Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

B.

III. Das Blutbad zu Stockholm. Gustav Wasa.

 

1.

Die Königin Margaretha von Dänemark hatte im Jahre 1397 durch einen Vertrag, der in der Geschichte den Namen der Kalmarischen Union führt, die drei nordischen Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen unter einem einzigen Oberhaupte vereinigt, doch so, daß jedes dieser Reiche seine eigenen Rechte und Freiheiten behielt. Allein auf Margarethens Nachfolgern ruhte nicht der Geist dieser großen Fürstin, vielmehr entzündeten sie durch ihre Tyrannei gegen die Schweden eine Reihe der blutigsten Kriege und einen unaussprechlichen Haß zwischen beiden Völkern. Besonders aber war es zu Anfänge des 16. Jahrhunderts Christian II., der mit vollem Rechte seiner Grausamkeit wegen der Nero des Nordens genannt ward, unter welchem die Bedrückungen des Schwedenvolks den höchsten Grad erreichten, zugleich aber auch die Erbitterung desselben. Diese gebar endlich den Entschluß, sich mit Gewalt der Tyrannei zu entledigen, und indem die Schweden Sten Sture, den Edelsten aus ihrer Mitte, zum Vorsteher ihres Reiches wählten, begannen sie den Kampf gegen das damals übermächtige Dänemark. So glücklich aber auch dieser Kampf begann, so unselig endete er, und mit dem Falle des hochherzigen Sten Sture ging die Hoffnung der Schweden zu Grabe, jetzt ihre Unabhängigkeit zu erringen. Christian ward nun von ihnen als rechtmäßiger König anerkannt, doch mußte er vorher ausdrücklich und eidlich geloben, in keinem Stücke die Freiheiten und Rechte der Schweden, die ihnen von der großen Margaretha durch die Kalmarische Union verbürgt worden waren, zu kränken.

Im Spätherbste des Jahres 1520 verließ nun Christian seine Residenz Kopenhagen, um sich in Stockholm die schwedische Königskrone aufsetzen zu lassen. Seine Gemahlin und der größte Theil des Hofstaates begleiteten ihn; unter dem letztem befanden sich zwei der gefährlichsten Rathgeber des Königs, die sein ganzes Vertrauen besaßen. Diese waren Dietrich Slaghäk, damals Christian's Beichtvater, nachheriger Erzbischof von Lund, der von dem geringen Stande eines Barbiergesellen bis zur höchsten geistlichen Würde in Dänemark empor stieg, und Baldenake, der Bischof von Odense, zwei Männer, die den meisten Antheil an den Grausamkeiten hatten, welche die Regierung Christian's II. schändeten.

Die Einwohner von Stockholm ahnten keineswegs das Unglück, welches ihnen bevorstand; sie dachten nur vielmehr darauf, wie sie ihren neuen Herrscher, der in der That einige recht liebenswürdige persönliche Eigenschaften besaß, würdig empfangen und sein Krönungsfest recht feierlich begehen möchten. Das Erste, was der König nach seiner Ankunft in Stockholm unternahm, war, daß er die vornehmsten schwedischen Reichsräthe versammelte, um sie eine Urkunde, eine sogenannte Wahlakte, unterschreiben zu lassen, wodurch sie bekannten, daß Christian II. durch die einstimmige Wahl des Volkes auf den schwedischen Königsthron berufen worden sei. Zwei Tage darauf versammelte man die Bürger der Hauptstadt; allein der König, der ihnen nicht traute, trug zugleich Sorge dafür, den Versammlungsort in einiger Entfernung mit seinen Soldaten zu umringen. Darauf trat auf der eigens dazu errichteten Bühne der dänische Bischof Baldenake aus, suchte in einer langen Rede zu beweisen, daß Christian II., König von Dänemark, auch zugleich Erbkönig des schwedischen Reiches sei, und fragte endlich das versammelte Volk, ob es geneigt sei, ihn als seinen Regenten anzuerkennen? Niemand wagte, da die Nähe der dänischen Truppen allen Muth und Widerstand erstickte, ein Wort dagegen zu sagen; Alle leisteten den Eid der Treue und die Feierlichkeit endete damit, daß der dänische Bischof Christian II. zum König von Schweden ausrief.

