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IV. Die Bartholomäusnacht. Heinrich IV.

 

1.

Zu der Zeit, als der Despotismus Philipp's II. Spanien in Verfall brachte, ward Frankreich durch Religionskriege erschüttert. Auch in diesem Lande hatte die Reformation Wurzel gefaßt und besonders durch Kalvin war die reformirte Lehre verbreitet worden. Anfangs versammelten sich die Protestanten aus Furcht vor den Katholiken bei Nacht; besonders geschah solches in der Gegend von Tours. Da nun das Volk sich ein Mährchen erzählte, der König Hugo spuke des Nachts in dortiger Gegend, so nannte man die Anhänger des neuen Glaubens spottweise Huguenots, Nachtgespenster.

Die Hugenotten wurden indeß immer zahlreicher; selbst zwei königliche Prinzen aus dem Hause Bourbon, König Anton von Navarra (einem an der spanischen Grenze gelegenen Ländchen) und sein Bruder Herzog Ludwig von Condé bekannten sich öffentlich zur reformirten Kirche. Dagegen verfolgte eine andere herzogliche Familie, die Guisen, aus dem Hause Lothringen, die Hugenotten aus allen Kräften und zum Unglück bemächtigte sich zu gleicher Zeit ein Weib der Regierung, welches, anstatt die Parteien zu versöhnen, nur Zwietracht am Hofe und im Lande nährte und einen entsetzlichen Bürgerkrieg erregte. Dieses Weib war eine Italienerin, Namens Katharina von Medicis, die Wittwe des französischen Königs Heinrich II., der in einem Turnier gefallen war. Die drei Söhne Heinrich's II., Franz, Karl und Heinrich, kamen schnell hintereinander zur Regierung, weil keiner lange lebte. Da die Prinzen so schwach waren, daß ihnen die Feste und ausschweifenden Lustbarkeiten des Hofes über Alles gingen, das Regieren aber höchst gleichgültig war, so hatte ihre ränkevolle Mutter die beste Gelegenheit, ihren Willen geltend zu machen. In Gemeinschaft mit den Herzögen von Guise begann die Königin Mutter schon unter der kurzen Regierung ihres Sohnes Franz II. (des Gemahls der unglücklichen Maria Stuart) die Verfolgung der Hugenotten, denen durch ein königliches Edikt alle gottesdienstlichen Handlungen bei Lebensstrafe verboten wurden. Obschon keine Inquisition in Frankreich war, erfolgten doch zahlreiche Hinrichtungen; Leute von niedrigem Stande und die vornehmsten Männer starben auf dem Blutgerüst oder Scheiterhaufen, während man am Hofe von Vergnügen zu Vergnügen taumelte. Die Klagen und Beschwerden der Hugenotten auf den Reichstagen wurden nicht gehört. Da griffen, als eben der junge Karl IX. seinem frühverstorbenen Bruder Franz auf dem Throne folgte, die Hugenotten zu den Waffen, unter der Anführung des Prinzen Condé und des Admirals Coligny. Mehrere Jahre schon wüthete der Bürgerkrieg; die einflußreichsten Anführer beider Parteien waren in der Schlacht oder durch Meuchelmord gefallen. Doch nun stellten sich der junge König Heinrich von Navarra und Prinz Condé an die Spitze ihrer Glaubensbrüder und diese bekamen neuen Muth.

Heinrich war als Prinz von Béarn (an den Pyrenäen) in der reformirten Religion erzogen und von einer trefflichen Mutter gebildet. Sein Geist war lebendig und feurig, sein Körper gewandt und abgehärtet; seinem Herzen war Gottesfurcht und Liebe zu den Menschen eingeprägt. »Es ist besser, mit Ruhm zu sterben, als mit Unrecht zu siegen; ein Fürst herrscht zwar mit großer Macht über Völker und Länder, aber Gott behält doch die Oberhand über ihn,« – das waren Sittensprüche, die er von Jugend auf in treuem Gedächtniß behielt.

 

2.

