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XI.
Ein zoologisches Laboratorium in Ceylon

Einrichtung des Rasthauses zum Laboratorium. – Mancherlei Hindernisse. – Mängel der Ausleger-Kanoes. Dur Aretschi Abayawira. – Pelagische Fischerei im Hafen von Belligemma. – Schwierigkeiten. – Einfluß der Hitze. – Neugier der Eingeborenen. – Naturalienhandel. – Fischerknaben. – Zerstörende Insekten und andre Feinde der Naturaliensammlungen.


 

Meine erste Aufgabe in Belligemma war nun, mit Hilfe meiner vier dienstbaren Geister mich in dem Rasthause, so gut es ging, häuslich einzurichten und mein zoologisches Laboratorium aufzuschlagen. Das Haus enthielt nur drei geräumige Zimmer, von denen das mittlere, das »Dining Room«, als Speise- und Konversationssaal für alle etwaigen Gäste des Hauses (insbesondere auch für durchreisende Regierungsbeamte) diente; ein großer Eßtisch, zwei Bänke und mehrere Stühle bildeten seine Ausstattung. Zu beiden Seiten desselben war ein großes Fremdenzimmer mit einer gewaltigen indischen Bettstelle, in welcher der träumende Schläfer sich bequem rings um seine Achse drehen konnte, ohne mit den Fußspitzen den Rand zu berühren. Ein großes, darüber ausgespanntes Moskitonetz mochte früher wohl gute Dienste geleistet haben, war aber jetzt nur noch als Idee vorhanden: ebenso befand sich auch die Matratze in einem Zustande, der es mir rätlich erscheinen ließ, auf deren Gebrauch zu verzichten und mich nach Art der Eingeborenen mit einer Palmenmatte zu begnügen. Außer der gewaltigen Bettstatt befanden sich in jedem der beiden Zimmer noch ein kleiner Tisch mit Waschgerät und ein paar Stühle. Die großen Fenster in den weißen Wänden waren, wie allenthalben, ohne Glasscheiben, dagegen durch grüne hölzerne Jalousien verschließbar. Der Boden war mit Steinfliesen belegt. Das hellere, nach Süden gelegene Zimmer, das ich zu meinem Gebrauche wählte, gewährte durch eine nach Süden auf die Veranda geöffnete Tür einen prächtigen Blick auf das reizende Hafenbecken. Ich hätte sehr gern diesen Raum bloß zum Arbeiten benutzt und zum zoologischen Laboratorium eingerichtet, dagegen das andre, nördlich gelegene Zimmer zum Wohn- und Schlafzimmer. Allein dieses mußte für den Gebrauch durchreisender Fremden reserviert bleiben.

Angesichts der primitiven Einfachheit des Ameublements mußte es natürlich meine erste Sorge sein, mir dasjenige Hausgerät anzuschaffen, ohne das an Arbeiten in diesen großen leeren Räumen überhaupt nicht zu denken war, vor allem große Tische und Bänke, sodann womöglich Kommoden und Schränke. Aber das hatte freilich seine großen Schwierigkeiten, und obgleich meine neuen Freunde mich dabei nach Kräften unterstützten, ließ das fertige Laboratorium doch mancherlei zu wünschen übrig. Der erste Häuptling versorgte mich mit Brettern, die ich über meine entleerten Kisten legte, auf diese Weise Bänke zur Aufstellung der Gläser herrichtend. Vom zweiten Häuptling erhielt ich zwei große alte Tische. Der Steuereinnehmer (der überhaupt sehr gefällig und gebildet war) lieh mir ein paar kleine, verschließbare Schränke oder Almeiras, in denen ich meine kostbaren Instrumente, die Chemikalien und Gifte, einschließen konnte. Der Schulmeister versah mich mit einem kleinen Büchergestell, und so brachten die guten Leute mir noch mancherlei kleines Hausgerät, mit dem ich mein Laboratorium leidlich ausstatten konnte. Die Gegenleistung für diese kleinen Gefälligkeiten bestand zunächst nur in der Befriedigung ihrer Neugierde; aber freilich nahm diese leider bald Dimensionen an, die mir höchst lästig wurden und einen großen Teil meiner kostbaren Arbeitszeit raubten.

Abgesehen von den angeführten notwendigsten Mobilien (– die für die meisten Singhalesen bereits überflüssige Luxusartikel sind –), war übrigens für meine sonstige Ausstattung in Belligemma so gut wie nichts zu bekommen, und es war daher ein wahres Glück, daß ich mir alle Erfordernisse meiner häuslichen Einrichtung und meiner zoologischen Arbeitszwecke von Europa mitgebracht hatte. Es existierte zwar im Dorfe ein sogenannter Zimmermann und eine Art Schlosser, deren Unterstützung ich öfter gut hätte brauchen können. Allein die primitive Beschaffenheit ihres Handwerkzeuges bezeugte genügend den Grad ihrer Kunstfertigkeit; nicht minder als ihre staunende Bewunderung der einfachen Geräte, die ich selbst bei mir führte. Auch stellte sich bald heraus, daß ich eigentlich alles selbst tun mußte; denn sobald ich einmal einen solchen singhalesischen Handwerker zu Hilfe genommen hatte, war nach vollbrachter Arbeit in der Regel meine erste Aufgabe, dieselbe von vorne anzufangen. Für Reparaturen an Instrumenten usw., deren leider bald viele nötig wurden, war natürlich an Hilfe von solchen Leuten nicht zu denken.

