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XVII.
Der Adams-Pik

Alter Sagenkranz. – Der Sripada oder Fußtapfen des Buddha. – Erste Besteigung des Pik durch Ibn Batuta. – Neuere Besteigung durch Davy und Sawers. – Vegetationsgürtel: Palmen, Rubiazeen, Myrten, Baumfarne, Lianen. – Pilgerscharen, Ambalams. – Himmelsleitern an den Felsenwänden. – Buddhatempel auf dem Gipfel des Pik. – Blumenopfer am Sripada. – Panorama der Insel. – Rückweg.


 

Unter den hervorragenden Berghöhen, die seit grauem Altertum besondere Gegenstände der Bewunderung und Verehrung für die Menschen gewesen sind, nimmt der weltberühmte Adams-Pik auf Ceylon eine der ersten Stellen ein. Denn seit mehr als zwei Jahrtausenden verherrlicht ihn die Sage bei den größten Kulturnationen Asiens als Schauplatz der ältesten und wunderbarsten Ereignisse. Wie schon der Name sagt, ist seine Geschichte mit denn Schicksale des Mannes verknüpft, der nach dem Mythus der mosaischen Schöpfungsgeschichte als erster Mensch erschaffen und gemeinsamer Stammvater der ganzen Menschheit wurde. Aber nicht allein der Adam der mosaischen Legende, der von hier sowohl in das Christentum als in den Islam als erster Mensch herübergenommen wurde, spielt aus dem sagenumwobenen Adams-Pik eine hervorragende Rolle, sondern auch Buddha, der Gründer der weitestverbreiteten Weltreligion, und Siva, sein mächtiger brahmanischer Rivale. Wie Ceylon selbst lange Zeit als das eigentliche Paradies galt, und wie es hinsichtlich seiner wunderbaren Naturpracht wirklich den Namen eines irdischen Paradieses verdient, so ist auch die Geschichte von Adam und Eva, den ersten Paradiesbewohnern, mit derjenigen seiner merkwürdigsten Bergspitze verwebt; und wie die mannigfaltigsten Schling- und Kletterpflanzen in unübertroffener Schönheit und Fülle die gewaltigen Baumriesen von Ceylon mit phantastischem Schmuck umranken, so hat die erfindungsreiche religiöse Dichtung die kegelförmige Spitze des Adams-Pik oder des Samanala mit einem Kranze von wunderbaren Legenden umsponnen.

In erster Linie verdankt der Adams-Pik diese hervorragende Rolle offenbar seiner ausgezeichneten Lage und Gestalt. Spitz wie ein schlanker Zuckerhut erhebt sich sein Felsenkegel an der südwestlichen Ecke des zentralen Gebirgslandes, hoch alle benachbarten Berggipfel überragend. Allerdings ist er nicht der höchste von allen. Denn der Pedura-Talla-Galla, im Zentrum des Hochlandes bei Nurellia gelegen, übertrifft ihn um volle tausend Fuß und erreicht 8200 englische Fuß Meereshöhe. Aber der Pedura bildet gleich den allermeisten Bergen von Ceylon eine rundlich gewölbte Gneiskuppe von wenig auffallender Form und tritt neben seinen gleich gestalteten Nachbarn wenig hervor. Im Gegensatze dazu macht sich der schlanke Kegel des Adams-Pik um so mehr geltend, als seine flachgewölbten Nachbarkuppen bedeutend niedriger sind. Er krönt gewissermaßen als südwestlicher Eckturm die steile Gebirgsmauer des Hochlandes, das als zusammenhängende Urgebirgsveste in der Südhälfte der Insel emporsteigt. Weithin ist daher der Pik auch bei klarem Wetter sichtbar und bildet auf viele Meilen Entfernung die ersehnte Landmarke, die dem Seefahrer die Nähe der immergrünen Wunderinsel ankündigt. Häufig ist sein isoliertes Haupt mit einer einzelnen Wolke, wie mit einem Hute bedeckt, und dann erinnert er an einen Vulkan mit seiner Rauchsäule, an den Vesuv mit seiner Pinienwolke.

Hervorragende Berggipfel, die in ähnlicher Weise, bald mehr durch isolierte Lage, bald mehr durch auffallende Gestalt sich bemerkbar machen, sind in vielen verschiedenen Ländern seit altersgrauer Vorzeit Gegenstand phantasiereicher Dichtung und abergläubischer Verehrung geworden. Oft haben auch besondere, an solche isolierte Bergspitzen geknüpfte Naturerscheinungen, oder die mit ihrer Ersteigung verknüpften Gefahren Veranlassung gegeben, sie mit einem Gewande von geheimnisvollen Sagen oder religiösen Mythen zu schmücken. Wir brauchen bloß an unsern Brocken im Harze, oder an die Schneekoppe im schlesischen Riesengebirge zu denken. In Neapel ist der feuerspeiende Vesuv, in Sizilien der gewaltige Ätna, in Griechenland der heilige Götterberg Olympus, in Arabien der einsame Sinai der Mittelpunkt eines solchen Sagenkreises geworden. Kein Wunder, daß bei dem phantasiereichen Volke der alten Inder, inmitten der großartigsten Pracht der Tropennatur, der imposante Pik von Ceylon frühzeitig eine ähnliche Bedeutung gewann.

In den alten einheimischen Annalen der Singhalesen, in dem berühmten Geschichtswerk des Mahavanso, tritt der Adams-Pik schon vor mehr als zwei Jahrtausenden auf und zwar als Samanala, oder Samanta-Kuta, als die Burg des Wächtergottes Saman. Zuerst wird er erwähnt in der Legende des frommen Heldenkönigs Dutu Gameni, 150 Jahre vor Christi Geburt. Die Priester, die dessen Sterbebett umstehen, preisen seine vielen guten Werke; sie erzählen das Wunder vom Reiskorn, das der gute König als Almosen verteilt hatte, und das von den Priestern auf dem Gipfel des Wächterberges noch unter 900 andre Priester verteilt werden konnte.

Die Burg des Wächtergottes gilt in dieser uralten Sage bereits als berühmtes Heiligtum, und dies gestattet den Schluß auf ein noch viel höheres Alter des betreffenden Kultus. In der Tat spielt derselbe bereits in den ältesten Legenden des Buddhismus eine Rolle, wie die schöne Insel selbst in der mächtigsten Religion des Ostens. Als Buddha inmitten eines furchtbaren Gewittersturmes herniederfährt, betritt er die grüne Insel unter Donner und Blitz; er verjagt das wilde Heer der bösen Geister, die bis dahin Lanka-Diva, die glückselige Insel, beherrscht hatten, und schlägt selbst inmitten dieses Paradieses seinen Sitz auf. Hier verkündigt er zuerst sein Evangelium vom Nirwana und lehrt die Menschen ihr Glück in der Entsagung suchen: ohne Wunsch zu leben, um ohne Furcht zu sterben. Hier ist es, wo der Pessimismus, die in unsren Tagen wieder auflebende Philosophie des Unbewußten, zuerst klaren Ausdruck fand:

»Resignation, dies herbste aller Worte,
Eröffnet uns allein des Friedens Pforte!«

Andächtig lauscht das zusammengeströmte Singhalesenvolk der Heilsbotschaft des Mensch gewordenen Gottes. Die berauschende Pracht der umgebenden Tropennatur, die uns armen Nordländern als der verkörperte Paradiesgarten erscheint, hindert die Eingeborenen nicht, auf alles Glück derselben Verzicht zu leisten; und dem Beispiele seiner versammelten Fürsten und Adelsgeschlechter folgend, wird bald das Lankavolk zur Buddhalehre bekehrt. Als bleibende Denkmäler seines Besuches hinterläßt Buddha bei seiner Himmelfahrt nicht allein eine Handvoll seines Haupthaares, sondern auf besonderes Gebet des Königs auch den Eindruck seines Fußes. Dieser heilige Fußtapfen, der wundertätige Sripada, blieb an dem Punkt zurück, auf dem der Fuß des Buddha die Erde zum letzten Male berührte, auf der höchsten Felsenspitze des Samanala.

