Friedrich Hackländer
Ein Winter in Spanien
Friedrich Hackländer

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Obgleich man, wie schon früher bemerkt, die schönsten Ölbilder von San Lorenzo nach Madrid in das königliche Museum gebracht, und obgleich auch während der Franzosenzeit viele werthvolle Stücke verloren gegangen sind, so befinden sich doch noch in den Gängen und Zimmern des Escorial wohl an sechshundert Bilder, unter denen gewiß zwei Drittel Werke von großen Meistern, Spaniern, Niederländern und Deutschen, unter letzteren namentlich von Albrecht Dürer.

Daß wir, selbst beim Beschauen dieser Gegenstände von hohem Interesse, auch unserem blinden Führer häufig die Blicke zuwandten, wird man gewiß begreiflich finden; er führte aber auch sein Amt mit einer staunenerregenden Sicherheit. Während er beim Vorwärtsschreiten die rechte Hand auf die Schulter seiner kleinen Enkelin hielt, hatte er in der linken einen langen Stab, auf den er sich im Gehen stützte und ihn nur zuweilen tastend vor sich hin streckte. Kaum waren wir in das Kloster eingetreten, so fing er auch sogleich seine Erklärungen an, nannte uns die Zahl der Säulen, der Treppenstufen und dergleichen, wobei er nicht unterließ, bald hierhin, bald dorthin zu zeigen und uns auf die Schönheit dieser oder jener Ausführung aufmerksam zu machen. In der That höchst merkwürdig war es aber, als er uns die Deckengemälde über der großen Haupttreppe, die am Apostelhofe liegt, erklärte. Schon als wir hinaufstiegen, sagte er: »Wenn Sie in die Höhe blicken, so werden Sie aus dem berühmten Bilde des Giordano die und die schöne Gruppe vor sich sehen; bemerken Sie dieß und das, es sind die schönsten Stellen im Bild.« Oben angekommen erklärte er uns nun jedes Einzelne nach seinen Haupt- und Nebengruppen, indem er mit seinem Stocke darauf hinwies und oftmals einer einzelnen hervorragenden Person nicht vergaß; ich muß gestehen, daß wir den Versuch machten, ihn irre zu führen, weil man uns versichert hatte, das sei unmöglich, so genau habe er Lokalitäten und alle Sehenswürdigkeiten seinem Gedächtniß eingeprägt. Und so war es auch. Ich stand neben ihm, er hatte mir das Bild vor uns erklärt, worauf ich mit einemmal von dem Gemälde sprach, welches hinter uns lag und er mir alsbald erwiederte: »Ah, Sie meinen das in unserem Rücken! dort ist die Figur, von der Sie reden.« Damit wandte er sich um, und so ward es uns leicht, ihn durch Bemerkungen zu veranlassen, sich häufig ganz herumzudrehen, worauf er denn zuletzt ohne Hülfe weiter schritt den langen Corridor hinab, bei mehreren unbedeutenden Gemälden vorbei und endlich mit der größten Sicherheit vor einem stehen blieb, das er uns ebenfalls erklärte. Ebenso auffallend war die Genauigkeit, mit welcher er uns den engen Weg zur Kuppel hinaufführte; Treppen und Gänge dahin sind anfänglich in die granitnen Mauern der Kirche gehauen oder vielmehr beim Bauen ausgespart und oft so eng, daß Einer hinter dem Anderen gehen muß. In der Höhe der Gewölbebogen führt dieser Gang rings um das Langhaus, die Kreuzarme und den Chor herum und ist in schwindelnder Höhe zu oberst über den Retabel des Hochaltars weggeführt, wo uns der blinde Führer an den Gewändern der hochstehenden Bronzestatuen vorbei und durch die herabhängenden Zipfel ihrer Mäntel schlüpfen ließ. Häufig kann man auf diesem Wege einen Blick in die Kirche werfen, und bei jeder dieser Stellen blieb unser Führer stehen, wandte seine starren, glanzlosen Augen in den weiten Raum hinab und konnte zum Beispiel sagen: »Wenn Sie rechts bei dem Pfeiler, der gerade vor Ihnen steht, vorbei sehen, so haben Sie einen hübschen Blick auf den prächtigen Kronleuchter von Bergkrystall, welcher von hier so ganz eigenthümlich funkelt.«