Trotz dieser Hindernisse gelang es mir doch, in wenigen Tagen mein Zimmer in ein leidlich gutes Laboratorium, entsprechend den Bedürfnissen unsrer heutigen marinen Zoologie, zu verwandeln. Mikroskope und anatomische Instrumente waren aufgestellt, ein Dutzend großer und ein paar hundert kleiner Gläser auf Gestellen verteilt, der mitgebrachte Alkohol in Flaschen gefüllt und mit Terpentinöl und Thymol versetzt, um ihn vor etwaigen Trinkgelüsten meiner Diener zu bewahren. Einer der beiden Schränke enthielt meine gut ausgestattete Hausapotheke, sowie die Patronen, Munitionskasten und die Hexenküche, die aus den verschiedenen mikro-chemischen und photographischen Utensilien bestand, aus den Giften zum Präparieren und Konservieren der Tiere usw. Im andren Schranke waren die sämtlichen Bücher und Papiersachen, sowie die Utensilien zum Zeichnen, zum Aquarell- und Ölmalen untergebracht, ferner eine Anzahl zerbrechlicher und delikater Instrumente. Die Füße dieser beiden Schränke, so wie die Füße der Tische standen in wassergefüllten Tonschalen (ähnlich unsren Blumenuntersetzern), um sie vor den Angriffen der alles zerstörenden Termiten und Ameisen zu schützen. In einer Ecke des Zimmers standen die Netze und Fischergeräte, in der andren die Gewehre, die Jagdutensilien und die Botanisiertrommeln; in der dritten die Lötapparate und Blechkisten; die vierte Ecke nahm die riesige Bettstelle ein, die tagsüber als Präpariertisch fungierte. An den Wänden ringsum standen ein paar Dutzend leerer Kisten zur Aufnahme der Sammlungen sowie die Blechkoffer, die Kleider und Wäsche enthielten. Darüber waren Nägel eingeschlagen, um Barometer, Thermometer, Wagen und eine Menge verschiedener Dinge zum allläglichen Gebrauche aufzuhängen. So sah es denn schon nach ein paar Tagen im Rasthause zu Belligemma fast so aus, wie in den marinen Laboratorien, die ich mir für einen halbjährigen Winteraufenthalt vor 22 Jahren in Messina und ebenso vor 15 Jahren auf der canarischen Insel Lanzarote eingerichtet hatte, nur mit dem Unterschiede, daß meine zoologische und künstlerische Ausstattung diesmal weit vollständiger und vielseitiger war; freilich war dafür anderseits der Komfort der Hauswirtschaft hier viel einfacher und primitiver. Indessen tröstete mich für mancherlei Mängel der Gedanke, daß ich kaum sechs Breitengrade vom Äquator entfernt war und daß jedenfalls noch niemals zuvor in Ceylon ein so gut ausgerüstetes Laboratorium für marine Zoologie bestanden hatte. Um so größer war zugleich die Spannung, mit der ich nun an die Arbeit ging.

Die Schwierigkeiten, auf die derartige Arbeiten, und ganz besonders die subtilen Untersuchungen über Körperbau und Entwicklung der niederen Seetiere, in der Tropenzone stoßen, sind von allen Naturforschern, die dergleichen in den letzten Dezennien versuchten, lebhaft empfunden und beklagt worden. Ich war daher von vornherein darauf gefaßt, mußte aber bald erfahren, daß sie hier in Ceylon größer und mannigfaltiger seien, als ich gedacht hatte. Nicht allein das übermäßig heiße und feuchte Klima mit allen seinen verderblichen Einflüssen, sondern auch das Leben innerhalb eines unkultivierten Dorfes unter einer halbwilden Bevölkerung, sowie der Mangel an vielen gewohnten Hilfsmitteln der Zivilisation bereitete den beabsichtigten Untersuchungen und Sammlungen tausend Hindernisse. Seufzend dachte ich oft an die vielen Bequemlichkeiten und Vorteile, die ich auf meinen zahlreichen zoologischen Reisen an die Mittelmeerküste stets genossen hatte und die ich hier schmerzlich entbehrte.