 

2.

Der Krönungstag war indessen herbei gekommen und selbst die Feierlichkeiten desselben entweihte Christian durch die Verachtung, die er nun unverhohlen gegen seine neuen Unterthanen an den Tag zu legen strebte. Bei dem Krönungszuge selbst wurden die Zeichen der Herrschaft über Schweden, die Krone, das Szepter, der Reichsapfel und das Schwert nicht von Eingeborenen des Landes, sondern von Fremdlingen, den feindlich gesinnten Dänen getragen, und eine große Anzahl Ausländer, mit Ausschließung aller Schweden, zu Rittern geschlagen. Die Absicht Christian's ging unverhohlen dahin, das neue Königreich, das er mehr durch die Künste und Ränke seiner Staatsmänner, als durch die Gewalt der Waffen für sich gewonnen hatte, als ein gehaßter und gefürchteter Tyrann zu beherrschen. Der nächste Schritt zu diesem schändlichen Ziel war die Ausrottung der vornehmsten schwedischen Familien, deren Ansehen und Einfluß seinen Absichten leicht hätte in den Weg treten können. Der Untergang der Edelsten des schwedischen Reichs war also im Blutrache des nordischen Nero beschlossen und man berathschlagte nur noch über die Art und Weise, wie man denselben herbeiführen und zugleich durch einen schicklichen Vorwand vor den Augen der Welt rechtfertigen möchte. Nach langem Ueberlegen machte nun Slaghäk, der uns bereits bekannte Beichtvater des Königs, einen Vorschlag, welcher sofort allgemeinen Beifall erhielt Dieser hinterlistige, verschlagene Mann gab nämlich den Rath, die Religion zum Deckmantel des königlichen Blutdurstes zu benutzen. Der König, so meinte er, habe ja nicht blos für sich, sondern auch für den Papst gegen die ketzerischen Schweden gestritten; als König könne er sein Wort halten und seinen Gegnern verzeihen; als Vollzieher des päpstlichen Bannes aber sei es seine Pflicht, sie zur Verantwortung und Strafe zu ziehen. Einer Derjenigen, welche diesem schändlichen Vorschlage den meisten Beifall gaben, war der dänische Bischof Trolle, einer der grimmigsten Feinde der Schweden. Er hatte nämlich früher darnach gestrebt, Reichsvorsteher in Schweden zu werden, allein die Schweden lehnten nicht nur seine Wahl auf's Entschiedenste ab, sondern er wurde auch von ihnen, als er zum Erzbischof ernannt worden war, dieser Würde wieder entsetzt. Seitdem hatte er den Schweden blutige Rache geschworen und jetzt entbot er sich sogar in dem Blutrathe, die Stelle eines Anklägers zu übernehmen.