Aufwärts zur Kuppel führt eine bequeme Treppe durch einen der riesenhaften Pfeiler des majestätischen Unterbaues, doch gelangt man über sie nur bis zu dem mit Blei gedeckten Kranze, der den Fuß der Kuppel umgibt. Überrascht hat uns die eiserne Consequenz in diesem Bauwerke, auch bei der Bedeckung der Kuppel, welche nicht etwa aus Kupfer oder Blei besteht, sondern die gekrümmte Fläche ist ebenfalls aus mächtigen Granitquadern zusammengefügt, in die zum Weiterhinaufsteigen von außen Stufen gehauen sind. Ist diese Ersteigung bei gewöhnlichem Wetter schon ziemlich gefährlich, so wäre es heut bei starkem Glatteise, welches den Bleiboden, die Eisenstangen des Geländers, ja selbst die rauhen Granitquadern mit einer spiegelglatten Kruste überzog, ein Wahnsinn gewesen, höher hinaufzuklettern um so mehr, da die Aussicht hier oben nicht besonders belohnend ist; man sieht gegen Norden dicht vor sich den Gebirgszug des Guadarrama, auf dieser Stelle fast ohne alle Vegetation, jetzt einigermaßen belebt durch lange Schneestreifen in Vertiefungen und Schluchten, durch welche die zackigen und zerklüfteten Felspartien noch schärfer hervortraten. Gegen Süden und Osten haben wir vor uns das grün bewachsene Thal bis an den Fuß des Hügels, auf dem der Escorial liegt, hinter diesem dehnt sich dagegen weit die langweilige und öde Hochebene aus, heut mit trübseligen Wolken und Nebelmassen bedeckt, die langsam über sie dahin ziehen und uns nur ahnen lassen, wo Madrid liegt.

Interessant dagegen ist von hier oben der Anblick über die gewaltigen, durch Menschenhände zusammengetragenen Granitmassen zu unseren Füßen, diese unendlichen Häuserreihen, die unzähligen Höfe, die langen Fronten, welche zusammen das Kloster bilden. Hierbei kann man sich auch mit einiger Phantasie in die Idee des Erbauers finden, welche dem Hauptplan zu Grunde liegen soll. Er, welcher sich so gern an Martern und Märtyrern ergötzte, wollte diesem Hause, welches San Lorenzo gewidmet war, die Gestalt des Rostes geben, auf welchem der römische Kaiser Valerian im dritten Jahrhundert den Heiligen bei langsamem Feuer lebendig braten ließ. Die vier Thürme an den vier Ecken des Quadrats könnten die Beine des Rostes vorstellen, die Häuserreihen mit den zusammenhängenden Dächern, welche sich alle in rechtem Winkel durchschneiden, die Eisenstangen, und die Höfe dazwischen die Öffnungen, durch welche die Flammen emporschlugen.

Mag nun die eben angeführte Idee bei dem Bau dieses Klosters zu Grunde gelegen haben oder nicht, so viel ist gewiß, daß es den Besuchern kalt und unheimlich entgegenweht aus diesen Steinmassen, welchen der finstere Geist, der sie zu einem Gebäude zusammentragen ließ, seinen kenntlichen Stempel aufdrückte. Schwermüthig wie Kerkerhallen sind diese Räume, und ich bin überzeugt, der frischeste, gesundeste Lebensmuth müßte hier zu Grunde gehen. Traurig tönte der Wiederhall unserer Schritte durch diese endlosen, leeren Gänge, und wenn man beim Betrachten eines Bildes zufällig einmal allein zurückblieb, so konnte man erschrecken über die Todtenstille, die uns dann plötzlich umgab. Unheimlich erscheinen diese endlosen Corridors, diese gewaltigen Treppen, geräumig genug für Hunderte von Personen, jetzt nur bedeckt mit dem Staube, der sich langsam auf den grauen Granitstufen ansetzt. Eine einigermaßen freundliche Partie finden wir auf der Südseite. Dort ist eine von Säulen getragene Halle auf einer Terrasse erbaut, früher ein Aufenthalt für alte und kranke Mönche, die sich vielleicht zu einem Spaziergange in den weiten Gärten des Klosters nicht kräftig genug fühlten; doch sieht man hier die Parkanlagen vor sich, dicht unter der Terrasse Gärten im alt italienischen Geschmack mit geraden geschorenen Hecken, die Wege mit Steinplatten bedeckt und die Beete mit niederem Buxbaum verziert, der zu allerlei seltsam verschnörkelten und phantastischen Zeichnungen zusammen gepflanzt ist. Heute sahen diese Beete eigenthümlich aus, denn auf den Blättern der Buchssträucher war der Schnee liegen geblieben und so traten all die Zeichnungen weiß auf dem grauen Grunde der Steinplatten ausdrucksvoll hervor. Hinter diesen Gärten beginnt der Park, man sieht hohe Bäume, Wiesen, Teiche und kleine Bassins mit Springbrunnen. Unterdessen war es spät geworden und der trübe, nebelige Tag brachte so frühzeitig Dämmerung und Abend, daß wir nicht daran denken konnten, noch länger bei den verschiedenen Sehenswürdigkeiten im Kloster zu verweilen, wir schritten noch einmal durch die weite Kirche und sahen uns die Vorbereitungen an, welche zum Empfang der Leiche der Infantin getroffen waren. In der Mitte des Hauptschiffes hatte man auf dem Boden eine Estrade errichtet, über welcher eine rothe Sammtdecke lag; darauf stand ein kleiner Tisch oder besser gesagt, ein Gerüst, das gerade so aussah, nur war es auf allen Seiten mit weißem, silbergesticktem Atlas überzogen. Oben darüber lag eine feinere Decke, ebenfalls von rothem Sammt mit dem königlichen Wappen und goldenen Fransen. Die Kirchendiener waren beschäftigt, riesenhafte Bronzecandelaber mit Wachslichtern zu bestecken oder Wachsfackeln von merkwürdiger Dicke um die Estrade aufzustellen, während zahlreiche Chorknaben sich die Langeweile mit Spielen vertrieben, welche gerade nicht besonders zur Heiligkeit des Ortes paßten. Es war fünf Uhr Nachmittags, und der Berechnung nach konnte der Zug mit der Leiche der Prinzessin gegen sieben eintreffen. Wäre Escorial eine volkreiche Stadt, so würden wahrscheinlich jetzt schon die Höfe des Klosters und der große Platz vor demselben mit einer zahllosen Menschenmenge bedeckt gewesen sein; da das Städtchen aber nicht viele Einwohner aufzuweisen hat, sich auch das Wetter für einen spanischen Geschmack höchst unangenehm anließ, – der Nebel beeilte sich nämlich so sehr auf die Erde herabzukommen, daß er sich dabei in einen feinen Sprühregen verwandelte, kalt und durchdringend, – so lag der Platz öde und leer, in der Entfernung sah man vielleicht einen Schatten vorbeihuschen, und im schnellen Trabe kam ein dem Zuge vorausgeschickter Reiter um die Ecke, fest in seinen weißen Mantel gewickelt.