Nachdem die arglistige Katharina von Medicis gesehen, daß auf dem Wege der Gewalt mit den Hugenotten nichts anzufangen sei, beschloß sie den Weg der List. Sie bot dem jungen Heinrich von Béarn ihre eigene Tochter Margaretha von Valois zur Ehe, um zu verhüten, daß der Fürst nicht auf eine andere Verbindung dächte, die wider ihren Vortheil sei. Die verstellte Freundlichkeit schien so innig, daß auch Johanna, die kluge Königin von Navarra, trauete und selbst nach Paris ging, wohin man sie höflichst eingeladen hatte. Aber noch während der Zurüstung zur Hochzeit starb sie plötzlich, man sagt an vergifteten Handschuhen, denn in der Kunst des Giftmischens war Katharina von Medicis sehr bewandert.

Auch der Admiral Coligny war an den Hof berufen worden und hatte sich durch allerlei Schmeicheleien und Versprechungen so bethören lassen, daß er das Netz nicht sah, welches um ihn gezogen war. Schon war ein Meuchelmörder gedungen, dem Admiral in einem Hause aufzulauern, vor welchem er täglich vorüberging, wenn er vom Louvre (dem Schlosse des Königs) kam. Der Schuß ging richtig los, die Kugel dem alten Mann durch den rechten Arm und nahm dann den Zeigefinger der rechten Hand weg. Betroffen, doch nicht außer Fassung, sah sich Coligny um und zeigte seinen Begleitern die Fenstergardine, hinter welcher der Schuß hervorgekommen war. Da der Mörder aber die Vorsicht getroffen hatte, die Hausthür zu schließen, so gewann er Zeit genug, durch eine Hinterpforte zu entwischen.

Der Vorfall machte Aufsehen. Prinz Condé und Heinrich von Navarra eilten bestürzt zum Könige. Dieser schwört, daß der Vorfall ihn noch mehr als sie selber schmerze. Gleiche Schwüre thut er auch dem Admiral Coligny, den er auf der Stelle besucht. Dieser läßt sich wieder bethören und hört nicht auf die Warnungen seiner Freunde, die ihm rathen, aus Paris zu fliehen. Die Königin Mutter aber beeilt sich nun desto mehr, ihren lange entworfenen Plan auszuführen. Sie läßt, da der Admiral selber um eine Leibwache gebeten hat, ein Garderegiment nach Paris kommen und dasselbe rings um seine Wohnung in Quartier legen. Auch wird den benachbarten Katholiken befohlen, Hugenotten in ihre Wohnung aufzunehmen.

Die Königin hielt Rath mit ihren Vertrauten und man kam überein, in einer Nacht die Häupter der Hugenotten nebst so vielen Gemeinen, als man deren habhaft werden könnte, zu ermorden. Der König erschrak anfangs; aber man wußte ihn zu überreden. Dem Marschall von Tavannes ward der Auftrag gegeben, die katholischen Bürger von Allem zu unterrichten und dem jungen Herzog von Guise, für Coligny's Ermordung zu sorgen. Der Herzog wollte auch den König von Navarra und den Prinzen Condé auf die Liste setzen, aber man scheute sich doch, königliches Blut zu vergießen.

Tavannes ließ hierauf die Vorsteher der Bürgerschaft vor den König kommen und befahl ihnen im Namen desselben, ihre Kompagnien um Mitternacht vor dem Rathhause zu versammeln. Als man ihnen vorläufig den Zweck dieser Verfügung kund that, erschraken sie auf's Heftigste und entschuldigten sich mit ihrem Gewissen; aber Tavannes fuhr dergestalt mit Drohungen auf sie ein, daß sie bald aus Furcht mehr versprachen, als man verlangt hatte. Hierauf wurde ihnen gesagt, daß Abends um 9 Uhr mit der Glocke im Louvre ein Zeichen gegeben werden sollte, worauf sogleich vor alle Fenster Fackeln gesteckt, auf alle Plätze und Kreuzwege Wachen gestellt und vor die Straßen Ketten gezogen werden sollten. Zur Unterscheidung von den Reformirten mußten die Katholiken während des Gemetzels ein weißes Tuch um den Arm und ein weißes Kreuz auf den Hüten tragen.

 

3.