Noch waren die Gastmahle, die zur Verherrlichung der Krönungsfeierlichkeiten dienen sollten, nicht geendigt, als das Gericht eingesetzt ward, dessen blutige Entscheidungen Schweden seiner edelsten Männer berauben sollten. Vor demselben, welches, allen Gesetzen des Reichs zuwider, aus lauter Dänen bestand, erschien nun der elende Trolle mit seiner nichtswürdigen Anklage in allem Glanze seiner bischöflichen Würde, von den vornehmsten Priestern, seinen Verwandten, Freunden und Günstlingen begleitet. Der König selbst war am Gerichtstage bei der Sitzung gegenwärtig, um sich an dem traurigen Zustande seiner vormaligen Feinde zu ergötzen. Mit der diesem Tyrannen eigenthümlichen Heuchelei lehnte er das Richteramt von sich ab und übergab die Entscheidung den beiden dänischen Prälaten, welche, wie er sagte, durch die päpstliche Bulle völlig dazu ermächtigt wären. Trolle sprach nun seine Anklage aus gegen die Gemahlin des edlen Reichsvorstehers Sten Sture, gegen den Reichsrath und gegen den ganzen Rath von Stockholm, und seine Beschuldigung lautete dahin, daß man ihn seiner Würde entsetzt und das Schloß Stäke, das Erbtheil der Kirche, hätte schleifen lassen. Die Wittwe Sten Sture's, die edle Christina, ward zuerst aufgefordert, um für das Betragen ihres verstorbenen Gemahls Rede zu stehen, ein Verlangen, welches deutlich zeigt, mit welch' nichtigen Vorwänden der königliche Tyrann und seine Helfershelfer ihre Blutgier zu beschönigen suchten. Die unglückliche Christin hatte bei der unerwarteten Wendung der Dinge ganz ihren Muth verloren, den sie bei der heldenmütigen Vertheidigung Stockholms gegen die Dänen früher so glänzend an den Tag gelegt hatte. Sie erinnerte den König an seinen Vertrag, an seinen geleisteten Eid und ließ sich endlich sogar herab, dem Tyrannen ihre verlassene Lage zu schildern und ihn um sein Mitleid zu bitten. Allein dies Alles vermochte weder das Ehrgefühl, noch die Menschlichkeit in Christian's Brust rege zu machen, und kalt ertheilte er die Antwort, wie er nichts zu entscheiden vermöge, sondern das Urtheil seinen Bischöfen überlassen müsse. Dieses Urtheil, gesprochen von blutgieriger Herrschsucht, von der Ungerechtigkeit, der Eidbrüchigkeit selbst, lautete also: »Alle Reichsstände, die durch ihr Verfahren gegen den Erzbischof Trolle den Bannfluch auf sich geladen, müßten als Ketzer sterben.« Kaum war dieser entsetzliche Spruch erschollen, als die königliche Leibwache in den Gerichtssaal stürzte und sich der Unglücklichen bemächtigte, welche er als Opfer bezeichnet hatte. Man hielt sie als Gefangene auf dem Schlosse zurück, um sie von hier auf geradem Wege zum Richtplatz zu schleppen. Die Anstalten zur Hinrichtung wurden mit einer beispiellosen Eile betrieben, damit außer den Bewohnern der Hauptstadt das übrige schwedische Volk nicht früh genug erfahren sollte, welches entsetzliche Schicksal seinen Edelsten bevorstehe, um gewaltsame Versuche zu ihrer Befreiung 'machen zu können. Auf allen öffentlichen Plätzen der Stadt wurden Galgen errichtet, und so sehr eilte der königliche Henker mit seinen Helfershelfern in der Vollstreckung des Bluturtheils, daß den Verurtheilten sogar der letzte Genuß des heiligen Abendmahls versagt wurde.

 

3.

Der 8. November des Jahres 1520 war der verhängnißvolle Tag, der für immer der blutigste und entsetzlichste in den Jahrbüchern der schwedischen Geschichte bleiben sollte. Kaum begann er zu grauen, als dänische Herolde unter Trompetenschall bekannt machten, daß Niemand bei Todesstrafe die Stadt verlassen sollte. Alle Thore und Straßen waren mit dänischen Truppen besetzt und auf den öffentlichen Plätzen drohete das Geschütz mit seinen ehernen Schlünden. Den Bürgern wurde unter Androhung der Todesstrafe angekündigt, daß sie ihre Thüren verschließen und die Häuser nicht verlassen sollten, ein Befehl, welcher der Gefahr ungeachtet, doch keineswegs befolgt wurde, denn das Volk füllte die Straßen und harrte in banger Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Es umringte in dichten Haufen das Schloß, in welchem die Opfer der Tyrannei gefangen gehalten wurden, und wer beschreibt das allgemeine Entsetzen, als die Pforten desselben sich öffneten und die edelsten Männer des Landes Paar für Paar heraustraten, umringt von Henkern und Häschern, Alle in den Prunkkleidungen, wie sie sich zwei Tage zuvor auf's Schloß begeben hatten. Umsonst machten einige entschlossene Bürger einen Versuch zu ihrer Befreiung, er scheiterte an der Wachsamkeit und dem entschlossenen Widerstande der dänischen Truppen, die alle Straßen mit ihren undurchdringlichen Reihen erfüllten.