Unser kleiner Salon in der Fonda, obgleich immer noch recht kühl, hatte doch durch fortgesetzte Brasseroerwärmung, durch angezündete Lichter und die Zubereitungen unseres bescheidenen Diners ein wohnlicheres Ansehen erhalten. Wir verabschiedeten unseren Blinden, der uns versprach, morgen früh wieder zu kommen, und setzten uns zu Tische. Schon in Madrid hatte man den kleinen Gasthof als den besten in Escorial bezeichnet und uns dabei aufmerksam gemacht, wir möchten nicht vergessen, uns die Tochter des Wirthes recht zu betrachten, ein Mädchen, selbst nach spanischen Begriffen von vollendeter Schönheit. Und dieß Lob war nicht übertrieben; wir hatten das Glück, bei Tische von ihr bedient zu werden, und sie that das gewiß nicht ohne Absicht, denn da wir beständig nur auf ihre schönen, glänzenden Augen, auf ihren lachenden Mund mit den frischen Lippen und weißen Zähnen sahen, so vergaßen wir es, dem Diner unsere volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und fanden erst nachher, daß dasselbe sehr mittelmäßig gewesen und uns von dem klugen Wirthe vermittelst der in der That unvergleichlichen Schönheit seiner Tochter eingeschmeichelt worden sei. Wie gewöhnlich mußte uns eine vortreffliche schwarze und heiße Chokolade entschädigen, und kaum hatten wir diese beseitigt, so fingen die Glocken des Klosters drunten an zu läuten. Kanonenschüsse in regelmäßigen Pausen schlugen an unser Fenster, daß die schlecht eingefaßten Gläser klirrten, und Stimmen auf der Straße riefen: sie kommen! sie kommen!

Wir nahmen unsere Mäntel über, traten vor das Haus und schloßen uns einigen Vorübereilenden an, in deren Begleitung wir nach kurzer Zeit das Kloster erreichten. Es war eine finstere, unfreundliche Nacht; der anhaltende Regen hatte freilich aufgehört, doch fielen noch hie und da einzelne schwere Tropfen hernieder, himmlische Thränen, recht passend zu der Feierlichkeit, die hier vor sich gehen sollte. Ein frischer Wind jagte den Nebel über den Platz daher uns kältend in das Gesicht, und hüllte alles dergestalt in seine grauen Schleier, daß man nur wenige Schritte deutlich vor sich sehen konnte. Hier unten hatte sich die Scene bedeutend geändert; Infanterie war aufgestellt worden und bildete vom Hauptportal an ein Spalier um das Kloster herum bis an den Abhang hin, auf dem der Escorial liegt, und bis zur Straße, auf welcher auch wir herauf gefahren. Sonst waren bis jetzt noch nicht viele Zuschauer zur Feierlichkeit gekommen und die wenigen, welche da waren, verschwanden auf dem weiten Platz und zwischen den kolossalen Säulen des Eingangs. Hier befanden sich Wachsfackeln, die vor dem Zugwinde kaum ihr Licht erhalten konnten, weßhalb der Schein derselben unruhig hin und her zuckte, jetzt zusammen sank und der andringenden Nacht ihr Recht einräumte, jetzt wieder hoch empor flackerte, das gewaltige Granitgewölbe über uns auf Augenblicke hell erleuchtend. Auch in dem Portikus vor der Kirche am gegenüberstehenden Ende des Patio de los Reyes brannten Fackeln, den großen Raum spärlich erhellend, während dahinter die Thüren in den Dom weit offen standen, aus denen reiches Licht hervorstrahlte, zu dem sich das Auge gern wandte, namentlich gegen den flimmernden Glanz der Hunderte von Wachskerzen vor dem Chor und im Schiffe, welches aus dem Dunkel gesehen, eingerahmt von dem Bogen der gewaltigen Thüre, wie ein Weihnachtsbaum mit unzähligen Lichtchen aussah. So freundlich dieser Anblick in der That war, so ernst und düster erschien der des Platzes draußen; Pechpfannen brannten rings um die gewaltige Steinmasse des Klosters und warfen ihren dunkelrothen Schein an den grauen Mauern empor, spiegelten sich in den zahllosen Fenstern und versuchten es vergeblich, der Nebelmassen Herr zu werden, die wie ein böser Feind rings umher lagerten, gewaltsam näher drängten, und wenn sie auch von dem brennenden Pech hie und da ein röthliches Licht annahmen, doch den Schein desselben so eng umschlossen hielten, daß dem Soldatenspalier wenig davon zu gute kam; nur bei denen, welche am nächsten standen, bemerkte man das Blitzen eines Gewehrlaufes, eines Säbels; gleich den Nebenmann sah man nur noch in dunklen Umrissen, dessen Nachbar war schon ganz schattenhaft und die Übrigen nicht mehr zu erkennen.

