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Neunter Abschnitt.
Revolutionen.

I. Karl I. Cromwell. Nach K. F. Becker.

 

1.

Als die Königin Elisabeth ohne Nachkommen starb, gelangte Jakob I., der Sohn der Maria Stuart, auf den Thron der vereinigten Königreiche England und Schottland. Obwohl protestantisch, war er doch den Katholiken im Herzen zugethan, verdarb es aber bald mit beiden Religionsparteien, und als er starb, nahm er den Haß und die Verachtung des ganzen Volkes mit sich in's Grab.

Sein Sohn Karl I. bestieg unter sehr mißlichen Verhältnissen den Thron (1625). Schon seine Jugend – er zählte erst 15 Jahre – war dem Volke ein Anstoß, und als er sich dem verhaßten Herzog von Buckingham, dem Günstling seines Vaters, in die Arme warf, murrte die ganze Nation. Dazu kam, daß er sich eine katholische Gemahlin, Henriette Maria (Heinrich's IV. von Frankreich Tochter), gewählt hatte, welche den reformirten Engländern als der leibhafte Antichrist erschien.

Der König erfuhr es bald, wie unglücklich ein Oberhaupt ohne die Achtung seiner Untergebenen ist. Er hatte von seinem unbesonnenen Vater einen Krieg mit Spanien geerbt und seine Schwester, die Gemahlin des vertriebenen Pfalzgrafen Friedrich in Deutschland, verlangte gleichfalls seine Hülfe. Um neue Steuern zusammen zu bringen, versammelte er ein Parlament, aber dieses verweigerte seine Bitte. Der König borgte das fehlende Geld und Buckingham rüstete eine Flotte aus, die er selber nach Kadix führte. Aber er verlor den besten Theil seiner Mannschaft und als er zurückkehrte, behandelte er dennoch das Parlament höchst übermüthig. Dafür klagte man ihn nun des Hochverrates an. Karl, anstatt seinen unfähigen Minister zu entlassen, nahm zwei Mitglieder des Unterhauses Die Vertreter des hohen Adels und der Geistlichkeit bilden das Oberhaus, diejenigen des niederen Adels, des Bürger- und Bauernstandes das Unterhaus., welche die Anklageakte unterzeichnet hatten, gefangen, aber als nun sämmtliche Abgeordnete sich gegen solche Gewaltthätigkeit erhoben, ließ er die Gefangenen wieder frei.

Dennoch hörte der König nicht auf, Buckingham's schlechten Rathschlägen zu folgen, und um das Parlament zu strafen, ließ er es auseinandergehen, bewilligte, allen seinen protestantischen Unterthanen zum Trotz, den Katholiken volle Religionsfreiheit, und schrieb Steuern aus, ohne das Parlament zu fragen. Mit dem erhaltenen Gelde rüstete der ehrgeizige Buckingham abermals eine Flotte und segelte diesmal nach Frankreich, um den in la Rochelle belagerten Protestanten gegen Richelieu beizustehen. Aber unverrichteter Sache kam er wieder nach London zurück und der Schatz war leer.

Um wieder Steuern erheben zu können, mußte der König das Parlament abermals zusammenberufen (1628). Es kam mit dem Entschluß, die Rechte der Nation gegen alle Uebergriffe der Krone zu vertheidigen. Mit großer Freimüthigkeit sprachen jetzt die beherzten Männer über die Verletzung der bürgerlichen Freiheit und über die frevelhaften Anmaßungen des Ministers. Der König, um nur seinen nächsten Zweck zu erreichen, gab ihnen Recht und erhielt nun wirklich die Bewilligung einer ansehnlichen Steuer. Er war schwach genug, über diese Bereitwilligkeit Thränen zu vergießen, und versprach nun feierlich, nichts Unbilliges mehr zu fordern. Aber die Abgeordneten traueten dem veränderlichen Könige nicht und legten ihre Forderungen schriftlich vor, in einer petition of right (Rechtsgesuch), in der sie das Steuerbewilligungsrecht, Befreiung von willkürlichen Einquartierungen etc. sich wahrten. Der König fand sich durch diese Petition sehr beleidigt und ertheilte eine unbestimmte Antwort. Zugleich erschien um eben diese Zeit (auf des Königs Befehl, wie man nachher erfuhr) eine Predigt von einem angesehenen Londoner Geistlichen im Druck, worin gelehrt ward, alles Eigenthum der Unterthanen gehöre im Nothfall dem Könige, und dieser habe das Recht von Gott selbst, ohne Zuziehung des Parlaments dem Volke beliebige Steuern aufzulegen. Für diese »verfassungswidrigen« Grundsätze zog das Parlament den erkauften Redner zur Rechenschaft, entsetzte ihn seines Amtes, warf ihn in's Gefängniß und verdammte ihn zu einer Geldstrafe von 1000 Pfund. Dagegen schenkte ihm der König aus kindischem Trotz gegen das Parlament eine weit höhere Pfründe. Das Parlament, immer mehr erhitzt, wiederholt sein Verlangen nach der Anerkennung der petition of right und macht Anstalten, den Minister noch einmal zu belangen. Karl, um ihn nicht aufzuopfern, entschließt sich mit schwerem Herzen zur Nachgiebigkeit, begiebt sich in's Oberhaus und erkennt die Petition für ein Reichsgesetz, mit den üblichen Worten: »Laßt es Gesetz sein, wie gebeten wird!«

 

2.

Aber damit begnügte sich das Parlament nun keineswegs. Die englischen Könige hatten seit mehr als 100 Jahren von den Kaufleuten und Schiffern ohne Zuziehung des Parlaments eine Steuer erhoben, die man »Pfund- und Tonnengeld« nannte. Jetzt glaubte das Parlament auch diese Einnahme dem König streitig machen zu müssen, und als er gar Miene machte, einige Tausend deutsche Reiter kommen zu lassen, die sie mit Gewalt eintreiben sollten, erhob sich ein solcher Lärm, daß er wieder zu seinem alten Nothmittel, Aufhebung der Sitzungen, greifen mußte. Bald darauf wurde Buckingham, der abermals einen Kriegszug gegen Richelieu unternehmen wollte, meuchlings ermordet, von einem überspannten Menschen, Namens Felton.

Im Anfang des folgenden Jahres (1629) begann das Parlament seine Sitzungen wieder, aber weit entfernt, sich auf des Königs Forderungen einzulassen, bestritt es vor Allem das Recht, ein Pfund- und Tonnengeld zu erheben. Das Unterhaus ging sogar so weit, daß es die Kaufleute verhaften ließ, welche den königlichen Beamten diese Abgabe willig entrichteten. Auch über des Königs Nachsicht gegen die Katholiken wurden heftige Reden geführt, worin sich bereits ein Parlamentsglied, Namens Oliver Cromwell, bemerklich machte. Mit jeder neuen Sitzung wurden die Redner kühner und dies brachte den König so auf, daß er nicht nur das Parlament rasch auseinander gehen ließ, sondern auch mehrere Mitglieder desselben zum Gefängniß und zu einer Geldstrafe von 1000 Pfund verurtheilte. Aber das war Oel in's Feuer gegossen! Die gestraften Volksredner waren stolz auf ihre Bande und rühmten sich, Märtyrer der Freiheit zu sein; ja sie wollten sich nicht einmal lossprechen lassen, um nicht ihre Freiheit königlicher Gnade verdanken zu müssen.

Nun schloß der König, von Buckingham's Fesseln frei, mit Spanien und Frankreich Frieden, freilich schimpflich genug, denn er gab seinen Schwager Friedrich von der Pfalz und die französischen Hugenotten den Katholiken preis. Aber wie hätte er auch Andere schützen sollen, da er sich selber nicht zu schützen wußte!