Und weiter bewegte sich der schaudervolle Zug zum Richtplatz. Es waren 94 Personen, die durch Geburt, Erziehung, Ehrenstellen, Einsicht und Tugenden ausgezeichnetsten Männer eines ganzen Königreichs; die größten Reichsbeamten, die Reichsräthe, zwei Bischöfe, die Vornehmsten der Ritterschaft, die Bürgermeister und der ganze Rath von Stockholm. Die Bischöfe trugen ihren vollen Ornat, die Reichsräthe und Magistratspersonen ihre Amtskleidung nebst den übrigen Zeichen ihrer Würde. Mit der Ruhe und Würde der Unschuld gingen die Verurtheilten ihren entsetzlichen Weg, aber in dem versammelten Volke erscholl gellender Jammer, lautes Wehklagen, das selbst die Wuth der dänischen Soldaten, welche die Trauernden ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes niedermetzelten, nicht zu stillen vermochte. Matthias Lilie, der Bischof von Stregnäs, sollte zum Danke dafür, daß er sich zuerst den dänischen Truppen unterworfen hatte, auch jetzt die Reihen der Schlachtopfer eröffnen Umsonst suchten mehrere der Verurtheilten Reden an das Volk zu halten, die Schweden zur Rache für das vergossene Blut aufzurufen, die dänischen Soldaten machten den erhaltenen Befehlen zufolge ein solches Geräusch mit ihren Waffen, daß man nur wenig von diesen Reden verstehen konnte. Unter den weltlichen Räthen, deren Häupter nun unter dem Beile des Henkers fielen, befand sich auch Erich Johanson, der Vater Gustav Wasa's. Nach den Reichsräthen und Rittern wurden die Bürgermeister und Rathsherren, 16 an der Zahl, enthauptet. Das Blut rann in Strömen von dem schrecklichen Gerüste herab auf den Markt und in die anstoßenden Gassen. Und fort und fort tönte das Jammergeschrei des unglücklichen Volkes, und abermals mordeten die dänischen Soldaten, zur Vergeltung für das Mitleid. Andere Henker beschäftigten sich indeß damit, an den ringsumher errichteten Galgen eine Menge Bürger, Anhänger der Verurtheilten und andere nicht dänisch gesinnte Einwohner der Hauptstadt ohne weitere Umstände aufzuknüpfen. Der Ritter Mäns Jönson, der die Festung Kalmar mit größtem Heldenmuthe vertheidigt hatte, ward gekreuzigt und sein todter Körper von Pferden in Stücke zerrissen. Noch vom Kreuze herab munterte er das Volk zur Rache auf und verstummte erst, als ihm die Henker das Herz aus dem Leibe rissen.

Sich an dem scheußlichen Anblicke zu werden, ging der Tyrann auf dem Markt umher und achtete es nicht, daß ringsum das Blut seine Füße umspielte und seine Kleidung befleckte, ein würdiger Schmuck für den Nero des Nordens. Bei Todesstrafe verbot er, einen der Gemordeten zu begraben oder wegzunehmen, selbst der schon halbverweste Leichnam des Reichsvorstehers Sture ward auf seinen Befehl wieder ausgegraben und zu den übrigen verstümmelten Körpern geworfen. So lagen die Leichen zwei Tage und Nächte auf dem Marktplatz, den Hunden und Vögeln zum Raube, und erst am dritten Tage, als der Schaudergeruch der Verwesung die Stadt zu verpesten begann, erschien der königliche Befehl, sie vor der Stadt auf einem mit Theer und Pech angefüllten Scheiterhaufen zu verbrennen.

