch in gastronomischer Beziehung möglichst angenehm zu gestalten. Alle festen und flüssigen Körper, die für ein opulentes Gabelfrühstück erforderlich sind, sowie unsre Jagdgewehre mit Munition, Gläser und Blechbüchsen zum Sammeln usw. waren in den kleinen, offenen, einspännigen Kaleschen verpackt, die hier fast jeder Europäer besitzt und die gewöhnlich von einem munteren Pony birmanischer Abkunft oder auch von einem stärkeren Pferde australischer Rasse gezogen werden; fast alle Reit- und Kutschpferde der Insel werden vom indischen Festlande oder von Australien eingeführt, da die Pferdezucht auf Ceylon selbst nicht gedeiht, europäische Pferde aber das Klima sehr schlecht vertragen und bald unbrauchbar werden. Die kleinen Ponys voll Birma laufen vortrefflich, wenn sie auch nicht lange aushalten; mit zehn englischen Meilen (2–3 Fahrstunden) ist ihre Leistungsfähigkeit in der Regel erschöpft. Die Kutscher sind gewöhnlich schwarze Tamils (Malabaren), in weiße Jacken gekleidet, mit rotem Turban; sie laufen mit erstaunlicher Ausdauer hinter dem Wagen her oder stehen mit zeitweise auf dessen Trittbrett: sie müssen außerdem beständig laut ausrufen, da sowohl die Singhalesen (besonders die alten Leute) als auch ihre Ochsen und Hunde eine ausgeprägte Neigung besitzen, den rasch fahrenden Wagen nicht aus dem Wege zu gehen und sich überfahren zu lassen.

Schon vor Sonnenaufgang verließen wir Whist-Bungalow und rollten durch die letzten Häuser der Vorstadt Mutwal und den darauf folgenden Grandpaß in das lachende, grüne Gartenland hinaus, das sich abwechselnd mit Buschwald (Dschungel), Reisfeldern und parkartigem Wiesenland meilenweit bis gegen den Fuß des Gebirges hinzieht. Die Vorstädte von Colombo, wie von allen Städten der Insel, gehen unmerklich in langgestreckte, oft stundenlange Dörfer über, und da in diesen die einzelnen Hütten der Eingeborenen meist durch weite Zwischenräume getrennt sind, jede von einem zugehörigen Stück Garten-, Feld- oder Waldland umgeben, so sind die Grenzen der einzelnen Dörfer oft schwer oder nur ganz künstlich zu ziehen. In dem dicht bevölkerten und gut kultivierten südwestlichen Teile des flachen Küstenlandes existiert sogar nirgends eine größere Unterbrechung, und man kann sagen, daß die ganze lange Küstenstrecke von Colombo bis Matura, bis zur Südspitze, von einem einzigen weitläufigen großen Dorfe mit indischen Hütten und Fruchtgärten, Dschungeln und Kokoswald eingenommen wird. Überall kehren in diesem paradiesischen Dorfgarten dieselben landschaftlichen Elemente wieder: niedere braune Erdhütten, beschattet von Brotfrucht- und Mangobäumen, von Kokos- und Arecapalmen, und umkränzt von Pisanggebüschen; verziert mit den Riesenblättern der Kaladien und Rizinus, den zierlichen Papayabäumen, Manihotstauden und andren Nutzpflanzen. Auf Bänken vor den offenen Hütten liegen die faulen Singhalesen in süßem Nichtstun ausgestreckt und betrachten sich ihre ewig grüne Umgebung, oder beschäftigen sich mit Ablesen kleiner weißer Insekten von ihren langen schwarzen Haaren. Nackte Kinder spielen überall am Wege oder haschen nach den bunten Schmetterlingen und Eidechsen, die denselben beleben. Zu gewissen Tageszeiten begegnet man auf den vielbefahrenen Wegen zahlreichen Ochsenkarren, kleineren einspännigen und größeren zweispännigen; sie bilden das wichtigste – ja fast das einzige – Transport- und Kommunikationsmittel der Eingeborenen. Die Ochsen gehören alle zu der Art des Zebu oder indischen Buckelochsen ( Bos indicus), ausgezeichnet durch den Höcker hinten auf dem Nacken. Der Zebu tritt aber, ähnlich wie unser europäisches Rind, in vielen verschiedenen Rassen auf; eine kleine Rasse läuft recht schnell und flink. Pferde gebrauchen die Eingeborenen nur selten, und Esel fehlen auf der Insel ganz. Dagegen sind allenthalben vor den Hütten Hunde ( »Pariah-Dogs« genannt) zu finden, alle von derselben Rasse, häßliche und struppige, braungelbe Tiere, die durch Form, Farbe und Benehmen ihre Abstammung vom wilden Schakal zu verraten scheinen. Überall sind ferner die kleinen schwarzen Schweine ( Sus indicus), daneben oft auch hochbeinige magere Ziegen, seltener Schafe anzutreffen: stets findet man vor den Häusern viele Hühner, seltener Enten und Gänse. Das sind die einfachen und stets wiederkehrenden Elemente, aus denen sich die Dorfszenerie von Südwest-Ceylon zusammensetzt. Aber diese Elemente finden sich in so reizender malerischer Unordnung und in so unendlicher individueller Abwechslung vor; sie sind so wundervoll vom Glanze der tropischen Sonne beleuchtet und gefärbt, und der nahe Meeresstrand oder das Flußufer verleiht ihnen soviel frischen Reiz, der waldige Hintergrund, oder auch darüber noch das blaue Gebirgsland der Ferne soviel Poesie, daß man nicht müde wird, sich daran zu ergötzen, und daß sowohl der Landschafts- als auch der Genremaler hier eine unendliche Fülle der schönsten Motive finden würde – Motive, die auf unsren Gemäldeausstellungen der Gegenwart fast noch unbekannt sind.