Wir schritten um das Kloster herum gegen das Ende des Soldatenspaliers, und noch ehe wir dieses erreicht hatten, sahen wir den Leichenzug vor uns aus der Tiefe emporsteigen, in diesen Umgebungen bei der geschilderten Nacht und Beleuchtung schauerlich prächtig. Zuerst war es, als wenn vor uns in der Tiefe die Nebel leuchtend würden, dann dunkelroth und sich zuletzt in eine glühende Lohe verwandelten, die immer höher und höher stieg. Wir vernahmen die ernsten, feierlichen Klänge der begleitenden Trauermusik, den tiefen und geheimnißvoll tönenden Gesang der Geistlichkeit, welche dem Sarge vorausschritt, sowie zuweilen das dumpfe Wirbeln der Trommeln; dabei wurde der Nebel vor uns immer heller und heller, die gewaltigen Massen desselben, welche sich im Thale gelagert hatten, schienen langsam aufzusteigen, sich dem Leichenzuge der Prinzessin anzuschließen, und qualmten bis hoch an den Himmel empor. Jetzt sahen wir Lichter hindurch schimmern, helle und dunkelrothe Flämmchen von den Wachskerzen und den Pechfackeln; ein Gewimmel schattenhafter Gestalten hatte die Höhe erreicht, über ihnen empor glänzte ein goldenes Kreuz, welches zuerst deutlich sichtbar wurde, dann vernahm man plötzlich das Klappern der Hufe auf dem Pflaster, das dumpfe Rollen der Räder; das Commandowort zum Präsentiren des Gewehrs erscholl durch die Reihen der Soldaten, und eine Musikbande, die am Hauptportale aufgestellt war, spielte den königlichen Marsch.

In langsamem Schritte zog der Leichencondukt bei uns vorüber, voraus ein Piket der berittenen Leibwache der Königin, zwei Trompeter, an ihren Instrumenten lang herabhängend das mit Flor umhüllte spanische Wappen, ihnen folgte der Oberststallmeisterstab Ihrer Majestät, auf Pferden in reicher Zäumung mit Wappenschildern einen Reiter umgebend, der die Standarte des königlichen Hauses trug. Darnach erschien hohe und niedere Geistlichkeit, die Bischöfe von La Granja und San Ildefonso, welche die Leiche am Weichbilde des Escorial erwartet; ihnen voraus schritt ein Ehrenkaplan mit dem großen goldenen Kreuze der königlichen Kapelle von Madrid, hierauf kam ein Musikchor, Sänger und zahlreiche Dienerschaft des königlichen Hauses. Jetzt bemerkten wir schon von Weitem den weißen mit Rosen umwundenen Wagen, auf dem die Prinzessin lag; er bildete eine eigene reiche Gruppe in dem großen Zuge. Derselben voran ritt abermals ein Piket Garde du Corps, ihnen folgten Kammerherren und Edelleute des königlichen Hauses, der Obersthofmeister du jour zu Pferde mit dem Amtsstabe, gefolgt von zwei berittenen Leibwachen Ihrer Majestät. Unmittelbar vor dem weißen Wagen ritt der Großstallmeister des Königreichs, zu beiden Seiten zwei Oberstallmeister mit Wachsfackeln; die goldenen Schnüre der Decke, unter welcher die Infantin lag, wurden von vier Kammerherren gehalten, und hinter jedem derselben gingen zwei Lakaien mit brennenden Wachskerzen in den Händen. Dem Wagen folgte der Oberstkammerherr Ihrer Majestät, der Marquis de Los Llamos, welchem die Ausführung der Funktion übertragen war; er hatte an seiner Seite den Erzbischof von Seleucia; hinter ihm ritt wieder ein Piket der königlichen Garden, ihnen folgten die Staatswagen der Königin, der Oberst der Garde du Corps mit vier königlichen Stallmeistern, sowie ein Oberst der Kavallerie, welcher Deputationen aller der Waffengattungen führte, die sich in Madrid befanden.