Seit dieser Zeit, also seit mehr als 2000 Jahren, entwickelte sich dieses Heiligtum zu einem Wallfahrtsorte ersten Ranges, zu dem in zunehmendem Maße die gläubige Buddhistenwelt des ganzen Ostens zusammenströmte. Aber ehe sie dahin gelangten, mußten die frommen Pilger sich durch dichte Urwälder hindurcharbeiten, reich an Elefanten, Bären, Leoparden und andren wilden Tieren; sie mußten zahlreiche Bäche und Ströme durchkreuzen, die in wilden Schluchten als brausende Wasserfälle herabstürzen; sie mußten an senkrechten Felswänden emporklimmen, die allein dem fliegenden Vogel zugänglich erschienen. Freilich, je größer diese Gefahren und Beschwerden, desto höher das Verdienst der gläubigen Wallfahrer. Auch sorgten kluge Priester schon frühzeitig dafür, daß ein Opferbecken auf dem Gipfel die reichen Spenden der wohlhabenden Pilger aufnahm, und daß ein verheißungsvoller Legendenkranz das Verdienst dieses Peterspfennigs in gehöriges Licht setzte.

Schon im zehnten Jahrhundert nach Christi Geburt hatten die Wallfahrten auf den Adams-Pik eine solche Ausdehnung erlangt, daß der fromme König Khirti Nissunka Wijeya Chako, von der beschwerlichen Pilgerfahrt zurückgekehrt, es für nötig fand, besondere Zugangswege für dieselbe durch die ganze Insel anzulegen und allenthalben freie Herbergen für die Pilger zu errichten, Tschultris oder Ambalams. Dreihundert Jahre später wurde an Stelle des alten, äußerst mühsamen und gefährlichen Pilgerpfades ein bequemerer Weg angelegt und über die wildesten Bergströme eine Anzahl von Brücken gebaut, stark genug, um selbst Pferde und Elefanten zu tragen. Über dem heiligen Fußtapfen des Buddha selbst erhob sich ein kleiner Tempel.

siehe Bildunterschrift

IX.
Adamspik vom Totapella gesehen.

Die isolierte Pyramide des Adams-Pik im fernen Hintergrunde trägt auf der Spitze eine einzelne Haufwolke, ähnlich einem Vulkan mit seiner Rauchsäule (S. 286). Die dichten Waldmassen des Hochlandes im Mittelgrunde werden größtenteils von pinienähnlichen Schirmbäumen verschiedener Familien gebildet (Lorbeer, Myrten, Guttabäume, Magnolien usw., S. 321). Die knorrigen Äste des toten Baumes rechts im Vordergrunde sind geschmückt mit den bunten Büschen vieler verschiedener Schmarotzerpflanzen, Orchideen, Moosen, Flechten usw. (S. 333).

Der » Sripada«, oder der heilige Fußtapfen in der Felsenspitze des Samanala, ist aber nicht allein Gegenstand höchster Verehrung für die Buddha-Religion, der fast zwei Drittel der Inselbevölkerung, die eigentlichen Singhalesen, zugetan sind. Vielmehr wird derselbe in gleicher Weise als wundertätige Reliquie auch von den brahmanischen Anhängern der Hindu-Religion verehrt, zu der sich ungefähr ein Drittel der Ceylonbewohner bekennt, die schwarzen Tamilen oder Malabaren, jene Eroberer drawidischen Stammes, die von der indischen Halbinsel über die Adamsbrücke herüberkamen. Nach ihrer Legende ist es der Gott Siva, der bei seiner Himmelfahrt hier seine Spur hinterlassen hat.

Wieder eine andre Bedeutung wird dem Sripada von den mohammedanischen Arabern beigelegt, die schon sehr frühzeitig auf ihren unternehmenden Handelsfahrten gegen Osten Ceylon kennen lernten. Nach der arabischen Legende, die aus der älteren buddhistischen hervorwuchs, rührt der heilige Fußtapfen vom Stammvater des Menschengeschlechts, von Adam, her. Als derselbe nach dem Sündenfalle aus dem Paradiese vertrieben wurde, ergriff ihn ein Engel beim Arm und setzte ihn auf dem Gipfel des nach ihm nunmehr benannten Ceylon-Piks nieder. Gleichzeitig büßte Eva, die schöne Verführerin, ihre Schuld auf dem weit entfernten einsamen Berggipfel Arafath, oberhalb des heiligen Mekka in Arabien. Wenn Adam hier wirklich all den endlosen Jammer voraussah, den sein Genuß der Frucht vom Baume der Erkenntnis für das arme Menschengeschlecht bis auf den heutigen Tag zur Folge hatte, dann ist es freilich kein Wunder, daß sein stehender Büßerfuß sich tief in den harten Gneisfelsen der Bergspitze einbohrte und daß seine reuevollen Tränen einen kleinen See bildeten. Noch heute wird diese heilige Flut von den andächtigen Pilgern als wundertätiges Medikament gegen die verschiedensten Übel getrunken.

Der Islam hat übrigens diese Adamslegende gleich vielen andren Sagen aus der christlichen Mythologie entnommen. Denn sie findet sich bereits drei Jahrhunderte vor Mohammed in dem berühmten Kopten-Manuskripte über »die Glaubensweisheit«, aus dem vierten Jahrhundert nach Christus, das Tertulianus dem großen Gnostiker Valentinus zuschreibt. Hier wird zum ersten Male der heilige Fußtapfen des büßenden Adam erwähnt und erzählt, wie der Erlöser der Jungfrau Maria mitteilte, er habe einen besonderen Engel als Wächter über denselben angestellt.

Auch die chinesischen Ceylonpilger haben zum Teil diesen Mythus adoptiert und beziehen den heiligen Fußtapfen auf Twan-Koo, den ersten Menschen, während andre ihn dem Buddha zuschreiben. Hingegen leiten ihn die ersten christlichen Eroberer der Insel, die Portugiesen, vom heiligen Thomas ab, dem Apostel, der hier zuerst das Christentum gepredigt habe. Wiederum eine andre Deutung gewann er schon frühzeitig bei den Persern. Hier ist der Urheber desselben Alexander der Große, dessen Inderzug für das ganze Morgenland eine reiche Sagenquelle wurde. Der persische Dichter Aschref aus Herath, der selbst eine Pilgerfahrt auf den Adams-Pik unternommen hatte, beschreibt in einem blumenreichen Epos den fabelhaften Seezug Iskanders oder Alexanders nach Serendib (der alte Name der Insel bei den Arabern). Der mazedonische Eroberer besteigt, am Ende der Welt angelangt, die höchste Bergspitze der wundervollen Paradiesinsel und hinterläßt daselbst als bleibendes Denkmal den Eindruck seines gewaltigen Fußes. Freilich wissen die griechischen Geschichtsschreiber nichts von einer solchen Umschiffung Indiens und von dem Besuche Alexanders auf Ceylon; aber nichtsdestoweniger gewann auch dieser Persische Mythus eine weite Verbreitung.

So ist es denn eine gar seltsame und wunderliche Gesellschaft, welche die erfindungsreiche Sage auf dem himmelanstrebenden Gipfel des blauen Ceylons-Piks versammelt. Da streiten sich um die Ehre ihres Fußtapfens der indische Gott Buddha mit dem christlichen Apostel Thomas, der brahmanische Gott Siva mit dem singhalesischen Wächtergott Saman, der mazedonische Welteroberer Alexander mit dem semitischen Urvater des Menschengeschlechts, mit Adam. Dieser Letzte aber hat in dem schwierigen Wettkampfe den Sieg gewonnen; denn nach ihm wird der weltberühmte Berg noch heute endgültig benannt, und er ist es ja auch, der so vielen andren wichtigen Punkten der uralten Paradiesinsel seinen Namen hinterlassen hat. Denn die Adamsbrücke ist es, die Ceylon früher mit dem indischen Festlande in Verbindung setzte und auf der die indischen Tiere und Pflanzen in früheren geologischen Perioden ebenso auf die Insel hinüberwanderten, wie später die malabarischen Eroberer, die schwarzen Tamilen. Adamsgarten ist das prachtvolle, blumenreiche Paradies, das sich am Fuße des Berges ausbreitet, und Adamsfrucht die herrliche Paradiesfeige oder Banane, die zu den edelsten Geschenken der reichen singhalesischen Flora gehört; sie bildete die Nahrung der ersten Menschenkinder, der Adamiten von Ceylon. Die kostbaren Edelsteine, an denen die Insel reich ist, sind Adamstränen. Eine dunkle Felsenhöhle unterhalb des Berggipfels ist Adamshaus, von ihm selbst mit eigenen Händen aus Felsplatten erbaut; und die prachtvollen Rhododendronbäume, die dasselbe beschatten und mit ihren blutroten Riesenblumen überschütten, sind Adamsrosen. Der schöne Teich endlich am Fuße des Berges, dessen kristallklares Wasser ein Felsenquell direkt aus dem Paradiese herleitet, ist das heilige Adamsbad.

