Friedrich Hackländer
Ein Winter in Spanien
Friedrich Hackländer

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Vom Tocador betreten wir eine unregelmäßige Folge von Gemächern aus der Zeit Karls V., welche für ihn und seinen Hof eingerichtet waren. In manchen derselben hat man mit wenig Geschick die maurischen Wandverzierungen aus den andern Theilen der Alhambra nachzuahmen versucht und sieht man auch hier buntfarbige Azulejos, gleichsam eine Übersetzung derselben in Renaissanceformen, aber gegen jene arabischen von sehr dürftiger Zeichnung und Färbung, Unzählige tragen den Wahlspruch des so rastlos strebenden Kaisers: »Plus oultre!« Schade ist es überhaupt, daß bei den späteren vielen Restaurationen auch der Haupträume der Alhambra die früheren Azulejos nicht nachgeahmt, sondern andere willkürliche Dessins substituirt wurden.

Unter diesen Gemächern liegen die alten maurischen Bäder, zu denen man von einem kleinen Hof über einige abwärts führende Stufen gelangt. Hier finden wir wieder Spuren der Wandverzierung, wie sie uns im Saal der Gesandten entzückten. Die Decken der Badekammern sind aus zierlichen Gewölben gebildet mit vielen sternenförmigen Öffnungen, die wohl mit buntem Glase verschlossen waren und durch welche das hereindringende Licht freundliche, bunte Reflexe auf den weißen Marmor der Fußböden, der Badewannen, der Säulen und Pilaster warf. Sehr schön ist der daran stoßende Ruhesaal, luftig, schlank, rings von Altanen umgeben und mit einer großen Brunnenschale in der Mitte. Bei der sehr bewegten Grundform, der Abwechslung von hohen und niederen Säulen, weiten und engen Bögen, den vielen Vor- und Rücksprüngen der Wände und der eigenthümlichen hoch oben hereingeführten Beleuchtung ist derselbe ein sehr lebendiger, interessanter Raum.

Vom vielen Schauen ermüdet, kamen wir durch verworrene Treppen und Gänge und halbverfallene Gemächer wieder nach dem Löwenhofe, den wir unmöglich schnell wieder verlassen konnten. Ben Saken hatte unterdessen für einige Erfrischungen gesorgt. Der Hüter der Alhambra war so freundlich, uns eine Guitarre zu leihen, und so lagerten wir uns in dem Saal der Schwestern, die Gläser klangen und altspanische Romanzen, von der wunderbaren Pracht der Alhambra erzählend, von Liebe, Kampf und Sieg erklangen durch die stillen Räume des Löwenhofes. – Das war eine unvergeßliche Stunde.

Am andern Morgen in der Frühe waren wir schon wieder auf der Alhambra, schritten mit demselben Staunen, wie gestern, durch den hochgewölbten Bogen unter der gewaltigen Masse des Gerichtsthurmes hindurch und pochten wieder an die bescheidene Pforte, die so viel Kostbares verschließt. Nachdem wir die längs dem Myrthenhofe hin sich erstreckenden sogenannten Zimmer des Archivs, sowie den Hof der kleinen Moschee und diese selbst, die durch die Christen zu einer Kapelle umgewandelt wurde, besichtigt und theilweise sehr vernachläßigt und herabgekommen gefunden, auch die in einem der Archivzimmer sehr unsorgfältig aufbewahrte kostbare Porzellan-Vase aufgesucht, kehrten wir wieder um, ließen dießmal den Palast Karls V. links liegen, gingen die breite Straße am Weinthore hinauf, längs den zerstreut liegenden Häusern bei der Pfarrkirche vorbei und kamen endlich auf einen großen wüsten Platz, der aber noch innerhalb der mächtigen Ringmauern liegt. Hier waren zur Maurenzeit ebenfalls Gebäude und Gärten, doch ist jetzt Alles, bis auf die letzte Spur zerstört. Der Boden ist uneben und weit umher mit Mauertrümmern und Schutt bedeckt. Es ist eigenthümlich, daß dieser wüste Platz auf der Alhambra fast der einzige Ort in ganz Spanien ist, den man zur Mitternachtsstunde von übernatürlichen, gespenstischen Wesen bevölkert glaubt, was man bei uns in Deutschland von fast jedem Kreuzwege sagt. Hier, so erzählen sich furchtsame Leute, sieht man Kämpfe zwischen schattenhaften Mauren und Christen, hier über die Fläche jagt zuweilen ein einsamer Reiter, Mann und Roß ohne Kopf, verfolgt von einem feurigen Stiere und was dergleichen Thorheiten mehr sind. Etwas Unheimliches hat dieser Platz allerdings, wenn man so entfernt von jeder menschlichen Wohnung über ihn dahinschreitet; doch würde ich zur Nachtzeit mich weniger nach Gespenstern, als nach Rateros umschauen, denen es schwer wäre, hier zu entgehen, denn man mag flüchten, wohin man will, so stößt man immer wieder auf die gewaltigen Ringmauern der Alhambra, die Einem ein gebieterisches Halt! zurufen. Es gehört schon am hellen Tage Kenntniß des Terrains dazu, um von hier aus den Eingang zur Schlucht zu finden, welche den Berg der Xeneralife von dem der Alhambra trennt. Zwischen zwei starken Thürmen befindet sich eine kleine Pforte, welche früher mit einer eisernen Thür verschlossen war, jetzt besteht aber ihr einziger Schutz aus wehenden Schlingpflanzen, die vom Thorbogen herabhängen. Hinter dieser Pforte befinden wir uns außerhalb der Ringmauern der Alhambra, die sich hier in gewaltiger Höhe und von viereckigen Thürmen unterbrochen, dort die Schlucht hinauf und hier abwärts zum Darro hinziehen. Es gibt aber nicht leicht etwas Malerischeres, als hier diese alten Mauern und Thürme; in ihrer röthlichen Färbung mit den schlanken arabischen Zinnen blicken sie so angenehm und überraschend schön zwischen den grünen Bergwänden hervor; jeder Schritt, jede Biegung des Weges zeigt uns ein neues Bild, das der Maler, gerade so wie es da vor ihm steht, auf die Leinwand bringen könnte. Von den Höfen und Gemächern der Alhambra gibt es unbeschreiblich viele Abbildungen und leider so wenige von diesen nächsten reizenden Umgebungen des alten Maurenschlosses. Ein schönes Bild hievon befindet sich in der Gemäldesammlung des Königs von Württemberg, welches ich häufig mit großem Interesse betrachtet. Es stellt ein kleines reizendes Gemach im maurischen Style vor, welches sich im sogenannten Torre de la Cautiva befindet. An der Brüstung des weiten und hohen Bogenfensters lehnt ein wunderliebliches Mädchen, den Kopf auf die Hand gestützt und blickt hinaus; vor dem Fenster aus der Tiefe steigen die hohen Ringmauern der Alhambra empor, hinter ihnen erblickt man die üppig und wild verwachsene Schlucht und weithin am Horizonte ragen die schneebedeckten Häupter der Sierra Nevada.