Die Vorkehrungen zu diesem grausenvollen Ueberfall wurden mit so bewunderungswürdiger Verschwiegenheit getroffen, daß kein Reformirter etwas davon erfuhr. Einer der Häupter dieser Partei, der Graf von la Rochefoucauld, war noch spät bis gegen Abend bei dem Könige, der ihn wegen seines munteren Gesprächs liebte, und ihn gern gerettet hätte, aber sich doch nicht getrauete, ihm einen Wink zu geben. Alles, was er thun konnte, war, ihn zu bitten, diesen Abend bei ihm zu bleiben; da aber der Graf ein nothwendiges Geschäft vorschützte und nicht bleiben wollte, mußte er ihn seinem Schicksale überlassen.

Jetzt ward es dunkel und unter bangem Herzklopfen erwartete Karl IX. die bestimmte Stunde. Seine Mutter, die beständig um ihn blieb, sprach ihm Muth ein. Man mußte ihm aber doch noch den Befehl zum Läuten der Glocke im Louvre abnöthigen. In der höchsten Unruhe eines Missethäters ging er hierauf aus seinem Kabinet in ein Vorzimmer des Louvre und sah zitternd zum Fenster hinaus. Seine Mutter und sein Bruder Heinrich von Anjou begleiteten ihn auch dahin. In der Angst, sagt man, wünschten sie Alle den heillosen Befehl zurück, aber es war zu spät. Schon hatte das Blutbad begonnen. Der junge Guise und der Graf von Angoulème hatten gleich nach gehörtem Zeichen das Haus des Admirals mit 300 Geharnischten besetzt, im Namen des Königs das Thor zu öffnen befohlen und ein Paar verwegene Kerle hinaufgeschickt. Diese stürmten wild die Treppe hinan, riefen: »Mord und Tod!« und drangen mit gezücktem Degen in des kranken Mannes Schlafzimmer. Er war gleich bei dem ersten Lärmen aufgestanden und stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt, als die Mörder hereinstürzten. Einer derselben, ein Lothringer Namens Böhm, rief ihn an: »Bist du Coligny?« – »Ich bin es,« antwortete dieser mit gefaßter Miene. »Junger Mensch, habe Ehrfurcht vor meinen grauen Haaren.« Aber jener stieß ihm den Degen in den Leib, zog ihn rauchend wieder heraus, hieb ihn in's Gesicht, in den Hals, in die Brust, so lange bis der Unglückliche kein Zeichen des Lebens mehr von sich gab, und dann rief er zum Fenster hinaus: »Es ist geschehen!« Aber Guise schrie hinaus: »Der Graf von Angoulème will es nicht eher glauben, als bis er den Leichnam vor seinen Füßen sieht!« Die Söldlinge warfen den Leichnam zum Fenster hinab. Angoulème wischte ihm hierauf das Blut aus dem Gesicht und da er sich überzeugt hatte, daß es der rechte sei, gab er ihm einen Tritt mit dem Fuße.

Auf das fürchterliche Geschrei, welches sich gleich nach dem Läuten der Glocke erhoben hatte, waren die Reformirten aus dem Schlafe erwacht und an die Fenster, ja vor die Thüren gestürzt, meist schlaftrunken, viele fast unbekleidet. Die, welche auf Coligny's Wohnung zueilten, wurden von Guisen's Geharnischten, die auf das Louvre losrannten, von des Königs Gardesoldaten mit Piken niedergestochen. Jetzt kamen auch die Bürgerpatrouillen mit ihren weißen Tüchern zum Vorschein und fielen nicht blos über die Fliehenden her, sondern drangen auch in die Häuser ein und metzelten nieder, was sie erreichen konnten. Wirthe stachen ihre Miethsleute, Dienstboten ihre reformirten Herrschaften über den Haufen. Welch' eine Nacht! Während die eine Hälfte der Pariser racheschnaubend durch die Straßen lief oder röchelnd und winselnd niedersank, saß die andere Hälfte in Kammern, auf Böden und in Kellern und wagte kaum zu athmen, bis das Bedürfniß oder die Neugier sie doch hervorlockte und sie dann wie die Andern niedergemacht wurden. Karl, so ängstlich er am Anfange des Blutbades gewesen war, gerieth bald selbst in eine Art von Wuth. Er rief selbst mehrere Male zum Fenster hinaus: tue! tue! Ja er schoß selber mit einer Flinte unter die Hugenotten, die über den Fluß setzen wollten. Guise rief laut durch alle Straßen, es sei des Königs Wille, daß diese ganze Natternbrut vertilgt werde und den Tavannes machte die Mordlust sogar witzig. Er schrie unzählige Mal: »Laßt Ader! Laßt Ader! Die Aerzte sagen, das Aderlassen sei im August so heilsam als im Mai!« Das Alles munterte denn die katholischen Bürger so kräftig auf, daß sie Wunder der Unmenschlichkeit verrichteten. Ein Goldschmied, Namens Crucé, rühmte sich, mit seinem Arme allein 400 Ketzer niedergemacht zu haben. Viel Habsucht und Rachsucht war mit im Spiel, denn Schuldner stießen ihre Gläubiger nieder, gleichviel ob letztere katholisch oder protestantisch waren. So starb auch der berühmte Philosoph Petrus Ramus für seine Angriffe auf des Aristoteles Ansehen, von Professoren ermordet, die dem Aristoteles anhingen.

