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Siebenter Abschnitt.
Freiheitsmänner.

I. Washington. Maukisch, Parallelbilder.

 

1.

Bekanntlich betrat Kolumbus, der Entdecker von Amerika, erst auf der dritten seiner großen Entdeckungsreisen das feste Land dieses Erdtheils. Fast zur nämlichen Zeit, im Jahre 1497, segelte von England aus ein kühner Venetianer Namens Johann Kabot nach dem atlantischen Ozean auf Entdeckungen aus, landete an den Küsten von Neufoundland und Virginien und ward also der Entdecker des Nordens von Amerika. Allein diese unermeßlich große Länderstrecke, so groß als unser ganzer Erdtheil, war damals und noch lange nachher, eine einzige ungeheure, rauhe Waldeinöde und bot mithin nichts dar, was die Gier der goldhungrigen Europäer hätte reizen können. Ihre Schiffe erschienen nur dann an der langen endlosen Küste Nordamerika's, wenn sie bei ihren des Stockfischfangs wegen unternommenen Seereisen dahin verschlagen wurden. Erst im Jahre 1606 kamen Auswanderer aus England, mit dem Entschlusse, sich hier anzubauen. Schon damals legten sie den Grund zu mehreren jetzt noch blühenden Städten, wie Plymouth, Charlestown etc., und ihre Zahl ward in den folgenden Jahren auf's Ansehnlichste vermehrt, als die Verfolgungen der Katholiken in England eine Menge derselben aus ihrem Vaterlande trieben. In schneller Aufeinanderfolge entstanden nun Provinzen und Städte, wie Connecticut, Rhode-Island, Südkarolina und Pennsylvanien. Das letztere führte von einem Quäker, Namens Penn, seinen Namen, welcher zugleich in seinen letzten Silben die ungeheure Waldlandschaft, die das Land bei der ersten Niederlassung der Anbauer bildete, bezeichnete. Alle Anbauer hatten mit einer großen Anzahl von Hindernissen und Schwierigkeiten zu kämpfen, um den mit Wäldern und Morästen bedeckten Boden urbar zu machen, und der Gewinn, den sie daraus zogen, war mit dem aus den Goldgruben des in der üppigsten Vegetation prangenden Südamerika's keineswegs zu vergleichen. Allein die Vorrechte und Freiheiten, welche England, das die Obergewalt über den ganzen unermeßlichen Länderstrich in Anspruch nahm, den dahin Auswandernden verlieh, vor Allem das Recht, sich selbst eine Verfassung zu geben, und die unbedingteste Religionsfreiheit lockten gar manchen braven und thätigen Mann aus Europa, welches seit Jahrhunderten der Schauplatz der blutigsten und unsinnigsten Meinungs- und Glaubensverfolgungen gewesen war. Die Bewohner dieses Theiles der neuen Welt waren daher die freisinnigsten, die freiheitsliebendsten der ganzen Erde, und ihr Fleiß bei der Bebauung ihrer Felder, der Reichthum ihrer ausgebreiteten Fischereien verlieh ihnen bald einen gewissen Grad von Wohlstand. Nur um den Handel, die vorzüglichste Erwerbsquelle aller Küstenländer, sah es für die Amerikaner lange Zeit nicht zum Besten aus, da sich die Engländer ganz desselben bemächtigt hatten, indem sie auf ihren Schiffen die Erzeugnisse der Kolonisten abholten und diesen wiederum brachten, was ihnen nöthig war. Dies gab Veranlassung zu einem unerlaubten Schleichhandel, welcher besonders dann in einem außerordentlichen Umfange getrieben wurde, als die Franzosen die Provinz Kanada besetzten und von hier aus den Engländern in ihren Kolonien allen möglichen Schaden zuzufügen suchten. Bald kam es daher zum Kriege zwischen England und Frankreich, und in den Kämpfen desselben trat zuerst der Mann auf, welcher berufen war, seinem Vaterlande einst die Unabhängigkeit zu erringen, dadurch den Grund zu der jetzt noch immer im Steigen begriffenen Größe der nordamerikanischen Freistaaten zu legen, und sich selbst eine Stelle unter den merkwürdigsten und ausgezeichnetsten Menschen aller Zeiten und Völker zu erwerben.

 

2.