Eine der größten Schwierigkeiten bereitete schon von vornherein die Beschaffung eines brauchbaren Bootes zum Fischen sowie anstelliger Fischer und Bootsleute. Es sind nämlich in Belligemma, wie überall an der Küste von Ceylon (– mit einziger Ausnahme der Hauptstädte –), ausschließlich die sonderbaren Auslegerkanoes in Gebrauch, von denen ich früher (bei der Ankunft in Colombo) gesprochen habe. Wie dort erwähnt, sind dieselben bei 20–25 Fuß Länge so schmal (kaum 1½ Fuß breit), daß keine erwachsene Person darin beide Beine nebeneinander stellen kann. Man sitzt also in einem Boote eingeklemmt fest, und mein Freund, Professor H. Vogel in Berlin, der sie hier ebenfalls früher benutzte, hat sie in seiner anziehenden Reisebeschreibung sehr treffend als »Wadenquetscher« bezeichnet. Von Arbeiten in einem solchen ausgehöhlten Baumstamme, oder gar von Hin- und Hergehen in demselben, sowie von den freien Bewegungen, die zum Dredschen, zum Hantieren mit dem Schleppnetze erforderlich sind, kann demnach gar keine Rede sein: ich mußte auf letzteres zunächst überhaupt verzichten. Einen andren Übelstand dieser Kanoes bilden die beiden charakteristischen »Ausleger«, die zwei parallelen Stämme oder Bambusstäbe, die von einer Seite desselben rechtwinklig abgehen und an ihren Außenenden durch einen stärkeren (dem Boote parallel laufenden) Stamm verbunden sind; der letztere, 8–10 Fuß abstehend, schwimmt flach auf dem Wasserspiegel und verhindert das Umschlagen des schmalen und hohen Kanoes. Dasselbe gewinnt dadurch einen hohen Grad von Sicherheit, aber freilich auch zugleich von Schwerfälligkeit. Denn man kann immer nur mit einer Flanke des Bootes sich der Küste oder einem andren Gegenstande nähern, und das Wenden dauert lange. Ein eigentliches Steuer fehlt ganz: dasselbe wird durch ein gewöhnliches Ruder ersetzt, das abwechselnd an den beiden (ganz gleich gebauten und spitz auslaufenden) Enden des Kanoes zum Steuern benutzt wird. Die kleinen Boote werden von zwei, die größeren von vier oder sechs Ruderern in Bewegung gesetzt. Außerdem ist aber auch ein niedriger Mast mit einem großen viereckigen Segel vorhanden. Letzteres leistet bei gutem Winde vorzügliche Dienste: das leichte Kanoe, dessen schmaler Boden dem Wasser bei seinem geringen Tiefgange nur sehr wenig Widerstand bietet, gleitet dann pfeilschnell über den Meeresspiegel fort. Ich habe öfter darin 10–12 Seemeilen in der Stunde gemacht, wie in einem rasch fahrenden Dampfschiffe. Drückt der Wind allzu stark auf das Segel, so daß das Boot nach einer Seite umzuschlagen droht, so klettern die behenden Bootsleute mit affenartiger Geschwindigkeit rasch nach der andren Seite über die Ausleger auf den außen schwimmenden Parallelstamm, um diesen zu beschweren und niederhockend als Gegengewicht zu dienen.

Natürlich war es ganz unmöglich, in einem solchen Auslegerkanoe ohne weiteres eine Kiste mit großen Gläsern und die verschiedenen Instrumente unterzubringen, die ich zum Fange der pelagischen Seetiere und insbesondere der Medusen stets benutze. Ich mußte mir daher in meinem Kanoe erst ein besonderes Gestell aus quer übergelegten und beiderseits breit vorragenden Brettern bauen, auf dem ich bequem sitzen und mich frei bewegen konnte. Auf beiden Enden des Gestelles wurden mit Stricken aus Kokosfasern die beiden Kisten befestigt, in denen ich vier große und ein Dutzend kleinere Gläser untergebracht hatte. Dergleichen Stricke dienen auch ausschließlich zur Befestigung und Verbindung der verschiedenen Kanoeteile. Die Eingeborenen verwenden dafür keinen einzigen Nagel oder sonst einen Eisenteil: alles besteht aus Holz und Kokosbast Sogar die senkrecht stehenden Seitenbretter, die auf beiden freien Seitenrändern des ausgehöhlten Baumstammes sich 3–4 Fuß hoch erheben, sind mit Bindfaden aus Palmfasern daran befestigt. Aus solchen festen Coirfasern, aus den Schalen der Kokosnüsse bereitet, bestanden auch alle die Stricke und Bindfaden, die ich für meine Arbeiten verwendete.

Bei dieser Einrichtung und der weiteren Ausstattung meines Bootes, sowie bei Beschaffung und Instruktion der Bootsleute, war mir von größtem Nutzer die Hilfe eines Mannes, dem ich auch sonst für manche wertvolle Dienste zu großem Danke verpflichtet bin; es war dies der zweite Häuptling von Belligemma, der Aretschi Abayawira. Schon der Regierungsagent der Südprovinz hatte mir von seinen vorzüglichen Eigenschaften erzählt und mir eine besondere Empfehlung an ihn mitgegeben. Ich fand in ihm einen ungewöhnlich intelligenten und geweckten Singhalesen von ungefähr 40 Jahren, dessen Kenntnisse und dessen Interessentenkreis weit über diejenigen seiner meisten Landsleute hinausragten. Von der gewöhnlichen Stumpfheit, Faulheit und Gleichgültigkeit der letzteren war an ihm nichts zu bemerken; vielmehr zeigte er lebhaftes Interesse für Kultur und war nach Kräften bemüht, deren Vorteile in seinem Wirkungskreise geltend zu machen. Er sprach ziemlich gut Englisch und drückte sich dabei mit einem natürlichen Verstande und einem klaren Urteile aus, das mich oft in Erstaunen setzte. Ja, der Aretschi war sogar Philosoph (– in höherem Grade als der alte Sokrates vom Rasthaus –) und ich erinnere mich mit lebhaftem Vergnügen der vielen eingehenden Gespräche, die ich mit ihm über verschiedene allgemeine Themata hatte. Frei von dem Aberglauben und der Gespensterfurcht, die seine buddhistischen Landsleute und Glaubensgenossen allgemein beherrscht, hingegen mit offenem Auge für die Wunder der Natur und für deren kausale Erklärung, hatte er sich zu einem selbständigen Freidenker entwickelt und war nun glücklich, als ich ihn über so viele bis dahin ihm rätselhafte Dinge aufklären konnte. Ich sehe ihn noch vor mir, den stattlichen braunen Mann mit dem ausdrucksvollen regelmäßigen Gesichte, wie sein schwarzes Auge hell aufleuchtete, wenn ich ihn über manche Naturerscheinung unterrichtete, und wie er dann mit seiner sanften, klangreichen Stimme mich ebenso freundlich als ehrfurchtsvoll ersuchte, ihn auch noch über diese und jene verwandte Frage aufzuklären. Überhaupt fand ich die guten und liebenswürdigen Seiten des singhalesischen Volkscharakters, das sanfte, weiche und stille Wesen, sowie den natürlichen Anstand beim Aretschi in angenehmster Weise entwickelt; und wenn ich jetzt mein grünes Paradies in der Erinnerung mit den schlanken braunen Gestalten der Eingeborenen bevölkere, so erscheint mir der Aretschi neben dem Ganymed als deren idealer Typus. Auch der siebenzehnjährige Neffe des Aretschi, der auf der Normalschule in Colombo sich zum Lehrer ausbildete, damals aber seine Ferien in Belligemma zubrachte, war ein sehr geweckter und netter junger Mann; auch er war mir in vieler Beziehung hilfreich und nützlich.

