Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Zweiter Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Siebenunddreißigstes Kapitel. Aus dem Marstall.

Der Sommer war vergangen, der Herbst gekommen. Alles Laubwerk in den Spaziergängen und in den Waldungen um die Stadt nahm die wohlbekannte, malerisch bunte und so wehmüthige Färbung an.

Schöner ist der Anblick der Natur in diesem Theile des Jahres, als im Frühling, aber nicht so lieblich, nicht so hoffnungs- und wonnevoll. Der Herbst, ein stattlicher Mann bei Jahren, mit gebräunter Wange und leicht ergrautem Haar, geht langsamen Schrittes nach dem Hause, das er sich gebaut, um darin zu sterben und nicht mehr zum Vorschein zu kommen. Wohl athmet man noch längere Zeit sein Dasein; aber seit die letzten Blätter von den Bäumen fielen, seit der Wind mit eisigem Hauch über die Stoppeln jagt, spricht man leiser vom vergangenen Jahr, sehr leise, damit der sterbende Herbst nicht erfahre, daß man von seinem Regimente nichts mehr hält und daß man sich nur auf den zukünftigen Herrscher freut. Armer alter Herbst! Sie haben dich bei lebendigem Leibe beerbt, ja, sie haben Alles genommen, was du ihnen so freundlich, ja reichlich geboten. In Keltern und auf Speichern lagern deine Gaben in bunten farbigen Haufen. Das ganze Menschengeschlecht hast du bedacht und jede Altersklasse besonders, und wenn das Kind in den rothbackigen Apfel beißt, so versucht der Mann prüfend den neuen schäumenden Wein und dankt dir kaum, wenn er ausgezeichnet ist, und schmäht dich, wenn er den vorjährigen nicht übertrifft. – Armer alter Herbst! Die Menschen sind ein undankbares Geschlecht; wie haben sie in deinem Arme, an deinem warmen, liebevollen Herzen geschwelgt, so lange du noch frisch und jung warst! Jetzt verläugnen sie dich alle, und wenn man von dir spricht, ein seltener Treugebliebener nämlich, und will dich aufsuchen auf ödem Feld und in entblättertem Walde, so sagen sie: bleib' doch zu Hause, der Spätherbst ist unangenehm! – So entschläfst du sanft und selig, im süßen Bewußtsein all' des Guten, das du gethan, und flüsternde Nachtwinde vertrauen dem neuen Winter, der nun mit starker Hand das Regiment ergreift, wie das undankbare Menschengeschlecht mit dir umging. Das macht den Winter hart und wild, denn er denkt: wartet, ich will euch schütteln! Und er schüttelt und bläst und saust und kracht durch die Natur und seine wilden Gesellen, die Schneewinde, schlagen den Menschen die Thüre vor der Nase zu, wenn sie in's Freie wollen, und zerzausen sie, wo sich einer sehen läßt. Der Winter selbst aber schreitet hohnlachend einher und schüttelt seine weiße Pelzmütze, und wenn er sie schüttelt, rufen die Menschen: es schneit, es schneit!

So war es denn wieder einmal Herbst geworden. Der Wind, der des Morgens über die Stoppeln zur Stadt kam, riß in den Alleen ganze Körbe voll Blätter ab und warf sie auf den Boden, einen buntfarbigen Teppich bildend, was ganz allerliebst aussah. Reizendes schuf die herbstliche Natur bei einem kleinen Rasenplatz vor dem Schlosse, – ein frischer, grüner Fleck, umgeben von einer doppelten Reihe uralter Kastanienbäume, welche ihre dürren Blätter schon fast alle fallen ließen, und so sah der Platz aus, wie mit einem kolossalen, grünen Shawl bespannt, dessen Bordüre das herabfallende Laub gebildet, Gelb in Gelb, Roth, Braun, Violett, die wunderlichsten und schönsten Figuren in allen erdenklichen Farben.

Die Bäume vor dem königlichen Marstall waren ebenfalls entblättert, und die Stallwache, die heute da saß und in die Anlagen hinausblickte, konnte bis an's äußerste Ende desselben sehen und bemerkte große Teiche mit Schwanenhäusern, Statuen, Gebäude: lauter Sachen, die sonst dem Blick durch die grüne Laubwand verdeckt waren.