Georg Washington – dies ist der Name jenes Mannes – wurde als der Sohn eines reichen Gutsbesitzers am 22. Februar 1732 in Virginien geboren. Sein Großvater war bereits im Jahre 1657 aus England nach Amerika ausgewandert. Schon als zehnjähriger Knabe verlor er seinen Vater, allein sein Hofmeister, ein braver, unterrichteter Mann, bot Alles auf, ihn durch die beste Erziehung für den harten Verlust zu entschädigen. Georg lernte unter seiner Leitung Alles, was er in seiner Lage und für seine künftige Bestimmung nöthig hatte, und seine außerordentlichen Anlagen und Fähigkeiten ließen ihn die schnellsten Fortschritte in allen Zweigen des Unterrichts machen. Besonders zog ihn seine Neigung zu der Mathematik und den Kriegswissenschaften hin und bald erwarb er sich in denselben so ausgezeichnete Kenntnisse, daß er schon als zwanzigjähriger Jüngling zum Major in der Miliz seines Vaterlandes ernannt wurde. Als nun die Franzosen am Ohiostrom sich fest zu setzen begannen, versuchten die Engländer zuerst durch Unterhandlungen sie davon abzubringen, und Washington war es, dem man die Sendung anvertraute. Es gab dabei mannichfache Schwierigkeiten zu überwinden, denn man hatte es mit den klugen und verschlagenen Franzosen zu thun und mit der starren Unbiegsamkeit einiger Indianerstämme. Mit einem einzigen Begleiter trat der Jüngling seine Reise nach dem 400 Meilen weit entfernten Ziele an, wo er zuletzt glücklich anlangte. Allein umsonst waren alle seine Bemühungen, den französischen Befehlshaber zu bewegen, von seinem Vorhaben abzustehen; vielmehr erklärte dieser, daß er fortfahren werde, da der Landstrich am Ohio allein seinem Könige gehöre, Jeden gefangen zu nehmen, der sich ohne seine Erlaubniß auf diesem Strome treffen lasse. So kehrte nun zwar Washington von dieser Sendung zurück, ohne den Zweck derselben erreicht zu haben; allein dennoch war die Reise für ihn und sein Vaterland von großer Wichtigkeit, da der junge Mann mit dem ihm eigenen Scharfsinn und guter Beobachtungsgabe sich auf dem ganzen Wege hinlängliche Kenntniß der Richtungen desselben, der Gegend und der Menschen gesammelt hatte.