siehe Bildunterschrift

VIII.
Bambusen am schwarzen Flusse.

Links im Vordergrunde erhebt sich am Ufer ein dichter Busch von orangegelben Bambusstämmen; die Knoten der riesigen Rohrhalme folgen sich in regelmäßigen Abständen, das lichtgrüne Laub ist zierlich an den überhängenden Zweigen verteilt. Die mächtige Rohrgruppe des Riesenbambus im Mittelgrunde erinnert an einen wallenden Busch von Straußenfedern.

Mittels des Aretschi gewann ich für den Dienst meines Bootes und für die Hilfe bei meinen marinen Exkursionen vier der besten Fischer und Schiffer von Belligemma. Ich zahlte ihnen täglich für jede Exkursion fünf Rupien (=10 Mark); wenn sie indessen auf den Korallenbänken tauchten, oder wenn wir einen halben Tag unterwegs auf dem Meere waren, legte ich immer noch ein paar Rupien zu. In den ersten Tagen hatte ich mit ihnen große Schwierigkeiten; und als ich mit dem feinen pelagischen Netze an der Meeresoberfläche fischte, als ich ihnen zuerst die kleinen Medusen und Polypen, die Siphonophoren und Ktenophoren zeigte, um deren Fang es mir hauptsächlich zu tun war, merkte ich an ihren Mienen deutlich, daß sie mich für einen Narren hielten. Allmählich indessen und mit einiger Geduld lernten sie begreifen, was ich wollte, und suchten dann meine Sammlungen eifrig zu bereichern. Besonders geschickt und nützlich erwiesen sich zwei von meinen Fischern beim Tauchen auf den Korallenbänken, und ich verdanke ihnen einen großen Teil der prächtigen Korallen und der merkwürdigen, mit diesen zusammenlebenden Seetiere, die ich von Belligemma mit nach Hause gebracht habe.

Weit größere Schwierigkeiten aber als das Kanoe und seine Bemannung stellte meiner pelagischen Fischerei das Klima von Ceylon entgegen, jener furchtbare und unüberwindliche Feind des Europäers, der so viele seiner Arbeiten und Bemühungen in der Tropenzone vereitelt. Ich sollte gleich auf meiner ersten Ausfahrt in der Bucht von Belligemma darüber belehrt werden. Über mancherlei Vorbereitungen und Einrichtungen war es neun Uhr morgens geworden, ehe ich vom Strande stoßen konnte. Erbarmungslos brannte bereits die Tropensonne vom tiefblauen, wolkenlosen Himmel und warf bei vollkommener Windstille eine Strahlenfülle auf den glatten Meeresspiegel, deren Reflex das Auge nicht ertragen konnte. Ich mußte meine blaue Brille aufsetzen, um überhaupt die Augen offen halten zu können. Sodann ließ ich das Kanoe weiter hinausrudern, in der Hoffnung, dort etwas niedrigere Temperatur zu finden; allein die unerträgliche Hitze schien draußen eher noch zuzunehmen, und der blendende Meeresspiegel, auf dem sich kein Lüftchen regte, schien eine flüssige Masse von geschmolzenem Blei zu sein. Ich hatte kaum eine Stunde, im Schweiße gebadet, gefischt, als ich völlig erschöpft war; ich fühlte, wie meine Kräfte zusehends schwanden; Ohrensausen und ein beständig zunehmendes Gefühl von Druck im Kopfe ließen mich einen Sonnenstich befürchten. Ich griff daher zu einem Mittel, das ich schon früher unter ähnlichen Verhältnissen oft angewendet. Da meine leichte Kleidung bei der unbequemen Fischerei ohnehin völlig durchnäßt war, goß ich mir ein paar Eimer Seewasser über den Kopf und bedeckte den letzteren mit einem nassen Handtuche, über das der breitkrempige Solahut gesetzt wurde. Dieses Mittel hatte die beste Wirkung, und ich bediente mich seiner von da an fast täglich, sobald vormittags zwischen 10 und 11 Uhr der steigende Sonnenbrand jenes betäubende Druckgefühl im Kopfe zu erzeugen, begann. Bei der ständigen Temperatur von 22–26° R, welche das Meerwasser fast ebenso wie die Atmosphäre größtenteils zeigte, ist die Abkühlung des Kopfes durch das verdunstende Wasser eine sehr wohltätige Erfrischung; aber selbst der mehrstündige Aufenthalt in nassen Kleidern, der in unserm kalten Klima eine gefährliche Erkältung herbeiführen würde, ist dort ebenso angenehm als gefahrlos.