Da wir uns auf unserer Wanderung gerade am Fuße des Torre de la Cautiva befanden, so machte ich den Vorschlag, in demselben das kleine maurische Gemach aufzusuchen, das gewiß sehenswerth sei. Nach langem Umherklettern überstiegen wir einige zerbrochene Treppenstufen, erreichten die Eingangsthüre zum Thurme, die wir aber verschlossen fanden. Nach mehrmaligem Klopfen wurde sie uns von einer alten Frau geöffnet, die uns freundlich eintreten hieß und auf einer schmalen, in den dicken Mauern ausgesparten Treppe wirklich in das kleine reizende Gemach führte. Da die armen Leute, welche es bewohnen, einen kleinen Erwerb daraus machen, es den Fremden zu zeigen, so ist es glücklicherweise, die vom Rauch geschwärzte Farbe abgerechnet, noch recht gut erhalten; von den Azulejos, welche die Lambris bilden und die hier von wunderbar verschlungener Zeichnung waren, fehlten sehr wenige, auch prangten die Wände noch da und dort in ihren alten Farben. Das große, weite Bogenfenster fehlte ebenfalls nicht und um das ganze Bild vollständig zu machen, saß ein junges Mädchen von prächtiger Gestalt und reizendem Kopfe in dem Erker, den die tiefe Mauer hier bildete. Sie gab uns freundlich einen frischen Trunk Wasser und einen großen Strauß herrlich duftender Veilchen, die sie am Fuß der Mauern gepflückt. Wer diesen Thurm mit seinem Gemache und seiner Aussicht zu uns verpflanzen könnte!

Aus der Schlucht am Fuß der Mauern führt ein steiler Pfad zur Xeneralife empor, dessen zierlicher Anblick uns schon gestern den ganzen Tag gereizt, dessen Schönheiten so oft besungen wurden, und über welche jeder Reisende in Entzücken gerathen muß. Die Xeneralife, zunächst der Spitze des Elenaberges gelegen, war ein kleines Sommerschloß der maurischen Könige, ein Zaubersitz, der Alles bot, was die üppigste Phantasie nur verlangen kann. Auf allen Seiten die wunderherrlichste Aussicht, eine üppige Vegetation, getränkt durch eine reiche Quelle des besten eiskalten Wassers, la fuente de las azucenas, die Lilienquelle, welche oberhalb des Gartens der Xeneralife entspringt, und reich fluthend den kleinen Park derselben durchströmt. Der kleine Palast bildet ein längliches Viereck von zwei geräumigen Zimmern an beiden Enden und einem Mittelsalon, vor dem eine Bogenhalle mit Marmorsäulen liegt; er ist zweistöckig und zu oberst gekrönt durch ein luftiges Belvedere, das von zierlichen Säulen umgeben zum Genuß der unvergleichlichen Aussicht einladet. Ein ähnlicher kleinerer Pavillon liegt dem ebenbeschriebenen auf der Seite des Eingangs gegenüber mit einer fast gleichen Bogenhalle. Zwischen beiden befindet sich langgestreckt der Garten, nahezu wie im Hofe der Alberca. Beide Pavillons sind auf der dem Thal zugekehrten Langseite des Gartens durch eine beiderseits offene Gallerie von Arcaden auf viereckigen Steinpfeilern ruhend und von einer hohen Terrassenmauer getragen, mit einander verbunden und bildet diese Gallerie am Rand des steilen Abhangs gelegen, den entzückendsten Spaziergang, welcher nur denkbar ist. Alles ist hier vollkommen fest und gut erhalten und ausgeführt im reichsten anmuthigsten Styl der maurischen Baukunst, der uns an die Wunder des Löwenhofes erinnert. Die Säulenhallen mit ihren arabischen Bogen, mit ihren Basreliefs und Filigrandessins, sowie die inneren Räume prangen aber leider nicht mehr in ihren glänzenden Farben, sind vielmehr mit einer weißen Tünche bedeckt worden, durch welche man kaum noch die zierlichen Formen der Wandverzierungen erkennt. Umschlossen von den Gallerien und Hallen liegt nun der kleine Garten, der das Poetischste und Schönste ist, was ich in meinem ganzen Leben gesehen. Der Länge nach wird er durchströmt von dem Abfluß der reichen Lilienquelle und obgleich die klare Fluth durch ein Becken von weißem Marmor fließt, so rauscht sie doch dahin wild und üppig wie ein freies Bergwasser, ringsumher eine herrliche Kühlung verbreitend. – Und welche üppige Vegetation hat dieser kleine, wunderbare Garten! Hier sind dichte Laubengänge von Orangen und Granaten, an der einen Gallerie erheben sich gewaltige, schwarze Cypressen und über das ganze Wasserbecken wölbt sich eine schattige Lorbeerlaube, untermischt mit Cypressen, die nach der Mitte zusammen geneigt, sich zu spitzigen Bogen vereinigen. Wenn man sich in die offene Halle des Pavillons setzt, und auf das murmelnde Wasser blickt, wie es dahinströmt unter dem grünen Blätterdach, hie und da geküßt von einem kleinen, zitternden Sonnenstrahle, so muß man gestehen, daß es keinen Punkt der Erde gibt, wo man seliger träumend ruhen könnte in glücklicherer Selbstvergessenheit, als hier im Zauberhof der Xeneralife.