Noch war es mehreren angesehenen Schweden gelungen, sich vor der blutigen Verfolgung verborgen zu halten. Um auch dieser habhaft zu werden, ließ Christian alle Häuser der Hauptstadt von seinen kriegerischen Henkern durchsuchen. Ganz dem Geiste ihres Herrn getreu, verübten die Verwilderten dabei die größten Gewaltthätigkeiten und Grausamkeiten, raubten und plünderten, und unter ihrem Mordstahle verhauchte mancher unglückliche Hausvater in den Armen seiner Gattin und Kinder sein Leben. Dennoch war es mehreren Gegnern des Tyrannen gelungen, dem entsetzlichen Schicksale durch die Flucht zu entgehen. Um sie zur Rückkehr zu bewegen, ließ Christian II. öffentlich bekannt machen, daß nun Alles vergessen und vergeben sein, das Morden ein Ende haben sollte. Und in der That waren Manche unbesonnen genug, einem Fürsten zu trauen, der hinlänglich bewiesen hatte, wie wenig ihm die heiligsten Versicherungen, die theuersten Eidschwüre galten. Kaum zeigten sich nämlich die Unglücklichen, so wurden sie festgenommen und ohne weitere Umstände niedergehauen. Diejenigen, welche man auf den Landstraßen antraf, wurden von den Pferden zerrissen und an den nächsten Galgen ausgeknüpft. Die edle Christina mußte mit Ketten belastet nach Dänemark in ein ewiges Gefängniß wandern, der ausgegrabene Leichnam ihres Gemahls ward zerstückelt, die Glieder im Lande umhergeschickt und der Rest verbrannt. Noch immer aber war der Blutdurst des Tyrannen nicht gestillt. Er reiste nun selbst im Lande umher, nicht um die Huldigungen seiner Unterthanen zu empfangen, sondern sich ihnen als ein Schreckensbild zu zeigen. In allen Städten, wohin er kam, wurden Galgen errichtet und Diejenigen daran aufgeknüpft, die nicht blindlings seinem Willen sich unterwarfen oder durch Freimüthigkeit in Wort und That sein Mißfallen auf sich geladen hatten. Mit dem tödtlichsten Hasse aber verfolgte er die Familie Ribbing, eines der edelsten schwedischen Grafengeschlechter, und suchte alle männlichen Zweige dieses Namens auf, um ihn ganz von der Erde zu vertilgen. In Jönköping fand er zwei Knaben dieser Familie und sein Blutbefehl sprach ihren martervollen Tod aus. Die unschuldigen Kinder wurden durch Stricke bei den Haaren in die Höhe gezogen und ihnen dann das Haupt abgeschlagen. Selbst den mordgewohnten Henker rührte die Unschuld dieser Knaben bei der Marter so tief, daß er sein Schwert wegwarf und seines Amtes sich weigerte. Allein schnell ersetzte ein größerer Unmensch seine Stelle und mit den Häuptern der unschuldigen Kinder fiel auch zugleich, auf Christian's ausdrücklichen Befehl, der Kopf des mitleidigen Henkers.

Nimmer wollte es dem Tyrannen heimisch in dem Schwedenlande werden, darum kehrte er bald darauf, belastet mit dem Fluche des Volkes, nach Kopenhagen zurück, nicht ohne Statthalter zurück zu lassen, die in seinem Geiste das unglückliche Land zu mißhandeln angewiesen und fähig waren.

 

4.

Indeß lebte Gustav Wasa zu Rafnäs ganz in der Verborgenheit, um den Nachstellungen der Mörder zu entgehen.