Angesichts dieses blumenreichen Sagengewandes, das den stolzen Adams-Pik vom Fuße bis zum Gipfel umhüllt, und das über drei Weltteile seinen mystischen Schatten ausbreitet, dürfen wir wohl mit Fug und Recht behaupten, daß der heilige Wächterberg einer der merkwürdigsten Berggipfel unsrer Erde sei; selbst ganz abgesehen von der unbeschreiblichen Naturpracht, welche die Tropensonne in verschwenderischer Fülle über seine Gestalt ausgießt. Wer daher in Ceylon war und den Adams-Pik nicht bestieg, begeht eigentlich eine größere Unterlassungssünde, als derjenige, der in Rom war und den Papst nicht gesehen hat. Trotzdem wird aber der wunderbare Berg in der Tat nur selten bestiegen; und unter hundert Europäern, die dort lebten oder sich vorübergehend dort aufhielten, ist wohl kaum einer auf seinen Gipfel gelangt. Freilich ist aber diese Pilgerfahrt auch heute noch keine Kleinigkeit, und sie erfordert mancherlei Vorbereitungen und Hilfsmittel.

Die erste Besteigung des Adams-Pik, über die wir eine ausführliche Beschreibung besitzen, ist diejenige des arabischen Gelehrten Ibn Batuta, aus dem Jahre 1340. Derselbe wurde durch einen Sturm von den flachen Koralleninseln der Malediven nach Ceylon verschlagen; er sah den hohen Berg der Insel schon neun Tage lang, wie eine gewaltige blaue Rauchsäule aus dem Meer emporsteigen. Den Ort, an dessen zimtreichem Gestade er landete, nennt er Battala, die Residenz eines ungläubigen Königs; es ist höchst wahrscheinlich das heutige Putalam, einige Tagereisen nördlich von Colombo, an der Nordwestküste. Von dem Könige gastfreundlich aufgenommen, reich beschenkt und nach seinen Wünschen befragt, äußert er als höchsten Wunsch, den Fußtapfen seines Altvaters Adam auf dem Gipfel des heiligen Berges zu sehen. Der König sichert ihm hierfür seine Unterstützung zu und läßt ihn in einem Palankin bis an den Fuß des Gebirges tragen, begleitet von 10 Kriegern seiner Leibwache, 15 Trägern von Lebensmitteln, 4 Brahmanen-Priestern und 4 frommen Büßern, die jedes Jahr die Pilgerfahrt unternahmen und als Führer dienten.

Die Reise des arabischen Doktors geht zunächst längs der Küste nach Süden, dann ostwärts in das Innere der Wunderinsel hinein. Hier kommt er zur Residenzstadt des Kaisers, Kankar, die zwischen hohen Bergen und am Ufer eines großen Teiches liegt, in dem Rubine und andre Edelsteine gefunden werden. (Vielleicht an der Stelle des heutigen Kandy?) Er sieht den prächtig geschmückten Kaiser auf einem weißen Elefanten reiten, dessen Kopf mit sieben großen roten Rubinen verziert ist, jeder größer als ein Hühnerei. Die Frauen gehen gleich den Männern fast unbekleidet, sind aber mit prachtvollem Rubinenschmuck an Armen und Beinen geziert. Hinter Kankar beginnt der eigentliche Gebirgsweg, reich an Beschwerden und Gefahren. Zwei verschiedene Gebirgspfade führen zum Pik hinauf, nach Adam und Eva bezeichnet, als »Babaweg und Mamaweg«. Nur der Pilger kann das ganze Verdienst der beschwerlichen Pilgerfahrt in Anspruch nehmen, der beide Wege gewandert ist. Der Babaweg, nach Vater Adam so benannt, ist weit rauher und beschwerlicher als der Mamaweg, der der Mutter Eva geweiht ist. Es scheint fast, daß ersterer der nördliche, letzterer der südliche von den beiden Pfaden ist, die auch gegenwärtig noch allein auf den Gipfel des Samanala hinaufführen.

Ibn Batuta schlägt auf der Hinreise den schwierigen Babaweg (von Norden herauf) ein, auf der Rückreise den sanfteren Mamaweg (nach Süden hinab). Auf dem ersteren gelangte er zunächst an den berühmten Affenteich Buzuta. Die großen schwarzen Affen, die in dichten Scharen die Urwälder an seinen Ufern bewohnen, haben lange Schwänze und Bärte wie Männer (offenbar der schwarze Wanderuh, den auch ich in großen Scharen hier antraf). Nach der Versicherung der Pilger werden dieselben von einem alten König beherrscht, der eine Krone von Blättern trägt, einen langen Stab als Szepter führt und stets von vier mächtigen, mit Knütteln bewaffneten Trabanten begleitet wird. In diesen Wildnissen wimmelt es von den bösen Landblutegeln, der größten Plage von Ceylon. Um sie zu entfernen, betupfte man sie schon damals, wie noch heutzutage, mit Limonensaft. Viele Pilger sollen den massenhaften Bissen dieser kleinen Teufel unterliegen und an Verblutung sterben. Durch dichte Wälder, an verschiedenen Teichen und wilden Höhlen heiliger Einsiedler vorüber, zwischen Felsenschluchten und über Wasserfälle hinauf gelangte der arabische Gelehrte zur Iskandergrotte. Diese Höhle, zu Ehren Alexanders des Großen benannt, enthält herrliches, erquickendes Quellwasser. Über ihr steigt jäh die eigentliche Felsenpyramide des Wächterberges empor; er ist einer der höchsten Berggipfel der Welt; die Wolken liegen tief unter den Füßen des hinaufklimmenden Pilgers. Die senkrechten Felswände sind nur dadurch zu ersteigen, daß schon seit alters her Stufen in dieselben eingehauen und neben denselben lange eiserne Ketten angebracht sind, an denen sich der Hinaufkletternde festhält. Ibn Batuta zählte zehn verschiedene solcher Ketten; die letzte heißt die »Kette der Erkenntnis«, weil man hier durch den plötzlichen Blick in einen ungeheuren Abgrund überrascht wird. Endlich gelangte er wohlbehalten auf den Gipfel des spitzen Felskegels und konnte hier Adams Fußtapfen seine Verehrung bezeigen. Er fand ihn 11 Spannen lang, und umgeben von 9 Nischen oder Opferbecken, in denen die frommen Pilger reiche Gaben von Gold und Silber, von Rubinen und andren Edelsteinen niederlegten.

Auch die Rückreise des arabischen Doktors, auf dem weniger gefährlichen Mamawege, ist nicht ohne Interesse. Auch hier kommt er wieder an Edelsteingruben und Teichen vorüber, besonders aber an dem berühmten Lebensbaume des Paradieses, der nie ein Blatt verliert. Da ein jeder, der ein solches Blatt gegessen hat, sich völlig wieder verjüngt, so ist er stets von Pilgerscharen umlagert, die vergeblich auf das Abfallen eines Blattes warten. Höchst wahrscheinlich war dieser Lebensbaum einer von jenen uralten mächtigen Buddhabäumen oder heiligen Feigenbäumen, den Bogaha ( Ficus religiosa); sie werden noch heute überall in den Ländern des Buddhakultus als heilige Wunderbäume verehrt, weil Buddha sich unter ihrem kühlen dichten Schatten am liebsten niederließ. Noch heute stehen sie überall neben den Dagoba, den glockenförmigen Reliquientempeln. Jede dieser heiligen Dagoba umschließt eine Reliquie des Gottes; leider ist dieselbe nur niemals sichtbar, da der geschlossene weiße Kuppelbau weder Türen noch Fenster besitzt.