Dabei ist Schloß und Garten zierlich und nicht so ausgedehnt, an den Bergen erhebt sich der Park terrassenförmig, eine phantastische Schöpfung, wie man sie sich wohl träumend in heißen Nächten ausdenkt, wenn durch die offenen Fenster herein ein kühler Luftzug die glühende Wange fächelt. Das Ganze hier ist fast eine einzige, dichte, hochgewölbte Laube von Orangen, Granaten und Lorbeer, durchzogen mit den üppigsten Rosenhecken; dazwischen hie und da eine kleine Allee, gebildet durch majestätische Cypressenwände, unten mit dicht verschlungenen Reben und Epheu, welche so zierlich abstechen von den hellen Stämmen der riesenhaften Bäume, oben aber ihre fast schwarzen Häupter hoch in die Wolken erheben. Unter dieser riesenhaften Parklaube winden sich gut erhaltene Wege von weichem Sande schlangenförmig hin und her, die Terrassen sind durch Treppen, theils von Marmor, theils von kleinen Kieseln verbunden, welche bequem bis auf die Höhe des Berges führen, und von dort herab stürzt das reiche Wasser der Lilienquelle, mit liebender Sehnsucht in das Blätterdickicht hinein, hier wie ein fröhliches Bächlein, dort in wilder jauchzender Lust als Fontaine hoch empor spritzend; und überall hin leitete der arabische Gärtner das Kühlung bringende Wasser, wo wir uns hinwenden, murmelt und rauscht es uns entgegen, ja die Geländer der Marmortreppe haben tiefe Rinnen von grün glasirten Ziegeln, durch welche ein Strahl des erfrischenden Quells hinabrauscht, so geschickt angebracht, um eine heiße Hand zu kühlen oder eine glühende Stirne, und dabei ist das Wasser so eiskalt und frisch, daß man es überall schöpfen und mit Begierde trinken kann.

Unser Führer, ben Saken, der auf das Liebesverhältniß der Sultanin Zaide mit dem Abencerragen Aben Hamad schwur, führte uns unter die viele hundert Jahre alten Cypressen, nach der dichten Lorbeerlaube, wo die schöne Maurin ihre Liebesnacht gefeiert. Unten auf der Vivarrambla und am blutbefleckten Marmorbecken im Saal der Abencerragen glaubte ich fest an die Tugend der schönen Königin; hier oben aber in der Wunderpracht der Xeneralife, welche die Sinne bestrickt und das Herz erwartungsvoll und ängstlich schlagen läßt, wo die Blüthen so wollüstig duften, wo die Quellen so geschwätzig murmeln und das Plätschern der Springbrunnen alles andere Geräusch verdeckt, und auf diese Art ein glücklich liebendes Paar sicher macht, hier ist mein Glaube wankend geworden und ich denke fast, König Boabdil hatte nicht ganz Unrecht, als er sich so blutig am Stamm der Abencerragen rächte.

Vor nicht zu langen Jahren wurde die Xeneralife mit ihrem herrlichen Garten um einen sehr mäßigen Preis von einer italienischen Familie gekauft. Obgleich es nun lobenswerth ist, daß sie zur Unterhaltung des Ganzen jährlich eine ziemliche Summe anweist, so ist doch noch nie einer der jetzigen Besitzer oben gewesen, was uns der Hüter des kleinen Schlosses bedauernd erzählte. Für Jeden, der diesen lieblichen Sitz gesehen hat, ist das unbegreiflich, aber ich bin überzeugt, daß, wenn der jetzige Eigenthümer einmal da war, er sich für immer hier niederlassen wird. Ich wenigstens möchte da oben unter den dunkeln Cypressen mein Leben beschließen.

Nachdem wir die Xeneralife endlich verlassen, blickten wir noch oft zurück nach dem lieben weißen Schlößchen, das gleich schön und reizend bleibt, ob man es von Weitem sieht oder in der Nähe. Das schönste und bezeichnendste Bild desselben gibt Hailbronner in wenigen Worten, wenn er entzückt ausruft: »Diese weiße Saracenenpracht in dem grünen Frühlingsschmucke stand vor uns, rührend und einnehmend, wie ein schönes blasses Mädchen, das im seidenen Spitzengewand und Brautschleier, Rosen und Myrthen durch das dichte Haar geschlungen, sittsam und ergeben am Altare den glücklichen Bräutigam erwartet.«

Auf einem anderen bequemeren Fahrwege kehren wir zur Alhambra zurück auf den Platz der Algiven. Schon bei unserem ersten Besuche hier sprach ich von einem Eingang unfern des Weinthors, der an der torre quebrada vorbei zur alten Festung »Alcazaba« führt und in deren Mitte der Thurm der Vela auf dem äußersten Vorsprung gegen die Stadt zu liegt.