An des ermordeten Ministers Stelle trat jetzt (1630) der Graf von Strafford, ein kluger und entschlossener Mann, der sich fest vorgenommen hatte, dem Parlamente keinen Finger breit mehr nachzugeben. Vielleicht wäre er durchgedrungen, hätte der König nicht zu gleicher Zeit einen andern Rathgeber für die Kirchensachen gewählt, den Bischof Laud von London. Dieser war ein heftiger Feind der Puritaner und Presbyterianer, ihm war der reformirte Gottesdienst zu kahl und er wollte ihn durch eine neue Liturgie wieder beleben. Das gefiel dem Könige sehr, weil dieser hierdurch eine Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen glaubte. Die Puritaner wollten aber Alles aus dem Gottesdienste verbannen, was nur entfernt an den Katholizismus erinnerte, und regten nun wieder das Volk gegen die neuen Minister auf. In Schottland war die protestantische Sekte der Presbyterianer mächtig, denen auch jede Annäherung an den katholischen Gottesdienst ein Greuel war. Trotzdem wollte nun Karl in seinem Reiche den neuen Gottesdienst mit Gewalt durchsetzen und alle Widerspenstigen wurden von ihm in's Gefängniß geworfen. So loderte der Zorn des Volkes wieder in hellen Flammen auf! Die Presbyterianer in Schottland errichteten ein Bündniß unter dem Namen des Kovenants, in welchem sie sich anheischig machten, allen Religionsneuerungen entgegenzuarbeiten und sich wechselseitig gegen alle feindlichen Angriffe zu vertheidigen.

Solchen Eingriff in seine königlichen Rechte konnte der König nicht dulden; er brachte ein Heer zusammen und zog gegen die Schotten zu Felde, aber da ihn das englische Volk nicht unterstützte, mußte er schmählichen Waffenstillstand schließen. Des Königs Hilfsquellen waren erschöpft und er berief das vierte Parlament, aber dies brachte wiederum zuvor die alten Beschwerden, ehe es sich auf Geldbewilligungen einlassen wollte. Die Schotten hatten des Königs Schwäche kennen gelernt und als er sein Parlament wieder auflöste, brachen sie in England ein und zwangen den von aller Hülfe entblößten Monarchen zur Versammlung eines fünften Parlaments, das nun aber von 1640-1648 zusammenblieb und unter dem Namen des »langen Parlaments« in der englischen Geschichte berühmt geworden ist.

 

3.

Die Achtung vor königlicher Majestät war nun ganz dahin. Das Erste, was die immer kühner werdenden Abgeordneten durchsetzten, war die Verurtheilung des Grafen Strafford und des Bischofs Laud. Der edle Graf, welcher es gut mit dem Lande gemeint und seinem Könige so treu gedient hatte, wurde des Hochverrats beschuldigt. Vergebens erklärte der König, er könne keine Schuld an seinem Minister finden; er wolle ihn entlassen, aber sein Gewissen sage ihm, daß er keine Strafe verdiene. Aber die Wuth der aufgeregten Volksmenge, die schreiend und tobend das Parlamentsgebäude umringte, zwang ihn, das Todesurtheil zu unterzeichnen, und Strafford wurde enthauptet. Auch der Erzbischof Laud ward eingekerkert; die andern Minister retteten sich durch die Flucht. Das Parlament aber erklärte sich als vom Volke ausgehend und unauflösbar. So war der König ganz in den Händen seiner Feinde, die nun alle drei Reiche, England, Schottland und Irland, wider ihn aufregten.

Die katholischen Irländer wurden von den protestantischen Engländern hart gedrückt und hatten gegen die ihnen von England aufgedrungenen Kolonisten wie gegen Räuber die Waffen ergriffen und 6000 derselben erschlagen. Diese Meuterei wurde vom Parlamente dem Könige zur Last gelegt, der doch ganz unschuldig daran war. Noch machten die Bischöfe, die auch Sitz und Stimme im Parlamente hatten, einen Versuch, die alte Verfassung zu schützen. Sie erklärten nämlich, da man auf sie so wenig Rücksicht nehme, so würden sie alle Gesetze für ungültig erklären, die ohne ihre Zustimmung erlassen würden. Die meist presbyterianischen Glieder des Unterhauses ergriffen begierig diese Gelegenheit, alle Bischöfe des Hochverraths anzuklagen und vor der Hand von allen Versammlungen auszuschließen. Man erfrechte sich sogar, die Königin zu beleidigen und mit einer Anklage zu bedrohen; dem Könige aber entzog man ein Recht nach dem andern und suchte sogar das Kriegsheer seinem Befehl zu entreißen. Da schickte Karl einen Abgeordneten in's Parlament und ließ im Oberhause fünf der verwegensten Schreier anklagen, die als Glieder des Unterhauses am meisten sich gegen den König vergangen hatten. Doch diese machten sich heimlich davon, und als am folgenden Tage der König selber, von seinen Garden und Offizieren begleitet, im Hause der Gemeinen erscheint, sieht er die Plätze Derer leer, die er sucht. Er hält eine Anrede an die Versammelten und schildert in den kräftigsten Farben ihre Tyrannei und seine Mäßigung, aber umsonst. Beim Herausgehen erhebt sich ein allgemeines Zischen und Murmeln und trotzige Stimmen schreien unaufhörlich: »Privilegium! Privilegium!«

Am Abend waren alle Bürger der City in Waffen, theils um die fünf Parlamentsglieder zu beschützen, theils weil die Feinde des Königs das Gerücht verbreitet hatten, der König wolle die Stadt in der Nacht an allen Enden anzünden lassen. Den folgenden Tag sah man die Themse mit unzähligen Schiffen und Kähnen bedeckt, die mit kleinen Böllern bewaffnet waren, und in Begleitung der Stadtmiliz und einer unabsehbaren Volksmenge zogen die fünf verfolgten Parlamentsglieder im Triumph einher und wurden in Westminsterhall eingeführt, wo sie unter lautem Jubelgeschrei ihre Plätze im Parlament wieder einnahmen.

 

4.

Der König mit seinen Prinzen verließ nun London und ging nach York, wo er noch viele Freunde hatte (1642); das Parlament dagegen nahm gar nicht mehr von ihm Notiz, warb Soldaten zu einem Parlamentsheer und errichtete zu Hull ein wohlversehenes Waffenmagazin. Der König, welcher den Hüter desselben, Lord Hotham, zu gewinnen hoffte, reitet von York aus mit etwa 60 Mann dahin, allein Hotham verschließt ihm das Thor und er muß schimpflich wieder abziehen. Ja noch mehr, als er sich über dieses Betragen des Lords beim Parlament beschwert, billigt und lobt dieses die That.