Als wir uns, geneigte Leser, zum letzten Mal hier befanden, war es noch Frühjahr und dieselbe Stallwache, auf demselben Eckstein, hatte unterschiedliche Ahnungen von kühlem Bier und saftigen Rettigen. Jetzt aber schauerte sie gelinde zusammen, wenn ein Windstoß um die Ecke des Schlosses kam, und dachte an einen warmen Ofen und an ein Glas Punsch. Ja, die Stallwache dachte an ein großes Souper, das nächstens stattfinden solle mit verschiedenen Gattungen von Getränken, aufs reichlichste versehen mit ungeheuren Portionen Kutscherbraten, ansehnlichen Schinken, großen Schüsseln voll Kartoffelsalat, mit Würsten von verschiedenem Geschmack und sehr verschiedenem Kaliber. – Ueberhaupt müssen wir gestehen, daß der ganze Marstall einen festlichen Anstrich hatte; die Strohmatten am Boden waren auf's allerzierlichste geflochten, die Fenster blank geputzt, die Geschirre wie nach der Schnur aufgehängt, und die Ständer von Tibull und Pluto waren mit Epheukränzen verziert.

Angelegentlich blickte dieselbe Stallwache von demselben Eckstein wie damals nach dem Schlosse, und wie an jenem traurig denkwürdigen Tage, wo sie dem zu seinen Vätern versammelten Oberkutscher Mündels die letzte Ehre erwiesen, kam auch heute das sämmtliche Stallpersonal festlich geputzt daher. Doch waren ihre Mienen fröhlicher, die altern Kutscher und Reitknechte schienen mit dem, was sie eben gehört und erlebt, zufrieden, die Stallbuben machten einander kleine Anleihen von Kopfnüssen und dergleichen, die in demselben Augenblicke aber schon mit reichlichem Zins zurückbezahlt wurden. Sie pufften sich nach allen möglichen Richtungen herum und thaten so, als freuten sie sich heute zum letzten Mal ihres Lebens, indem sie wußten, daß schon morgen eine feste, strenge Hand über ihrem Haupte schweben würde.

Jetzt war das sämmtliche Personal in dem Stalle versammelt, und Alles begab sich unaufgefordert zu seinen Pferden, stellte sich dort auf und sah erwartungsvoll die Stallgasse hinab. Auch die Stallwache hatte ihren Posten verlassen, hatte neben Tibull und Pluto zwei Stallbuben aufgestellt, wovon der eine einen bordirten Hut, der andere die berühmte Peitsche mit dem Elfenbeingriffe trug.

Lieber Leser! wir bemerken deine peinliche Spannung und wollen deßhalb kraft der Macht, die uns verliehen, unserer »Namenlosen Geschichte« einen Augenblick vorgreifen, und wollen dir hiemit feierlichst Verkündet haben, daß Seine Majestät der König geruht, an die Stelle des seligen Herrn Mündels einen neuen Oberkutscher zu ernennen, und daß dieser Oberkutscher nicht der russische Engländer mit dem unaussprechlichen Namen war, vielmehr unser Freund, – der Herr Joseph Winkler.

Dort kommt er in Begleitung eines königlichen Stallmeisters von dem alten Oberstallmeisteramte mit dem alten Dekret in der Tasche, kraft dessen er nicht mehr nöthig hat, den alten Gespensterwagen zu fahren, vielmehr dadurch befähigt ist, die Allerhöchste Leibkutsche zu dirigiren.

Obgleich der Chirurgus nach jenem Unglücke die Genesung in circa sechs bis acht Tagen versprochen, so hatte doch dieselbe länger auf sich warten lassen, und der Oberststallmeister, der dem Joseph sehr gewogen war, hatte eine genaue Untersuchung über jenen Vorfall anstellen lassen, woraus sich nun freilich ergab, daß eine Teufelei im Spiele gewesen war, doch hatte man sonst nichts herausgebracht. Das war am Ende für den Joseph auch einerlei, denn er wurde Oberkutscher, und als solchen sehen wir ihn soeben die Gratulationen seiner Collegen, sowie Hut und Peitsche aus den Händen der Stallbuben feierlichst in Empfang nehmen.