Vom Adams-Pik reiste Ibn Batuta nach der großen Handelsstadt Dinara, wahrscheinlich dem heutigen Matura, berühmt durch einen ungeheuren Prachttempel. Tausend brahmanische Priester verrichten hier den Gottesdienst, während fünfhundert vornehme Jungfrauen vor einem goldenen Götzenbilde bei Tag und Nacht Gesänge und Tänze aufführten. Von da gelangte er längs der Küste nach Kali, vermutlich dem heutigen Calatura, und von hier nach Kalambu, damals schon der schönsten und größten Stadt der Insel. Es ist die heutige Hauptstadt Colombo. Eine Reise von drei Tagen nach Norden führte den arabischen Pilger von hier nach seinem Ausgangspunkte Battala zurück.

An diese Pilgerfahrt des Ibn Batuta, die älteste, von der wir genau unterrichtet sind, schließt sich als zweite schon neun Jahre später diejenige eines päpstlichen Legaten, des Florentiner Minoritenpaters Johannes de Marignola, an. Er war früher Professor in Bologna gewesen und trat 1339 im Auftrage des Papstes Benediktus XII. eine Gesandtschaftsreise nach Indien und China an. Auf der Rückreise, 1349, besuchte er auch Ceylon und führte eine Pilgerfahrt auf den heiligen Berg aus, »den höchsten nach dem Paradiese«. Er schildert ausführlich insbesondere die Lebensweise der buddhistischen Mönche und Büßer, die in großer Zahl in den Höhlen und Wildnissen am Abhange des Berges wohnen.

In unsrem Jahrhundert wurde der Adams-Pik zuerst 1817 von einem Europäer bestiegen, von dem britischen Militärarzte John Davy, einem Bruder des berühmten Physikers Sir Humphry Davy. Er führte die Besteigung von der Südseite aus, über Ratnapura und Palabatula, und das ist auch der Weg, den die meisten folgenden Reisenden einschlugen, von Deutschen insbesondere der Prinz Waldemar von Preußen, in dessen Begleitung der Naturforscher Hoffmeister war, später Friedau, Königsbrunn, Schmarda, Ransonnet und andre. Dieser südliche Weg hat den Vorzug, daß man in aller Bequemlichkeit auf guten Wegen bis nach Ratnapura, der berühmten Stadt der Edelsteine, fahren kann, und von hier noch über Gillimalle nach Palabatula, das unmittelbar am Fuße des jäh aufsteigenden Gebirgsstocks liegt. Aber der Bergpfad von hier hinauf ist äußerst steil und beschwerlich, und man ist genötigt, nahezu 7000 Fuß auf demselben ununterbrochen aufwärts zu steigen.

Bequemer und weniger anstrengend hat sich in neuerer Zeit die Ersteigung von der Nordseite gestaltet. Diese wurde zuerst 1819 von dem Engländer Sawers ausgeführt. Er war der erste Europäer, der eine Nacht auf dem Gipfel zubrachte. Auch dieser Bergpfad war damals noch äußerst beschwerlich aus Mangel an Wegen und Brücken. Sawers brauchte nicht weniger als fünf volle Tagereisen, um von Ambegamma, am Nordfuße des Pik in bedeutender Höhe gelegen, die kurze Strecke bis auf den Gipfel zurückzulegen. Undurchdringliche Urwälder, steile Felsgehänge, jähe Abgründe, wilde Bergbäche und Wasserfälle ohne Brücken erschwerten das Vordringen außerordentlich.

In den letzten vierzig Jahren ist das ganz anders geworden. Der vordringenden Kaffeekultur ist der größte Teil jener herrlichen Urwälder zum Opfer gefallen, und Hunderte von englischen Pflanzer-Bungalows sind allenthalben in den ausgedehnten Kaffee-, Tee- und Cinchonapflanzungen zerstreut. Gutgebahnte Pfade, zum Teil sogar bequeme Fahrwege, führen von einer Pflanzung zur andren, und über die Bergströme und Abgründe sind sichere Brücken geschlagen. Seit einigen Jahren führt selbst eine kleine Eisenbahn, – ein südlicher Zweig der Colombo-Kandy-Bahn, von Peradenia über Gampola nach Nawala-Pitya, und von hier kann man in einem Postomnibus südwärts in 4–5 Stunden bis nach Dickoya gelangen. Letzteres ist aber nur einen Tagemarsch von den südlichsten Pflanzungen entfernt, die gegenwärtig schon bis unmittelbar an den nördlichen Fuß der Pikpyramide hinaufgehen.

Diesen bequemeren Weg schlug auch ich auf Anraten meiner dortigen Freunde ein, als ich im Februar das Gebirgsland von Ceylon besuchte. Gut mit Empfehlungen ausgestattet, fuhr ich von Peradenia am 10. Februar in einer Strecke ununterbrochen bis Dickoya, und wanderte von da zu Fuß durch die südwestlichen Kaffeedistrikte des Hochlandes nach St. Andrews. Es ist dies die höchst gelegene Pflanzung unmittelbar am nördlichen Fuß des Adams-Pik, und an ihren gastfreien Besitzer, Mr. Christie, war ich schon vorher besonders empfohlen.

Der südliche Felsenabsturz des Samanala erhebt sich so steil aus der blühenden Ebene, in der am Ufer des herrlichen schwarzen Flusses, noch nicht hundert Fuß über dem Meeresspiegel, die Singhalesenstadt Ratnapura liegt, daß der rüstige, von hier aus emporklimmende Wanderer in einem Tage bis auf den Gipfel des heiligen Pilgerberges gelangen kann. Für die harten Beschwerden dieser anstrengenden Bergpartie wird man dabei durch den großen Genuß entschädigt, den der schnelle Wechsel der verschiedenartigen über einander aufsteigenden Vegetationszonen gewährt. Allerdings ist dieser Wechsel nicht so auffallend, wie bei manchen höheren Bergen der heißen Zone, wie z. B. beim Pik von Teneriffa, bei dessen gelungener Besteigung ich vor sechzehn Jahren die einzelnen Pflanzengürtel in der Tat so regelmäßig geschieden fand, wie es Alexander von Humboldt schon früher beschrieben hatte. Aber der schneebedeckte Gipfel des Pik von Teneriffa erreicht auch fast die doppelte Höhe des Adams-Pik, und wir bleiben daher auf letzterem, wie auf allen Hochgipfeln von Ceylon, noch weit unter der Schneegrenze. Dahingegen ist anderseits hier, unter dem siebenten Grade nördlicher Breite, die unvergleichliche Pflanzenpracht der Äquatorialzone in ungleich größerer Fülle und Mannigfaltigkeit entwickelt, als in dem reizenden Tale von Orotava, an dem subtropischen Gestade der kanarischen Inseln.

Bei der beständigen Temperatur von 22–26° R und bei der nahezu vollkommenen Feuchtigkeit der heißen Luft, die in der südwestlichen Küstenzone von Ceylon herrscht, stellt dieselbe ein großartiges natürliches Treibhaus dar, dessen wundervolle Produkte von keiner andren Gegend der Erde übertroffen werden. Hier finden wir vereint in der herrlichsten Entwicklung die edelsten und großartigsten von allen Gewächsen, die Palmen und Pisange, die Bambusen und Benyanen. Fast jede von den singhalesischen Hütten, die in dieser Kokosregion allenthalben zerstreut sind, ist von einem Kranze solcher prächtigen Tropenbäume geschmückt. Da wetteifert die stolze Kokos- mit der schlanken Arecapalme; der eichenartige Brotfruchtbaum mit dem zierlichen Melonenbaum. Die Pfefferrebe klettert um die Wette mit dem indischen Wein an den schlanken Stämmen empor und hängt in reizenden Festons und Kränzen von ihren Ästen herab. Unten aber bilden die riesengroßen Blätter der Bananen und Kaladien, die handförmigen Blätter der Kassaven die schönste Umzäunung der idyllischen Gärten, in denen prachtvolle Blumen neben den nützlichsten Kulturgewächsen gepflanzt werden.

Sobald wir uns aus diesem üppigen Paradiesgarten zu den Vorbergen des Hochlandes erheben und die erste Stufe desselben emporsteigen, treten andre Kulturpflanzen an die Stelle der erstgenannten. Die wasserreichen Täler erscheinen terrassiert und mit einem zarten Sammetteppich belegt, dessen leuchtendes Grün dasjenige des schönsten englischen Rasenbeetes übertrifft. Es ist der junge Reis, der Paddy, der diese maigrünen Saatfelder bildet. In ihrer Umgebung und an den trockenen Stellen zwischen ihnen stehen Fruchtgärten, in denen die Orangen und Guayaven gedeihen, daneben die zottige Zuckerpalme, der Kittul, und die wundervolle Riesenschirmpalme, der Talipot.