So zogen sie an uns vorüber, und der feierliche, wirklich ergreifende Anblick, den der Leichencondukt gewährte, ist nicht mit Worten zu schildern. Die finstere Nacht, der wallende Nebel, Trauermusik, Trommelwirbel und die Salven der Artillerie, alles trug dazu bei, diesen Anblick großartig und mir unvergeßlich zu machen. Wie prächtig wurden die einzelnen Gruppen von den rothen Streiflichtern der Fackeln beleuchtet, wie funkelte im Schein derselben die glänzende Schirrung der Pferde, die reichen Stickereien der Reiter, die blanken Helme der Gardes du Corps! Diese hatten ihre weißen Mäntel von dem rechten Arme zurückgeworfen und hielten den breiten Pallasch gesenkt in der Hand.

Vor dem Hauptportal hielt der Leichenwagen, wo sich bereits Edelleute des königlichen Hauses befanden, sowie das Ayuntamiento von Escorial, um den Körper der Infantin in Empfang zu nehmen. Zwei Oberstallmeister hoben den kleinen Sarg vom Wagen herab und übergaben ihn vier Kammerherren, welche ihn in die Vorhalle trugen und auf eine Erhöhung stellten, die man dort aufgerichtet hatte. Es war ein feierlicher Moment, als nun aus der geöffneten Kirchenthüre die Klänge der Orgel hervordrangen und unter derselben die Geistlichkeit der königlichen Kapelle des Escorial erschien und sich in Prozession langsam vorwärts bewegte über den dunkleren Hof der Könige nach der jetzt hell erleuchteten Vorhalle. In ihren reichen, gold- und silbergestickten Gewändern schritten die Priester bei Kerzenschimmer und Fackelschein unter Vortragung des großen, goldenen Kreuzes der Kirche über die Stufen herab, gefolgt von ihren Kaplanen, Vikaren und rothgekleideten Chorknaben, welche theils die Schleppen der langen Gewänder trugen, theils die goldenen Rauchfässer schwangen. Nachdem sich beide Züge um den Sarg der Prinzessin gruppirt, trat der Kaplan und Secretär des Patriarchen der beiden Indien vor und las mit lauter Stimme den Befehl Ihrer Majestät der Königin, wornach die Leiche ihrer Tochter dem ersten Geistlichen der Kirche San Lorenzo, welche früher ein Kloster gewesen, jetzt aber zum Range einer königlichen Kapelle erhoben worden sei, übergeben werden solle, damit derselbe nach hergebrachter Ordnung für die Beisetzung Sorge trage. Ein Archivar der Krone verlas hierauf eine Verordnung des Königs Philipp IV., die Beisetzung der Mitglieder des königlichen Hauses betreffend. Dann näherte sich der erste Geistliche des Escorial dem Sarge und fragte den Oberstkammerherrn Ihrer Majestät, ob er von der Königin beauftragt sei, den Körper der Infantin zu überbringen, was dieser mit einem lauten Ja beantwortete. Vor dem Kammerherrn wurde nun die rothe Decke abgehoben, der äußere Sarg geöffnet, in welchem sich ein zweiter von Blei befand, der eine mit Krystall verschlossene Öffnung hatte, durch welche man den Kopf der Infantin sehen konnte. Der Oberststallmeister und der Oberstkammerherr traten näher, betrachteten einen Augenblick das kleine bleiche Gesicht und verkündeten den Umstehenden laut und feierlich, es sei dieß in der That der Leichnam Ihrer königlichen Hoheit, den sie im Schlosse von Madrid übernommen. Der erste Geistliche von San Lorenzo, von seinem Diakonus und Subdiakonus assistirt, sprach nun den Segen über die Todte, besprengte sie mit geweihtem Wasser, worauf sich beide Gefolge vereinigten und unter Voraustragung der zwei Kreuze den Sarg in die Kirche begleiteten, den vier Stallmeister emporhoben und später vor dem Hochaltar auf der schon oben erwähnten Estrade niederließen.

Es ist auffallend, wie oft bei der Beisetzung eines Mitglieds der königlichen Familie die Identität der Verstorbenen bestätigt werden muß. Gleich nach dem Tode der kleinen Prinzessin wurde diese in dem Schlafzimmer, wo sie verstorben, der ersten Staatsdame der Königin und Erzieherin der Prinzessin von Asturien übergeben, welche die kleine Leiche in einen der Säle bringen ließ, sich ihr zu Häupten setzte und warten mußte, bis der Minister des Hauses und der erste Notar des Königreichs erschienen, denen sie feierlich bezeugte, sie sei beim Tode der Prinzessin zugegen gewesen und habe den Körper derselben keinen Augenblick verlassen, worüber der Großnotar folgenden Akt aufnahm: »Ich bezeuge und bestätige, daß Ihre königliche Hoheit im königlichen Palast eines natürlichen Todes starb; zu Erfüllung meines Amtes eilte ich an ihrem Todestage in der Frühe herbei, trat in einen der Säle des Palastes und sah die Leiche Ihrer königlichen Hoheit, das Gesicht gänzlich enthüllt; sie war bekleidet mit einem weißen Battistkleide, reich gestickt und mit dem königlichen Wappen eingefaßt; sie lag auf seidenen Kissen in einer großen Platte von Silber.«

So oft nun ein neuer Beamter, der bei der Beerdigung zu thun hat, erscheint, spricht er in einem Protokoll aus, daß er sich von der Identität überzeugt habe. Die Kammerherren, welche bei Schließung des Sargs gegenwärtig sind, thun dasselbe, ebenso die Hausbeamten, welche ihn in die königliche Kapelle tragen, und hier nicht minder der Patriarch der beiden Indien nach sorgfältiger Betrachtung der Todten. Ja, ehe man ihn auf den Wagen setzt, wird der Sarg nochmals geöffnet, und das Gleiche sahen wir in der Vorhalle von San Lorenzo.