Kaum vernahm der englische Gouverneur in Virginien die Fruchtlosigkeit jener Friedensvorschläge, als er auch beschloß, sich mit bewaffneter Hand den Unternehmungen der Franzosen zu widersetzen. Es wurde daher eine Schaar von 300 Kriegern gesammelt und der Oberbefehl über dieselben dem Major Washington übergeben. Schnell rückte der junge Held mit diesem Häuflein nach dem Ohiostrome vor, und in einem Kampfe mit einem weit überlegenen französischen Haufen wurde der letztere in die Flucht geschlagen. Allein neue Verstärkungen rückten, unter dem entsetzlichen Schlachtgeheule mehrerer Hundert Wilden, die auf der Seite der Franzosen waren, heran, und Washington, um seine braven Leute nicht unnütz zu opfern, sah sich genöthigt, der Uebermacht zu weichen. In der größten Schnelligkeit ließ er eine Verschanzung aufwerfen und diese vertheidigte er mit seinem Häuflein gegen die entschiedenste Uebermacht mit solchem Muthe, daß die Franzosen, die dem wackern Gegner in ihrem ritterlichen Sinne volle Gerechtigkeit widerfahren ließen, ihm einen ehrenvollen Abzug mit den Waffen in der Hand zugestehen mußten. Aber das Fehlschlagen dieser Unternehmung bewog die Engländer nur zu desto nachdrücklicheren Anstalten, und an der Spitze von mehr als 2000 Mann rückte jetzt General Braddock in's Feld, den Unternehmungen der Feinde ein Ziel zu setzen. Im übermüthigen Vertrauen auf sein Heer, welches in jenen Gegenden damals als ein sehr zahlreiches galt, vernachlässigte dieser Führer beim Vorrücken alle Vorsichtsmaßregeln, zu deren Anwendung ihn Washington, der sich als Adjutant des Generals im Zuge befand, dringend ermahnte. Plötzlich sahen sich die Engländer in einem waldigen Gebirge von zwei Seiten zugleich angegriffen, die Kugeln der Franzosen, wie die Pfeile der Indianer wütheten gleich schrecklich in ihren Reihen. Braddock selbst fiel tödtlich verwundet, und kaum würde Einer vom ganzen Heere dem Blutbade entronnen sein, wenn nicht Washington an der Spitze seiner löwenkühnen virginischen Scharfschützen sich dem mit Macht andrängenden Feinde entgegengeworfen, durch ein ununterbrochenes, wohlgezieltes Feuer Unordnung und Verwirrung in dessen Reihen gebracht und so seinen weichenden Landsleuten den Rückzug möglich gemacht hätte. Allgemein war die Bewunderung, welche dem jugendlichen Helden sowohl seiner Tapferkeit als seiner Einsicht wegen zu Theil ward und eben so allgemein die Stimme, mit welcher man ihn zum Oberbefehlshaber der ganzen Macht erwählte, welche den Kampf gegen die Franzosen fortsetzen sollte. Allein die Unterstützung aus England war dabei so gering, daß man gegen die Uebermacht nichts ausrichten konnte, und erst mit dem Jahre 1757 erschienen Verstärkungstruppen mit neuen Heerführern aus Europa. Unwiderstehlich drängten die Engländer die Franzosen zurück, aus einer Festung nach der andern mußten sie weichen und ein Jahr darauf war das ganze große Kanada, noch jetzt die englische Hoheit anerkennend, in der Gewalt der Briten. So wichtige Dienste aber auch bei allen diesen Unternehmungen Washington an der Spitze seiner wackern Virginier durch seine Kenntniß des Landes, seine Einsicht und Tapferkeit leistete, so mußte er doch, als ein geborner Amerikaner, von den stolzen Engländern sich mannigfach gekränkt, viele seiner weisesten Rathschläge auf eine beleidigende Weise zurückgewiesen sehen. Dies bewog ihn endlich im Jahre 1762, als der Friede zwischen den kriegführenden Mächten abgeschlossen wurde, seine Stelle als Oberster des virginischen Regiments niederzulegen, und nie haben Offiziere und Soldaten den Verlust ihres Befehlshabers herzlicher bedauert, als es hier der Fall war.

 

3.

Washington begab sich nun nach seinen väterlichen Besitzungen, trat bald darauf in den Stand der Ehe und führte so mehrere Jahre hindurch das einfachste, glücklichste Leben. Der Anbau seiner weitläufigen Ländereien und das Studium der Wissenschaften waren seine Lieblingsbeschäftigungen und im traulichen Kreise seiner Familie genoß er seine schönsten Erholungsstunden.

Während dieser Zeit aber hatten sich in seinem Vaterlande durch Verhältnisse mannichfacher Art große Ereignisse vorbereitet. Unter den Rechten, welche England über seine Kolonien im nördlichen Amerika in Anspruch nahm, war eins der vornehmsten, die Kolonisten mit Abgaben und Steuern zu belasten. Und obschon diese weit geringer und weniger drückend, als in dem Mutterlande waren, so fand es doch der Freiheitssinn der Amerikaner bald unerträglich, zu den Lasten des fernen Englands beitragen zu müssen, ohne doch die Vorrechte desselben zu genießen. Die Stempelakte, eine Verfügung der englischen Regierung, durch welche den Amerikanern der Gebrauch des theuren englischen Stempelpapiers bei gewissen Handlungen geboten wurde, nahm man zwar im Jahre 1769 zurück, dafür aber führte man eine neue Abgabe für einige nach Amerika gehende Waaren, wie Glaswaaren, Papier, Malerfarben und Thee, ein. Allgemein war die Unzufriedenheit in allen Provinzen, als sich die Nachricht von dieser willkürlichen Verfügung der englischen Regierung verbreitete, überall besprach man sich in zahlreichen Zusammenkünften über die Maßregeln, welche man dagegen ergreifen wollte. Man beschloß, von allen diesen Waaren keine an's Land kommen zu lassen, sondern die ankommenden sogleich zurückzuweisen. Darüber kam es zu Thätlichkeiten zwischen den englischen Soldaten und den Bürgern von Boston, einer der wichtigsten Seestädte Amerika's. Und als nun die englische Regierung mit Nachdruck verfahren wollte und drei angesehene Bürger von Boston im Jahr 1770 wegen der Theilnahme an jenen Thätlichkeiten erschießen ließ, stieg die Erbitterung der Amerikaner gegen das Mutterland, immer höher und verschwand selbst dann nicht, als die Nachricht kam, daß die Abgabe aus die übrigen Waaren wieder zurückgenommen worden sei und nur vom Thee eine kleine Abgabe gegeben werden sollte. Denn die Amerikaner waren nicht länger gemeint, auch nur die kleinste unrechtmäßige Bedrückung zu dulden und in einem erneuten Aufstande zu Boston im Jahre 1773 begaben sich siebzehn Bürger, als Indianer vermummt, auf drei im Hafen liegende englische Schiffe und warfen allen darauf befindlichen Thee, 326 Kisten, in's Meer. Die gewaltthätigen Maßregeln, welche hieraus die Regierung zur Unterdrückung der Empörung nahm, veranlaßten endlich den Zusammentritt aller dreizehn Provinzen Amerika's, wobei man sich gegenseitig verpflichtete, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben und das Recht mit den Waffen in der Hand zu behaupten. Der Rath, den die Abgeordneten der einzelnen Provinzen bildeten, nannte sich der Kongreß und Washington, welcher gleich anfangs an jenen Angelegenheiten lebendigen Antheil genommen und sich auf die entschiedenste Weise gegen die Bedrückungen der Engländer erklärt hatte, ward einstimmig zum Mitglieds dieses Kongresses ernannt.