Von ganz besonders schöner Wirkung ist in dieser ceylonesischen Niederlandschaft die Mittelstellung, die sie zwischen Garten- und Waldcharakter, zwischen Kultur und Natur einnimmt. Ost glaubt man mitten im schönsten wilden Walde zu sein, rings umgeben von hohen prächtigen Bäumen, die mit Schlingpflanzen behangen und überwuchert sind. Aber eine Hütte, die ganz im Schatten eines Brotfruchtbaumes versteckt ist, ein Hund oder ein Schwein, das aus dem Gebüsch hervorkommt, spielende Kinder, die unter Kaladiumblättern sich verbergen, belehren uns, daß wir nur in einem singhalesischen Garten uns befinden. Und umgekehrt bietet der wirkliche Wald, der an letzteren anstößt, mit seiner mannigfaltigen Zusammensetzung aus den verschiedensten tropischen Bäumen, mit den Orchideen, Gewürznelken, Lilien, Malvazeen und andren prächtigen Blütenpflanzen, so viel Abwechslung, daß wir in einem schönen Baumgarten zu sein glauben. Diese eigentümliche Harmonie zwischen Natur und Kultur spricht sich auch in der menschlichen Staffage dieser Waldgärten aus: denn die Einfachheit der Kleidung und Wohnung der Singhalesen in denselben ist so groß, daß sie großenteils den bekannten Beschreibungen von echten »Wilden« entsprechen, obwohl sie einem alten Kulturvolk entstammen.

Doppelt anziehend und malerisch erscheint das alles in der kühlen Morgenfrühe, wenn die Strahlen der Sonne noch unter kleinen Winkeln in das Baumwerk fallen, lange Schatten der schlanken Stämme werfen und in den gefiederten Kronen der Palmen, auf den zerspaltenen Riesenblättern des Pisang mit tausend glänzenden Lichtern spielen. Während meiner Anwesenheit, zur Zeit des Nordostmonsun, waren die klaren Morgenstunden bei wolkenlosem Himmel und kühlender Seebrise fast immer köstlich frisch und glanzvoll, wenn auch das Thermometer meist nicht unter 20º R, selten bis 18º sank: erst zwischen 6 und 10 Uhr begann die Hitze drückend zu werden, und sammelten sich die Wolken, die dann meistens nachmittags in einem heftigen Regen sich entluden. War dieser um 4 oder 5 Uhr vorüber, so erschienen dann wieder die letzten Abendstunden doppelt herrlich und erquickend, um so mehr, als gewöhnlich die sinkende Sonne das westliche Firmament mit einem Glanze vergoldete und die Abendwolken mit einer Farbenglut übergoß, die jeder Beschreibung spotten. Jedoch war gerade in diesem Jahre die Witterung keineswegs so regelmäßig wie gewöhnlich und bot vielfach Abweichungen von der Norm. Im ganzen blieb meine Reise vorn Wetter sehr begünstigt, und nur an wenigen Tagen vereitelte anhaltender, schon früh beginnender Regen die Tagesordnung der Arbeit oder der Exkursion, die ich mir vorgesetzt hatte.

