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VII.
Kandy

Die Königsstadt des zentralen Hochlandes. – Der neue Palast des Gouverneurs und sein Garten. – Der alte Palast der .Kandy-Könige. – Der Tempel mit dem Buddha-Zahn. – Doktor Thwaites in Fairyland. – Seine Flora von Ceylon. – Der Botaniker Rietner aus Potsdam.


 

Unter den wenigen Städten, die Ceylon besitzt, genießt das kleine Kandy, obwohl es kaum als »Stadt« bezeichnet werden kann, eines besonderen Rufes; teils als die gegenwärtige »Hauptstadt« der gebirgigen Zentralprovinz, teils als die frühere Residenz der eingeborenen Kandy-Könige, teils aber – und ganz besonders – weil ein alter Tempel in Kandy den sogenannten »heiligen Zahn« des Buddha enthält, eine der berühmtesten Reliquien dieser Religion. Abgesehen hiervon hatte ich in dem trefflichen Hauptwerke über Ceylon von Emerson Tennent eine überschwengliche Beschreibung von der unvergleichlich schönen Lage und Umgebung von Kandy gelesen; und auch die späteren Reisenden, die in ihren Beschreibungen meistens Tennent kopieren, wiederholen dieses enthusiastische Lob. Ich war daher nicht wenig auf Kandy gespannt, als ich am sonnigen Morgen des 6. Dezember von dem drei englische Meilen entfernten Peradenia aus dasselbe zum ersten Male besuchte.

Nun habe ich aber schon oft auf meinen vielen Reisen die Erfahrung gemacht, daß weltberühmte Punkte, die seit langer Zeit »Mode« sind, und deren Lob ein Reisender dem andern nachzusingen sich verpflichtet fühlt, in der Tat kaum des Besuchs wert sind; während dicht daneben oft reizend schöne, aber unbekannte Stellen sich finden, an denen jeder schon weil sie nicht im »Reisehandbuch« stehen! – ahnungslos vorübergeht. So ging es mir denn auch hier in Ceylon mit dem hochberühmten Kandy, und ich will nur gleich gestehen, daß mir der Besuch desselben von Anfang bis zu Ende eine große Enttäuschung brachte!

Die »stolze Königsstadt« Kandy könnte eigentlich besser als ein »bescheidenes Dorf« bezeichnet werden, dessen wenige Straßen mehr singhalesische Erdhütten als europäische Bungalows enthalten; beide sind nicht einmal auf eine »weiße Stadt« (Fort) und eine »schwarze Stadt« (Pettah) verteilt, wie es in Colombo, Galla, Matura und den andren Städten der Insel der Fall ist. Zwei lange parallele Hauptstraßen sind gleich den wenigen Nebenstraßen, mit denen sie sich unter rechtem Winkel kreuzen, schnurgerade; der »reizende See« aber, der vor der Stadt liegt und als ihre besondere Zierde gepriesen wird, ist ein kleiner künstlich zugeschnittener Teich, von rechteckiger Form: seine geradlinigen Ufer sind mit steifen, ebenfalls ganz geraden Baumalleen bepflanzt. Wenn man daher über den kleinen Talkessel, der Stadt und See umschließt, sich erhebt und auf einem der vielen künstlichen Promenadenwege einen der umgebenden Hügel besteigt, so ist der Anblick des ganzen steif und nüchtern, aber nichts weniger als malerisch. Ganz besonders wird die Szenerie außerdem durch ein neuerbautes großes Gefängnis mit hohen nackten Umfassungsmauern verunstaltet, viel zu groß und massig für die verhältnismäßig kleine Umgebung. Auch die grünen, teils kultivierten, teils bewaldeten Hügel, welche den Talkessel rings einschließen, und über die sich auf einigen Seiten höhere Berge erheben, bieten weder in Beziehung auf schöne Form noch auf malerische Gruppierung einen besonderen Reiz. So kam es denn, daß mein Skizzenbuch, das ich mit den hoffnungsvollsten Absichten nach Kandy mitgenommen hatte, hier ganz leer blieb, und daß ich auch beim besten Willen hier nicht einen einzigen Punkt finden konnte, der eines Aquarells würdig gewesen wäre.

Das Hübscheste, was Kandy nach meinem Geschmacke aufzuweisen hat, ist der reizende Garten, der den modernen Palast des Gouverneurs umgibt. Er ist am Abhange eines Hügels geschmackvoll angelegt und enthält neben vielen prächtigen Bäumen eine Anzahl schöner Zierpflanzen, steht aber natürlich hinter dem Reichtum des benachbarten Peradenia weit zurück. Der Palast selbst, in dem ich später, einer freundlichen Einladung des Gouverneurs folgend, einen sehr angenehmen Abend zubrachte, enthält nur wenige, aber sehr weite und luftige, elegant ausgestattete Säle, umgeben von anmutigen Säulenhallen und Veranden. Zahlreiche Schlangen, Skorpione und andres derartiges Tropengesindel, besonders aber zahlreiche Blutegel sollen jedoch den Aufenthalt im Palastgarten etwas ungemütlich machen.