Nicht war es der Unwille über die Kränkungen, die ihm im Dienste Englands widerfahren, welches ihn bewog, gegen das Mutterland in die Schranken zu treten, wie viele Gegner und Neider seines Ruhmes behauptet haben, sondern es war einzig und allein die Ueberzeugung, daß die Kolonien in Amerika unter dem Drucke des Mutterlandes nie des Glückes würden theilhaftig werden, zu welchem sie in gleichem Grade so fähig als berechtigt waren. Fortan verweigerten nun die Amerikaner aus das Bestimmteste alle Auflagen, Zölle und andere Abgaben, welche die Regierung ohne die Zustimmung der Volksvertreter erheben wollte. Jene Vereinigung der Provinzen gab der Regierung Veranlassung, immer gewaltthätiger zu verfahren; sie sendete den General Gage mit vier Regimentern nach Boston und dieser bemächtigte sich, nach der Vereinigung mit den übrigen im Lande zerstreuten Truppen, schnell und unerwartet aller Pulver- und andern Kriegsvorräthe, welche in den Städten und festen Plätzen sich befanden. Bei einem solchen Unternehmen der Engländer auf das Städtchen Concord war es, daß das erste eigentliche Gefecht zwischen ihnen und den Amerikanern geliefert wurde. In der Gegend von Lexington trafen beide mit großer Erbitterung aufeinander und so trotzig auch die stolzen Engländer standen, so mußten sie endlich doch mit einem Verluste von mehreren hundert Mann den mit dem ganzen Enthusiasmus des Freiheitssinnes und der Vaterlandsliebe wiederholten Angriffe der Amerikaner weichen. Dieser Sieg hob den Muth der Letztern, sie überfielen bald darauf mehrere Forts, deren Besitz ihnen den Weg nach Kanada bahnte, und auch eine Kriegs-Schaluppe der Engländer fiel ihnen in die Hände. Umsonst landeten frische Truppen, auch das Befreiungsheer wurde beträchtlich verstärkt und auf dem Kongreß zu Philadelphia am 15. Juni 1775 ward Washington zum Oberbefehlshaber der nordamerikanischen Kriegsmacht ernannt.

 

4.

Kaum hatte je ein Feldherr mit so großer Uebereinstimmung aller Bewohner eines Landes ein so wichtiges Amt übernommen, als Washington, dessen anspruchslose, uneigennützige Denkungsart nicht minder als seine hohen kriegerischen Fähigkeiten allgemein bekannt waren, keiner empfing aber auch je eine so gewichtige Würde mit einer solchen Bescheidenheit. Seine Uneigennützigkeit bewährte er im Augenblicke seiner Erhebung sogleich dadurch, daß er sich alle Besoldung verbat und die Vergütung der beträchtlichen Summen, welche er bereits früher auf die Anschaffung von Kriegsbedürfnissen und die Ausrüstung der Mannschaft aus seinem eigenen Vermögen verwendet hatte, auf's Entschiedenste ablehnte. Zugleich bereitete er sich aber auch vor, sein großes Werk mit Ernst und Nachdruck zu beginnen und dem ehrenvollen Vertrauen zu entsprechen, welches seine Mitbürger in ihn gesetzt hatten.