Die Pforte ist unscheinbar, ihre rohen Holzflügel mit großen Nägeln in der Form von Muscheln aus Bronze beschlagen; hinter dieser Thür aber befindet sich ein Garten, der mit großem Unrecht weniger bekannt ist, als die übrigen Theile des Maurenschlosses. Dieser Garten, parador de la Sultana genannt, ist eigentlich eine langgestreckte Terrasse, deren eine Seite von der im rechten Winkel fortlaufenden Mauer des zerbrochenen Thurmes gebildet wird und die andere von der mit ihr parallelen, aus dem tiefen Thalgrund aufsteigenden Ringmauer der Alhambra. Es ist ein kleiner, einfacher Platz mit Lorbeerlauben, fließendem Wasser, schmalen Blumenbeeten und dazwischen Wege aus farbigen Kieseln bestehend, die mosaikartig zusammengesetzt sind. Die hohe Mauer, welche den Parador von der Alcazaba abschließt, hat bis oben hinauf reiche Citronenspaliere. Die Brüstung auf der Ringmauer am Abhange der Stadt zu ist vielleicht drei Fuß hoch und mit kunstlosen Blumengefässen aus gebrannter Erde besetzt. In der Mitte des Gartens erhebt sich ein einzelner, vielhundertjähriger Weinstock mit über fußdickem Stamme. Schon sein Ansehen gibt der Sage Recht, welche ihn weit in das arabische Zeitalter hinaufreichen läßt. Seine Zweige und Ranken, durch einfache Veranden gestützt, überspannen das ganze Gärtchen, so eine ungeheure Laube bildend.

Was diesen Parador wirklich interessant macht, ist die ursprüngliche Gestalt, in der er seit der Maurenzeit geblieben. Dort auf derselben Steinbank, die wir heute noch sehen, saß die Sultanin, von demselben Weinstock pflückte sie ihre Trauben, und lehnte so wie wir an der Brüstung, dieselbe unermeßliche Aussicht betrachtend. Und welche Aussicht hat man hier auf die Vega, auf Granada, auf die Sierra Nevada bis zu den Gebirgen hin, wo die lachende Ebene beginnt. Im Halbkreise vor uns aufgerollt liegt eine illustrirte Geschichte der letzten Zeiten Granada's. Dort in der Ebene sehen wir Alhama, nach dessen Falle sich die christlichen Heerschaaren in die Vega von Granada wälzten.

Durch die Straßen von Granada
Einst der Mohrenkönig ritte.
Von dem Thore von Elvira
Bis zu dem von Vivarrambla.
Wehe mir! – Alhama! –

Kamen Briefe an den König:
Daß Alhama sei gefallen;
Warf die Briefe in das Feuer,
Und den Boten hieb er nieder.
Wehe mir! – Alhama! –

So heißen die ersten Strophen der bekannten schönen Romanze, die ich hier oben so gerne las. Weiter rechts und näher zur Stadt sehen wir Santa Fe, das ehemalige Lager König Ferdinands, dessen Straßen heute noch gerade so sind, wie damals die Zeltgassen liefen. In einer Nacht, erzählt der arabische Chronikenschreiber, entstand das Lager aus vier Theilen, deren Straßen die Gestalt des Kreuzes bildeten. Ja, als am andern Morgen die Mauren staunend hinüberblickten, sahen sie es mit Zinnen und Thürmen umgeben, die wie aus Quadersteinen erbaut schienen; doch waren dieß nur kunstreich angemalte Holzverschläge.

Rund herum sind viele Zelte,
Seiden und mit Gold gesticket,
Herzoge sind da und Grafen,
Viele Herren großen Standes,
Und Feldherren viele andere,
Ferdinand, der König, führt sie.

Fern am Horizonte bemerken wir einen leichten Gebirgszug, von wo König Johann auf die Stadt niederblickte, wie die Romanze sagt, also zu ihr sprechend:

O Granada, wenn Du wolltest,
Würd' ich mich mit Dir vermählen,
Geben Dir zur Morgengabe
Cordova und ganz Sevilla.

worauf Granada antwortet:

Bin schon, Don Johann, vermählet,
Bin vermählet, keine Wittwe,
Und der Maur, der mich besitzet,
Jener Große sehr mich liebet.

Daß trotz dieser stolzen Entgegnung das schöne Granada doch seinem maurischen Liebhaber die Treue brach und sich von den Christen einnehmen ließ, ist nicht zu läugnen. Blicken wir nach jenem kleinen spitzen Hügel, die letzte Höhe eines Ausläufers der Alpujarras, der sich auf der Bergkette so sichtbar abhebt, so haben wir den Ort vor uns, wo der wegziehende König Boabdil noch einmal rastete, um einen letzten traurigen Blick auf sein verlorenes Paradies zu werfen.

Ach, bei diesem Anblick brachen
Aus des Königs Brust die Seufzer,
Thränen überströmten plötzlich
Wie ein Sturzbach seine Wangen.

Düster von dem hohen Zelter
Schaut herab des Königs Mutter,
Schaut auf ihres Sohnes Jammer,
Und sie schalt ihn stolz und bitter.

»Boabdil el Chico,« sprach sie,
»Wie ein Weib beweinst du jetzo
Jene Stadt, die du nicht wußtest
Zu vertheid'gen, wie ein Mann.«

Heute noch heißt dieser Berg el sospiro del Moro, der Seufzer des Mohren.

Mir war der Parador de la Sultana ein so lieber Ort, daß ich manche Stunde hier oben zubrachte. Der Gärtner, welcher den kleinen wunderbaren Platz in Ordnung hielt, gab mir mehrere Sämereien, hier gewachsen, die ich später zu Hause pflanzte und die auch recht gut aufgingen. Wenn dieß aber auch nur ganz gewöhnliche Blumen waren, so freut mich doch noch heute ihr Nachwuchs, da der Same auf der göttlichen Alhambra gediehen. Am Tag vor unserer Abreise schwelgte ich noch einige Stunden hier oben im Anblick der herrlichen Stadt und ihrer prachtvollen Umgebungen, von der ein neuerer Dichter so wahr und treffend sagt:

Regocijate tu, Granada bella,
Ciudad hija del sol, huerta florida,
Que entre nieves estériles descuella;
Taza de nardos, de palomas nido,
Diamante pura que su luz destella,
Paraiso entre rocas escondido!

Freue dich, du schönes Granada, Tochter der Sonne, die ein blühender Garten aus einer Schneewüste hervorprangt. Du bist eine Schale voll köstlicher Wohlgerüche, ein Taubennest, ein Diamant, der funkelndes Licht ausströmt, ein Paradies, in Felsgebirgen verstecket!