Doch hatte Karl auch jetzt noch nicht Ursache, alle Hoffnung aufzugeben. Die entfernteren Provinzen und der ganze Adel waren ihm noch treu, und ein kräftiges Haupt hätte aus so vielen und starken Gliedern einen furchtbaren Körper zusammensetzen können. Aber er selber verstand nichts vom Kriege und verließ sich blos auf seine beiden Vettern, Ruprecht und Moritz von der Pfalz, die seit ihres unglücklichen Vaters Vertreibung Schutz in England gesucht hatten. Die Yorker boten sogar ihrem Könige freiwillig Hülfe an und mehrere Provinzen folgten dem Beispiel. Sogleich erging ein Beschluß des Parlaments, daß Jeder, der dem Könige Beistand leisten würde, für einen Feind des Vaterlandes zu achten sei. Dagegen erließ Karl eine Proklamation, kraft welcher das Parlament und dessen Anhänger für die wahren Verräther der rechtmäßigen Verfassung erklärt wurden. Jetzt war der Bürgerkrieg unvermeidlich. Beide Theile rüsteten. Aber der König hatte kein anderes als geschenktes oder erborgtes Geld, dagegen war das Parlament im Besitz der Flotte, der Hauptstadt und aller Seestädte und hatte sich aller königlichen Einkünfte bemächtigt. Die Londoner schickten so viel Silbergeschirr in die Münze, daß es an Leuten fehlte, die Gaben alle anzunehmen; sogar silberne Fingerhüte und Schmucknadeln von Frauen waren darunter. Alles junge Volk von London ließ sich zum Dienst einschreiben; an einem einzigen Tage meldeten sich über 4000 Mann. Mit den Schotten, die noch in Waffen waren, wurde ein Bündniß geschlossen. Gegen solche Hülfsmittel waren die des Königs allerdings gering. Die Königin verpfändete ihre Juwelen in Holland und erhielt dafür Geld und Schiffe; leider ward ein Theil der letzteren von englischen Kapern aufgebracht und so blieb auch diese Hülfe unbedeutend. Auswärtige Mächte konnten sich um die englischen Händel nicht bekümmern. Die meisten waren in den dreißigjährigen Krieg verwickelt, in Frankreich erfolgte in diesem Jahre Richelieu's Tod und überdies hatte Großbritannien in den Augen auswärtiger Mächte noch geringe Bedeutung.

Noch wollte Karl mit seinem revolutionären Parlamente den Weg der Güte versuchen und bot die Hand zu einem gütlichen Vergleich. Aber die Bedingungen, die man ihm stellte, waren so hart, daß er sie nicht annehmen konnte. So brach er denn mit 10 000 Mann von Shrewsbury gegen London auf. Das Parlamentsheer, unter dem Befehl eines Grafen von Essex, stellte sich bei Worcester zur Wehr und bei Edgehill kam es zum Treffen. Prinz Ruprecht's Gewandtheit zerstreuete die Feinde; Karl, nun schon muthiger, rückte näher an London heran und jetzt bot das Parlament einen Vergleich an. Der König empfing die Abgeordneten zu Oxford, da er aber auf völlige Wiederherstellung der ehemaligen königlichen Gewalt drang, so zerschlugen sich die Unterhandlungen fruchtlos. Dagegen waren im folgenden Jahre (1644) die königlichen Waffen entschieden glücklich; Prinz Ruprecht nahm Bristol weg und die Truppen des Königs schlugen die des Parlaments zwei Mal auf's Haupt. Aber der König war ärmer als jemals und seine nicht bezahlten Soldaten murrten; er berief nach Oxford ein zweites Parlament, aber dieses konnte ihm kein Geld schaffen. Das Londoner Parlament half sich durch eine Accise auf Bier, Wein und Korn, von der man früher nichts gewußt hatte, die aber jetzt das Volk bereitwillig zahlte.

Bisher hatten die Schotten noch keinen Antheil an dem Kriege genommen, jetzt aber, da ganz England mit Truppen besetzt war, rückten sie auch ein (1644). Der König hatte dagegen ein in Irland geworbenes Korps durch Versprechungen gewonnen, das mitten im Winter die Ueberfahrt nach England machte. Aber ihnen lauerte Thomas Fairfax, ein trefflicher General der Parlamentstruppen, auf, griff sie bei Nantwich im nordwestlichen Theile von England an und vernichtete sie völlig. In demselben Jahre verloren des Königs Generale eine Hauptschlacht gegen den nämlichen Fairfax und dessen trefflichen Untergeneral Cromwell, und Karl selber mußte sich nach einem zweiten Treffen mit großem Verlust nach Oxford zurückziehen.

 

5.

Jetzt beginnt der Zeitpunkt, in welchem Cromwell die Hauptrolle in dem Trauerspiel übernimmt. Oliver Cromwell stammte aus guter, obwohl nicht reicher Familie des Fleckens Huntington. Merkwürdige Schicksale schwebten schon über seiner ersten Jugend. Als Kind hatte ihn ein großer Affe aus der Wiege genommen und war mit ihm, zum Schrecken der Familie, auf das Dach gestiegen. Späterhin wurde der kleine Wagehals von einem Pfarrer aus dem Wasser gezogen. Man hielt ihn zu den Wissenschaften an, aber sein wilder, unruhiger Sinn fand größere Freude am Umherschweifen, an allerlei Raufereien. Nachdem er sein väterliches Erbtheil in Trunk und Spiel verschleudert hatte, sah man plötzlich eine seltsame Bekehrung mit ihm vorgehen. Er las theologische und militärische Schriften, mischte sich unter die hitzigsten puritanischen Eiferer, veranstaltete religiöse Klubbs, hielt seinen Hausleuten lange Predigten und erbot sich, Allen, denen er sonst im Spiele das Geld abgenommen habe, dasselbe wieder herauszugeben. Als er von einem Oheim eine Summe Geldes erbte, übernahm er seine Pachtung, doch mit der ruhigen häuslichen Lebensart wollte es nicht gehen und er schwärmte tiefsinnig umher. Aus Haß gegen das Kirchenregiment entschloß er sich, nach Amerika auszuwandern, aber der König erlaubte ihm das nicht. Als endlich das lange Parlament zusammentrat, ward er von der Stadt Cambridge zum Deputirten erwählt. Er besuchte die Sitzungen mit Eifer, wurde aber von Niemand besonders beachtet, denn seine Erscheinung war mehr widerlich als angenehm. Er war häßlich von Person, schmutzig in seinem Anzuge, grob in seinen Sitten. Seine Stimme war dumpf und unrein und was er sprach, hing übel zusammen. Er selber mochte sich unter so glänzenden Rednern, wie sie damals das Unterhaus hatte, nicht gefallen und brach sich daher eine andere Bahn. Er hob ein Korps Truppen aus, lauter junge und wohlhabende Pachterssöhne, führte einen ganz eigenen Gemeingeist unter ihnen ein und steckte sie mit seiner religiösen Begeisterung an. Hierauf vereinigte er sich mit Fairfax, einem ehrlichen alten Manne, der aber große Achtung und großes Feldherrntalent besaß. Cromwell erwies ihm überall die größte Ehrerbietung und erwarb sich dadurch dessen Vertrauen im höchsten Grade. Das der Soldaten hatte er längst. Sein rasches, durchgreifendes Wesen und seine unerbittliche Strenge wirkten auf den Trägen eben so sehr, als sein belebender Zuspruch dem Tapferen schmeichelte, und trotzdem, daß er erst in seinem 43sten Jahre das Kriegshandwerk ergriff, so führte er kraft seines Genies das Kommando wie der geübteste General.