Der Reichtum der Bucht von Belligemma an pelagischen Tieren der verschiedensten Klassen erwies sich schon bei dieser ersten Exkursion sehr groß. Die Gläser, in die ich die schwimmenden Bewohner der Meeresfläche aus dem feinen Gazenetze entleert hatte, waren bereits nach wenigen Stunden ganz gefüllt. Zwischen Tausenden von kleinen Krebsen und Salpen schwammen zierliche Medusen und prächtige Siphonophoren umher; zahlreiche Larven von Schnecken und Muscheln tummelten sich mittels ihres Wimpersegels, gekreuzt von flatternden Seeschmetterlingen oder Pteropoden; Larven von Würmern, Krustazeen und Korallen wurden in Unmasse den raubgierigen Pfeilwürmern oder Sagitten zur Beute. Fast alle diese Tiere sind farblos und glasartig durchsichtig, wie das Meerwasser, in dem sie ihren harten Kampf ums Dasein führen; der letztere selbst hat nach den Grundsätzen der Darwinschen Selektionstheorie die transparente Beschaffenheit dieser pelagischen »Glastiere« allmählich hervorgerufen. Die Mehrzahl derselben war mir, wenn auch nicht der Art, so doch der Gattung nach wohlbekannt; denn das reiche Mittelmeer, namentlich die berühmte Meerenge von Messina, liefert unter günstigen Umständen bei der Fischerei mit den feinen Gazenetzen einen ähnlichen »pelagischen Mulder«, wie wir diesen formenreichen Auftrieb kurz nennen. Doch bemerkte ich zwischen den alten Bekannten auch eine Anzahl neuer, und zum Teil sehr interessanter Formen, die zur baldigen mikroskopischen Untersuchung reizten. Ich ließ daher nach zweistündigem Fischen meine Leute zurückrudern und betrachtete während dessen die erbeuteten Schätze, so gut es ging. Aber da bemerkte ich bald zu meinem Leidwesen, daß schon kurze Zeit nach dem Fange, meistens eine halbe, oft schon eine Viertelstunde nachher, die meisten der zarten Geschöpfe starben; ihre glasartigen Leichen trübten sich rasch und bildeten, auf dem Boden der Glashäfen angehäuft, eine weiße pulverartige Masse. Auch entwickelte sich schon, ehe ich das Land wieder erreicht hatte, jener charakteristische Geruch, den die weichen, sich rasch zersetzenden Leichen derselben alsbald hervorrufen. Dieselbe Zersetzung, die im Mittelmeere, unter sonst ähnlichen Verhältnissen, erst nach Verlauf von 5–10 Stunden eintritt, geschah hier, unter einer 8 bis 12° R höheren Temperatur, schon nach einer halben Stunde.

Sehr besorgt über diese Wahrnehmung ließ ich die Rückfahrt möglichst beschleunigen und war schon kurz vor 12 Uhr wieder am Strande. Aber da trat wieder ein neues Hindernis entgegen. Fast die ganze Bevölkerung von Belligemma stand trotz der glühenden Mittagshitze dichtgedrängt am Strande, um ihre Neugierde über meine wunderliche neue Fischereimethode zu befriedigen. Jeder wollte sehen, was ich gefangen und wozu ich den Fang gebrauche, oder vielmehr, in welcher Form ich denselben verzehre; denn daß man nur zum Essen Seetiere fängt, ist ja selbstverständlich. Das Erstaunen der braunen Versammlung, durch die ich mir mühsam meinen Weg bahnte, war daher nicht gering, als sie in den großen Glashäfen bloß den weißen Bodensatz des pelagischen Mulders und wenige winzige Tierchen oberhalb desselben im Wasser schwimmen sahen. Wie mir mein Begleiter, der Aretschi, später mitteilte, fand seine Erzählung, daß das alles nur zum Zwecke wissenschaftlicher Beobachtungen und Sammlungen geschehe, bei seinen Landsleuten weder Glauben noch Verständnis; vielmehr witterten die meisten hinter diesem Treiben eine geheimnisvolle Hexerei, die Bereitung von Zaubertränken u. dgl., während realistische Gemüter meinten, daß ich neue Arten Curry = Gewürz zum Reis erfinden wolle, die Aufgeklärten aber mich einfach für einen europäischen Narren ansahen.

Eine kostbare Viertelstunde ging mir so verloren, ehe ich durch die neugierige Masse meinen Weg zu dem nahen Rasthause gebahnt hatte, und ich begann dort in gewohnter Weise die tausend niedlichen Sachen zu sortieren und auf zahlreiche Glasgefäße mit frischem Seewasser zu verteilen. Aber leider bemerkte ich sofort, daß mindestens neun Zehnteile des ganzen Fanges schon unbrauchbar und verdorben waren, und darunter gerade die meisten von denjenigen Tieren, deren neue Formen mich besonders interessiert hatten. Aber auch das letzte Zehnteil war schon so erschöpft, daß dasselbe größtenteils bald abstarb; nach wenigen Stunden war alles eine große Leichenkammer! An den folgenden Tagen suchte ich nun zwar auf alle Weise und mit allen bekannten Vorsichtsmaßregeln jenem fatalen Einflusse der Tropensonne zu begegnen; allein nur mit sehr ungenügendem Erfolge. Es war eben einfach unmöglich, auf irgendeine Art die erforderliche niedrigere Temperatur des Wassers herzustellen. Ich gewann die Überzeugung, daß die erste Bedingung für erfolgreiche Untersuchungen über Seetiere in einem so heißen Lande, wie Ceylon, die Einrichtung von kühlen Räumen und gekühlten Wassergefäßen ist. Da gegenwärtig in Colombo das Eis, das früher von Nordamerika importiert wurde, billiger und in großartigem Maßstabe durch Eismaschinen künstlich hergestellt wird, so würde dort die Einrichtung von derartigen Kältekammern und gekühlten Aquarien auch nicht so schwierig sein. Aber es gehören dazu bedeutende Mittel, und über diese konnte ich nicht verfügen.