Der Tag brach an über diesen Greueln und beleuchtete die Spuren der fürchterlichen Menschenschlacht. Straßen und Häuser klebten von Blut; überall lagen verstümmelte Leichname oder noch zuckende Sterbende. Man mußte einen großen Theil derselben mit eisernen Haken in die Seine schleppen; es waren der Gemordeten über 3000. Das war die berüchtigte Bartholomäusnacht, vom 23. bis 24. August 1572, die, weil sie so schnell auf die Hochzeit Heinrich's von Navarra folgte, mit einem grausamen Scherze die Pariser Bluthochzeit genannt wurde.

Philipp II. von Spanien triumphirte und stellte Freudenfeste an; der Papst Gregor XIII. hielt sogar eine feierliche Danksagungsmesse, ließ Kanonen lösen und Freudenfeuer abbrennen und eine eigene Münze auf die Pariser Bluthochzeit schlagen. Nur die Engländer und Deutschen äußerten lebhaft ihren gerechten Abscheu über diese That. »Wollte Gott,« schrieb der redliche Kaiser Maximilian II., »mein Tochtermann hätte mich um Rath gefragt, wollte ihm treulich als ein Vater gerathen haben, daß er solches nimmermehr gethan hätte.«

 

4.

Die Szenen der Hauptstadt wiederholten sich nun in den Provinzen; zu Lyon kamen 1300, in ganz Frankreich wohl 30,000 um. Heinrich und Condé wurden vor den König gerufen und dieser fuhr sie mit den Worten an: »Messe, Tod oder Bastille!« Heinrich rettete sich nur dadurch, daß er in die Messe ging und zum Schein den katholischen Glauben annahm. Karl IX. starb bald darauf unter schrecklichen Gewissensbissen und an einer fürchterlichen Krankheit; man sagt, er habe Blut geschwitzt. Ihm folgte als König Heinrich III., welcher inzwischen vier Monate lang König von Polen gewesen war, ein leichtsinniger, elender Wollüstling, der mit den liederlichsten Menschen umging, die er seine Mignons (Schooßkinder) nannte, und den ganzen Tag mit Hunden und Papageien spielte.

Während dieser Heinrich III. leichtsinnig dahin lebte, stiftete der Herzog Heinrich von Guise die sogenannte heilige Ligue, einen Bund von fanatischen Katholiken, der es sich zum Gesetz machte, alle Hugenotten auszurotten und das Haus Guise-Lothringen auf den Thron zu erheben. Zu diesem Zwecke vereinigte sich Heinrich von Guise mit König Philipp II. von Spanien, beraubte die Königin Mutter ihres Einflusses auf die Regierung und wiegelte sogar die Pariser gegen den König auf. Da ermannte sich Heinrich III. und ließ den Herzog von Guise ermorden. Doch nun erfolgte ein allgemeiner Aufstand der Katholiken und Heinrich mußte zu dem König von Navarra seine Zuflucht nehmen, um mit diesem vereint seine Hauptstadt wieder zu erobern. Im Schlosse von St. Cloud wurde er jedoch von einem Dominikanermönch, Namens Clement, meuchlings ermordet und Heinrich IV., König von Navarra, folgte, als der erste Bourbon, auf dem französischen Throne.