Der sogenannte » Palast« der alten Kandy-Könige, der in einiger Entfernung von der Stadt nahe dem Seeufer steht, ist ein ebenerdiges düsteres Gebäude, dessen dunkle modrige Räume weder innerlich noch äußerlich irgend etwas Bemerkenswertes darbieten, mit Ausnahme der dichten Massen von Pilzen und andren Kryptogamen, welche die dicken feuchten Steinmauern innen und außen überziehen. Eine in der Nähe befindliche offene, von Säulen getragene, »Königliche Audienzhalle« wird gegenwärtig für die öffentlichen Verhandlungen des Distrikt-Gerichtshofes benutzt.

Auch der berühmte Buddha-Tempel von Kandy, der mit dem benachbarten Königspalaste durch eine Mauer in Verbindung steht und von einem Wassergraben umgeben ist, erfüllt nicht die an seinen großen Ruf geknüpften Erwartungen. Er ist von geringem Umfange, schlecht erhalten, ohne jeden besonderen Kunstwert. Die primitiven Wandmalereien desselben und die geschnitzten Verzierungen aus Holz und Elfenbein sind dieselben, die auch in andren Buddhatempeln wiederkehren. Da Kandy erst zu Ende des 16. Jahrhunderts zur Residenz der eingeborenen Könige von Ceylon erhoben und der Palast derselben sowohl als der zugehörige Tempel erst um das Jahr 1600 erbaut wurden, so knüpft sich daran nicht einmal das Interesse hohen Alters. Ebensowenig reales Interesse besitzt der weltberühmte » Buddha-Zahn«, der unter einer silbernen Glocke in einem achteckigen, mit spitzem Dache gedeckten Turme des Tempels verborgen gehalten wird. Obgleich dieser Zahn seit mehr als zwei Jahrtausenden für viele Millionen von abergläubischen Menschen Gegenstand andächtigster Verehrung und Anbetung bis auf den heutigen Tag geblieben ist, und obgleich derselbe sogar in der Geschichte von Ceylon (von Emerson Tennent ausführlich beschrieben) eine große Rolle spielt, so ist er doch in Wirklichkeit nichts andres, als ein einfaches, roh geschnitztes, fingerförmiges Stück Elfenbein von zwei Zoll Länge und ein Zoll Dicke. Der »echte Buddha-Zahn« existiert sogar in mehreren Exemplaren: doch tut dies seiner Heiligkeit natürlich keinen Abbruch.

Von Kandy aus unternahm ich in Gesellschaft meiner beiden botanischen Freunde Trimen und Ward einen Ausflug nach dem einige Meilen entfernten Fairyland, um dort den Vorgänger von Trimen, Dr. Thwaites, zu besuchen. Derselbe führte die Direktion des botanischen Gartens von Peradenia 30 Jahre hindurch und zog sich dann vor einigen Jahren, als er in den wohlverdienten Ruhestand trat, in die stille Einsamkeit des Hochlandes zurück. Sein kleines Bungalow liegt ganz versteckt in einer hohen Gebirgsschlucht, etwa acht englische Meilen südlich von Kandy entfernt, rings umgeben von Kaffeepflanzungen. Es waren die ersten, die ich betrat; da ich jedoch später im Hochlande tagelang durch Kaffeepflanzungen wanderte, will ich hier nicht bei ihrer Schilderung verweilen.

Dr. Thwaites ist der verdienstvolle Verfasser einer ersten Flora von Ceylon, die unter dem Titel, » Enumeratio Plantarum Ceylaniae« 1864 in London erschien. Er hat darin gegen 3000 verschiedene Gefäßpflanzen beschrieben, also etwa den dreißigsten Teil aller Pflanzenarten, die damals von der ganzen Erde bekannt waren. Allein seitdem sind noch viele neue Arten auf der Insel entdeckt worden, und nach der Schätzung von Dr. Gardner dürfte dieselbe gegen 5000 Spezies besitzen; jedenfalls bedeutend mehr, als ganz Deutschland aufzuweisen hat.

Das Exemplar der Flora von Ceylon, das ich selbst bei mir führte, gehörte früher einem deutschen Botaniker aus Potsdam, Nietner. Derselbe war als junger Gärtner auf die Insel gekommen, hatte sich durch fleißige und umsichtige Tätigkeit später eine bedeutende Kaffeeplantage erworben und war während eines Vierteljahrhunderts auch für die Naturgeschichte von Ceylon (insbesondere durch Entdeckung neuer Insekten) vielfach tätig; leider starb er kurz vor der Rückkehr in die deutsche Heimat. Seine Witwe, die gegenwärtig wieder in Potsdam lebt, und von der ich vor Antritt meiner Reise viele wertvolle Mitteilungen und Instruktionen erhielt, hatte in freundlichster Weise mir neben andren Büchern ihres verstorbenen Gatten auch die Flora von Thwaites zum Geschenk gemacht, die der Verfasser selbst letzterem dediziert hatte. Es war nun keine geringe Freude für den trefflichen alten Herrn, als ich ihm dieses Exemplar der Flora mit seiner eigenhändigen Dedikation zeigte; jedenfalls war es das erste Exemplar seines Werkes, das ein Botaniker von Ceylon nach Deutschland gebracht hatte, und das nun in der Hand eines Zoologen nach der Insel zurückkehrte!


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