Nach einer zweistündigen, sehr unterhaltenden Fahrt langten wir in dem Dorfe Kaduwella an, das an einer starken Biegung des Kelanyflusses sehr malerisch gelegen ist. Ganz besonders hübsch präsentiert sich auf einem erhöhten Vorsprung am Flusse, unter dem Schatten der schönsten Bäume, das Rasthaus, in dem wir abstiegen und ausspannten. »Rasthäuser« oder » Resthäuser« ( Rest-houses) nennt man in Ceylon, wie in Indien, die Häuser, welche die Regierung in Ermangelung von Hotels zur Unterkunft der Reisenden hat errichten lassen und die unter ihrer Aufsicht stehen. In ganz Ceylon existieren nur in drei Städten Hotels, in Colombo, Galla und Kandy. Der Eingeborene bedarf solcher nicht. Der europäische Reisende ist daher entweder ganz auf die Gastfreundschaft europäischer Ansiedler (wo solche vorhanden sind!) oder auf die Regierungsrasthäuser angewiesen, und letztere erfüllen in der Tat eines der größten Bedürfnisse. Der Wirt derselben, der von der Regierung angestellte und beaufsichtigte »Rest-house-Keeper« ist verpflichtet, dem Reisenden gegen eine geringe (an die Regierung auszuzahlende) Entschädigung ein Zimmer mit Bett (meistens für eine Rupie = zwei Mark) zu überlassen, sowie auch auf Verlangen die nötigsten Nahrungsmittel zu liefern. Preise und Qualität der letzteren sind sehr verschieden, ebenso wie auch die Beschaffenheit der Rasthäuser selbst. In dem südwestlichen Teile der Insel, wo ich hauptsächlich reiste, fand ich sie im allgemeinen gut und preiswürdig, so namentlich in Belligemma, wo ich später für sechs Wochen im Rasthause mein Laboratorium aufschlug. Dagegen sind die Rasthäuser in einem großen Teile des Innern, und namentlich im Norden und Osten der Insel meistens schlecht und sehr teuer; in Newera Ellya mußte ich z. B. später für jedes Hühnerei einen halben, für jede Tasse Tee einen ganzen Schilling (= 1 Mark) zahlen! Das Rasthaus von Kaduwella, das erste, das ich sah und benutzte, gehörte zu den bescheideneren und kleineren, und da wir unsern sämtlichen Proviant mitgebracht hatten, lieferte es uns nur Stühle zum Sitzen, Wasser und Feuer zum Kochen, und in seiner offenen luftigen Veranda ein angenehmes Schutzdach gegen Sonne und Regen: auch dafür wird nach der Taxe bezahlt. (Umsonst ist in Indien nur der Tod!)

Wir brachen gleich nach unsrer Ankunft mit unsren Gewehren auf, um die herrlichen Morgenstunden möglichst auszunutzen. Südlich an den Kelany-Ganga stößt gleich hinter dem Dorfe ein wellenförmiges Hügelland, über das sich die Jagdgesellschaft zerstreute. Die tiefer gelegenen Teile desselben sind mit Graswiesen und Reisfeldern bedeckt, vielfach von Wassergräben und Kanälen durchschnitten und mit kleinen Seen geschmückt, in die letztere münden. Die höheren Teile hingegen, meistens sanft gewölbte Hügel von 100–300 Fuß Höhe, sind mit dichtem Buschwald oder dem hier allgemein so genannten » Dschungel« bewachsen. Ich lernte hier zuerst diese charakteristische Form der Landschaft kennen, die auf der ganzen Insel, soweit sie nicht kultiviert ist, eine sehr große Rolle spielt. Das Dschungel ist zwar nicht eigentlicher » Urwald«, d. h. uralter, nie von Menschen betretener Wald (solcher existiert in Ceylon nur noch an sehr wenigen Stellen und in sehr geringer Ausdehnung); allein es entspricht doch unsrer Vorstellung von demselben insofern, als es, bei hoher Entwicklung, eine Waldform darstellt, die aus einem dichten und undurchdringlichen Geflecht der verschiedensten Bäume besteht; diese sind ohne alle Ordnung und frei von allem menschlichen Einfluß emporgeschossen und dergestalt wild durcheinander gewachsen, von den mannigfaltigsten Schling- und Kletterpflanzen überwuchert und bedeckt, mit parasitischen Farnen, Orchideen und andren Schmarotzern überhäuft, ihre Lücken dergestalt mit einem bunten Gewirre der verschiedensten andren Pflanzen ausgefüllt, daß es ganz unmöglich hält, den dichten Knäuel zu entwirren und die einzelnen durcheinander geflochtenen Gestalten voneinander abzulösen.