Aber Heinrich IV. mußte sich erst den Thron erkämpfen, denn die ganze Ligue, angeführt von dem Herzog von Mayenne, dem Bruder des ermordeten Heinrich von Guise, stand ihm feindlich gegenüber. Der Herzog von Mayenne war klug und tapfer, aber auch sehr dem Wohlleben ergeben. Der Papst bemerkte sehr richtig: »Dem Bearner wird es gelingen, denn er braucht kaum so viel Stunden zum Schlaf, als der Herzog von Mayenne zum Essen.« Und Heinrich war auch wirklich die Thätigkeit selbst; früh um 4 Uhr stand er auf, sah nach Allem selbst, entschied Alles rasch und sicher und in der Schlacht verglichen seine Feinde selbst ihn mit dem Adler. Als er bei Ivry mit Mayenne's Heer zusammentraf und früh am Morgen seine Schaaren ordnete, fiel er auf die Kniee nieder und bat Gott, ihm statt des Sieges den Tod zu schenken, wenn er vorher wisse, daß er ein schlechter König werden würde. Alle Soldaten zerflossen in Thränen und fühlten sich durch einen solchen Anführer zwiefach zur Tapferkeit begeistert. Aus allen Kehlen erschallte es: »Hoch lebe der König Heinrich IV.!« Dann sprengte er mehrmals durch die Reihen und hielt eine herrliche Anrede an die Truppen, die er mit den Worten schloß: »Und wenn ihr eure Standarten verlieren solltet, so sehet nur nach meinem weißen Federbusch; ihr werdet ihn immer auf dem Wege der Ehre und des Sieges finden!« Und er erfocht einen herrlichen Sieg, am 14. März 1590, noch herrlicher durch die Mäßigung, die er nach demselben zeigte. Denen, die den Fliehenden nachsetzten, rief er zu: »Schonet die Franzosen, macht nur die Ausländer nieder!« So blieben fast alle Spanier auf der Wahlstatt. Die Gefangenen fesselte er durch seine herzliche Freundlichkeit an sich, dem Herzog von Mayenne bot er Frieden an. Aber Paris schloß ihm die Thore. Er hätte die Stadt durch Hunger zur Uebergabe zwingen können, allein er hoffte, sie durch Großmuth zu besiegen, und ließ es geschehen, daß seine Befehlshaber und Soldaten den Parisern Lebensmittel zuführten, wofür sie freilich theure Bezahlung erhielten. Endlich gab er die Belagerung wieder auf, weil er keinen Sturm unternehmen wollte. Er sah mehr und mehr ein, daß es ihm nie nach Wunsch gelingen würde, die Liebe seiner Unterthanen zu gewinnen und dem Lande Frieden zu geben; so entschloß er sich endlich auf die Bitte vieler Katholiken nicht blos, sondern auch vieler Reformirten, 1593 den katholischen Glauben anzunehmen, und nun gelang es ihm, den Einzug in Paris zu erhalten. Er bekam nun viele seiner erbittertsten Feinde in seine Gewalt, doch verzieh er ihnen mit Großmuth. »Ich will Alles vergessen!« rief er. »Meine Siege kommen von Gott; er vergibt uns, wenn wir es auch nicht verdienen, wie sollte ich meinen Unterthanen nicht verzeihen?«

Einem seiner tapfersten Generale, der aber große Schulden hatte, ward am Tage seines Einzugs in Paris von den Gläubigern sein Hausgeräth weggenommen. Er beklagte sich beim Könige und bat ihn, Befehl zu geben, daß das Geräth freigelassen werde. »Nein«, sagte der König, »man muß seine Schulden bezahlen, ich bezahle die meinigen auch.« Darauf zog er ihn bei Seite und gab ihm einige seiner Edelsteine, sie zum Unterpfand einzusetzen, bis er bezahlen könnte; denn Geld hatte der König selbst nicht. – Als die spanische Besatzung, welche besonders Paris gegen Heinrich vertheidigt hatte, auszog, sprach er zu den Gesandten: »Meine Herren! Empfehlen Sie mich Ihrem Könige, reisen Sie glücklich, aber kommen Sie nie wieder!«

 

5.