Nichts theilte sich von seinem Geiste schneller den Truppen mit, als sein religiöser Enthusiasmus. Cromwell war Hauptmann und Feldprediger zugleich und darin hatte er im Heer viele seines Gleichen. Sie sangen Psalmen und sprachen mit den Worten der Bibel. Die Grundsätze, die hier gepredigt wurden, waren aber noch viel strenger, als die der Puritaner. Man lehrte: Oberherrschaft und Rang sei in weltlichen wie in geistlichen Dingen ganz unerlaubt; Jedermann sei geboren, frei zu denken und zu handeln, weder Bischöfe noch Könige hätten das Recht, diese Freiheit zu beschränken. Diese Sekte, die sich Independenten (Unabhängige) nannte, strebte nach der Vernichtung des Königthums und ging sehr schlau zu Werke. Zuerst setzte sie im Hause der Gemeinen ein Gesetz durch, kraft dessen kein Parlamentsglied künftig ein Kommando im Felde führen dürfte. Dieser Vorschlag war vielen Gliedern des Unterhauses willkommen, da sie schon längst die Herren des Oberhauses mit Neid an der Spitze der Armeen gesehen hatten. So kam die Hauptmacht in die Hände von Sir Thomas Fairfax, der kein Parlamentsmitglied war. Eigentlich hätte nun auch Cromwell seine Stelle aufgeben müssen, allein Fairfax stellte dem Parlamente vor, daß dieser Gehilfe ihm jetzt unentbehrlich sei, und so ward das Gesetz zu Gunsten Cromwell's vergessen.

Der König, welcher sich den Winter hindurch in Oxford aufgehalten hatte, versuchte neue Unterhandlungen. Wirklich versammelten sich zu Anfang des Jahres 1645 Abgeordnete von beiden Seiten, aber dem Parlamente war es längst nicht mehr Ernst, den König wieder anzunehmen. Ihn immer mehr zu kränken, nahm man jetzt den Prozeß des noch im Tower sitzenden Erzbischofs Laud wieder vor und sprach ihm, wie vor vier Jahren seinem Freunde Strafford, das Todesurtheil. Auch er ging, wie jeder Mann von Charakter, den letzten Gang mit Würde und Fassung. »Niemand« – sagte er auf dem Schaffote – »kann eifriger begehren, aus dieser Welt zu gehen, als ich selber.« Betend kniete er nieder und legte das Haupt auf den Block, das mit einem Streiche herunterflog.

Im Felde war der König nun immer unglücklich, seitdem Fairfax und Cromwell den Oberbefehl des Parlamentsheeres hatten. Die Königlichen verloren einen Platz nach dem andern, und als am 14. Juni 1645 ihr Hauptkorps unter Prinz Ruprecht bei Naseby völlig von Fairfax und Cromwell geschlagen ward, mußte der König nach Wales fliehen und seinen ältesten Prinzen nach Frankreich schicken, wohin die Königin bereits vorangegangen war. Alle seine Truppen wurden vertrieben und vernichtet.

 

6.

In dieser äußersten Noth faßte der unglückliche König den Entschluß, sich den Schotten in die Arme zu werfen. Er wußte, daß die schottischen Puritaner mit den englischen Independenten schlecht zufrieden seien, und hoffte, wenn er mit vollem Vertrauen sich an jene wendete, sie gegen seine aufrührerischen Engländer für sich zu gewinnen. Verkleidet und nur von zweien seiner Diener begleitet, ritt er des Nachts zum Thore von Oxford hinaus und kam am 5. Mai 1646 im Lager der Schotten an. Die schottischen Generale waren über seinen Besuch sehr verlegen, und da das Londoner Parlament sogleich ein Edikt erließ, worin Jedem der Tod gedroht wurde, der sich mit dem flüchtigen Könige zu schaffen mache, so hatten sie die Feigheit, das Parlament sogleich von seiner Ankunft zu unterrichten. Ihm selber gaben sie indeß eine Ehrenwache, dem Anschein nach, – im Grunde aber eine Zwangswache, um sein Entfliehen zu verhindern. Jetzt sah der König wohl, wie schlecht er sich gebettet hatte. Keine Spur von Theilnahme fand er hier, keine Nachricht von seinen Freunden, seiner Familie, keinen religiösen Zuspruch, an den er so sehr gewöhnt war; vielmehr nichts als Lästerungen der ausgelassenen Puritaner. Zu den Predigten, denen er hier beiwohnen mußte, wählte man solche Texte, die ihn kränkten. Einer dieser fanatischen Pfaffen, nachdem er im Eingange seiner Predigt über die gottlosen Regenten geeifert, gab der Gemeinde auf, ein Lied zu singen, welches anfing: »Was rühmst du doch, Tyrann, dich noch – All' deiner Frevelthaten?« Worauf der König von seinem Sitze aufstand und mit lauter Stimme einen andern Psalm ankündigte, dessen Anfangsworte waren: »Hab' Mitleid, Herr, ich bitte dich, – Sie wollen mich verschlingen!« Er hatte die Freude, von der gerührten Gemeinde wirklich dieses Lied vorgezogen zu sehen.

Nur Schade, daß diese Rührung den Häuptern der schottischen Armee fremd blieb. Ihr Vortheil lag ihnen näher. Das Parlament war ihnen gegen 400,000 Pfund Hilfsgelder schuldig und versprach ihnen, diese Summe in zwei Terminen pünktlich abzuzahlen, wenn sie dagegen den König ausliefern wollten. Manche schämten sich dieses unwürdigen Handels, doch bei der Mehrheit ging er durch. Der König wurde von einem englischen Trupp Soldaten abgeholt und nach Holmby in der Grafschaft Northhampton in engen Gewahrsam gebracht (1647).

 

7.

Nun aber sollte auch der Uebermacht des Parlaments ein Ende gemacht werden und Cromwell mit seinen Soldaten tyrannisirte es wieder eben so, wie es seinerseits den König tyrannisirt hatte.

Die Armee hatte große Summen rückständigen Soldes zu fordern, die das Parlament trotz der schweren Steuern, welche es dem Volke auferlegte, nicht sobald auftreiben konnte. Um ihr anderweitige Beschäftigung zu geben, wollte man sie nach Irland schicken, allein dieser Befehl erregte allgemeines Mißvergnügen. Die entschlossensten Offiziere setzten eine Vorstellung an das Parlament auf, die von allen Soldaten unterschrieben wurde und in welcher das gesammte Heer vollkommene Entschädigung für seine Dienste verlangte, widrigenfalls es nicht nach Irland gehen würde. Die Antwort war für die Rädelsführer erwünscht: das Gesuch ward für Meuterei erklärt. Hierauf folgte eine noch ernsthaftere Gegenschrift von Seiten der Independenten, unterschrieben von mehr als 200 Offizieren. Cromwell war heimlich die Seele des ganzen Aufruhrs, aber der Heuchler wußte so schlau seinen Antheil daran zu verbergen, daß das Parlament gerade ihn beauftragte, den Zwiespalt zu schlichten.

Während dieses mißlichen Handels gab insgeheim Cromwell einem seiner Offiziere den Auftrag, den König aus Holmby zu entführen und ihn in's Lager zu bringen. Mit 500 Reitern war der Anschlag ausgeführt; der Wurf war nun geworfen. Das Parlament ohne Armee war eben so ohnmächtig, als der König ohne Parlament. Der behagliche Fairfax überließ Cromwell völlig das Oberkommando und dieser führte das Heer geradezu auf die Hauptstadt los. Die Einwohner London's waren darüber mehr erfreut als erschrocken, denn sie hatten nun fünf Jahre lang zur Genüge erfahren, was es heißt, statt eines, hundert Herren über sich zu haben und sie haßten das Parlament gründlich. Das Haus der Gemeinen, um sein Ansehen besorgt, gestand schnell der Armee alle ihre Forderungen zu, aber diese ließ es nunmehr nicht dabei bewenden. Sie verlangte, alle ihre Feinde im Parlament sollten bestraft werden, und als solche wurden die elf mächtigsten Häupter der Presbyterianer-Partei angegeben. Was war zu thun? Die elf Glieder legten freiwillig ihre Stellen nieder, aber das Heer hatte schon wieder eine neue Forderung in Bereitschaft. Die Stadtmiliz sollte abgeschafft und mit einer Abtheilung von Independenten vertauscht werden. Auch dieses Gesuch mußte das Parlament bewilligen, aber die Bürger erhoben darüber einen Aufstand. Dies hatte Cromwell gewünscht, denn nun hatte er einen Vorwand, um in die Stadt zu rücken. Am 6. August 1647 zogen die Regimenter ein, ohne daß die Stadtmiliz es hinderte. Ein Theil der Truppen umzingelte das Parlamentshaus, in welchem sogleich sieben Peers angeklagt wurden. Einige Tage darauf ward in allen Kirchen ein Dankfest für die wieder hergestellte Freiheit angesagt.