Groß, ja zahllos waren die Schwierigkeiten und Hindernisse, welche sich diesem Werke überall entgegen stellten. Die Bevölkerung der amerikanischen Provinzen war damals noch sehr gering, so daß das Heer, welches man den kriegserfahrenen Engländern gegenüberstellen konnte, auch an Anzahl von diesen weit übertroffen wurde. Der Geist der Bewohner, welche bisher ihre Kräfte und ihren Fleiß fast ausschließlich nur den friedlichen Beschäftigungen des Ackerbaues und der Betreibung der bürgerlichen Gewerbe gewidmet hatten, war nichts weniger als kriegerisch und die große Entfernung der einzelnen Provinzen von einander hatte die Erzeugung alles Gemeingeistes gehindert. Dazu war das Land, welches die Amerikaner zu vertheidigen hatten, so ungeheuer groß und die Engländer besaßen darin eine solche Menge fester Plätze, daß sie überall und zu allen Zeiten mit ihren Flotten ungehindert landen und ihren Heeren Hülfe und Unterstützung zuführen konnten. Alles dies entging nicht dem Scharfblicke des amerikanischen Oberbefehlshabers, allein weder dies, noch der Umstand, daß, als er im Lager ankam, er Alles weit unter seiner Vorstellung fand, es an Zelten, Pulver, Kleidungsstücken, Geschütz, an allen Vorräthen und Anstalten fehlte, die Kolonisten von Kriegs- und Mannszucht durchaus keinen Begriff hatten, vermochte die Standhaftigkeit des Helden einen Augenblick zu erschüttern und in seinen hohen Gaben, in dem Muthe seiner braven Krieger fand er die Mittel, das unendliche Heer von Hindernissen und Schwierigkeiten zu besiegen.

Sein erstes Unternehmen war die Belagerung der Stadt Boston, und die Engländer, welche ihre muthigen Feinde nichts weniger als gerüstet glaubten, staunten nicht wenig, als die Amerikaner wirklich das Bombardement der Stadt begannen. Da die Behauptung derselben eben von keinem sonderlichen Nutzen für die Engländer gewesen sein würde, so gaben sie dieselbe preis und nach einer nur zehntägigen Belagerung zog Washington als Sieger zur Freude aller patriotisch gesinnten Einwohner in Boston ein. Nicht so glücklich war der Zug des Generals Arnold, den der Kongreß absendete, Kanada in Besitz zu nehmen. Zwar drang er siegend in die Hauptstadt dieser Provinz, Quebeck, ein, allein er konnte sie, der Schwäche seines Heeres wegen, nicht behaupten und mußte sich zurückziehen.