Unterdessen war der Zug in der Kirche verschwunden, und während dem hatten die Geschütze eine neue Salve gegeben, die Glocken läuteten, draußen spielte das Musikchor fort und fort den königlichen Marsch, und nur zuweilen, wenn eine kleine Pause eintrat, hörte man die gewaltigen Töne der Orgel der Kirche. Doch nur kurze Zeit noch dauerten diese lärmenden Ehrenbezeugungen. Der letzte Schuß verhallte in den Bergen, das Musikchor schwieg, die Soldaten traten zusammen und marschirten in ihre Quartiere. Wir gingen in die Kirche, wo das ganze glänzende Gefolge um den Sarg gruppirt stand und einem feierlichen Todtenamte anwohnte. Den Katafalk umgaben große Blumentöpfe mit künstlichen Blumen, zur Rechten und zur Linken brannten acht Fackeln von weißem Wachs, und am Fußende vor dem Hochaltar stand der große Bronzecandelaber, dessen man sich nur bei Begräbnissen eines Mitglieds der königlichen Familie bedient, mit seinen neun Büscheln angezündeter Wachskerzen. Wie dröhnten so gewaltig die tiefen Töne der Orgel durch die weiten Räume der Kirche und wie klangen dazwischen so beruhigend die Stimmen der Sänger, als sie den Psalm anstimmten: Sit nomen Domini benedictum!

Daß bei diesem Amte von Seiten des Gefolges gerade außerordentliche Andacht geherrscht hätte, will ich eben nicht behaupten, fand es auch sehr begreiflich, daß sich die Herrn Hofe nach dem anstrengenden Tagewerk aus der kalten Kirche hinweg in ihre warmen Zimmer sehnten. Wußten sie doch, daß in der ehemaligen Wohnung König Philipp's II. für ihr Unterkommen bestens gesorgt sei; waren doch schon im Lauf des Tages große Fourgons und Küchenwagen angefahren, und hatten wir doch selbst gesehen, wie die ungeheure Klosterküche, die seit langer, langer Zeit so gespensterhaft öde gelegen, sich jetzt auf einmal aufs Angenehmste bevölkerte. Die alten Öfen seufzten behaglich, als nun endlich ihr Inneres einmal wieder erwärmt würde, und die Bratenwender, an denen lange Zeit die Spinnen ungestört ihre Nester aufgehängt, schienen ohne Hülfe laufen zu wollen, als sie die vielen weißen Schürzen und Mützen erblickten, die das weite Gemach so lebendig machten.

Bald verschwand denn auch aus der Kirche die Pracht und Herrlichkeit des glänzenden Zuges und bei spärlicher Beleuchtung lag der kleine Sarg so unbedeutend unter dem gewaltigen Bogen des Kirchenschiffes. Schwarze Schatten drangen aus den Nebenkapellen und von dem hohen dunklen Chore herab, sie schienen sich ebenfalls neugierig das arme kleine Königskind betrachten zu wollen, das hier nun so einsam und verlassen lag, verlassen wenigstens von dem geräuschvollen Leben, das vorhin hier geherrscht, denn die zwei Unterstallmeister und zwei Gardes du Corps, die sich an den Ecken der Estrade befanden und abwechselnd mit ihren Kameraden hier die Nachtwache hielten, sie wurden alle Viertelstunden abgelöst, standen so still und ruhig, daß man sie ebenfalls für leblos hätte halten können. Zur offenen Kirchenthüre herein wogte der Nebel, und als ich langsam durch seine dichten Massen ins Freie trat, bemerkte ich, daß er sich endlich tief niedergelassen hatte und daß helle Sterne am klaren Himmel freundlich blinkten auf die riesenhaften Steinmassen des Klosters, auf den weiten, dunkeln Platz und auf das fast ausgebrannte und verglimmende Feuer in den Pechpfannen.

Mit einem tüchtigen Punsche, in dessen Anfertigung die spanischen Wirthsleute selbst der kleineren Gasthöfe sehr erfahren sind, suchten wir die Erkältung zu vertreiben, die wir uns bei dem stundenlangen Verweilen auf dem nassen und frostigen Platze, sowie in der kalten Kirche unzweifelhaft geholt, unterhielten uns dabei noch eine Zeitlang über das heute Gesehene, wobei Einer des Anderen Gedächtniß auffrischte, und gingen darauf zu Bette, um einen guten Schlaf zu thun.