Leider war die Jahreszeit noch nicht so weit vorgerückt, daß wir hätten das eigenthümliche, so schöne Leben genießen können, das sich hier an warmen Frühlings- und Sommerabenden auf dem Hauptspaziergange von Granada, dem Paseo, entwickelt; aber auch jetzt schon, beim ersten Knospen des Grüns, beim Anblick einzelner Rosen, die sich schüchtern hervorwagen, ist dieser Spaziergang das Reizendste, was man sehen kann. Bei dem Platze del Lobo, wo unser Gasthof lag, in der Verlängerung der Carrera del Darro, beginnt er und führt bis zur Brücke über den Xenil, einem Bauwerke, das über die Römerzeit hinausreicht. Wenn man sich dort aber links wendet, so ist man wirklich überrascht, hier eine noch viel längere Fortsetzung des Paseo zu finden. An der Brücke befindet sich der sogenannte Salon, ein fünfzig Fuß breiter, mit feinem Kies bestreuter Platz; er hat an jeder Seite zwei Reihen Ulmen und Akazien, unter denen sich zierlich eingehegte Gebüsche, Rosen, Oleander und Granaten befinden; überall stehen steinerne Bänke, und von hier aus setzt sich der Paseo über dreihundert Schritte weit am rechten Ufer des Xenils hin fort, beschattet von einer vierfachen Reihe hoher Schwarzpappeln, und begränzt von einem Rosengarten, wo die Rosensträuche auf Mannshöhe zu reichen Bouquets und Pyramiden zusammengebunden sind. Am Ende des Paseo erhebt sich ein hoher marmorner Springbrunnen, der einen dicken Wasserstrahl so hoch emporschleudert, daß die Tropfen rings umher stäuben und die ganze Umgebung in heißen Sommernächten so köstlich erfrischen und abkühlen. Eigenthümlich ist an diesem Brunnen, daß das Wasser, nachdem es der obern gefüllten Schale entquollen, nicht von einem untern Becken aufgefangen wird, sondern auf ein treppenförmiges Piedestal niederstürzt, wo alle Tropfen abprallen und weit hinaus einen feuchten Kreis beschreiben. Hinten an den Spaziergang schließt sich ein dichtes Gehölz, das sich über den Xenil und die schmalen Fußwege wölbt, welche sich an seinem Ufer hinziehen, und der Fluß braust hier, ein wilder Gebirgsstrom über Felsstücke dahin; links von ihm erheben sich terrassenförmig Häuser, Gärten und Weinlauben neben einzelnen schwarzen Cypressen, bis zur Höhe des Berges, auf dem die Alhambra liegt, über welchen hinaus sich dann allmählig wieder die Sierra Nevada erhebt, bis hoch zu ihren schneebedeckten Gipfeln. In heißen Sommernächten, wo dieser Spaziergang von Tausenden von Männern und schönen Weibern und Mädchen bedeckt ist, die lachend, plaudernd und Fächer wedelnd bis nach Mitternacht hier umherwandeln, wo unter dicht belaubten Bäumen die herrlichste Kühle herrscht, wo Tausende von Rosen duften, wo die Brunnen plätschern, der Xenil schäumend vorbeirauscht, wo das volle Mondenlicht in den glänzenden, melancholisch schwärmenden Augen der Andalusierinnen zittert, muß der Paseo ein wahrhaft himmlischer Aufenthalt sein.

An der alten Brücke, von der ich vorhin sprach, befindet sich eine kleine Kapelle, die dadurch merkwürdig ist, weil hier nach der Übergabe von Granada König Ferdinand und Isabella den Abzug der Mauren erwarteten. Tausende der christlichen Soldaten und der Einwohner der Stadt blickten erwartend auf den Berg der Alhambra empor, und ein Jubelruf zerriß die Lüfte, als mit Einem Male oben auf der Zinne des Torre de la Vela der Cardinal Don Pedro Gonzales de Mendoza und neben ihm der Graf von Tendilla erschienen und dort die Fahnen mit dem Kreuze, sowie das königliche Banner von Castilien aufpflanzten. Unter dem Schmettern der Trompeten erschallte der Ruf der Herolde: »Granada! Granada! für die ruhmgekrönten Könige von Castilien, Ferdinando und Isabella!« Das ganze Heer sank auf die Kniee; das königliche Paar aber rief: »Non nobis, domine, sed tibi sit gloria!« und seit langer, langer Zeit wieder ertönte in der kleinen Kapelle ein feierliches Tedeum.