Gar bald erkannte man in England, mit welchem muthigen und entschlossenen Gegner man es zu thun habe, und hielt es für nöthig, eine größere Macht zur Bekämpfung der Empörer auszubieten. Eine mächtige Flotte erschien an Nordamerika's Küsten, die Häfen und Schiffe dieses Landes zu sperren und das Landheer da, wo es nöthig sein würde, zu unterstützen. Nun, wo die stolzen Engländer unverholen den Entschluß an den Lag legten, die Kolonien mit der Gewalt der Waffen zu unterwerfen und dadurch die Erbitterung der Amerikaner zu einem erhöhten Grade steigerten, jetzt, wie die Letztem, ermuthigt durch mancherlei glückliche Erfolge, die Möglichkeit vor sich sahen, die Freiheit zu erkämpfen, faßte man einstimmig den Entschluß, sich für frei und unabhängig zu erklären, und der Kongreß sprach diese Erklärung im Jahre 1776 gegen die englische Regierung aus. Umsonst ließ der britische Oberbefehlshaber Howe Washington Vorschläge zur Aussöhnung machen und sprach dabei von Verzeihung, die man den Kolonien angedeihen lassen wollte. Allein mit Würde antwortete ihm Washington: »Wer keinen Fehler begangen hat, bedarf keiner Verzeihung und die Amerikaner haben nichts gethan, als ihre natürlichen Rechte vertheidigt.« Der Kampf begann also von Neuem und zwar unter den nachtheiligsten Umständen für die Amerikaner. Denn bei Broocklyn erfochten die Engländer einen entscheidenden Sieg und verschafften ihren Heeren längere Zeit hindurch die entschiedenste Ueberlegenheit. Sie besetzten New-York, Washington mußte seine feste Stellung bei White-Point aufgeben und sich in die nördlichen Gebirge zurückziehen. Klug vermied er jedes größere Gefecht und hielt sich bis in den November. Nun verließen ihn aber seine Milizen, deren Dienstzeit zu Ende ging, und er mußte sich über den Delaware zurückziehen. So besetzten die Briten ganz Rhode-Island, eroberten auch am 18. Dezember New-Port, wodurch die britische Flotte einen trefflichen Hafen zum Ueberwintern erhielt. Dem Heere der Engländer stand Philadelphia offen; der Kongreß floh eiligst nach Baltimore – doch zum Glück zögerte Howe und Washington gewann Zeit, sein aufgelöstes Heer wieder zu sammeln und durch Freiwillige aus Pennsylvanien und New-Jersey sich zu verstärken. Alsbald rückte er wieder vor, durchbrach am Weihnachtstage 1776 die englischen Linien bei Trenton, nahm 1000 Mann Hessen gefangen, befreite Philadelphia und schlug am 3. Januar 1777 den englischen General Cornwallis bei Princetown. Da von dem Oberstlieutenant Barton auch der englische General Prescou aufgehoben wurde, mußte die britische Armee fast alle ihre Posten in New-Jersey wieder räumen. Das stärkte den Muth der Nordamerikaner, und dieser wuchs, als sich auch ausgezeichnete Europäer, wie der edle Marquis Lafayette, der polnische Held Kosciusko u. a. einfanden, um als Freiwillige in ihren Reihen zu kämpfen. Mit dem feurigen Lafayette schloß Washington den innigsten Freundschaftsbund.

Im Juni 1777 beschloß General Howe, Philadelphia zur See anzugreifen. Da die Amerikaner den Delaware-Fluß gesperrt hatten, konnte er da nicht einlaufen; er segelte deshalb südwärts, landete in der Chesapeake-Bai und zog nun wieder nordwärts auf Philadelphia. Am 13. Sept. traf er am Brandwyne-Fluß auf das Heer Washington's, schlug es und zog am 26. Sept. in Philadelphia ein, von wo sich der Kongreß abermals hatte flüchten müssen. Am 4. Oktober traf er bei Germantown wieder mit Washington zusammen und warf ihn abermals zurück.

 

3.

Während so Washington mit abwechselndem Glücke die feindliche Uebermacht in den südlichen Provinzen bekämpfte, war das Glück dem nordamerikanischen Nordheere unter Gates holder. Der englische General Bourgoyne sollte mit seinem Heerhaufen bis Albany vordringen, um sich mit den Briten in New-York zu vereinigen. Am 20. Juni 1777 brach er, etwa 7200 Mann stark, auf, und die Amerikaner zogen sich vor ihm bis an den Hudsonfluß zurück, um sich hier durch die Milizen von Vermont, New-Hampshire und Connecticut zu verstärken. Bourgoyne war bis Fort Edward, 7 deutsche Meilen von Albany, vorgedrungen. Hier machte er wegen Mangels an Lebensmitteln Halt und sandte 500 Mann, um ein amerikanisches Magazin in Bennington wegzunehmen. Aber diese wurden von den Amerikanern gefangen und ein zweites englisches Streifkorps ebenfalls. Als Bourgoyne vorrückte, wurde er bei Saratoga, 5 Meilen von Albany, geschlagen und zog sich gegen das Fort Edward zurück. Als er über den Hudson setzen wollte, fand er aber diesen schon von den Amerikanern besetzt, sah sich nun auf allen Seiten eingeschlossen, und mußte sich mit seinem auf 3500 Mann zusammengeschmolzenen Heerhaufen dem General Gates ergeben.