Einige hundert Fuß höher verlassen wir diese zweite Palmenzone und treten nun aus der niederen Bergregion in die heiligen Säulenhallen eines Urwaldes, der die höchste Baumpracht unsrer gemäßigten Zone ebenso weit oder noch mehr überflügelt, als diese letztere die kümmerlichen Birken- und Föhrenwälder der nördlichsten Waldgürtel hinter sich läßt. Da wandern wir stundenlang aufwärts in einem Naturtempel, dessen schlanke platte Baumsäulen kerzengerade und unverzweigt sich zu 80–100 Fuß Höhe erheben, ehe sie sich zu einer mächtigen dunkelgrünen Krone ausbreiten. So dicht ist das undurchdringliche Schattendach derselben, daß selbst die mächtige Tropensonne nur hie und da einen schwachen Lichtstrahl verstohlen in die tiefe Dämmerung fallen läßt, welche die kühlen Tempelhallen erfüllt. Garcinien, Dillenien, Terminalien und verschiedene Rubiazeen sind es, die nebst wunderbaren Fikus-, Ebenholz-, Sandelholz- und vielen andren Waldbäumen dieselben zusammensetzen. Die prachtvollen seltsamen Blüten von schmarotzenden Orchideen und Gewürzlilien zieren ihre Stämme. Kletternder Pandanus (Freycinetia), Purtada und andre Schmarotzerbäume winden sich an den hohen Stämmen kühn empor, schwingen sich in stolzen Bogen von einem Baum zum andern und bilden die Turngerüste für die munteren Scharen der Affen und Eichhörnchen, die hier ihre bewunderungswürdigen gymnastischen Künste zeigen. Prächtige, metallglänzende, goldiggrüne Waldtauben, Papageien und Bienenfresser fliegen scharenweise hoch oben zwischen den Kronen hin, während unten am rauschenden Waldbache große blaugrüne Eisvögel mit der Fischjagd beschäftigt sind. Zwischen den braunen Luftwurzeln der Schmarotzerpflanzen hängen auch zahlreiche grüne von den Baumästen herab. Sobald wir diese letzteren aber erfassen wollen, entschlüpfen sie uns zwischen den Händen, denn es sind zierliche Baumschlangen, die sich mit ihrem dünnen Peitschenschwanze an einem Baumast aufgehängt haben. Auch die niedlichen kleinen Laubfrösche, die sich in den weißen Blumenkelchen der großen Lilien verstecken und da ihre glockenähnliche Silberstimme ertönen lassen, sind schön grün bemalt, und so tragen auch noch viele andre Tiere des Waldes auf der immergrünen Wunderinsel deren herrschende Charakterfarbe, entsprechend Darwins Gesetze der gleichfarbigen Zuchtwahl.

Wie gerne würden wir in dem kühlen Schatten dieser erhabenen Urwälder länger weilen und an den rauschenden Wasserfällen ihrer Bäche die zierlichen Farne und Selaginellen oder die seltsam gestalteten Balsaminen und Begonien sammeln, die deren Ufer schmücken; oder zwischen den pfeilförmigen Riesenblättern der Arazeen die großen Nachtfalter und bunten Spinnen jagen; oder zwischen dem wirren Wurzelgeflecht der umgestürzten Baumriesen die goldglänzenden Prachtkäfer (Buprestis), zwischen ihrem abgefallenen Laube die wunderbaren ast- und blattgleichen Heuschrecken suchen, die stabförmigen Gespenstschrecken ( Phasma) und die wandelnden Blätter ( Phyllium). Aber leider drängt unsre Zeit; und leider lassen uns auch hier wieder die zahllosen kleinen Landblutegel nicht zu vollem Genüsse gelangen.

Während dieser stolze Hochwald auf den steilen südlichen und westlichen Gehängen des Adams-Pik noch jetzt einen zusammenhängenden immergrünen Mantel bildet und an 4- bis 5000 Fuß emporsteigt, ist er dagegen an der nördlichen und östlichen Seite jetzt größtenteils den vordringenden Kaffeepflanzungen zum Opfer gefallen. Er besteht hier nur noch in den steilen unzugänglichen Felsenschluchten siegreich den Vernichtungskampf, mit dem ihn Axt und Feuer des feindlichen Pflanzers bedroht. Höher hinauf hingegen, oberhalb 5000 Fuß, ist auch jetzt noch der grüne Waldmantel des Pilgerberges unversehrt, und gerade die charakteristische Gipfelpyramide, die sich gegen 2000 Fuß hoch, weit über alle Nachbarn erhebt und über Land und Meer hinweg für den nahenden Schiffer das untrügliche Wahrzeichen der Insel bildet, gerade diese Landmarke ist noch jetzt bis zur höchsten Spitze hinauf von einer zusammenhängenden grünen Decke umschlossen.

In diesem obersten Gürtel, zwischen 5000 und 7000 Fuß, zeigt aber der Urwald eine ganz andre Zusammensetzung und Physiognomie, als in den zauberhaften grünen Tempelhallen, die wir soeben verlassen haben. Dieser Unterschied ist schon von ferne sichtbar, indem das matte, ins Graue spielende Grün der oberen Zone weit blasser erscheint, als das intensive Dunkelgrün des unteren Waldgürtels. Das rührt hauptsächlich davon her, daß die lederartigen Blätter der immergrünen Bäume hier oben meistens matter auf ihrer Oberseite gefärbt sind, hingegen filzig oder silberweiß auf der Unterseite. Ihre dunklen Stämme sind knorrig, oft sehr winklig verzweigt, und von gelben Mosen dicht umhüllt. Die Waldbäume, die hier oben an die Stelle der vorher genannten der unteren Zone treten, gehören vorzugsweise zu den Familien der Myrten und Lorbeern, zu den Gattungen Eugenia und Syzygium, Tetranthera und Actinodaphne. Aber auch die indische Magnolie, die schöne Michelia, sowie das herrliche baumförmige Rhododendron spielt in denselben eine große Rolle und nicht minder das Lieblingsfutter der wilden Elefanten, die merkwürdige Nillustaude, die Akanthazee Strobilanthus. Die Elefanten gehen derselben fast bis zum Gipfel des Pik nach, und wir waren nicht wenig erstaunt, ihre festgetretenen Pfade noch eine halbe Stunde unterhalb des Gipfels zu finden. Unser Gastfreund, Mr. Christie, hatte selbst noch im vorigen Jahre hier oben einen mächtigen Elefanten geschossen, dessen kolossaler Schädel unter den Jagdtrophäen in seinem Bungalow eine hervorragende Stelle einnahm. Es ist höchst überraschend, die frischen Spuren dieser schwerfälligen Kolosse an steilen, wenn auch dichtbebuschten Felsenabhängen zu finden, an denen sich der kletternde Wanderer nur mit Mühe emporarbeitet.

Auch Leoparden sind in diesen Walddickichten des Hochgebirges noch jetzt sehr häufig, und nicht minder der gefürchtete Lippenbär ( Ursus labiatus). Diese Räuber leben hauptsächlich von der Jagd auf Elkhirsche ( Russa hippelaphus), die noch in großen Scharen hier zu finden sind. Auch der große graue Affe des Hochlandes, Presbytis ursinus, fällt dem grimmen Leoparden hier oft zum Opfer. Wir sahen die schönen Felle beider in einem kleinen Basar, den ein spekulativer Araber mitten am Pilgerwege errichtet hatte, ungefähr eine Stunde oberhalb St. Andrews.