Nachdem dieser offizielle Akt vollzogen war, begab sich der Oberkutscher, Herr Winkler, in seine neue Wohnung, aus vier geräumigen Piecen bestehend, und nahm dort andere, noch angenehmere Glückwünsche in Empfang. Hier befanden sich die Frau Winkler in neuem, sehr sauberem Anzuge, ferner die Frau Welscher und die Jungfer Kiliane mit der kleinen Marie, auch Herr Dubelli, sowie Jean der Hoflakai, und Alle saßen um einen großen Tisch, auf dem verschiedene Kaffeekannen prangten und große Kugelhopfen aufgestellt waren. Die Honneurs dieser Gesellschaft machte jenes reizende, frische Mädchen, das wir am Krankenbette des Herrn Winkler gesehen und das einmal über das andere erröthete, wenn die Frau Winkler senior oder Jean der Hoflakai einige unpassende Bemerkungen zum Besten gaben.

Man schien bei der Ankunft des Oberkutschers in einem kleinen Streite begriffen zu sein über die Reihenfolge der Festlichkeiten für die nächsten Tage,, und die verschiedenen Parteien appellirten deßhalb an das endgültige Urtheil der eben eingetretenen Hauptperson.

»Hör' Sie, alte Frau,« sagte der Oberkutscher nach einiger Ueberlegung, »mir scheint, der Dubelli hat eigentlich die beste Ansicht, und ich glaube, wir könnten die alten Geschichten so abmachen. Morgen also, da Sie noch genug Vorbereitungen zu der alten Hochzeit zu machen hat, lassen wir Ihr den ganzen Tag Zeit dazu und gehen den Abend alle zusammen in's Theater, um das Ballet anzusehen, in welchem unser Freund, der alte Dubel, jetziger Dubelli, zum ersten Male auftreten wird. Uebermorgen ist dann die Hochzeit, wenn die Jungfer Braut nichts dagegen hat.«

»O ja!« lachte Jean; »ihr wird's schon morgen lieber sein!« – eine Bemerkung, welche die Erwähnte zu überhören schien, indem sie dem Oberkutscher freundlich zunickte.

»Also übermorgen die Hochzeit!« fuhr der Oberkutscher fort, »und den Tag danach das Banket mit dem Stallpersonal. Auf diese Art haben wir, wie die großen Herrschaften, drei hohe festliche Tage.«

Alles war mit diesem Plane einverstanden und versprach, nicht zu fehlen bei dem Theater morgen Abend und der Hochzeit übermorgen, bis auf die alte Kiliane, deren Aussehen heute überhaupt nicht so frisch und gesund war, wie sonst. Sie hatte auch nur eine einzige Tasse Kaffee und ein halbes Stück Kugelhopfen genossen und versicherte, es sei ihr gar nicht zu Muthe, wie sonst. Dies bekräftigte die Frau Welscher und sagte leise zu ihrer Nachbarin, die Jungfer Kiliane sei mehrere Tage zu Hause geblieben, habe ihr Bett aufschlagen lassen und ihr Zimmer in die schönste Ordnung gebracht, worauf die Winklere unter dem Tisch die Hände faltete und leicht mit dem Kopf schüttelte. Die alte Jungfer dagegen schien dies, sowie überhaupt von den Verhandlungen nicht viel zu bemerken. Neben ihr auf einem Schemel saß die kleine Marie und sie pätschelte mit ihren dürren weißen Händen den schwarzen Lockenkopf des Kindes. Sie saß in tiefen Gedanken, und als die Gesellschaft schon längst wieder über etwas Anderes gesprochen hatte, sagte sie auf einmal: »ja, übermorgen ist Donnerstag und wenn ich auch vielleicht nicht selbst zur Trauung kommen kann, so will ich zu Hause für Euch beten.«

»Ei, ei! Jungfer Kiliane,« bemerkte die Frau Welscher ermuthigend, »wer wird so sprechen! Warum soll Sie nicht zur Trauung kommen können, zum Hochzeitsschmaus? Sie, welche die ganze Stadt durchläuft, wird doch die paar Schritte zur Stadtkirche machen können!«

Die alte Person schüttelte traurig lächelnd mit dem Kopfe, und Frau Winkler, die das Wort der Welscher aufnahm, sagte bekümmert zu ihrem Sohne: »also willst du dich doch in der Stadtkirche trauen lassen, trotzdem, daß der böse Kerl dort Meßner geworden ist? Ich ließ' mir doch durch den Anblick dieses häßlichen Gesichtes meinen schönsten Tag nicht verderben.«