Den gefangenen König behandelte Cromwell höchst freundlich und der arme Mann schöpfte schon frohe Hoffnung, daß er durch Cromwell wieder auf den Thron gelangen würde; aber dieser Wahn sollte ihm bald genommen werden. Auf dem Schlosse Hamptoncourt, wohin man ihn gebracht hatte, sah er sich von den ärgsten Hitzköpfen der Independenten umgeben und schöpfte aus ihren Reden und Mienen Verdacht, daß es darauf abgesehen sein möchte, ihn durch Meuchelmord aus dem Wege zu räumen. Cromwell räth ihm heuchlerischer Weise, zu fliehen; er entkommt auch wirklich und erreicht die Meeresküste. Aber kein Schiff, das ihn hätte über das Meer führen können, war zu sehen. Ungewiß, wohin er sich wenden sollte, fiel ihm ein, den Gouverneur der nahen Insel Wight (Ueiht) um Schutz zu bitten. Aber dieser Mann war einer von Cromwell's treusten Gehilfen. Ein abgesandter Bote kam mit einer freundlichen Einladung vom Gouverneur zurück; der König begab sich zu ihm, wurde aber sogleich verhaftet und an Cromwell wieder ausgeliefert. Nun setzte man ihn in noch strengere Haft und behandelte ihn wie einen gemeinen Verbrecher. Die Independenten und Anhänger Cromwell's sprachen laut die Ansicht aus, daß der König, weil er seine Pflichten verletzt habe, nach dem Gesetze gerichtet werden müßte und das Parlament selber müsse ihn verurtheilen.

Erst jetzt rührte sich das Gewissen des Volkes, besonders in Schottland, und so sehr man auch vorher den König gehaßt hatte, so abscheulich fand man doch die Idee, ihn hinzurichten. Nachdem die Schotten vergeblich sich bei dem Parlament in London beschwert hatten, rückte Lord Hamilton, ein schottischer Peer, mit 40,000 Mann in England ein; mit ihnen verbanden sich die treuen Walliser. Aber Cromwell entflammte sein Heer mit neuem Eifer und schlug die Königlichen in mehreren Schlachten, nahm auch den wackeren Hamilton gefangen. Dann rückte er schnell in London ein, umzingelte das Parlament und ließ über 200 der versammelten Abgeordneten theils festnehmen, theils ausweisen. Die Uebrigen, etwa 60 an der Zahl, waren lauter Independenten und Werkzeuge des Usurpators. Unverzüglich wurde nun dem Könige der Prozeß gemacht. Sie klagten ihn an, er habe bei seiner Thronbesteigung sich eidlich verpflichtet, die Freiheiten seiner Unterthanen zu schützen, diesen Eid aber gebrochen; er habe die Entscheidung seiner Sache dem Gott der Schlachten anheim gestellt und dieser habe gegen ihn entschieden; er sei nun verantwortlich für das vergossene Blut, und den Vertretern des Volkes komme es zu, ihn zu richten und für die Zukunft ähnliches Unheil durch eine Republik unmöglich zu machen. Sofort faßten sie den Beschluß, einen Gerichtshof zu errichten, um über den Verräther Karl Stuart (nicht anders wurde der König mehr genannt) das Urtheil zu sprechen. Das Oberhaus verwarf einstimmig den verabscheuungswerthen Beschluß: doch die Bosheit der Independenten trug den Sieg davon und das Unterhaus erklärte sich für genügend, um das Volk zu vertreten. Cromwell spielte seine Heuchlerrolle gut. Er stellte sich verwundert über Gottes wunderbare Fügungen und versicherte, er würde den verabscheut haben, der ihm noch wenige Wochen zuvor von des Königs Hinrichtung gesprochen hätte; indessen jetzt erkenne er wohl aus der allgemeinen Uebereinstimmung der Lieblinge Gottes, daß diese außerordentliche Begebenheit auf höhere Zulassung geschehe. Noch kürzlich habe er für die Wiedereinsetzung des Königs sprechen wollen, allein die Zunge habe ihm plötzlich am Gaumen geklebt und das sei ein deutliches Zeichen des göttlichen Willens gewesen.

 

8.

Indem diese Dinge alle Gemüther beschäftigten, verlangte ein begeistertes Weib aus Herfortshire Gehör vor dem militärischen Concil, sprach viel von gehabten Offenbarungen und versicherte, daß der eingeschlagene Weg nach Gottes eigenem Zeugniß der rechte sei. Dies tröstete und beruhigte Viele, die bis dahin noch gezweifelt hatten, und so gingen denn die religiösen Leute in Gottes Namen an's Werk. Der König wurde nach London gebracht, wo seine Wärter schon völlig mit ihm wie mit einem Missethäter verfuhren. Die Abgeordneten der Gemeinen setzten einen Gerichtshof zu Westminsterhall ein, der aus 133 Richtern bestehen sollte, von denen sich aber kaum 70 einfanden. Diese waren meistens Offiziere, lauter Independenten, an ihrer Spitze Cromwell und dessen fanatischer Schwiegersohn Ireton. Der alte Fairfax war trotz der Einladung nicht erschienen. Man führte den König vor. Die Räume waren mit Zuschauern dicht bedeckt. Als der Ausrufer die Namen der Richter laut vorlas und auch den des Generals Fairfax nannte, rief eine Stimme aus dem Zuschauerhaufen: »Der ist zu klug, um hier zu sein!« Und als die ersten Worte der Anklage vorgelesen wurden: »Im Namen des ganzen englischen Volkes« – rief die nämliche Stimme: »Nicht der zehnte Theil desselben!« Der wachthabende Offizier befahl jetzt, Feuer zu geben nach der Stelle, woher die Stimme komme, und da zeigte sich's denn, daß der kühne Sprecher – Lady Fairfax war.

Die Anklage geschah darauf mit größter Feierlichkeit. Die Antworten des Königs waren würdevoll und ruhig. Wie übel berechnet auch sein Leben gewesen war, so hatte sein langes Gefängniß doch sein Gemüth gereinigt und gestärkt und man kann sagen, daß er in seinen letzten Tagen dem Sokrates an Fassung und edler Besonnenheit geglichen habe. Die Soldaten, die ihn zum Gerichte führten, mußten auf Befehl ihrer Offiziere laut schreien: »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!« – »Arme Wichte!« sagte Karl, »für ein wenig Geld würden sie eben so mit ihrem jetzigen Anführer verfahren!« Es gab unter den gemeinen Kerlen einige, die ihm sogar in's Gesicht spieen. Er gedachte des großen Märtyrers Jesus Christus und trug es schweigend. Nur einer von den Soldaten, von des Königs Schicksal gerührt, begann in dessen Gegenwart für sein Heil zu beten. Aber ein barbarischer Offizier, der es bemerkte, gab ihm einen Schlag über den Kopf, daß er niederstürzte. Mit sanfter Stimme sagte der König: »Mich dünkt, die Strafe war zu hart für das Vergehen.«