Nachdem es ihm endlich gelungen war, das ganze katholische Frankreich zu beruhigen, vergaß er auch seiner alten Glaubensgenossen nicht, die durch seinen Uebertritt zum Katholizismus in nicht geringe Besorgniß gerathen waren. Er gab im Jahre 1596 das Edikt zu Nantes, wodurch die Reformirten freie Religionsübung in Frankreich erhielten; sie durften Schulen anlegen, konnten zu Staatsämtern gelangen und bekamen einige feste Sicherheitsplätze. Die katholischen Räthe widersetzten sich lange, dieses Edikt anzuerkennen; doch Heinrich's Treuherzigkeit gewann sie endlich.

Nun suchte er durch alle Mittel Wohlsein im Lande zu verbreiten. Er schaffte die überflüssigen Soldaten ab und nöthigte die entlassenen, ungebaute Felder urbar zu machen. Er reinigte die Landstraßen von Räubern, die sich bei den inneren Unruhen sehr vermehrt hatten. Den Landleuten erließ er eine große Summe rückständiger Steuern, da sie, durch den Krieg verarmt, nicht zu bezahlen im Stande waren, und noch jetzt erinnern sich die französischen Bauern gern der Worte des Königs: »Ich wollte, daß jeder meiner Bauern des Sonntags sein Huhn im Topfe hätte!«

In seinem Aeußern war Heinrich sehr einfach; er trug gewöhnlich nur einen grauen Rock ohne alle Auszeichnung und spottete über Diejenigen, die ihre Mühlen und Felder auf dem Rücken trügen. Ja, er verbot sogar, Gold und Silber auf den Kleidern zu tragen. Und um seinem Lande das Geld zu erhalten, das für den Ankauf seidener Waaren damals in fremde Länder ging, ließ er viele Maulbeerbäume pflanzen, Seidenwürmer ziehen und brachte selber mehrere Seidenmanufakturen in Gang. Auch erleichterte er auf alle Weise den Handel, machte Flüsse schiffbar, ebnete die Wege, setzte die Zölle herab. In seinem treuen Kriegsgefährten, Maximilian von Bethüne, später vom König zum Herzog von Sülly ernannt, fand er den Mann, der ihm zugleich der beste Minister und treueste Freund war. Und Heinrich verdiente es, solchen Freund zu haben. Sülly, der mit jedem Wort und Blick ihm sagte, wie er so innig Theil an ihm nehme, erniedrigte sich nie zum Schmeichler, sondern sprach und handelte stets mit der Freimüthigkeit eines edlen Mannes. Heinrich konnte zuweilen sehr empfindlich, ja zornig werden, wenn Sülly ihn tadelte; aber immer war das Ende dieses Zorns, daß sein Zutrauen und seine Freundschaft wuchsen. Als der König der schönen, aber herrschsüchtigen Henriette d'Entragues ein schriftliches Eheversprechen ihrem Wunsche gemäß ausgestellt hatte und es Sülly zeigte, zerriß es dieser. »Bist du närrisch?« fuhr ihn Heinrich an. »Wollte Gott, ich wäre es allein in Frankreich!« antwortete dieser. Einst that ihm Sülly auch wegen einer ungerechten Handlung so nachdrückliche Vorstellungen, daß der König zornig aufstand und wegging; »Das ist doch ein unausstehlicher Mensch, er thut nichts lieber, als mir widersprechen, und mißbilligt Alles, was ich will. Aber bei Gott, ich will mir Gehorsam verschaffen und ihn vierzehn Tage lang nicht sehen!« Des andern Morgens um 7 Uhr hört Sülly, der schon seit drei Uhr für seinen König gearbeitet hat, an seine Thür klopfen. »Wer ist da!« ruft er. – »Der König!« und Heinrich tritt herein, umarmt seinen Freund und sagt: »Wenn Ihr mir nicht mehr widersprecht, werde ich glauben, daß Ihr mich nicht mehr liebt!«

Einst hatte Heinrich den spanischen Gesandten zu sich beschieden. Wie derselbe eintritt, ist der König gerade damit beschäftigt, seinen kleinen Sohn aus dem Rücken, als vierbeiniges Pferd durch das Zimmer zu traben. Er hält einen Augenblick inne und fragt: »Herr, habt Ihr auch Kinder?« »Ja, Sire!« antwortet der Spanier. »Nun, da erlaubt Ihr mir schon, daß ich meinen Ritt vollende!« – So bewahrte der König das rein Menschliche, ohne seine Pflichten als König zu vernachlässigen.