Die Hütten, die diesen bunten Pilgerbasar bildeten, waren höchst malerisch im Grunde einer tief eingeschnittenen Schlucht gebaut; am Ufer eines rauschenden Gebirgsbaches, der in kühnen Sprüngen über steile Felsen an der Nordwestseite der Pikpyramide hinabstürzt. Nichts kann den romantischen Reiz dieser wilden Bergbäche in den Urwäldern des Gebirges von Ceylon übertreffen. Bald stürzen sie sich in ungezähmter Kraftfülle tobend und schäumend über senkrechte Felswände herab; bald springen sie im gemäßigten Laufe sprudelnd und rauschend über die Steinblöcke ihres Granitbettes; bald bleiben sie vor einer Quermauer, die das letztere riegelartig durchsetzt, stehen und sammeln ihre klaren Wassermassen zu einem kleinen Teich oder Seebecken an, in dem der Himmel das Spiel seiner ziehenden Wolken abspiegelt, Allenthalben aber sind diese herrlichen Gewässer von einem üppigen grünen Rahmen eingefaßt, dessen Reize weder Feder noch Pinsel vollkommen wiederzugeben vermögen.

Wohl die höchste Zierde dieser wasserreichen kühlen Bergbachbetten sind die prächtigen Baumfarne, eine der edelsten Vegetationsformen, von deren Schönheit uns die verkrüppelten Exemplare in unsren Treibhäusern kaum eine annähernde Vorstellung geben können. Sie ersetzen im Hochlande den Schmuck der Palmen, der fast ausschließlich aus das heiße Tiefland beschränkt ist. Aus einiger Entfernung sind beide zum Verwechseln ähnlich. In beiden trägt der schlanke, ungeteilte, hoch aufstrebende Stamm eine einfache Krone von riesengroßen Fiederblättern; diese Wedel sind aber bei den Farnbäumen viel zarter und feiner, viel tiefer eingeschnitten und viel mehr fieberig zusammengesetzt, als bei den derberen und robusteren Palmen. Neben diesen Farnbäumen ( Alsophila) sind es aber auch niedere, stammlose Farnkräuter ( Angiopteris), die durch die kolossale Größe ihrer 15–20 Fuß langen Wedel an den Ufern dieser Bergbäche unser höchstes Erstaunen hervorrufen.

Ein andrer Schmuck derselben besteht in den reizenden Lianen, in den mannigfaltigen Schling- und Kletterpflanzen, die in üppigster Fülle Stamm, Äste und Zweige der Bäume bedecken. Bald hängen sie gleich den zierlichsten Ampeln von den Kronen senkrecht herab, bald schlingen sie sich rings von Zweig zu Zweig, wie bei einem schön geputzten Weihnachtsbaum; bald umhüllen sie die mächtigen alten Baumstämme mit einem dichten grünen Mantel, und bisweilen erscheint dieser letztere mit prachtvollen Blumen wie mit leuchtenden Edelsteinen verbrämt. Besonders sind es unter diesen Lianen die Orchideen, Ingwer, Gewürzlilien, und die kletternden Pandangs ( Freycinetia), die durch die Farbenpracht und seltsame Form ihrer großen Blütenähren unser Entzücken erregen.

Bald sollten wir aber den Nutzen dieser Lianengeflechte im Urwalde noch näher kennen lernen. Denn nachdem wir oberhalb des Wasserfalls auf einem Baumstamme über den tosenden Bach glücklich hinüber balanciert waren, führte uns unser schmaler und beschwerlicher Pilgerpfad in ein Dickicht hinein, dessen Baum- und Strauchmassen durch erstaunliche Lianengeflechte zu einer geradezu undurchdringlichen Mauer verwebt waren. Keinen Schritt weit konnten wir seitlich von dem glatt getretenen Wege abweichen, der nur durch Tausende von Pilgern gangbar erhalten wird. Über eine Stunde stiegen wir so in einem grünen Tunnel empor, dessen mächtiges Schattendach keinen Sonnenstrahl durchdringen ließ und uns durch seine kühle Dämmerung die heiße Mühe des jähen Kletterns wesentlich erleichterte. Aber nicht allein dieses kostbare Schattendach bilden die mächtigen Netze der verwebten Lianenstricke über unsern Häuptern, sondern auch förmliche Leitersprossen am Boden zum Anklammern der Füße, und zu beiden Seiten biegsame, aber feste Treppengeländer, an denen wir uns mit den Händen emporziehen.

Mitten in diesem reizenden immergrünen Gange begegneten wir einer Pilgerschar von etwa dreißig schwarzen Tamilen oder Malabaren; bei der geringen Breite des steilen Waldpfades blieben sie ehrerbietig stehen, um uns aufwärts Klimmende erst vorüber zu lassen, und so fanden wir Gelegenheit, die Schönheit ihres schlanken und doch kräftigen Körperbaues aus nächster Nähe zu bewundern; um so mehr, als die Kleidung der meisten sich auf einen weißen Turban und einen roten Lendenschurz beschränkte. Alle Lebensalter waren unter dieser Pilgerschar vertreten, vom reizenden jugendlichen Knaben und zierlichen Mädchen bis zum zitternden Greise und der welken Matrone; und die kräftigen Frauen trugen selbst teilweise einen Säugling am Busen oder ein einjähriges Kind reitend auf der Schulter. Denn es gilt sowohl bei diesen brahmagläubigen Tamilen, als bei den buddhagläubigen Singhalesen für höchst verdienstlich und gottgefällig, die Pilgerfahrt auf den heiligen Berg schon in frühester Jugend zu unternehmen; nicht allein glauben die frommen Pilger sich dadurch Gesundheit und langes Leben zu sichern, sondern auch Schutz vor bösen Geistern und Vergebung für zukünftige Sünden.

Ein interessantes Schauspiel ganz andrer Art überraschte uns, als wir eine Viertelstunde später abermals einen rauschenden Waldbach überschritten, und durch einige prachtvolle Balsaminen verlockt, einen kleinen Seitenabstecher im Flußbett aufwärts machten. Bei einer plötzlichen Biegung desselben standen wir vor einem reizenden Bassin, das von hohen Urwaldriesen eingeschlossen und mit kühnen Girlanden phantastisch verziert war. Eine Herde von großen grauen Gebirgsaffen ( Presbytis ursinus), deren lebhafte Stimmen wir schon unmittelbar vorher gehört hatten, trieb da ihr munteres Spiel, wurde aber durch unsre unvermutete Erscheinung so erschreckt, daß sie eilends auf die entgegengesetzte Seite flüchtete. Dabei benutzten die kühnen Seiltänzer die überhängenden Lianen als Klettertaue, mit erstaunlicher Geschicklichkeit sich vorn einem Baum zum andern schwingend.

Als wir etwas weiter oberhalb aus dem schattenspendenden Dickicht heraustraten, standen wir unmittelbar vor einer hohen Felsenwand, in der eine lange Treppe von eingehauenen Stufen aufwärts führte. Am oberen Rande derselben bemerkten wir auf einer vorspringenden Plattform mehrere Ambalams oder Pilgerherbergen. Wir hatten schon weiter unten einige derselben passiert. Diese Gruppe war aber weit ansehnlicher und bildete die letzte Hauptstation auf dieser Nordseite des Pikkegels. Viele Pilger sind schon hier von den Beschwerden des steilen und steinigen Weges so ermüdet, daß sie daselbst übernachten, obgleich man von hier bis zum Gipfel kaum mehr als eine starke Stunde zu klettern hat, freilich sehr mühselig. Andre Pilger rasten hier nur ein paar Stunden und erquicken sich an feilgebotenen Früchten oder an Curry und Reis, den sie sich selbst am offenen Feuer bereiten. Ein großes solches Feuer flackerte gerade am oberen Felsrande unter einem Zelte von hohen Bäumen; eine Schar von braunen Singhalesen war malerisch rings um dasselbe gelagert.

Nach kurzer Rast bei diesem Ambalam und erquickt durch den Genuß einiger saftiger Bananen, brachen wir auf, um die letzte und steilste Strecke unsrer Pilgerfahrt zu vollenden. Es beginnt nun jener berüchtigte und gefürchtete Teil der höchsten Pikpyramide, an dem auf lange Strecken Treppenstufen in den nackten, jähen, oft senkrecht aufsteigenden Felsenabhängen angebracht sind, und zur Seite derselben mächtige eiserne Ketten, an denen man sich beim Aufwärtsklimmen festhalten muß. Manche von diesen Riesenketten, von frommen Pilgern gestiftet, sind wohl über tausend Jahre alt; die verwitternden und verrostenden Ringe werden aber stets durch neue ersetzt. Starke eiserne Pflöcke, in den nackten Gneisfelsen tief eingetrieben, halten von Strecke zu Strecke die klirrenden Ketten fest.