Auf unsern häufigen Spaziergängen durch die Stadt, bei denen wir theils den Spital San Juan de Dios mit seinem herrlichen Treppenhause und der unnachahmlichen darüber gespannten vergoldeten Holzdecke, theils die arabischen Reste auf dem Albaycin, theils die maurischen Bäder an der Carrera del Darro zum Ziele nahmen, führte uns ben Saken eines Tages zu einem kleinen Hause am Fuß des Berges, im Garten des Dominikanerklosters gelegen, von dem er sehr viel Rühmens machte und das er Cuarto real oder Casa de Boabdil nannte. Wir kamen durch ein ärmliches Stadtviertel, dann durch einen öden Weg, der mit großen, halbverfallenen Mauern eingefaßt war und gelangten aufwärtssteigend in einen verwilderten Garten auf der Höhe von einer dieser Mauern gelegen. Es war eigentlich ein Ackerfeld, doch sah man an zertrümmerten steinernen Wegeinfassungen, sowie an Überresten eines marmornen Springbrunnens und an andern Schutthaufen, daß es hier einstens wohl anders ausgesehen habe. Jetzt war das Feld mit Maulbeerbäumen bedeckt, von Reben umrankt, die weite Guirlanden durch den ganzen Garten zogen. Nachdem wir dieses Feld durchschritten, erreichten wir eine kleine Thür, die einen andern Garten voll undurchsichtiger Gebüsche verschloß. Eine alte Frau ließ uns ein, und zwischen dichten Laubgängen sahen wir hier schon deutlich Spuren ehemaliger Pracht und Herrlichkeit. Da waren kleine Terrassen mit zerfallenen Treppenstufen und großen Wasserbassins, die aber leer waren und ebenfalls halb zertrümmert. Bei einer Biegung um das Gehölz aber hielten wir mit einem Ausruf der Überraschung an, denn vor uns zeigte sich ein breiter Weg, der von einer kolossalen Lorbeerlaube überwölbt war, an beiden Seiten mit fortlaufenden Steinbänken besetzt und gerade auf ein Gebäude führte, das an Zierlichkeit und Reichthum mit dem schönsten auf der Alhambra wetteifern kann. Es war ein maurischer Pavillon mit einer gewölbten Vorhalle, die auf vier schlanken Säulen ruhte und eine Loggia mit Bogen darüber. Hinter der Halle befand sich ein großer Salon mit einem Mittelfenster als Ajimez und zwei kleinen zu beiden Seiten von derselben reichen und zierlichen Construktion, wie die im Saale des Komares. Die hufeisenförmige Eingangsthüre war reich mit Inschriften versehen und prachtvolle Azulejos bedeckten den untern Theil der Wände, und die übrigen obern Felder waren wie die schönen Gemächer der Alhambra, mit reichen Basreliefarabesken verziert. Dieß kleine Haus, sowie der wahrhaft poetische Garten, sehr an die Gesammtanlage der Xeneralife erinnernd, wäre mit wenig Kosten zu restauriren und gäbe eine köstliche Wohnung. Ich habe die Casa de Boabdil nur in Griault de Prangey's Werke erwähnt gefunden; Baumeister Leins, der von der Form und Ausführung entzückt war, zeichnete das Ganze und einige Details, wobei ich ihm so gut als möglich half, indem ich Pflanzenpapier auf die Wände heftete und dann mit dem Bleistifte den unbeschreiblich verschlungenen und in unglaublich kleinem Maßstab ausgeführten Zeichnungen der Fayenceplatten folgte. Auch sind das uns heute noch liebe Andenken, man kann aber auch nichts Zierlicheres und dabei in der Form Strengeres sehen.

Wir hatten in Granada nicht das Glück, öffentliche Feste, wie Stiergefechte oder stark besuchte Theatervorstellungen zu sehen, denn zu den ersteren war die Saison noch nicht angebrochen und letztere meistens leer, da die Oper schlecht und das Ballet ziemlich mittelmäßig war. Eine wohlbeleibte Tänzerin, Sennora Vargas, arbeitete mit wenig Grazie, aber außerordentlicher Körperkraft. Sie warf die Füße und Arme von sich, als hätte sie sich derselben entledigen wollen, und ließ uns Blicke in ihr spanisches Innere thun, welche alles bisher Gesehene in jeder Hinsicht weit übertrafen. Pepita de Oliva, die hie und da bei uns durch ihren Tanz einigen Anstoß erregte, hätte dagegen für eine wahre Vestalin gegolten. Obgleich Sennora Vargas, – dieser Name ist übersetzbar und bedeutet im Spanischen einen Zerschläger, eine Bezeichnung, welche für diese Dame recht passend war – bei den männlichen Zuschauern eine große Partei hatte, welche sie auch mit Kränzen und Blumen bediente, so waren doch die Damen nie stark vertreten, weßhalb wir hier nicht das Glück hatten, einen gewählten Kreis der schönen Andalusierinnen zu sehen. Wir wurden aber dafür bei dem Feste entschädigt, welches zu Ehren der heiligen Cäcilie in einer Wallfahrt nach der Kirche des Sacro Monte bestand, und der wir uns, wie viele Hunderte anderer Spaziergänger anschlossen. Der Weg führte uns aufwärts durch die Darroschlucht zum Albaycin, wo sich noch einige sehr schön und vollkommen erhaltene maurische Wohnhäuser mit reizenden Höfen versehen befinden; worunter das Haus Chapie besondere Erwähnung verdient; im Übrigen ist diese ehemalige Rittervorstadt, namentlich der Theil, der der Alhambra zugekehrt liegt, ein trauriger Schutthaufen, und nur malerisch und interessant durch die vielen seltsamen Wohnungen der hier hausenden Zigeuner. Die meisten leben in Erd- und Felsenhöhlen am Abhange des Berges, wo sie vor dem Eingang eine kleine Mauer von Steinen aufgeführt haben mit einer Hausthür und einem Vordach aus alten Brettern, Steinen und Rasenstücken bestehend; andere haben sich auf die kunstloseste Art Lehmhütten gebaut, bei denen die Fenster als verschwenderisch vermieden sind und der Rauch zum Dach oder zur Thüre hinaus dringt, die freundliche Vegetation aber, welche ganz Granada schmückt, hat sich auch der Zigeunervorstadt freundlich angenommen und Armuth, Schmutz und Elend mit freundlichem Grün zugedeckt. Lorbeeren und Granaten nicken überall zwischen den Steinen und Erdhütten herab, riesenhafte Aloen mit hohem Blüthenstengel bilden die Verzierungen und mannshohe Cactushecken, mit den hellgrünen stachelichten Blättern gewähren undurchdringliche Mauern.