 

6.

Viele seiner Unterthanen erwiederten die Liebe nicht, die Heinrich für sie hatte; sie argwöhnten immer, daß er kein aufrichtiger Katholik sei, und die Begünstigung der Ketzer durch das Edikt von Nantes war und blieb ihnen ein Anstoß. Die Geistlichkeit, besonders die Jesuiten, unterließen nicht, den Haß gegen den guten König rege zu halten. Schon 1594 hatte ihn ein verführter Katholik in seinem Zimmer ermorden wollen, aber wegen eines Fehlstoßes ihn blos an der Lippe verwundet. Dann kommen noch mehrere Verschwörungen gegen sein Leben an den Tag. Dies stimmte den heitern, sonst so lebenslustigen König sehr traurig und es quälten ihn oft schwermüthige Ahnungen. Die Königin, Maria von Medicis, eine Schwester des Großherzogs von Toskana, hing der spanischen Partei an und haßte ihren Gemahl. Da geschah es, als Heinrich sich zu einem Kriege gegen das österreichisch-spanische Haus rüstete, daß die Königin ihn bat, sie feierlich krönen zu lassen, damit sie desto nachdrücklicher während seiner Abwesenheit die Regentschaft führen könnte. Heinrich sagte zu Sülly: »Wie sehr mißfällt mir diese Krönung; mein Herz sagt mir, daß ein Unglück bevorsteht; ich werde in Paris sterben!«

Am 13. Mai fand die Krönung in St. Denys statt, am 14. Nachmittags fuhr Heinrich mit sieben anderen Herren in's Zeughaus zu dem kranken Sülly. Die Kutsche, an beiden Seiten offen, kommt in eine enge Gasse, wo sie einiger beladenen Wagen wegen, die entgegen kamen, still halten muß. Die Bedienten steigen ab, um Platz zu machen oder um einen näheren Weg einzuschlagen. Die rückwärts sitzenden Herren sahen sich nach den Pferden um, der König aber spricht mit seinem Nachbar und sagt ihm etwas in's Ohr. Diesen Augenblick benutzt ein gewisser Ravaillac, der schon lange dem königlichen Wagen gefolgt ist; er steigt auf das Hinterrad, biegt sich in das Innere des Wagens und giebt dem Könige zwei Dolchstiche hinter einander mit solcher Geschwindigkeit, daß keiner der im Wagen sitzenden Herren die That eher gewahrt, als bis sie geschehen ist. Auf des Königs Geschrei: »Mein Gott! Ich bin verwundet!« wenden sich Alle um, aber schon ist der König verschieden, denn der Dolch hat das Herz getroffen (1610, 14. Mai).

Der Mörder blieb ruhig neben dem Wagen stehen. Es zeigten sich mehrere bewaffnete Männer, welche riefen, man müsse ihn tödten, aber schnell verschwanden, sobald man ihn gefangen nahm. Ein allgemeiner Jammer verbreitete sich bald durch Stadt und Land zum Befremden Ravaillac's, der einen Tyrannen, Heuchler und Feind des Papstes ermordet zu haben glaubte; Mitschuldige gab er nicht an, aber er soll geäußert haben, man würde wie angedonnert sein, wenn er deren nenne. Der Jesuit Cotten, Heinrich's Beichtvater, war bei ihm im Kerker und drang in ihn, keine ehrlichen Leute anzugeben. Seine Strafe war schrecklich. Er wurde mit glühenden Zangen zerrissen und siedend Oel ihm in die Wunden gegossen; dann arbeiteten vier schwache Pferde eine Stunde lang, ihn in vier Stücke zu zerreißen. Die Königin war nicht sehr bestürzt und dachte nur darauf, sich die Regentschaft zu sichern. Am Hofe war Heinrich so schnell vergessen, als ob er nie gelebt hätte; aber in Millionen seiner Unterthanen lebte der treffliche König fort in gesegnetem Andenken.


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