Daß ein solches Dschungel, gut ausgebildet, ohne Axt und Feuer wirklich undurchdringlich ist, davon überzeugte ich mich schon beim ersten Versuche, in dasselbe einzudringen. Eine gute Stunde hatte ich gebraucht, um mich nur wenige Schritte in das Dickicht hineinzuarbeiten; dann aber stand ich völlig entmutigt von weiteren Versuchen ab, zerstochen von Moskitos, zerbissen von Ameisen, mit zerrissenen Kleidern, blutenden Armen und Beinen, verwundet von tausend Stacheln und Domen, mit denen die Kletterpalmen ( Zalamus), die Klettermalven ( Hibiscus), die Euphorbien, Lantanen und eine Menge andrer Dschungelpflanzen jeden Versuch abwehren, in ihr geheimnisvolles Labyrinth einzudringen. Aber umsonst war dieser Versuch doch nicht, denn ich lernte bei dieser Gelegenheit nicht allein den Charakter des Dschungel im ganzen und besonders die Pracht seiner Bäume und Lianen kennen, sondern ich sah auch viele einzelne Pflanzengestalten und Tierformen, die für mich vom höchsten Interesse waren; ich sah die prächtige Gloriosa superba, die giftige Kletterlilie von Ceylon, mit ihrer goldroten Krone; den stacheligen Hibiscus radiatus mit großen schwefelgelben, im Grunde violetten Blumenkelchen, umflattert von riesigen schwarzen Schmetterlingen mit blutroten Flecken auf ihren schwanzförmigen Flügelanhängen, von metallglänzenden Prachtkäfern usw. Was mich aber am meisten freute, ich stieß hier gleich im ersten Dschungel, das ich auf Ceylon betrat, auf die beiden meist charakteristischen Bewohner desselben aus den beiden höchsten Tierklassen, auf Papageien und Affen. Ein Schwarm grüner Papageien flog kreischend von einem hohen, weit über das Dschungel vorragenden Baume auf, als er meiner Flinte ansichtig wurde: und ebenso sprang eine Herde großer schwarzer Affen unter knurrendem Geschrei eiligst in das Dickicht; weder von jenen noch von diesen gelang es mir, einen zu schießen; sie schienen die Wirkung des Feuergewehres sehr gut zu kennen. Ich tröstete mich aber damit, daß der erste Schuß, den ich heute tat, mir eine kolossale, über sechs Fuß lange Rieseneidechse lieferte, den merkwürdigen, von den abergläubischen Eingeborenen sehr gefürchteter Hydrosaurus salvator. Das gewaltige, krokodilähnliche Tier sonnte sich auf dem Rande eines nahen Wassergrabens, und der erste Schuß traf so glücklich in den Kopf, daß es augenblicklich verendete; trifft der Schuß andre Körperteile, so springen die zählebigen Tiere gewöhnlich rasch in das Wasser und verschwinden; mit ihrem mächtigen, hart gepanzerten und scharf schneidenden Schwanze können sie sich so gut verteidigen, daß ein Schlag desselben bisweilen eine gefährliche Wunde verursachen oder selbst ein Bein zerschmettern soll.

Nachdem wir mehrere Gräben durchwatet hatten, wanderten wir durch lichtes Gehölz auf einem reizenden Pfade aufwärts zu einem bewaldeten Hügel, der durch einen Buddhatempel berühmt ist, den Gegenstand vieler Wallfahrten. Wir trafen hierbei auf mehrere Hüttengruppen, die im dichten Waldesschatten unter den säulengleichen Stämmen riesiger Bäume (Terminalien und Sapinden) wie Kinderspielzeuge aussahen. Weiterhin kamen wir auf eine sonnigere Lichtung, in der bunte Schmetterlinge und Vögel in großer Zahl umherflogen, besonders schöne Spechte und Waldtauben. Endlich führte uns eine Treppe zwischen Talipotpalmen aufwärts zu dem Tempel. Dieser liegt ungemein malerisch mitten in hohem Walde, unter dem Schutze eines gewaltigen Granitfelsens verborgen. Eine weite natürliche Grotte, die wahrscheinlich künstlich erweitert ist, geht tief in die Unterseite der überhängenden Felsmasse hinein. Die Säulenhalle des Tempels (mit sechs Rundbogen an der Frontseite, drei an der schmalen Giebelseite) ist so in die Grotte hineingebaut, daß der nackte Felsen nicht allein die hintere Wand des Tempels bildet, sondern auch das Material für die liegende, an letztere angelehnte Kolossalstatue des Buddha selbst. Die Figur des Gottes ist in allen Buddhatempeln, die ich auf Ceylon besucht habe, stereotyp dieselbe, ebenso wie die monotone Wandmalerei, die an den inneren Tempelwänden Szenen aus seiner irdischen Lebensgeschichte darstellt. Dieselbe erinnert in ihrer steifen Zeichnung und den einfachen grellen (vorzugsweise gelben, braunen und roten) Farben vielfach an die altägyptischen Wandmalereien, obwohl sie im einzelnen sehr verschieden ist. Die liegende Kolossalfigur des Buddha, die auf dem rechten Arme ruht und in ein gelbes Gewand gekleidet ist, zeigt stets den gleichen apathischen und indifferenten Ausdruck und erinnert an das starre Lächeln der alten Ägineten-Statuen. Neben den meisten Buddhatempeln findet sich eine sogenannte Dagoba, eine glockenförmige Kuppel ohne Öffnung, deren Inneres angeblich stets eine Reliquie des Gottes einschließt. Ihre Größe ist sehr verschieden, von der einer großen Kirchenglocke bis zum Umfange der Peterskuppel in Rom. In der Nähe der Dagoba steht gewöhnlich ein großer alter Bo-Gaha oder heiliger Feigenbaum ( Ficus religiosa). An vielen Orten von Ceylon gehören diese »Buddhabäume« mit ihren mächtigen Stämmen, dem phantastisch verzweigten Wurzelwerk und der kolossalen Laubkrone zu den größten Zierden der malerischen Tempelumgebung; ihre herzförmigen, zugespitzten, langgestielten Blätter sind beständig in lispelnder Bewegung, gleich unserm zitternden Espenlaub.