Nur dreimal ward der König vorgeladen und jedes Mal verwarf er die Befugniß der Versammlung, ihn zu richten; er berief sich wiederholt auf die von ihm gemachten milderen Anordnungen und erinnerte an die Hartnäckigkeit und Frechheit des Parlaments. Man verhörte darauf, sehr überflüssig, einige Zeugen, welche beschwören mußten, daß der König wirklich Krieg gegen sein Parlament geführt habe, und hierauf erfolgte der Spruch (27. Januar 1649). Das Volk rührte sich nicht; das Ungeheure der Begebenheit und der schreckende Ernst der bewaffneten Gewalthaber hielt jedes Gemüth erstarrt und jede Zunge gefesselt. Aber wie sich in Zeiten schwerer Verhängnisse oft die edelsten Züge der menschlichen Natur offenbaren, so ward auch in jenen traurigen Tagen manche rührende Erscheinung sichtbar. Vier Grafen, sonst des Königs Freunde und sämmtlich ehrenwerthe Männer, stellten sich persönlich vor Gericht und sagten aus, sie allein seien als ehemalige Rathgeber des unschuldig verurtheilten Königs an allen den Schritten Schuld, die man ihm jetzt zum Verbrechen angerechnet habe; sie also sollte man strafen und dafür den König freilassen, dessen Charakter alle Hochachtung verdiene. Aber sie wurden abgewiesen.

Nach gesprochenem Urtheil blieben dem König nur noch drei Tage bis zur Vollziehung desselben. In diesen Tagen ließ man seine beiden Kinder, die 14jährige Prinzessin Elisabeth und den noch jüngeren Prinzen von Glocester, die beide noch in England geblieben waren, zu ihm. Der harte Cromwell selbst, welcher Zeuge der ersten Zusammenkunft dieses liebevollen Vaters mit seinen Kindern war, gestand, er habe in seinem Leben nichts Rührenderes gesehen. Diese Vergünstigung war dem Unglücklichen die größte Wohlthat, die man ihm noch hatte erweisen können. Sie beruhigte völlig sein Gemüth, und so nahe er den Pforten des Todes stand, so erquickte ihn doch noch jede Nacht der sanfteste Schlaf, trotz dem Geräusch, welches die Zimmerleute vor seinem Fenster machten. Das Blutgerüst ward nämlich öffentlich in der Straße von London errichtet, in welcher das Schloß Whitehall lag – um der Handlung jedes Zeichen des schüchternen Meuchelmords zu benehmen.

Am Morgen des Todestages (30. Jan. 1649) stand der König früh auf, legte seine kostbarste Kleidung an und ließ sich von seinem treuen Freunde, dem Bischof Juxon, zum Schaffot begleiten. Die ganze Straße war mit Menschen übersäet; in einem Fenster, dem Schlosse gegenüber, sah Cromwell, auf ein seidenes Polster gestützt, dem Schauspiel ruhig zu. Karl wollte das Volk anreden, aber die um die Blutbühne aufgestellten Soldaten machten mit ihren Waffen ein solches Geräusch, daß er diesen Gedanken aufgeben mußte. – Er unterredete sich daher blos mit seinen nächsten Begleitern, erkannte sein Schicksal als eine gerechte Strafe dafür, daß er in des braven Strafford's Hinrichtung gewilligt, ermahnte die Nachbleibenden zum Frieden und verzieh allen seinen Feinden. Zuletzt tröstete ihn Juxon mit der Aussicht auf ein besseres, schöneres Leben. »Ich weiß es,« antwortete der König – »ich gehe von einer vergänglichen Krone zu einer unvergänglichen über, dorthin, wo kein Kummer wohnt.« Hierauf kniete er nieder und legte sein Haupt auf den Block. Ein Scharfrichter mit einer Maske schlug ihm dasselbe mit Einem Hiebe herunter, worauf ein anderer, gleichfalls verlarvt, es bei den Haaren ergriff und mit den Worten dem Volke zeigte: »Dies ist der Kopf eines Verräthers!« Jedermann wandte den Blick vor Wehmuth und Unwillen weg; nur Cromwell sagte ruhig zu den Umstehenden: »Nun ist die Religion gerettet und die Freiheit von Tausenden gegründet. Die Grundpfeiler der englischen Republik sind befestigt. Laßt uns jetzt unser Leben daran wagen, den Staat blühend zu machen und die Ruhe nach außen zu erhalten.«

 

9.

Das Königthum wurde nun als auf ewige Zeiten für abgeschafft erklärt, das Oberhaus als unnütz und schändlich vernichtet, ein neues Reichssiegel angefertigt mit der Umschrift: »Im ersten Jahre der durch Gottes Segen hergestellten Freiheit, 1649.« Viele vom höchsten Adel wurden hingerichtet, des Königs Bildsäule umgestürzt und das Piedestal mit dem Worten versehen: exiit tyrannus, regum ultimus Der Tyrann endete als der letzte der Könige. Zuletzt wollten die Independenten auch noch die beiden Kinder des Königs bei Handwerkern unterbringen, allein die Prinzessin Elisabeth starb bald vor Gram, ehe sie noch den ihr zugedachten Knopfmacher heirathen konnte; den kleinen Prinzen schickte Cromwell selber, zur größeren Vorsicht, über das Meer.

So war denn jetzt England eine Republik und das neue Parlament bekam den Namen Rumpf-Parlament, weil es nach Aufhebung des Oberhauses nur ein Rumpf ohne Kopf war. Die verwittwete Königin lebte mit ihren Kindern in Paris, ward aber, obgleich sie Heinrich's IV. Tochter war, vom Hofe so sehr vernachlässigt, daß sie aus Mangel an Holz an kalten Tagen sich mit ihrer Tochter im Bette erwärmen mußte. Ihr ältester Prinz, Karl II., hielt sich bald in Holland, bald in Frankreich, bald auf der Insel Jersey auf, arm und verlassen, doch nicht ohne Hoffnung, den blutbefleckten Thron seines Vaters wieder zu besteigen. Die Irländer und Schotten waren mit der neuen Regierung sehr unzufrieden. Ein wackerer Schotte, Marquis von Montrose, hatte zuerst die Fahne des Aufstandes erhoben zu Gunsten Karl's II., aber noch war die Furcht vor dem neuen Machthaber so groß, daß er sein kühnes Wagstück mit dem Galgen büßte, ohne daß man ihn retten konnte. Da indessen der Prätendent Karl selber mit sieben Schiffen an der Küste von Schottland erschien und den Schotten alle ihre Forderungen gewährte, wenn sie ihm beistehen wollten: so erklärte sich endlich das ganze Volk gegen Cromwell und brachte ein ansehnliches Heer zusammen. Doch Cromwell zog zuerst gegen Irland, erfocht Sieg auf Sieg und machte das unglückliche Land fast zu einer Einöde; dann führte er einen gleichen Vertilgungskrieg gegen Schottland, wo er den neuen König so entscheidend schlug, daß dieser sich nur mit Mühe nach Frankreich retten konnte. Die Schotten mußten sich vor dem gewaltigen Sieger beugen und ihr Land wurde mit England vereinigt.