»Und ich versichere euch,« entgegnete lustig der Oberkutscher, »daß mich der Anblick des Steinmann's doch eigentlich freut; was für ein Gesicht wird der alte Hallunke schneiden! Ich bin fest überzeugt, er hat alle die drei Sonntage, wo wir abgerufen wurden, Bauchweh gehabt, und ich lebe immer noch der Hoffnung, daß er sich am Glockenseile aufhängt, wenn er mich ankommen sieht als Oberkutscher und alter Hochzeiter.«

»Das meine ich auch,« sagte Jean, »und was kann der schlechte Giftmichel machen? Er soll läuten, daß er schwarz wird und bekommt von mir nicht einen Kreuzer Trinkgeld.«

»Auch nicht von mir!« sprach Dubelli und so alle Andern. Als es nun dunkel ward, wurde die Kaffeegesellschaft aufgehoben der Oberkutscher brachte seine Braut nach Hause, und ließ sie dort mit ihrer Mutter allein, denn sie hatten erschrecklich viel zu thun.

Wie verging dem Oberkutscher die Zeit mit rasender Geschwindigkeit! Am andern Morgen war er kaum aufgestanden, hatte kaum sein Amt angetreten, so war es schon Mittag und nachdem er bei seiner Braut dinirt, jagten die Stunden einander ordentlich hinweg, ja sie schienen sich förmlich auf die Haken zu treten, und kaum hatte es voll ausgeschlagen, da vernahm er schon wieder ein neues Viertel. Es war wahrhaftig nicht zum Aushalten! Jetzt schlug es Fünf, und sämmtliche gestern Eingeladene, mit Ausnahme der Kiliane, die sich zu Bett gelegt hatte, stiegen die Treppen zum königlichen Hoftheater hinauf– Alle in ängstlicher Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Alle sehr aufgeregt, da sie eifrigst Partei nahmen für den Debütanten Herrn Dubelli.

Als sie in dem weiten Hause ankamen und auf der dritten Gallerie ihre Sitze einnahmen, war es noch ziemlich dunkel rings umher; nur die Plätze oben und neben ihnen waren besetzt, in den Logen sah man noch keine Seele und unten im Parterre nur leere Bänke. Blos im Orchester waren ein paar Lampen angezündet und warfen ein schwaches Licht um sich her und strahlten kümmerlich aus der reichen Vergoldung der Prosceniumslogen wider. Die Leute in den oberen Logen, die sich vor der eigenen Stimme fürchteten, welche so laut in dem leeren Raume klang, sprachen leise aber eifrig zusammen, und so summte und wogte es unverständlich durch einander. Jeder fühlte sich in der Dunkelheit, die hier herrschte, unbehaglich; es war wie bei Erschaffung der Welt, ehe es Licht ward, wonach sich Alles gesehnt, und deßhalb schaute auch hier Jeder erwartungsvoll an die Decke hinauf, wo ein kleiner, unbeleuchteter Spalt sichtbar wurde, der sich allmälig vergrößerte, jetzt zu einer großen runden Oeffnung wurde, aus welcher langsam und feierlich der Kronleuchter mit seinen hundert Lichtern hell und strahlend darnieder schwebte. Wie kehrten sich nun plötzlich alle Gesichter, wie die Blätter einer Epheuwand im Thurm, dem Lichte zu! Wie fühlten sich die Aelteren so beruhigt, wie lachten und jubelten die Jüngeren, die das zum ersten Male sahen! Jetzt wurden auf Notenpulten im Orchester die Stimmen aufgelegt, jetzt erschienen die Musiker nach und nach, jetzt der Kapellmeister, dann füllte sich das Parterre, endlich auch kurz vor dem Anfange die Logen mit Einem Male; es war gerade, als hätten die Leute auf diesen Moment draußen auf dem Gange geharrt. Jetzt erscheint der Hof, die Offiziere auf ihren Plätzen erheben sich, und ebenso auf dem dritten Range der neue Oberkutscher respektvollst, denn es ist heute die erste Vorstellung, der er sitzend beiwohnt. Die Ouvertüre beginnt und wird am Schlusse rasend beklatscht. Zuerst fängt ausnahmsweise die erste Gallerie an, dann der dritte Gang, wo der Oberkutscher nicht sobald seine Hände in Bewegung gesetzt hatte, als die wackeren Fäuste von einigen dreißig Stallleuten auf's Allerkräftigste einfielen und das erstaunte Parterre mit sich fortrissen.