Eine Felsentreppe hinter dem Tempel führt auf die obere Fläche des Felsens hinauf, von der man eine hübsche Aussicht über das benachbarte waldige Hügelland und weiterhin über die Ebene bis zum Flusse hat. Die nächste Umgebung des Tempels ist mit schönen Palmen und Bananengruppen verziert, und hinter diesen bildet undurchdringliches Walddickicht mit Lianengeflecht einen geheimnisvollen Hintergrund, der Weihe des heiligen Ortes wohl entsprechend. Vorn kauerte auf einem Felsen an der Treppe als charakteristische Staffage ein alter, kahlköpfiger Buddhapriester in gelbem Talar. Während ich eine Aquarellskizze aufnahm, kletterte ein singhalesischer Knabe auf eine nahe Kokospalme und holte mir einige goldgelbe Früchte derselben herab. Ich fand das säuerlich-süße, kühle Wasser in ihrem Innern, die sogenannte »Kokosmilch«, die ich hier zum ersten Male kostete, bei der drückenden Mittagshitze außerordentlich erquickend.

Der Rückweg vom Felsentempel nach Kaduwella führte uns durch einen andren Teil des Waldes, der wieder eine Anzahl neuer Insekten, Vögel und Pflanzen zeigte: unter andren den berühmten Tiekbaum ( Tectonia grandis), sowie einige Riesenexemplare der kaktusförmigen Wolfmilch ( Euphorbia antiquorum) mit nackten blaugrünen prismatischen Ästen. Der letzte Teil des Weges, durch sumpfige Wiesenflächen, war tüchtig heiß, und nach der Rückkehr in das Rasthaus war unser erstes ein Schwimmbad im Flusse, eine herrliche Erquickung, auf die das nachfolgende fröhliche Frühstück doppelt mundete. Am Nachmittage setzte ich mit einigen aus der Gesellschaft auf einer Fähre über den Fluß und machte einen Streifzug in den Wald auf dem rechten (nördlichen) Ufer desselben. Hier lernte ich wieder eine Anzahl andrer, mir bis dahin unbekannter Pflanzenformen (namentlich Aroideen und Kannazeen) kennen und bewunderte aufs neue den außerordentlichen Reichtum der Flora, die hier auf engem Raume eine Fülle ihrer schönsten und mannigfaltigsten Produkte vereint. An den Ufern des Flusses selbst bilden herrliche Bambusgruppen, abwechselnd mit Terminalien, Zedrelen und Mangroven, den vorwiegenden Waldbestand. Ich schoß einige grüne Waldtauben und große Eisvögel, doppelt so groß und so glänzend als unsre einheimischen.

Spät am Abend kehrten wir reichbeladen mit zoologischen, botanischen und artistischen Schätzen nach Colombo zurück. Ich habe nachher noch viele genußreiche Tage im Dschungel und an den Flußufern von Ceylon verlebt (und zum Teil an viel schöneren, als das von Kaduwella war). Wie aber so oft im Leben die ersten Eindrücke von neuen und fremdartigen Gegenständen weitaus die tiefsten und bleibendsten sind, und von späteren, stärkeren derselben Art nicht verdunkelt werden, so wird mir auch der erste Tag im Dschungel von Kaduwella immer unvergeßlich sein.


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