Der Himmel blickt klar und heiter auf das Fest der Wallfahrt herab. Durch den Albaycin erreichten wir wieder das steile Ufer des Darro, der tief unten in seiner Schlucht dahin brauste, und gegenüber erhob sich der grün bewachsene Bergabhang, auf dem Alhambra und Xeneralife liegen, ein Anblick, wie von überall, so auch von dieser Seite entzückend schön. Die rothen gewaltigen Thürme des Maurenschlosses, sich von der grünen Wand scharf abhebend, zogen sich mit ihrer Verbindungsmauer hier tief hinab und stiegen dort wieder am Abhange hinauf. Von der Höhe glänzten die zierlichen Hallen der Xeneralife blendend weiß. Und wie war die Straße, auf der wir gingen, so mannigfaltig und schön belebt; Wagen, Reiter und Fußgänger folgten einander, umschwärmt von zahllosen Zigeunerkindern, die mit ausdauernder Zudringlichkeit Blumen zum Verkauf anboten oder Purzelbäume schlugen, um eine kleine Gabe zu erlangen; andere dieses industriellen Volkes hatten sich auf den hohen Rändern des Weges gelagert und machten dort mit Guitarren und Panderos unter dem Schmettern der Castanuelos und den brummenden schnarrenden Tönen der Zambomba eine häufig sehr barbarische Musik. Was soll ich aber sagen von den Hunderten in der That überraschend schönen Weibern und Mädchen, die in einem nicht enden wollenden Zuge lachend und plaudernd die Höhen hinanstiegen, auf welchen das Kloster der Heiligen liegt. Dicht vor demselben verengt sich der Weg und windet sich ziemlich steil durch ein dichtes Gebüsch hinauf, und in einer solchen Biegung der Straße ließen wir uns auf einem alten umgestürzten Baumstamme nieder und da ausruhend die schöne Damenwelt Granada's an uns vorüberziehen zu lassen. So was hatten wir in der That bis jetzt in Spanien noch nicht erlebt. Ein wunderschönes Mädchen folgte dem andern, nicht blos mit schwarzen glänzenden Augen in dem reizenden Gesichte, mit dichtem glänzendem Haar, blühenden Lippen und weißen Zähnen, sondern auch mit der elegantesten und graziösesten Taille und den zierlichsten kleinen Füßen stiegen sie plaudernd und schäkernd leicht und gewandt wie Gemsen den Abhang hinan, um droben zwischen dem Grün zu verschwinden. Und nicht nur war hie und da Eine wirklich schön, nein, Alle, Alle; ja, und unter vielleicht tausenden, die hier vorbei kamen, befanden sich nicht ein halbes Dutzend, bei denen man nicht hätte ausrufen mögen: Wie reizend! wie schön! Wir sahen nur staunend einander an und lachten immer herzlicher, so oft eine neue Gruppe sichtbar ward. Unsere Fröhlichkeit und die augenscheinliche Freude, mit der wir die Mädchen anstaunten, schien aber die schönen Spanierinnen nicht im Geringsten zu verletzen. Ebenfalls uns entgegenlachend zeigten sie ihre blendenden Zähne und blitzten uns unter Mantille und Fächer hervor mit ihren gefährlichen Augen an. Schwer ist es dabei zu sagen, worin eigentlich die andalusische Schönheit besteht. Auch an andern Mädchenköpfen findet man dieselben dunkeln Haare, ebenso strahlende Augen, frische Lippen und schöne Zähne, und doch macht das Ensemble nicht die überwältigende Wirkung, wie bei diesen Südspanierinnen. Liegt dieser unnennbare Reiz in dem zauberhaften Teint, der, obgleich weiß und blendend, doch einen bräunlichen Anflug hat, durch welchen wieder ein wunderbares Roth hervorbricht; liegt er in den schwarzen prächtig gewölbten Brauen und den langen seidenen Wimpern, welche fast schläfrig über die Augen herabhängen? Aber diese Augen! Sie sind es wohl, sie, die wahrhaft sengend hervorblitzen, die so unaussprechlich beredt sind, worin das eigenthümlich Reizende dieser Spanierinnen besteht. Freilich ist auch die andalusische Tracht so schön und kleidsam, als irgend eine in der Welt, die dunkelseidene Basquina, die den Körper umspannt und die vollen, reichen Umrisse desselben, die sie verhüllen soll, erst recht zeigt, und vor allem die Mantille! Hier durch einen niederen Kamm auf den dichten Flechten des Hinterkopfes gehalten, fällt ihr Spitzenrand leicht auf die Stirn, der längere Theil aber über Nacken und Rücken, sowie an den beiden Seiten des Kopfes herab, wobei es die Andalusierin so meisterhaft versteht, mit dem dünnen Gewebe bald die Gluth des Auges zu verdecken, bald die vollen Strahlen hervorbrechen zu lassen. Zu diesem gefährlichen Spiele kommt noch der stets bewegliche, goldglänzende Fächer, der hier dazu dient, einen allzukühnen Blick abzuwehren, dort ein Zeichen gibt, oder zusammenfallend die ganze Gluth der Augen auf einen geliebten Gegenstand ausströmen läßt. Für die ganze wunderbare Erscheinung einer schönen Andalusierin mit ihrem so unbeschreiblich liebenswürdigen und koketten Wesen, mit der Elasticität und Grazie ihres Körpers, worin eine spanische Maja die eleganteste Pariserin weit übertrifft, gibt es im Spanischen einen unübersetzbaren Ausdruck: sal andaluz, andalusisches Salz. Vor einem reizenden Mädchen ruft der Spanier entzückt aus: tiene mucha sal, sie hat viel Salz oder es muy salada: sie ist sehr gesalzen; das klingt freilich in der Übersetzung eigenthümlich und läßt sich nur dann verstehen, wenn man es am richtigen Ort angewendet gehört hat. Die zärtlichsten Ausdrücke des Andalusiers für seine Geliebte beziehen sich auf sal und salero. So ruft er ihr leidenschaftlich zu: salero del alma: Salzfaß meiner Seele! Das scheint für uns übertrieben, hat man aber den Gruß gehört, womit der Majo die Maja anredet, seinen leidenschaftlichen Ausruf: Gott segne die Mutter, die dich geboren hat! Möge die heilige Jungfrau deine schwarzen Augen bewahren, Königin! Ha! Gottes Leben, welch ein Gang! Dann wird man sich nicht wundern, wenn noch eine Steigerung erfolgt, viva la sal andaluz! – Übrigens ist la gracia andaluz in ganz Spanien sprichwörtlich, und von den Schönheiten anderer Länder sagt der Spanier: son bonitas, pero no tienen gracia, schön sind sie wohl, aber ihnen fehlt die Grazie. Engländerinnen und Französinnen mißfallen im Allgemeinen dem Spanier, erstere sind ihm zu weichlich und prüde, die letztern haben zu viel von den Schönheiten seines eigenen Landes, ohne diese jedoch erreichen zu können; die deutschen Frauen dagegen denkt sich mancher Spanier als Ideale von Sanftmuth, blonden Haaren, blauen Augen und einem frischen Teint von Rosen und Lilien, und sagt von ihnen: han de ser muy dulces las Alemanas, sie müssen wohl recht sanft sein, die Deutschen.