Für Bergwanderer, die zum Schwindel geneigt sind, ist dieser Kettenpfad freilich kein passender Weg, und wir mußten um so mehr die Kletterkünste der schwarzen Tamilfrauen bewundern, die, mit Säuglingen und Kindern beladen, oft dazu noch einen Korb mit Lebensmitteln auf dem Kopfe, hier frei hinauf und hinab balancierten, mit den beweglichen Zehen der nackten Füße sich gleich Vierhändern anhaltend. Aber wenn diese Himmelsleiter auch sehr beschwerlich ist und höchst gefährlich aussieht, so ist sie das doch nur an wenigen Stellen. Denn wenn man, wie es oft geschieht, auf den schlüpfrigen Steinstufen ausgleitet, oder wenn die trügerische Kette den Händen entschlüpft, so stürzt man nicht in eine jähe Tiefe, um unten zerschmettert liegen zu bleiben, sondern man fällt in ein weiches grünes Bett, in dem höchstens einzeln hervorragende Baumäste uns einige unsanfte Rippenstöße erteilen. So undurchdringlich ist auch hier die zauberhafte Fülle der wuchernden Tropenvegetation, und so dicht werden die Laubmassen durch schlingende Lianen verwebt, daß aus der jähen Tiefe vielfach die wogenden Blätterkissen der hohen Baumkronen bis zum Fuße des Wanderers heranreichen und bei unvorsichtigem Fehltritte den Fallenden in ihren weichen Armen auffangen.

Endlich war auch diese letzte Prüfung glücklich überstanden. Nachdem wir die oberste Kettentreppe erklommen hatten, erblickten wir unmittelbar über uns die nackte Felsenspitze des Wunderberges, und auf derselben den weltberühmten Buddhatempel, das Endziel unsrer mühsamen Pilgerfahrt. Wenige steile Stufen noch, und wir standen am Eingang in das ehrwürdige Heiligtum, ehrerbietig begrüßt von den alten weißbärtigen Buddhapriestern, die hier als Wächter dasselbe hüten und die Opfer der Wallfahrer entgegennehmen. Sie wohnen indessen hier oben nur 4–5 Monate, vom Januar bis April oder Mai. Während des übrigen Jahres ist der Samanala wegen der täglichen überaus heftigen Regengüsse ganz unzugänglich.

Der oberste Gipfel des Adams-Pik entspricht ganz den Vorstellungen, die wir uns als kleine Kinder von hohen Bergspitzen zu machen pflegen; wir denken sie uns so spitz zulaufend, wie einen Zuckerhut, und begreifen nicht, wie ein Haus da oben stehen kann. In der Tat ist die oberste Gneiskuppe des Samanala so zugespitzt, daß nur das kleine Heiligtum darauf Platz findet, das sich baldachinartig über dem heiligen Fußtapfen wölbt. Und auch unmittelbar am Fuße dieses heiligen Felsblockes, 20 Fuß tiefer, ist der Raum so beschränkt, daß neben der schmalen hinaufführenden Treppe nur ein paar enge Priesterwohnungen nebeneinander stehen, winzige einstöckige Steinhütten. Dieser ganze enge Raum ist umfriedigt von einer niedrigen weißen Mauer, mit zwei Eingangspforten, einer im Norden, der andren im Süden. Die schönste Einfassung derselben aber bilden die prachtvollen Rhododendronbäume, die sich zu unsern nahe verwandten Alpenrosen ähnlich verhalten, wie der tropische Riesenbambus zu unsrem zarten Grashalm. Jeder Zweig dieser knorrigen, 30–50 Fuß hohen Bäume trägt ein schimmerndes Ballbukett, eine mächtige Rosette von dunkelgrünen Blättern, aus deren Mitte 20–30 große, prachtvoll scharlachrote Rosen hervorleuchten.

Nachdem wir die schmale Treppe hinaufgestiegen und unter das Dach des kleinen, halboffenen, baldachinartigen Tempelchens getreten waren, standen wir vor dem Sripada, vor dem ehrwürdigen Heiligtume, das seit mehr als zweitausend Jahren der Gegenstand andächtiger Verehrung für so viele Millionen frommer Pilger gewesen ist. Der heilige Fußtapfen an sich erscheint nicht geeignet, diese Anbetung zu rechtfertigen. Es ist eine einfache, länglich runde Vertiefung in der obersten Fläche der Felsenkuppe, 5¼ Fuß lang, 2½ Fuß breit. Es gehört viel Einbildungskraft dazu, um in diesem flachen Felsenbecken auch nur annähernd den Abdruck eines menschlichen Riesenfußes zu erkennen. Unsre Paläontologen, die aus den fünfzehigen und vierzehigen Fährtenabdrücken im bunten Sandstein und Keuper mit voller Sicherheit auf die Existenz der Reptilien, Vögel und Säugetiere schließen, die dort im Meeresschlamme vor Millionen von Jahren lustwandelten, würden sich schwerlich bereit finden, den Sripada hier als Abdruck eines Wirbeltierfußes gelten zu lassen. Indessen der feste Glaube vermag viel; und um der ringenden Phantasie skeptischer Pilger zu Hilfe zu kommen, haben die Buddhapriester schon seit langer Zeit dem verwaschenen Umrisse des Fußtapfens mit einer leistenförmigen Gipseinfassung nachgeholfen, die an einem Ende durch vier einspringende Kämme die Spalten zwischen den fünf Zehen angeben soll. Leider ist jedoch diese künstliche Nachhilfe so mangelhaft, daß man daraus nur auf eine recht plumpe Form des Fußes schließen kann. Um unsre kritischen Bedenken etwas zu beschwichtigen, machte einer der Priester darauf aufmerksam, daß der Abdruck ursprünglich vollkommen scharf und erst durch die Berührungen der zahllosen Pilger mit Lippen und Händen verwischt worden sei; und darin kann der fromme Mann wohl recht haben, wenn man sich erinnert, wie die Erzfüße des Apostels Petrus in der Peterskirche zu Rom durch das gleiche Verfahren gelitten haben.

Rings um den heiligen Fußtapfen war der rötliche Gneisfels mit den duftigen Blumen bestreut, die die Singhalesen gewöhnlich als Opfer vor ihren Buddhatempeln darzubringen pflegen; die großen, weißen und gelben, aromatischen Blüten des Tempelbaumes ( Plumiera) und das Jasmin, die roten Rosen der Melastomen und des Rhododendron. Diese und andre Opferblumen, sowie Betelblätter, Arecanüsse und Reishaufen lagen auch in kleinen Felsennischen außerhalb des Tempelchens, sowie auf der grünen Balustrade, welche dessen unteren Teil umgibt. Auf der letzteren erheben sich zwölf kleine grüne Säulen, die das vorspringende Ziegeldach des Tempelchens mit zwei goldenen Knäufen tragen. An den vier Ecken ist dasselbe, gleich einem verankerten Luftballon, an vier starken, in dem Felsboden befestigten Eisenketten angelegt, damit es nicht von den heftigen, oft über die Pikspitze hinfegenden Windstößen fortgetragen wird.

Während der sechs Stunden, die wir auf dem Gipfel des Adams-Pik zubrachten, sahen wir mehrere Pilgerscharen daselbst ihre Andacht verrichten; abwechselnd buddhistische Singhalesen und brahmanische Tamilen. Auch ein paar arabische Mohammedaner kamen dazwischen herauf, und beteten mit derselben Andacht den Sripada als Fußabdruck des Urvaters Adam an, mit der unmittelbar vorher die schwarzen Malabaren denselben als Reliquie des Siva, und die braunen Singhalesen als Andenken von Buddha verehrt hatten. Die gegenseitige friedliche Duldung, welche diese drei verschiedenen Religionen hier oben gegeneinander seit mehr als tausend Jahren üben, ist in der Tat erhebend; sie ist in vieler Beziehung beschämend, namentlich für die verschiedenen christlichen Sekten, die sich mit größter Intoleranz befehden. Man denke nur an die blutigen Kämpfe der griechischen und römischen Christen am heiligen Grabe in Jerusalem; oder an die widerwärtigen Beweise von gehässiger Unduldsamkeit, die wir selbst gegenwärtig noch jedes Jahr in unsrem Vaterlande erleben müssen.