Jetzt begann das Ballet und die Zeit bis zum Auftreten des Herrn Dubelli, die seinen bangen Freunden so unendlich lang erschien, flog rasch dahin. Jetzt betrat der Debütant die Bühne. Ein lauter Applaus empfing ihn und munterte ihn auf, und wir sind im Stande, gerührten Herzens versichern zu können, daß er sich dieses Empfanges vollkommen würdig erwies. Jede Nummer der wirklich schönen Musik gefiel außerordentlich, jeder Tanz wurde rasend applaudirt und schon nach dem ersten Akt verlangte das Publikum nach dem Componisten, nach dem Tänzer und nach dem Balletmeister. Ebenso nach dem zweiten Akt; und erst am Schlusse. Da wollte des Tobens und Schreiens kein Ende werden. Es flogen Blumen in Massen auf die Bühne, und als Demoiselle Pauline, die blonde Sylphide, dem jungen Komponisten einen Lorbeerkranz aufsetzte, da wurde das Publikum zur Begeisterung gebracht und es raste wahrer Beifallssturm durch das Haus.

Armes kleines harmloses Lustspiel, welches nach dem Ballet gegeben wurde! Niemand achtete deiner. Niemand wollte dich hören! Laut sprach man im Parterre und in den Logen von der vortrefflichen Musik und dem neuen Componisten, und die Gesellschaft, welcher er, wie wir bereits wissen, hie und da etwas vorgespielt, war stolz darauf, dieses Talent geahnet zu haben, und Manche sah man bei den lieblichen Melodieen selbstzufrieden den Kopf wiegen, als wollten sie sagen: diese Melodie hat mir immer am Besten gefallen, und: Publikum, du verdankst uns diesen Abend, denn wenn wir den jungen Künstler nicht in unsere Gesellschaft gezogen hätten, ihn nicht auf's Kräftigste mit Thee und Butterbrod protegirt, so hättest du auf den heutigen köstlichen Genuß verzichten müssen. – – –

Wo war aber in diesem Augenblick das Mädchen, das dem jungen Mann treu zur Seite gestanden, jenes edle Herz, das untergegangen war, das sich selbst geopfert hatte, um den Geliebten zu erheben? War sie vielleicht in jenen glänzenden Logen, bedeckt mit Brillanten, deren Glanz vor dem Schimmer ihres Auges erblichen wären? War sie dort, wo der beste Platz eben gut genug gewesen wäre für ihr aufopferndes, edles, reines Herz? – – – Nein, sie war nicht da, es war ihrer Seele nicht gegönnt, unter jenen lieblichen Melodien, die sie gekannt und gepflegt, unter jenem Beifallssturm süß zu erschauern und zu erzittern. Sie war verschwunden, spurlos verschwunden! untergegangen, wie rosige Gluth des Abends, verflogen, wie der Duft eines ganzen Blüthenwaldes! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Dem Oberkutscher Herrn Winkler hatte diese Vorstellung außer dem Eintrittsgeld für sich und seine Gesellschaft ein Paar schöne neue Handschuhe gekostet, die er buchstäblich zerklopfte, auch war er so heiser geworden, daß er nicht ganz ohne Grund fürchtete, der Pfarrer werde sich morgen bei der höchst wichtigen Ceremonie statt des feierlichen Ja mit einem Kopfnicken begnügen müssen. Nichts desto weniger aber ging er außerordentlich zufrieden nach Hause, und allen Betheiligten erging es heute Abend so.

Der große Beschützer des jungen Komponisten, der Graf Alfons, hatte demselben ein kleines Souper veranstaltet, zu welchem auch Signor Benetti und Signor Dubelli, der erste Tänzer, geladen waren. Mit welchen Gefühlen sich hierauf Letzterer in einen eleganten schwarzen Frack und in eine Droschke warf, brauchen wir nicht zu sagen. Genug, er hatte vor der Hand keine Wünsche mehr, fühlte sich überselig und konnte mit jenem großen Manne sagen: »Dieser Abend ist der glücklichste Tag meines Lebens!«


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