Der Sieg bei Saratoga verschaffte den Amerikanern wichtige Bundesgenossen. Frankreich, das schon lange mit Theilnahme den Kämpfen der Nordamerikaner gefolgt war, fand die Gelegenheit günstig, das mächtige Großbritannien zu schwächen, schloß am 18. Dezember 1777 mit ihnen einen Handelsvertrag, am 8. Februar 1778 aber ein förmliches Bündniß, rüstete zwei Flotten aus, eine kleinere zu Toulon, eine größere zu Brest und wußte auch Spanien und die Niederlande zur Kriegserklärung an England zu bewegen. Obschon die französische Flotte, welche bald darauf an der amerikanischen Küste erschien, nichts Erhebliches ausrichtete, so wurden doch die Engländer mehr als je beschäftiget. Von schlimmen Folgen für die Sache der Freiheit war der Abfall des tapfern Generals Arnold, welcher zu den Feinden überging und seinen ehemaligen Kampfgefährten manchen empfindlichen Verlust zufügte. Aber hier erhielt zugleich Washington Gelegenheit, sich in dem ganzen Edelmuthe, der Menschenfreundlichkeit und der Gerechtigkeitsliebe seines Charakters zu zeigen. Der General Arnold nämlich hatte seine Verrätherei durch den englischen Major André bewerkstelligt; dieser fiel den Amerikanern in die Hände und ward nach den strengen Kriegsgesetzen als Spion zum Tode durch den Strang verurtheilt. Zwar konnte Washington ihm die Bitte um eine andere Todesart nicht gewähren, allein als man ihm die Vollziehung der Hinrichtung des Majors meldete, schämte er sich der Thränen nicht, welche er dem Andenken eines übrigens wackeren, unglücklichen Mannes weihte. Indeß war dessen Verderber nach Virginien gezogen, wo er die entsetzlichsten Verheerungen anrichtete. Auch von Mount Vernon, dem Landgute Washington's, verlangten die Feinde Lebensmittel. Der Verwalter desselben sendete das Verlangte und bat um Schonung für die Güter seines Herrn, welche man ihm aus Achtung gegen den hochgefeierten Namen, der auch den Feinden ehrwürdig war, billigte. Allein dieses Verfahren entsprach so wenig den patriotischen Gesinnungen Washington's, daß er gleich darauf an seinen Verwalter folgendes Schreiben erließ: »Was mich am meisten verdrießt, ist, daß Sie sich zu den Feinden begeben und sie mit Lebensmitteln versehen haben. Es wäre mir weniger unangenehm gewesen, zu erfahren, daß der Feind, wegen Ihrer Weigerung, sein Ansuchen zu erfüllen, mein Haus verbrannt und meine Pflanzungen zu Grunde gerichtet hätte. Sie hätten sich für meinen Stellvertreter ansehen und bedenken müssen, was es für ein übles Beispiel war, mit dem Feinde Gemeinschaft zu haben und ihm die Schonung meines Eigenthums abzukaufen.« Mit gleicher Uneigennützigkeit verschmähte er es, der Provinz Virginien zu Hülfe zu kommen, wo alle seine Güter den Verwüstungen der Feinde ausgesetzt waren, da er seinem reiflich überlegten Entschlüsse, vom Mittelpunkte aus das Ganze zu leiten, unerschütterlich treu blieb. Und in der That erreichte er nur eben dadurch endlich glücklich das große Ziel, die Befreiung seines Vaterlandes. Nach mehreren Wechseln des Kriegsglückes nämlich gelang es ihm im Jahre 1781, als amerikanischer Obergeneral, die englische Hauptarmee unter Lord Cornwallis, mit Hülfe der französischen Flotte, in New-York einzuschließen und sie nach einer kurzen, aber thatenreichen Belagerung zur Uebergabe zu zwingen. Die Folgen dieses Ereignisses waren entscheidend, denn die englischen Minister sahen sich durch die Unzufriedenheit des Volkes, auf welchem die unermeßlichen Kosten dieses Krieges drückend lasteten, zur Nachgiebigkeit genöthigt und nach langen Unterhandlungen kam endlich im Jahre 1783 der für die Amerikaner eben so vortheilhafte als ehrenvolle Friede zu Stande, der die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Vaterlandes für immer fest gegründet hat.