Die Andachtsübungen der Pilger selbst waren meist einfach und bescheiden: tiefe Verbeugungen und Gebete vor dem Sripada, Streuen von Blumen und Räuchern mit aromatischen Gewürzen, Anbrennen von Kerzen und Anschlagen kleiner Glocken, endlich Geschenke an die Priester, bestehend in Reis, Betel, verschiedenen andren Nahrungsmitteln, Silber- und Kupfermünzen. Wunderlicherweise gilt auch das Opfer von alten abgetragenen Kleidungslappen als verdienstlich; solche hingen in großer Zahl an dem Treppengeländer. Aus dem Munde der Betenden ertönte oft wiederholt der Ruf Sadu, Sadu! (Heilig, Heilig! Amen, Amen!) Die Mehrzahl der ankommenden Wallfahrer verweilte nur sehr kurze Zeit auf dem Gipfel und stieg alsbald wieder hinab, nachdem die Andacht beendigt war.

Weit interessanter und erhebender, als diese Andachtsübungen der Pilger und die Zeremonien der Priester, war für uns das großartige Panorama, das die unbeschränkte Aussicht von diesem isolierten Berggipfel darbietet. Mit einem Blick überschauen wir hier den größten Teil der immergrünen Insel, die in so vieler Beziehung zu den schönsten und merkwürdigsten der Welt gehört. Allerdings ist das Großartigste an unsrem Panorama gerade diese Vorstellung, und die Erinnerung an die tausend herrlichen und interessanten Bilder, mit denen unsre Streifzüge durch dies irdische Paradies uns bereichert haben. Indem wir hier den Schauplatz derselben von einem Punkte aus rings überschauen, durchfliegen wir gewissermaßen das Inhaltsverzeichnis des Skizzenbuches, das wir hier mit Feder und Pinsel gesammelt haben.

Hingegen ist der malerische Wert dieses merkwürdigen Panorama nicht so groß, als er von manchen Reisenden geschildert wird. Denn so weit das Auge auch nach allen vier Himmelsgegenden reicht, sieht es nichts als ewig grünes Waldgebirge, Ketten über Ketten getürmt, Täler an Täler gereiht. So üppig ist der wunderbare Pflanzenwuchs von Ceylon, daß derselbe alles andre überwuchert und verdeckt. Höchstens kann man an der helleren und dunkleren Farbe des immergrünen Inselmantels unterscheiden, ob mehr fruchtreiches Kulturland oder mehr dichter Urwald denselben zusammensetzt. Selbst in den fruchtreichen Kulturtälern des Saffragam, am südlichen Fuße des Adams-Pik, unmittelbar zu unsren Füßen, sind die zahlreichen Dörfer und Pflanzungen von den hochragenden Kronen der Palmen, der Mango, Brotfruchtbäume usw. vollständig verdeckt; und ebenso können wir auch in den zahlreichen Plantagen der nördlich vor uns liegenden Kaffeedistrikte die Bungalows und Hütten nicht unterscheiden. Die einzigen Gegenstände, welche die immergrüne Inseldecke unterbrechen, sind die glitzernden Silberfäden ihrer zahlreichen Bäche und Ströme; und die größeren Wasserflächen, die in weiter Entfernung den Sonnenglanz spiegelnd zurückwerfen, die Salzseen von Hambangtotte im Südosten, der indische Ozean im Westen.

Indessen ist es vielleicht gerade diese grüne Einförmigkeit, die sanfte Wellenform der gerundeten Gebirgsrücken, der Mangel phantastischer Felsformen, überhaupt die Abwesenheit aller schroffen Gegensätze, die dem ausgedehnten Panorama von Samanala seine eigentümliche einfache Größe und Erhabenheit verleihen. Nicht wenig trägt dazu die wundervolle reine und frische Bergluft bei, die majestätische tiefblaue Kuppel des indischen Himmels, und die lautlose Stille der Umgebung – der Ausdruck des paradiesischen Friedens und des harmlosen Naturlebens, das die wundervolle Insel überhaupt charakterisiert. Man lernt hier begreifen, wie diese isolierte Bergspitze der einigende Mittelpunkt andächtigen Gottesdienstes für mehrere ganz verschiedene Religionsformen werden konnte.

Der treffliche Monograph von Ceylon, Sir Emerson Tennent, überwältigt von diesem Eindruck der Samanala-Aussicht, meint, daß es vielleicht das großartigste Gebirgspanorama in der Welt sei, da kein andrer Berg von gleicher oder größerer Höhe eine ebenso freie und unbegrenzte Rundsicht über Land und Meer gestatte. Das ist indessen ein Irrtum. Der schneebedeckte Pik von Teneriffa, der fast die doppelte Meereshöhe erreicht, und den ich am 26. November 1866, ebenfalls vom schönsten Wetter begünstigt, bestieg, ist nicht allein in bezug auf die chorologische Reihenfolge seiner mannigfaltigen Pflanzengürtel weit interessanter, sondern gewährt auch ein weit umfassenderes und großartigeres Panorama. Ich überblickte von seinem Gipfel nicht allein die ganze Gruppe der kanarischen Inseln, sondern das Auge schweifte von da ungehemmt über den Atlantischen Ozean bis zum afrikanischen Festlande von Marokko hinüber.

Ich hatte die Absicht gehabt, auf dem Gipfel des Pik zu übernachten, um die Phänomene beim Untergang und Ausgang der Sonne, insbesondere den Wechsel seines kegelförmigen Schattens zu beobachten. Allein ich war durch den mehrmonatigen Aufenthalt in dem feuchtheißen Treibhausklima des Küstenlandes so verwöhnt, daß mich schon um Mittag bei 15° R empfindlich fror, trotzdem ich mich fest in Plaid und Wolldecke gewickelt hatte. Da nun das Thermometer während der Nacht hier um diese Jahreszeit auf 3–4° sinkt, und da der kühle Nordostmonsun durch die Fugen der Wände der elenden und schmutzigen Priesterwohnungen frei hindurchstrich, verlor ich die Lust, auf dem harten Felsboden der letzteren zu übernachten. Zum Glück machte am Nachmittag auch das Wetter allen Zweifeln ein Ende. Die strahlende Reinheit des sonnigen Morgenhimmels war schon gegen Mittag durch Ansammlung zahlreicher kleiner Haufwolken getrübt worden, die aus den dampfenden Tälern aufstiegen. Gegen 2 Uhr ballten sich dieselben zu dichten Nebelmassen, die schleierartig die Bergketten eine nach der andern verhüllten. Nur dann und wann tauchte noch ein grünes Berghaupt aus dem wogenden Nebelmeer für kurze Zeit auf. Die Aussichten auf einen klaren Abend schwanden bald ganz, und die zunehmende Kühle bestimmte uns, schon gegen 4 Uhr aufzubrechen und unsern steilen Rückweg nach St. Andrews anzutreten.

Vor dem Aufbruche jedoch verrichteten auch wir auf dem Gipfel des heiligen Berges noch ein andächtiges Opfer der Weihe. Es war der 12. Februar, der Tag, an dem Charles Darwin vor 73 Jahren das Licht der Welt erblickte; es war der letzte Geburtstag des großen Reformators der Naturwissenschaft; denn zwei Monate später wurde er uns durch den Tod entrissen. Vor dem heiligen Sripada stehend, hielt ich eine kurze Ansprache an meine Wandergefährten, in der ich auf die Bedeutung des Tages hinwies; eine Flasche Rheinwein, die letzte, die wir mit hinaufgenommen, wurde auf Darwins Wohl geleert. Der Brief, in dem ich dies meinem hochverehrten Freunde meldete, unter dem Baldachin des Sripada geschrieben, war der letzte, den er von mir empfing. So endete auch meine Pilgerfahrt auf dem Adams-Pik mit einer heiligen Erinnerung. Der Rückweg im Nebel, besonders das Hinabklettern an den jähen Felswänden, war noch beschwerlicher als das Hinaufsteigen; ich fühlte es nachher noch mehrere Tage in den Knieen. Sehr ermüdet langte ich nach Sonnenuntergang wieder in St. Andrews an, aber höchst befriedigt von den reichen Eindrücken der Pilgerfahrt, einer der dankbarsten unter allen meinen Wanderungen auf Ceylon.


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