Was sollte nun Cromwell thun? Er wollte nicht in den Privatstand zurückkehren, sondern auf der betretenen Bahn vorwärts gehen, England groß und mächtig, sich aber zum unbeschränkten Herrn des Staates machen. Zunächst mußte ein auswärtiger Krieg die Soldaten zusammenhalten und ihn selber unentbehrlich machen. Im vergangenen Jahre (1650) hatte das Rumpf-Parlament den vereinigten Niederlanden ein Freundschaftsbündniß angeboten, allein die Holländer hatten die englischen Gesandten sehr kalt aufgenommen und den Antrag abgelehnt. Dies nahm Cromwell zur Veranlassung, das Parlament gegen sie zum Kriege aufzufordern. Der erste Schritt dazu war die zu Anfange des Jahres 1651 erlassene Schifffahrtsakte, durch welche allen seefahrenden Nationen untersagt ward, in ihren Schiffen andere als solche Waaren in englische Häfen einzuführen, die entweder Produkte oder Fabrikate ihres eigenen Landes wären. Diese Akte brachte dem englischen Handel ebensoviel Vortheil, als dem niederländischen Schaden. Englische Kaper machten von der Zeit an bald Jagd auf die holländischen Schiffe, die jener Akte zuwiderhandelten, und nahmen in kurzer Zeit den Holländern gegen 80 Schiffe weg. Ehe noch der Krieg förmlich erklärt war, geriethen eine englische und eine holländische Flotte im Kanal an einander, wie zufällig gingen die Feindseligkeiten an und es entstand daraus eine blutige Seeschlacht, in welcher beide Theile einen gleich starken Verlust erlitten. Nun war zur Freude Cromwell's der Krieg begonnen, der englische Admiral Blake mußte sogleich nordwärts steuern und die holländische Heringsflotte wegnehmen und der Seekampf entbrannte aller Orten. Die Holländer erlitten durch ihren neuaufstrebenden Nebenbuhler großen Verlust.

Nun saß Cromwell wieder fest im Sattel, denn er war der Treue seiner Soldaten gewiß. Das Parlament aber wollte ihm mehrere Regimenter abspenstig machen und sich von der Gewalt der Militär-Partei befreien. Da berief Cromwell wieder seine Offiziere zusammen und faßte einen schnellen Entschluß. Mit 300 Soldaten eilte er nach Westminsterhall, wo die Abgeordneten eine Sitzung hielten. Nachdem er Thür, Treppen und Vorzimmer des Gebäudes mit seinen Soldaten besetzt hatte, trat er mit einigen Offizieren in den Versammlungssaal, setzte sich nieder und hörte etwa eine Viertelstunde den Debatten zu. Dann sagte er einem Offizier in's Ohr: »Jetzt ist das Parlament zur Auflösung reif!« – »Herr!« erwiederte dieser leise, »ich bitte Sie, es ernstlich zu überlegen, bevor Sie Hand anlegen!« – »Wohl gesprochen!« erwiederte der General und saß wieder eine Viertelstunde still. Als nun aber die Versammlung einen Beschluß gegen Cromwell fassen wollte, sagte er abermals zum Offizier: »Jetzt ist es Zeit, ich muß es thun!« und plötzlich sprang er auf, trat mitten unter sie Alle und überhäufte sie in seiner unverständlichen, polternden Sprache mit den heftigsten Vorwürfen über ihre Tyrannei, ihren Hochmuth und ihre Erpressungen. Alle erstaunten und richteten sich in die Höhe, aber ehe noch Einer Worte finden konnte, die Schmähungen zu erwiedern, stampfte er heftig mit dem Fuße und auf dies verabredete Zeichen füllte sich plötzlich der ganze Saal mit Soldaten. Der Anblick dieser Getreuen erhöhete seine Kühnheit. »Schämt euch«, fuhr er die Parlamentsglieder an, »und packt euch fort! Macht ehrlichen Leuten Platz, die ihr Amt besser verwalten! Ich sage euch, ihr seid nicht länger ein Parlament! Der Herr ist mit euch fertig und hat sich andere Werkzeuge erkoren, sein Werk zu betreiben!« Hier unterbrach ihn ein gewisser Sir Harry Vane, aber Cromwell überschrie ihn, indem er krampfhaft brüllte: »O Sir Harry Vane, Sir Harry Vane! Der Herr befreie mich von Sir Harry Vane!« Hierauf nahm er Einen beim Rocke und sagte zu ihm: »Du bist ein Ehebrecher!« zu einem Anderen: »Du bist ein Säufer!« zu einem Dritten: »Du bist ein Wucherer! Was sollen wir mit diesem Gesindel? Fort mit euch!« Die Soldaten waren schon in voller Arbeit, Einen nach dem Andern aus der Thür zu werfen. Cromwell blieb bis zuletzt und als der Saal leer war, ließ er die Thür verschließen und ging ruhig nach seiner Wohnung im Palast Whitehall zurück.

 

10.

So seltsam war in wenig Augenblicken die ganze gesetzgebende Macht in England vernichtet. Jedermann erwartete nun still und furchtsam, in welcher Gestalt die neue Regierung hervortreten würde. Es sollte wieder ein Parlament werden, aber von lauter Begeisterten und Heiligen, die Cromwell fast alle selbst, blos nach angehörtem Gutachten seines Staatsraths, erwählte. Es waren 128 Personen aus verschiedenen englischen Städten, nur fünf waren aus Schottland und sechs aus Irland. Sie sollten nur 15 Monate Sitzung halten und nachher ihre Nachfolger selber wählen. Am 4. Juli 1653 kam dieser tolle Regierungskonvent zusammen. Die meisten Glieder derselben waren gemeine Handwerker, und ihr eifrigster Schreier, von welchem nachher das Parlament auch den Namen erhielt, war ein fanatischer Lederhändler, Preisegott Barebone. Ihre Zusammenkünfte glichen mehr Frömmler-Conventikeln als Staatsversammlungen, denn mit langen Gebeten fingen sie an und endeten sie, man hörte nichts als Sprüche und Anspielungen aus dem Alten Testamente, sie nannten die Geistlichen Baalspriester, die Holländer sündige Mammonsdiener, sich selbst aber Wiedergeborene. Einer unterschrieb sich: Machfriede Heaton, ein Anderer: Tödtediesünde Pimple, ein Dritter: Stehefestinderhöhe Stringer, ein Vierter: Weinenicht Billing, ein Fünfter: Kämpfedengutenkampfdesglaubens White und dergl. mehr.

Cromwell selber fühlte, daß dieser Unsinn nicht lange Bestand haben könnte, auch hatte er die ganze Farce nur deshalb veranstaltet, um sich dem großen Ziele immer mehr zu nähern, das ihm längst vor Augen stand, an welches sich aber viele seiner wärmsten Anhänger nicht gewöhnen lassen wollten. Unter den religiösen Schwärmern waren Viele, die ihm nur darum so treu gedient hatten, um das Reich Christi, welches sie erwarteten, auf Erden vorzubereiten, und die geneigt waren, ihren Führer als den abscheulichsten Heuchler zu verlassen, wenn sich's am Ende zeigen sollte, daß er nur darum die Herrschaft der Stuarte gestürzt habe, um sie für sich selbst zu gewinnen. Er hatte deshalb in seinem militärischen Staatsrathe selbst oft harte Kämpfe zu bestehen und schwankte lange, was er thun sollte. Endlich trug sein kühner Herrschergeist den Sieg davon, er besprach sich heimlich mit einem Ausschusse der vornehmsten Glieder des Barebone-Parlaments, die ihm besonders anhingen, und diese mußten eines Tages eine Stunde früher in die Sitzung kommen und in größter Geschwindigkeit votiren, daß das Parlament jetzt überflüssig sei und daß man daher die Herrschaft wieder in die Hände Desjenigen zurückgeben müßte, von dem man sie empfangen habe. Sobald der Beschluß gefaßt war, eilten Deputirte zu Cromwell, ihm denselben feierlich zu überbringen. Unterdessen aber hatten sich die übrigen Parlamentsglieder eingefunden und wunderten sich des Geschehenen nicht wenig. Doch als sie Rath hielten, wurden sie schnell auf ähnliche Art unterbrochen, wie das Rumpfparlament. Oberst White erschien mit einem Trupp Soldaten und fragte sie, was sie hier machten. »Wir suchen den Herrn!« antwortete Einer. »Dann müßt ihr anderswo hingehen,« – versetzte der Oberst – »denn wie ich für gewiß weiß, ist er schon seit mehreren Jahren nicht mehr hier gewesen.« Und damit trieb er sie zum Hause Hindus (12. Dez. 1653).