Eine zweite wichtige Bedingung für den günstigen Erfolg solcher zoologischen Arbeiten würde sodann die praktische Einrichtung des gekühlten Arbeitsraumes sein, vor allem seine Ausstattung mit Glasfenstern. Die letzteren fehlen in Ceylon fast vollständig. Im Rasthause von Belligemma, wie in den meisten Gebäuden der Insel, finden sich an Stelle der Glasfenster hölzerne Läden oder Jalousien. Darüber bleibt gewöhnlich eine breite Spalte für den Luftdurchzug offen, und außerdem finden sich oben, am Rande der Stubendecke, sowie über den Türen, allenthalben breite, meist gar nicht verschließbare Spalten. Diese Öffnungen sind zwar für die beständige Lufterneuerung und Abkühlung der inneren Wohnräume sehr praktisch und angenehm, aber für den Naturforscher, der dort mit dem Mikroskope arbeiten soll, ebenso hinderlich als nachteilig. Denn alle möglichen fliegenden und kriechenden Tiere haben dort freien Zutritt und vor allen sind die Scharen der Mücken und Fliegen, der Ameisen und Termiten äußerst lästig. Der Luftzug weht die Papiere fort, bedeckt die Instrumente mit Staub und wirft oft als erstarkender Windstrom alles durcheinander. Nicht minder nachteilig sind aber auch jene üblichen Fenstereinrichtungen für die Gewinnung guten Lichtes, das für das Arbeiten mit dem Mikroskope, namentlich bei stärkeren Vergrößerungen, eines der ersten und wichtigsten Erfordernisse ist. Oft war es bei dem augenblicklichen Stande der Sonne und des Windes gar nicht möglich, irgendein passendes Plätzchen für meinen Arbeitstisch zu finden, weder in dem dunklen Zimmer innen noch in der allzu luftigen Veranda außen; bei der letzteren ist noch dazu das allzuweit vorspringende Schattendach nachteilig.

Zu diesen und andren lokalen Schwierigkeiten meiner zoologischen Arbeiten in Belligemma kamen nun noch diejenigen, die mir aus dem Verkehre mit den Eingeborenen und namentlich aus ihrer maßlosen Neugier erwuchsen. Die guten Belligammesen hatten natürlich von all den Instrumenten und Apparaten, die ich mitgebracht, niemals etwas gesehen und wollten nun wissen, wozu das alles diene; insbesondere war aber die Art und Weise meiner Arbeiten, wie überhaupt alles, was ich tat oder ließ, für sie eine unerschöpfliche Quelle der Unterhaltung. Wie alle Naturvölker, so sind auch die Singhalesen in vieler Beziehung permanente Kinder; unter den glücklichen Verhältnissen dieser paradiesischen Insel um so mehr, als ihnen die reiche Natur den Kampf ums Dasein äußerst leicht macht und harte Arbeit ganz erspart. Harmloses Spielen und endloses Klatschen bilden ihre Hauptunterhaltung, und jeder neue Gegenstand ist daher eine neue Quelle des Interesses. Nun wurde zwar, als ich mich über den lästigen Andrang der Neugierigen und die allzuvielen Besuche bei den angeseheneren Personen beklagte, die Hauptmasse der ersteren entfernt; aber jetzt traten die letzteren an deren Stelle und blieben um so länger bei mir sitzen. Den »Doktor« interessierten besonders meine Mikroskope, den »Kollektor« meine Malapparate, den »Gerichtspräsidenten« die anatomischen Instrumente (vielleicht als Marterwerkzeuge?), den »Schulmeister« meine Bücher, den »Postmeister« meine Koffer usw. Alle diese und andre Gegenstände, vom ersten bis zum letzten, wurden tausendmal angesehen, befühlt und umgedreht und tausend törichte Fragen über deren Zweck und Beschaffenheit gestellt. Vollends meine wachsende Sammlung war für alle ein Gegenstand höchster Neugierde. Ich glaubte nun diese am besten dadurch zu befriedigen, daß ich zu bestimmten Stunden an einigen Wochentagen förmliche Demonstrationen mit erläuternden Vorträgen hielt – ein Auskunftsmittel, das ich oft am Mittelmeere mit Erfolg angewendet. Allein erstens glaubten mir die guten Leute das meiste nicht, oder sie verstanden es nicht; und zweitens überzeugte ich mich bald, daß jene kindische Neugierde sich hier noch fast nirgends zu wahrer Wißbegierde entwickelt habe. Der ursächliche Zusammenhang der Erscheinungen interessierte die guten Kinder blutwenig!