Es war heller Morgen, als mich die Glockenklänge aufweckten; ich hatte von der gestern erlebten Ceremonie geträumt und noch heute früh beim Erwachen kam mir unsere ganze Reise wie ein Traum vor und es schien mir kaum möglich zu sein, als einer der Reisegefährten ausrief: »dort läuten schon die Glocken im Escorial.« Und es war doch so. Die Einwohner des Städtchens, Fremde aus Madrid und das Militär der Escorte strömte bereits nach der Kirche, in der ein feierliches Seelenamt abgehalten wurde, welches der Erzbischof von Seleucia celebrirte unter Assistenz der Prälaten von La Granja, San Ildefonso und der Kaplane der vereinigten königlichen Kapellen. Die Sänger der Kapelle von Madrid sangen hierzu unter Musik und Orgelbegleitung. Um den Katafalk waren Sitze errichtet, auf denen sich das Gefolge befand, die Offiziere der Truppen und das Ayuntamiento von Escorial.

Es war uns gestern wegen der Vorbereitungen zum Empfang der verstorbenen Prinzessin nicht erlaubt worden, in die königliche Gruft hinabzusteigen, – gewiß der schönste und merkwürdigste Raum des ganzen Klosters. Die Idee hiezu scheint Philipp II. den alten Pharaonen entnommen zu haben, denn wie diese über ihre prächtigen Grabkammern die colossalen Pyramiden auftürmten, so hatte auch der spanische König gewiß die gleiche Absicht, als er unter die gewaltige Felsenburg jene prächtige Rotunde baute, in der sein königlicher Leib einst ruhen sollte. Das vergoldete Gitter wurde uns von einem Geistlichen geöffnet, und als wir die ersten Stufen zu dieser düstern Todtenpracht hinabstiegen, kam mir lebhaft der Eingang zur Pyramide des Cheops ins Gedächtniß; auch dort führt ein schmaler, mit geschliffenen Steinen bedeckter Gang steil in das königliche Grab hinab, freilich ohne Treppen, während man hier auf Stufen von Marmor niedersteigt. Die Wände und das gewölbte Dach hier ist von edlen Marmorarten und Jaspis, alles so blank geschliffen, daß sich die Flamme der Wachsfackel, welche uns leuchtete, auf allen Seiten blendend abspiegelte. Auf einer Ruhebank der Treppe führen rechts und links zwei Thüren zu den Begräbnissen der Infanten, welche aber schon seit langer Zeit dem Besucher nicht mehr geöffnet werden dürfen, weil sich diese Grüfte, wie man sagt, in einer traurigen Unordnung befinden.

Das Pantheon selbst, zu dem wir noch wenige Stufen hinunter stiegen, ist eine Rotunde mit massiver Kuppel, von der ein reicher Kronleuchter aus Krystall herabhängt; die Lichter an demselben waren schon angezündet und erlaubten uns so einen genaueren Blick auf die schauerliche Pracht, in der die todten Könige und Königinnen von Spanien so still und gänzlich abgeschieden von der Welt ruhen; denn ringsum sieht man weder Fenster noch sonstige Öffnungen. Wände und Decken dieses Tempels sind aufs Kunstreichste mit Marmor in verschiedenen dunklen Farben ausgelegt; prächtig, aber düster ist der Altar; die Hinterwand desselben besteht aus einem einzigen Stücke Porphyr, der wie ein Spiegel geschliffen und von Jaspispflastern und Säulen von Antico verde eingerahmt ist. Ein schwarzes Marmorkreuz mit goldenem Crucifix, einfach aber schön, erhebt sich vom Altar und fesselt den Blick des Eintretenden, der sich im ersten Augenblicke vergeblich nach den Königsgräbern umsieht, denn diese sind nicht in die Augen fallend, sondern bestehen aus schwarzen Marmorsärgen, stehen in Nischen, welche sich in der Wand befinden, und unterscheiden sich kaum von dieser; erst bei genauerem Betrachten entdeckt man vier goldene Löwentatzen, welche jeden Sarkophag tragen, und einen goldenen Schild, auf welchem man in schwarzen Buchstaben die Namen der hier Ruhenden liest. Und welche Namen! Karl V., Philipp II. – – unter anderen, die uns weniger interessiren. Zur Rechten ruhen die Könige, zur Linken die Königinnen, doch ist noch manche Nische leer und harrt des schwarzen Marmorsarges.

Wohlthuend freundlich war heute in der schwarzen, spiegelnden Gruft der Altar verziert und mit weißen Spitzen und bunten Blumen hergerichtet zum Empfang der kleinen Prinzessin; doch war dieß auch wieder die Ursache, daß uns der Führer, ein junger Geistlicher, zur Eile antrieb, denn die Messe in der Kirche mußte bald zu Ende sein, und dem feierlichen Leichenzuge hier auf der Treppe der Gruft zu begegnen wäre für beide Theile recht unangenehm gewesen.