Nachdem wir lange genug geschaut und der Strom der Spaziergängerinnen immer noch nicht enden wollte, stiegen wir zwischen einer ausgesuchten Gruppe hinauf, nicht ohne uns häufig vergnügt lachend umzusehen; das nahmen aber diese schönen Kinder durchaus nicht übel, ja, wenn irgendwo ein paar zwischen den Bäumen standen und auf den so dicht bevölkerten Zickzackweg hinabschauten und Einer von uns vielleicht in die Worte ausbrach: Welche Schönheit, welche Augen! so war das für die schöne Andalusierin kein Grund, um wegzuschauen, wie es die Tochter einer andern Nation augenblicklich gethan hätte, sondern diese hier blickte uns mit gesenktem Fächer fest in's Gesicht, als wenn sie sagen wollte: Schön bin ich, das weiß ich; betrachtet mich nur nach Herzenslust, das wird mir und euch keinen Schaden bringen.

Dabei erwiederten Weiber und Mädchen augenblicklich unsere Grüße aufs Freundlichste und grüßen mußte man nach allen Seiten, denn das Gedränge war oft so dicht, daß man sich häufig im wahren Sinne des Wortes zwischen den reizenden Andalusierinnen durchdrängen mußte. Ich weiß nicht, wie ich darauf verfiel, als wir bei einer Familie vorbeikamen, bestehend aus einem ernsten Herrn, einer etwas finster blickenden Mutter und zwei wunderschönen Mädchen von fünfzehn und sechszehn Jahren, daß ich mir beifallen ließ, in einem wahrscheinlich sehr schauderhaften Spanisch die prachtvollen Veilchenbouquets zu loben, welche Mutter und Töchter in den Händen trugen. Hatte ich nun einen falschen Ausdruck gebraucht oder klang die Sprache gar zu hart und komisch, genug, der alte Herr grinste freundlich, die Mutter lächelte, beide Töchter aber lachten fröhlich hinaus und Eine bot mir ihren Strauß mit den Worten: »Nehmen Sie, wenn es Ihnen Vergnügen macht. Es sind Veilchen von Granada, die schönsten der Welt.« Wer aber nach solchen Zügen, die nur Herzensgüte und Freundlichkeit athmen und nur Beweise sind einer übersprudelnden geistigen Kraft und eines warmen innigen Gefühls, sich einbilden wollte, er habe den Anfang zu einer intimen Bekanntschaft gefunden, und dürfe es nächstens schon wagen sich einige Freiheiten herauszunehmen, der würde sich gewaltig wundern. Freilich gibt es Reisende, die eitel genug sind, vielleicht an ihre Unwiderstehlichkeit glaubend, in Erzählungen durchblicken zu lassen, wie wenig Mühe es ihnen gekostet, mit den anständigsten spanischen Damen ein Verhältniß anzuknüpfen. Was aber von dergleichen Geschichten zu glauben ist, weiß jeder Unbefangene, namentlich hier in Spanien, wo in dieser Richtung der Schein so gewaltig trügt. Man findet ein paar spanische Damen auf dem Paseo oder im Theater, man redet sie freundlich und ehrerbietig an und sie werden liebenswürdig und herzlich antworten. Sie werden sich nach beendigtem Gespräche mit Blicken entfernen, worin eine ganze Welt liegt. Ja, sie werden am folgenden Tage den Bekannten von gestern vielleicht zuerst und aufs Freundlichste grüßen und das wochenlang so fortsetzen. Hiemit ist aber auch die Gränze aller Annäherung erreicht, es sei denn, daß eine Spanierin selbst ein Verhältniß anknüpfen will; dann freilich folgt sie ihrem festen Willen, aber auch dann läßt sie sich nicht lieben, sondern sie liebt.

Auf dem Platze vor dem Kloster war nun ein buntes und bewegliches Leben; es war hier zu gleicher Zeit ein kleiner Jahrmarkt und zu Ehren der Heiligen wurde gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Weit auf der ganzen Anhöhe umher sah man zahlreiche Gruppen zerstreut, meistens lagerten befreundete Familien auf den Abhängen des Darroufers, der hier ein paar hundert Fuß tief unter uns floß. Auch wir legten uns in das frische Gras im warmen entzückenden Sonnenschein, über uns der tiefblaue andalusische Himmel, rings um uns her Geplauder, Gelächter, der Klang der Guitarren und das Klappern der Castagnetten. Und welch herrliche Aussicht hatten wir hier oben, abgesehen von den schönen Andalusierinnen, die in allen Lagen und den vielgestaltigsten Gruppen überall den grünen Rasen einnahmen und deren Augen und Fächer um die Wette glänzten und blitzten; vor uns tief im Thale sahen wir über Granada weit in die Vega hinein bis zu den grauen Gebirgen der Sierra Elvira, neben uns auf hoher Bergwand die Alhambra und Xeneralife, welche beide auf so verschiedene und eigenthümliche Art den letzten Kuß der Sonne empfingen. Während die gewaltigen Thürme der ersteren rothglühend majestätisch und trotzig aus dem Grün hervorragten, sah der weiße luftige Bau der Xeneralife aus wie mit Silber übergossen und erschien in seinem Walde von Cypressen und Lorbeeren wie ein Bouquet weißer, duftiger Maiblumen zwischen ihren grünen glänzenden Blättern.

O, wie wahr ist das spanische Sprüchwort: »El que no ha viste Granada, no ha visto nada.« Wer Granada nicht sah, hat nichts gesehen. Ja, hier möchte ich mein Zelt aufschlagen und mein Leben beschließen!


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