Es würde ermüdend sein, wollte ich hier alle die andren Hindernisse noch einzeln aufführen, mit denen meine zoologischen Arbeiten in dem primitiven Laboratorium von Belligemma zu kämpfen hatten. Ohne die Beihilfe eines europäisch gebildeten Assistenten, und ganz auf meine eigene Kraft angewiesen, vermochte ich viele derselben nicht zu überwinden, und verlor einen großen Teil der kostbaren Zeit mit Nebenarbeiten, die bei dergleichen Beobachtungen an europäischen Küsten überhaupt nicht in Frage kommen. Auch war die knapp zugemessene Zeit meines dortigen Aufenthaltes überhaupt zu kurz, um eine Reihe von zusammenhängenden Untersuchungen, namentlich über Entwicklungsgeschichte, so ausführen zu können, wie ich ursprünglich beabsichtigt hatte. So wurde mir schließlich zum wahren Troste der anfangs sehr bedauerte Umstand, daß der Reichtum der Bucht von Belligemma an neuen oder eigentümlichen Seetieren sich bei weitem nicht so groß erwies, als ich erwartet hatte. Schon durch die ausgedehnten Forschungen der letzten Dezennien (insbesondere durch die Challengerexpedition) war mehr und mehr die Erkenntnis gereift, daß die Meeresbewohner der verschiedenen Ozeane sich lange nicht in so hohem Grade unterschieden, als die Landbewohner der verschiedenen Kontinente. Meine Untersuchungen in Belligemma lieferten dafür einen neuen Beweis. Ich fand zwar daselbst eine große Zahl von neuen und zum Teil auch sehr interessanten Tierformen, namentlich aus den niedrigsten Abteilungen der Seetiere: Radiolarien und Infusorien, Schwämme und Korallen, Medusen und Siphonophoren; allein im großen und ganzen erwies sich doch die marine Fauna der Meeresoberfläche sowohl als auch der Küste, mit der genauer bekannten Seetierwelt des tropisch-pazifischen Ozeans (z. B. der Philippinen und Fidschi-Inseln) sehr nahe verwandt.

Andre Küsten von Indien mögen wohl reicher an mannigfaltigen und eigentümlichen Seetierformen als Ceylon sein. Ein ungünstiger Umstand scheinen mir für letzteres namentlich die ungeheuren Regenmassen zu sein, die tagtäglich herabstürzen. Während die Flora der Insel diesen gerade ihren besonderen Reichtum verdankt, wird die Entwicklung und das Gedeihen der Fauna umgekehrt dadurch vielfach gehindert. Die zahlreichen Flüsse, die große Mengen von roter Erde täglich in das Meer führen, trüben dasselbe an den meisten Küstenbezirken in hohem Maße und verdünnen seinen Salzgehalt; sie vernichten jene reine und klare Beschaffenheit des Seewassers, die für viele pelagische Seetiere eine der ersten Lebensbedingungen ist. Noch schädlicher wirken Unmassen von kleinen rötlichen Algen ( Trichodesmium).

Wenn meine zoologische Sammlung in Belligemma trotzdem bald ansehnlich wuchs, und ich schließlich ein reicheres Arbeitsmaterial von dort mit nach Jena brachte, als ich in dem noch übrigen Reste meines Lebens bewältigen kann, so verdanke ich das großenteils der unermüdlichen Hilfe meines treuen Ganymedes. Meine Sammlung erregte sein höchstes Interesse, und er war unablässig bemüht, dieselbe mit Land- und Seetieren aller Art zu bereichern. Durch seine Vermittlung ließen sich auch eine Anzahl Fischerknaben bereit finden, für mich zu sammeln, und der Naturalienhandel mit den kleinen Singhalesen gestaltete sich bald sehr ergötzlich. Bisweilen erschien zu den Stunden, die ich dafür festgesetzt hatte, ein ganzer Trupp von den niedlichen, braunen, nackten Gesellen. Der eine brachte ein paar bunte Fische oder Krabben, der andre einen schönen Seestern oder Seeigel, der dritte einen schwarzen Skorpion oder Tausendfuß, der vierte ein paar glänzende Schmetterlinge oder Käfer usw. Mir kamen dabei oft die unterhaltenden Szenen in Erinnerung, die ich bei ähnlichen Gelegenheiten am Mittelmeere, besonders in Neapel und Messina, genossen hatte. Aber wie verschieden war das Benehmen der kleinen Naturalienhändler hier und dort! Die italienischen Fischerknaben pflegten laut und lärmend ihre Waren anzupreisen und mit ihrer natürlichen Lebhaftigkeit und Beredsamkeit oft ganze lange und blumenreiche Reden darüber zu halten; sie forderten das Zehnfache des Preises und waren auch mit hoher Bezahlung nie zufrieden. Hingegen nahten sich die kleinen Singhalesen mir nur scheu und ehrfurchtsvoll; sie legten still ihre Beute vor mich hin und erwarteten schweigend, was ich ihnen dafür geben würde; in der Regel waren sie mit einer kleinen Kupfermünze zufrieden, glücklich aber, wenn ich für besonders erwünschte Gegenstände ihnen etwas von den Tauschartikeln gab, die ich mitgebracht hatte; davon nachher.

Leider fehlte es mir an Zeit und an Hilfsmitteln, um alle die interessanten Naturalien, die ich auf diese Weise in Belligemma sammelte, in wünschenswerter Qualität zu konservieren. Auch hier traten wieder die Hindernisse des tropischen Klimas und der zerstörenden Insekten feindlich entgegen. Ganz besonders gilt das von den Präparaten, die ich trocken aufzubewahren suchte. Das Trocknen an sich gehört in einem so äußerst feuchten und heißen Klima schon zu den schwierigsten Problemen; denn die Feuchtigkeit der Luft ist so vollkommen, daß selbst die bereits getrockneten Gegenstände immer wieder sich mit Schimmel bedecken und langsam zersetzen. Viele Objekte können aber überhaupt nicht genügend ausgetrocknet werden. Obgleich ich die Bälge der geschossenen Vögel und Säugetiere, die ich mit vieler Mühe präpariert hatte, wochenlang täglich in der Sonne hängen ließ, wurden sie dennoch während der Nacht stets vollständig wieder durchfeuchtet.