Laut und unermeßlich war der Jubel, der das befreite Land erfüllte; Aller Augen aber blickten mit Verwunderung, mit Stolz und Liebe, mit freudiger Begeisterung auf den Mann, dem man es vorzüglich verdankte, daß so viel Herrliches vollbracht worden war, und es genoß jetzt der Held die Glückseligkeit, deren ein Mensch fähig ist, wenn er in dem Bewußtsein und dem Gefühle seiner Rechtschaffenheit sein Streben für das allgemeine Wohl mit dem glücklichsten Erfolge gekrönt sieht. Sein großes Werk war vollendet und nun zog er sich in die Einsamkeit des Landlebens zurück, nicht ohne vorher herzlichen Antheil an der allgemeinen Freude genommen zu haben. Dann legte er seine Würde feierlich nieder und nahm von seinen Waffengefährten einen rührenden Abschied. Die erprobten Krieger vergossen Thränen, als er auf der Barke, die ihn in seine Heimath bringen sollte, ihnen das letzte Lebewohl zurief und ihre feuchten Blicke hingen unverwandt an dem Schiffe, bis es sich in weiter Ferne verlor. Zuvor erschien jedoch Washington noch vor dem Kongresse und hielt hier vor einer unzählbaren Menge Zuhörer seine feierliche und rührende Abschiedsrede. Darauf erwiderte der Präsident des Kongresses und schloß dann mit den Worten: »Nachdem Sie die Freiheit in dieser neuen Welt vertheidigt, den Unterdrückten und Unterdrückern eine heilsame Lehre gegeben haben, treten Sie, von den Segnungen ihrer Mitbürger begleitet, von dem großen Schauplatze wieder ab. Aber der Ruhm Ihrer Thaten wird nicht mit Ihrer Würde aufhören, er wird fortdauern und die fernsten Geschlechter unserer Nachkommen begeistern. Mögen Ihre künftigen Tage eben so glücklich sein, als Ihre bisherigen ruhmvoll gewesen sind.« Die Ausbrüche der Dankbarkeit, der Begeisterung für den Herrlichen, des Schmerzes um sein Scheiden ehrten ihn würdiger, als je ein Held der Vorzeit und der Mitwelt durch prunkvolle Feste, durch den Mund der Dichter, durch die Lobpreisungen der Schmeichler gefeiert worden ist.

 

6.

Und dann kehrte er in seine Heimath zurück. – Mount Vernon ward jetzt der Schauplatz seiner stillen Bürgertugenden, wie er einst das Schlachtfeld für seine Feldherrntalente, das Getriebe der Unterhandlungskunst für seine Staatsweisheit gewesen war, und Washington, der mit solchem Ruhme das Siegesschwert geschwungen, wendete sich mit allem Eifer den einfach friedlichen Arbeiten des Landbaues wieder zu.

Indeß ging es freilich in den einzelnen Provinzen recht stürmisch zu, denn der Krieg hatte Verwirrungen herbeigeführt. Um diesen zu begegnen, beschloß man eine allgemeine Regierung, und an die Spitze derselben rief man wieder Washington, der sich nicht einen Augenblick bedachte, durch Annahme dieser Würde seinem großen Werke den Schlußstein beizufügen. Und in der That brachte er vorzüglich nicht allein die weiseste Bundesverfassung glücklich zu Stande, sondern leitete auch als Präsident sein Vaterland einen Zeitraum von acht Jahren hindurch mit solcher Weisheit und Kraft, daß, als er dann sich abermals in seine Einsamkeit zurückzog, nichts mehr als wahr und gerecht der öffentliche Ausspruch war, er nehme das Bewußtsein eines redlich geführten Amtes, die Dankbarkeit der gesammten Vereinigten Staaten und den Beifall der ganzen Welt mit sich.

Mitten in den friedlichen Beschäftigungen des Landlebens machte der Tod am 14. Dezember des Jahres 1799 seinem großen Leben ein Ende und die Sklaven, die sein letzter Wille dem Stande der Freiheit zurückgegeben, die Schulen seines Vaterlandes, die er mit reichlichen Summen zu ihrer Vervollkommnung bedacht, priesen auf's Würdigste auch sein unmittelbar segensreiches Wirken nach seinem Tode.

Fort und fort ist seitdem mit Riesenschritten das Land, für welches der unsterbliche Washington gelebt und gewirkt, seiner Ausbildung entgegengegangen. Neue Staaten haben sich dem Bunde angeschlossen, der Handel Nordamerika's scheint selbst den des Mutterlandes überflügeln zu wollen, große und volkreiche Städte erheben sich in allen Provinzen des ungeheuren Ländergebietes und es bedarf nichts als der Einigkeit der Provinzen, nichts als daß sie treu bleiben der weisen Verfassung, um den Völkern dort das wahre Glück zu gewähren, sie auf den Standpunkt der Vollkommenheit zu heben, zu welcher sie bereits so wichtige Fortschritte gethan haben.


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