So lag nun die Regierung abermals in den Händen des Militärs. General Lambert, Cromwell's treuester Zögling, bemächtigte sich jetzt der Gemüther aller Offiziere, entwarf einen neuen Regierungsplan und ersann eine neue Würde für Cromwell, der unter dem Titel eines Protektors (Beschützer) die volle Kraft der Königswürde haben sollte. So hoffte er alle Theile zu befriedigen. Wirklich genehmigte der Rath der Offiziere den Entwurf und Cromwell ward öffentlich zum Protektor auf Zeitlebens erklärt. Ihm ward ein Staatsrath beigesellt, alle drei Jahre sollte er ein Parlament zusammenberufen und nach seinem Tode sollte der Staatsrath einen Nachfolger bestimmen dürfen. Eine stehende Armee von 20,000 Mann Fußvolk und 10,000 Reitern sollte die neue Verfassung schützen und aus den öffentlichen Fonds sollte der Sold für die Unterhaltung des Heeres genommen werden.

 

11.

Die in so kurzer Zeit gemachte Verfassung hatte viele Mängel, aber die Kraft des außerordentlichen Herrschergeistes, der in Cromwell lebte, deckte sie. Nie ist England berühmter und allen Nachbarmächten respektabler gewesen, als in den fünf Jahren, da Cromwell an der Spitze der Geschäfte stand. Auswärtige Monarchen buhlten um seine Freundschaft und sandten ihm Glückwünsche zu, selbst der stolze Ludwig XIV. nannte ihn seinen Bruder. Um die Versuche der Königlichgesinnten im Innern des Landes zu vereiteln, besoldete der Protektor Hunderte von Spionen, die ihm jeden Aufstand schon im Voraus mittheilten, so daß er wirksame und strenge Maßregeln treffen konnte. Der Seekrieg mit Holland wurde zu Englands Ruhme beendet, das noch obendrein 85,000 Pfund als Kriegskosten erhielt. Um aber die verlorene Freiheit den Engländern vergessen zu machen, begann Cromwell sogleich einen neuen Krieg mit Spanien.

Der treffliche Seeheld Blake hatte eine tüchtige Seemacht geschaffen und begeisterte durch seine Thaten die Engländer so sehr für den Seedienst, daß er eigentlich als Begründer der englischen Uebermacht zur See angesehen werden kann. Er führte sein Geschwader in's mittelländische Meer, wohin seit den Kreuzzügen kein englisches Schiff gekommen war; er griff die Seeräuber unmittelbar in ihren Wohnsitzen Tunis und Algier an und zwang sie durch ein heftiges Bombardement zur Unterwerfung. Als die Kriegserklärung gegen Spanien geschehen war, nahm er eine spanische Silberflotte weg und versenkte viele Schiffe, indeß zwei andere englische Admirale St. Domingo angriffen und Jamaika eroberten. Um diesem Kriege noch mehr Gewicht zu geben, schloß Cromwell noch ein vertrautes Bündniß mit den Schweden, dem Erbfeinde Spaniens vom dreißigjährigen Kriege her. Wie sein Feuergeist in allen Dingen nach dem Höchsten strebte, so wollte er auch seiner Nation einen heroischen Schwung, ein Interesse für das Große, Allgemeine geben und oft hörte man ihn sagen, er wolle den Namen Engländer eben so gefürchtet als geehrt machen, als der Name eines Römers gewesen sei. Auch die Landesverfassung, an der er fort und fort arbeitete, zeugt von demselben kräftigen Streben nach Ordnung und Einheit. Zu Richtern wurden die rechtschaffensten Männer erwählt. Die Truppen wurden in die verschiedenen Städte des Reichs vertheilt, in strenger Zucht gehalten und prompt besoldet. Um die Steuern pünktlich einzutreiben, bediente man sich der militärischen Gewalt und es wurden deshalb 10 Generalmajore mit fast unumschränkten Vollmachten versehen.

Von den royalistischen Anführern, die sich noch immer regten, wurden ein paar Schiffsladungen voll nach Barbados in die Bergwerke geschickt. Aber mit seinen eigenen Anhängern hatte Cromwell noch manche Schwierigkeit. Die sogenannten Heiligen ließen ihn noch immer nicht los, sondern wollten wie sonst mit ihm beten und singen, seufzen und weinen und die Augen verdrehen und über die Weissagungen im alten Testament reden. Da aber der Protektor an diesem Wesen keinen Gefallen mehr fand, verdarb er es natürlich mit Vielen. Auch in der Armee gab es noch viele Unzufriedene, und als ihm das feile Parlament die Königskrone antrug, schlug er dieselbe wohlweislich aus, denn er dachte an Cäsar's Schicksal. Er mußte auch immer auf seiner Hut sein und ward seines Lebens nicht mehr froh. In seinem Mißtrauen sah er bald nur Feinde um sich her, die auf seinen Tod lauerten. Jedes fremde Gesicht beunruhigte ihn; in großer Gesellschaft schreckte ihn das Geräusch und im einsamen Zimmer die Stille. Er führte nicht nur beständig Pistole, Dolch und Degen bei sich, sondern trug noch einen Panzer unter der Kleidung und that keinen Schritt ohne Begleitung starker Wachen. Seine Reisen machte er wie auf Flügeln des Sturmwindes. Nie kehrte er auf demselben Wege zurück, den er gekommen war; nie sagte er vorher, wann und wohin er gehen wollte. Seine Zimmer hatten verborgene Thüren; sein Schlafgemach wechselte er fast alle drei Tage und jedesmal sagte er's immer erst den Augenblick vorher und bepflanzte dann den Eingang mit seinen königlich bezahlten Wachen. Sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe und er war mit Gott und der Welt zerfallen.

Bei solchem Gemüthszustande mußte auch seine Gesundheit schwinden. Kaum befiel ihn ein schwaches Fieber, als er auch schon von der Nähe des Todes überzeugt war. Er versammelte auch sogleich mehrere Geistliche um sein Bett und fragte sie, ob es auch unbestreitbar sei, daß der einmal von Gott erwählte nie ganz verworfen werden könne? Sie bejahten es. »Nun dann, wohl mir!« rief er aus, »denn dann weiß ich gewiß, daß ich einmal im Stande der Gnade gewesen bin!« Von dieser Zeit an stieg seine Hoffnung wieder. Aber die Kraft war erschöpft. Die Aerzte zeigten es dem Staatsrathe an, daß sein Ende nahe sei. Man fragte ihn darauf, ob er seinen ältesten Sohn zu seinem Nachfolger haben wolle. Er nickte mit dem Kopf und verschied bald darauf, im 59sten Jahre seines Alters am 3. September 1658. Ein furchtbarer Sturm erhob sich gerade in der Stunde seines Todes, was seinen zagenden Mitbürgern Stoff zu mancherlei Ahnungen und Betrachtungen gab. Sein Körper ward in der Westminsterabtei unter den Särgen der Könige, jedoch auf Kosten seiner Familie, beigesetzt. Um Cromwell legten die meisten europäischen Höfe Trauer an.


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