Noch schlimmere Feinde der trockenen Naturaliensammlungen sind die Legionen zerstörender Insekten, vor allen die Scharen der Termiten und Ameisen. Kein Raum ist vor ihnen sicher. Selbst wenn nicht überall in den Zimmern die großen Luftlöcher existierten, die behufs der beständigen Ventilation nie geschlossen werden, und wenn nicht jederzeit alle kriechenden und fliegenden Bestien ungehindert dadurch eindringen könnten, würde es doch unmöglich sein, sich gegen jene Plagegeister zu schützen. Denn den Massenangriffen ihrer Millionen von kräftigen Kiefern widersteht keine Wand; sie dringen ebensowohl oben durch das Dach ein und ringsum durch die Seitenwände, als von unten durch den Boden, den sie geschickt unterminieren. Oft wird man plötzlich morgens beim Aufstehen durch kleine kegelförmige Erdhaufen überrascht, welche die wühlenden Termiten und Ameisen mitten zwischen den Steinen des Fußbodens in der Nacht aufgeworfen haben und von denen am Abend zuvor nichts zu sehen war. Wie rasch und energisch jene kleinen Feinde oft in wenigen Tagen ihr großartiges Zerstörungswerk ausführen, sollte ich selbst an meiner Sammlung von Trockenpräparaten noch vor Ablauf des ersten Monats erfahren. Ich hatte im Laufe dieser vier Wochen eine hübsche Sammlung von trockenen Schmetterlingen und Käfern, Bälgen von Vögeln und Säugetieren, interessanten Früchten und Hölzern, Farnen und anderen getrockneten Pflanzen zusammengebracht und sie in einem Nebenraume des Rasthauses anscheinend sicher eingeschlossen. Fast täglich sah ich nach, ob nicht zerstörende Feinde eingedrungen seien und entfernte sofort die Vorposten der Ameisen- und Termitenkolonnen, die dann und wann erschienen. Durch reichliches Einlegen von Kampfer, Naphthalin und Karbolsäure glaubte ich meine Schätze hinreichend gesichert zu haben. Einige größere Exkursionen, die ich am Ende der vierten Woche unternahm und dringliche Arbeiten andrer Art hatten mich ein paar Tage an der regelmäßigen Revision gehindert. Wie erschrak ich daher, als ich nach Verlauf von drei Tagen wieder in das verschlossene Museum eintrat und einen großen Teil der gesammelten Schätze in einen Haufen von Staub und Moder verwandelt fand! Mehrere Regimenter von großen roten Ameisen hatten von oben, einige Divisionen kleiner schwarzer Ameisen durch die Seitenwand und eine Legion weißer Termiten vom Boden uns einen kombinierten Angriff gemacht, dessen Wirkung entsetzlich war!

Von diesem Moment an gab ich das Sammeln trockener Präparate größtenteils auf und suchte um so mehr Naturalien in Alkohol und in Wickersheimerscher Flüssigkeit zu konservieren. Die letztere, neuerdings über Gebühr gepriesen, erwies sich sehr unbrauchbar. Aber auch mit dem Weingeiste hatte ich große Schwierigkeiten, denn die mitgenommenen Vorräte waren bald erschöpft. Der einheimische Arrak, den die Eingeborenen bereiten, ist von sehr geringer Qualität, und der bessere Weingeist, den man in den Städten haben kann, wegen der enorm hohen Spiritussteuer so kostbar, daß ich ihn nur in kleinen Quantitäten verwenden konnte. Außerdem aber wurde mir die Freude an diesen Alkoholsammlungen gar sehr verleidet durch die schreckliche Arbeit des Zulötens der Blechkisten, die ich ebenfalls selbst besorgen mußte. So einfach diese Kunst in der Theorie ist, so schwierig in der Praxis, wenigstens unter so primitiven Verhältnissen, wie ich in Belligemma fand. Bei einer beständigen Lufttemperatur von 22–24° R auch noch stundenlang den glühenden Lötkolben vor dem schweißtriefenden Gesichte zu halten, gehört zu den wahren Höllenqualen, um so mehr, als eine ganz tüchtige mechanische Anstrengung mit dem Löten großer Blechkisten verbunden ist. Ich denke noch jetzt mit Entsetzen an jene saure Zwangsarbeit, die mich oft die ganze Sammlung verwünschen ließ! Freilich habe ich jetzt anderseits um so mehr Freude an den teuer erkauften Schätzen. Die dreißig Kisten voll Naturalien, die ich in Belligemma sammelte und zu denen noch zwanzig andre in Punto-Galla hinzukamen, lohnten alle jene Mühen reichlich.

Wenn nun auch viele spezielle Hoffnungen, die ich an mein zoologisches Laboratorium in Belligemma geknüpft hatte, nicht in Erfüllung gingen, so gewann ich dagegen desto mehr für meine allgemeine Anschauung der Tropennatur; und die sechs Wochen, die ich hier allein unter den Singhalesen zubrachte, bereicherten mich mit einem wahren Schatze der interessantesten Eindrücke.


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