Nach beendigtem Amte droben ordnete sich die Geistlichkeit in Prozession, umzog den Katafalk und schritt alsdann unter Absingung des Psalmes: Laudate pueri Dominum de coelis dem Sarge voraus, der nun von vier königlichen Haushofmeistern getragen und am Eingange des Pantheon, welches sich unter dem Hauptaltar befindet, niedergesetzt wurde. Hier nahmen ihn vier Stallmeister der Königin in Empfang und trugen ihn die Stufen hinab bis zum ersten Treppenabsatze, von wo ihn vier Kammerherren der Königin vor den kleinen Altar, der sich im Pantheon selbst befindet, niedersetzten.

Nachdem sich die Großen des Hofs sowie die hohe Geistlichkeit und von dem übrigen Gefolge so viele als in der königlichen Gruft Platz fanden, um den Sarg versammelt hatten, wobei übrigens die Treppen bis oben hinauf dicht besetzt waren, wurde die äußere Umhüllung desselben abermals geöffnet und der Marquis de los Llamos sowie der Großnotar des Königreichs und die vier Kammerherren der verstorbenen Prinzessin betrachteten aufs Neue das Gesicht des königlichen Kindes. Sie erhoben die Hand und schwuren, das sei dieselbe Leiche, die sie im Palast übernommen. Dann sprach der Marquis de los Llamos mit lauter Stimme: »Dieß ist gewiß und wahrhaftig der Körper der durchlauchtigsten Infantin von Spanien, Tochter unserer erhabenen Königin, welche Gott schützen möge, Donna Isabella II. und Don Franzisco de Assis Maria.« Darnach schritten die hohe Geistlichkeit, die Großen und Edelleute des Hauses sowie eine Deputation des Ayuntamiento ebenfalls an den Sarg hin, schauten hinein, und nachdem dieß geschehen, fragte der Marquis de los Llamos mit lauter Stimme: »Haben alle Anwesenden, die Väter unserer heiligen Kirche, die Großen des Reichs, die Edelleute des Hauses, durch eigenen Anblick, sowie nach meinem Zeugnisse, dem des Großnotars des Königreichs und der begleitenden Kammerherren Ihrer Majestät diese Leiche für die durchlauchtige Infantin von Spanien erkannt, welche durch mich vom Palaste zu Madrid gestern hieher gebracht worden ist?« Worauf alle Anwesenden erwiderten: »Ja, wir haben sie erkannt.« Nun wurde der Sarg wieder geschlossen, der Schlüssel zur äußeren Umhüllung abgezogen und dem Director der königlichen Kapelle zu San Lorenzo übergeben, der ihn hoch emporhielt und feierlichst gelobte, die Befehle Ihrer Majestät, die fernere Beisetzung betreffend, aufs Pünktlichste zu erfüllen.

Hiermit war die ganze Handlung beendigt, während deren Verlauf die Musikchöre vor der Kirche den königlichen Marsch spielten und die Artillerie und Infanterie die vorgeschriebenen Salven thaten. Alle Anwesenden verließen die Gruft, in der Kirche hatte man den Katafalk und die Sitze bereits weggeräumt und kurze Zeit nachher lag der ganze weite Dom wieder so leer und öde, als sei gar keine Feierlichkeit hier begangen worden.

Auch wir verließen die Räume, nachdem wir dem hohen Chore noch einen Abschiedsblick zugesendet, den letzten auf Nimmerwiedersehen. Und das ist ein Gedanke, der mich häufig auf Reisen recht traurig stimmt. Doch hatten wir gestern und heute hier so viel Interessantes und Schönes gesehen, daß wir wohl zufrieden sein konnten. Hatte sich doch vor unseren Augen das Kloster in beinahe alter Pracht und Herrlichkeit bevölkert; hatten wir doch die fast beständig so leer stehende schöne Kirche erhellt von Hunderten von Wachskerzen gesehen, hatten ihn empfunden den eigenthümlichen Duft des Weihrauches, hatten gehört die Klänge der Orgel, erhebende Kirchenmusik und den feierlich-tiefen Klang der Männerstimmen. Aber wie schnell alle diese Bilder gekommen waren, ebenso schnell verschwanden sie auch wieder, und kaum hatten die Chorknaben am Hochaltar die letzten Kerzen ausgelöscht, so marschirten draußen die Soldaten ab mit klingendem Spiel, so rasselten auch schon die Kanonen über das Pflaster, jagten die Reiter vorüber und verließen die Hofequipagen den Escorial, sie, die gestern im langsamsten Schritt ihrer Thiere angekommen waren, heute im schnellen Trabe. Auch unsere Postkutsche stand schon angespannt vor dem Gasthofe; wir beschenkten unseren blinden Führer reichlich, nahmen Abschied vom Wirth und seinem schönen Töchterlein, und als wir darauf den Hügel hinabrollten, auf dem das gewaltige Kloster steht, blickten wir gern nochmals zurück nach der Granitburg Philipp's II., die nun wieder einsam und allein da oben thronte, verlassen von ihren Königen und Mönchen, ein prächtiger, unzerstörbarer Denkstein der alten Macht und Größe Spaniens, ein Wunder der Welt, einsam und trauernd an der Felsenwand des Guadarrama, wie die ägyptischen Pyramiden und Königsgräber im Sande der Wüste.


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