Dieser Held, ein Abkömmling der alten Könige von Schweden, ward im Jahre 1490 geboren. Sein Vater und der hochgefeierte Sture gaben ihm die beste Erziehung und auf der Universität Upsala erwarb er sich für die damalige Zeit sehr ausgebreitete Kenntnisse, und besonders jene große Beredsamkeit, die ihn bei seinen nachherigen Unternehmungen mit so glänzendem Erfolge unterstützte. Als der Krieg gegen Dänemark ausbrach, trat Gustav Wasa in die Reihen der Krieger und gab da glänzende Proben seiner Vaterlandsliebe, wie seines Muthes. Als Christian II. bei einer friedlichen Zusammenkunft mit dem schwedischen Reichsvorsteher Geiseln zu seiner Sicherheit verlangte, befand sich auch Gustav Wasa unter diesen, und treulos, wie er stets gewesen, teuflisch erfreut über den glücklichen Fang, ließ der eidbrüchige König den Jüngling in engen Gewahrsam auf das dänische Schloß Kalloe bringen. Diesem gelang es jedoch, die Wachsamkeit seiner Hüter zu täuschen und in Bauerkleidern aus dem Schlosse zu entfliehen. Zwei Tage lang setzte er die beschwerliche Reise auf unbekannten und ungebahnten Wegen fort und erblickte endlich die Thürme von Flensburg. Hier gewahrte er auf der Landstraße mehrere deutsche Kaufleute, welche mit den in Dänemark erhandelten Ochsen nach ihrem Vaterlande zurückkehrten. Nur auf vieles Bitten gewährten es diese dem Nachkommen eines königlichen Geschlechts, daß er sich ihrem Zuge als Viehtreiber anschließen durfte, und in dieser Verkleidung kam er endlich glücklich im September 1519 in Lübeck an. Diese Stadt, schon damals dem mächtigen Bunde der Hansa angehörig, war immer ein Gegenstand der Feindschaft und des Neides ihrer dänischen Nachbarn gewesen und darum hoffte Gustav Wasa hier Schutz vor den Verfolgungen seines Todfeindes zu finden. Er erschien alsbald in der Versammlung des Rathes, seine Bitte um Schuh vorzutragen; gleichzeitig war aber auch sein Vetter Banner, der sich für Gustav verbürgt hatte, nach Lübeck gekommen, dessen Auslieferung zu verlangen, und wurde dabei nicht wenig durch ein Schreiben des Königs von Dänemark unterstützt. Unentschlossen schwankten die Räthe der Stadt hin und her, allmälig aber begann die Furcht vor der Rache des mächtigen Nachbarkönigs die Oberhand zu gewinnen und schon beschloß die Mehrzahl, den flüchtigen Jüngling an seinen Verderber auszuliefern, als der Bürgermeister Bröm, ein Mann von seltener Klugheit und Umsicht, entschlossen austrat und bewies, wie schimpflich es für eine deutsche Stadt sei, einem so edlen, so ungerecht verfolgten Flüchtlinge den begehrten Schutz zu versagen; wie es dem Senate vielmehr daran gelegen sein müsse, Gustav Wasa nicht nur sicher in sein Vaterland zu geleiten, sondern auch mit Geld und Kriegern zu unterstützen. Um nicht geradezu gegen Dänemark sich feindlich zu erklären, beförderte man nun im Geheimen Gustav's Abreise, der Jüngling bestieg ein Kauffahrteischiff und langte im Mai 1520 glücklich in seinem Vaterlande an. Noch war Kalmar, die zweite Stadt des Reiches, in den Händen der Schweden. Dorthin nahm Gustav seinen Weg, gab sich den Kriegern zu erkennen und ermunterte sie zur standhaften Gegenwehr. Allein seine hochherzige Rede verhallte nutzlos vor den Ohren eines Befehlshabers, welcher nur darauf bedacht war, unter den vorteilhaftesten Bedingungen für seine Person die Stadt den Dänen zu überliefern, vor den Ohren der deutschen Miethsoldaten, aus denen zum größten Theil die Besatzung bestand, welche in Gustav nur einen hülflosen Flüchtling und Abenteurer erblickten. Und als der Jüngling dennoch in seinen Vorstellungen fortfuhr, umringten ihn die Krieger mit feindseligen Mienen und droheten, ihn umzubringen oder an die Dänen auszuliefern, wenn er nicht sogleich die Stadt und deren Umgegend verlassen würde. Abermals sah sich also Gustav zur Flucht genöthigt und er hatte von Glück zu sagen, daß er, den ihm überall nachspürenden Feinden entronnen, endlich die Stadt Rasnäs in Südermanland erreichte.

 

5.

Hier gelangte nun zu seinen Ohren die Nachricht von den Greuelscenen in der Hauptstadt, durch welche er seiner Eltern, aller seiner Verwandten und Freunde auf eine so entsetzliche Art beraubt worden war. Zugleich ward ihm kund, daß seine Verfolger von seinem Aufenthalte in Schweden unterrichtet wären; überall suchte man fortwährend mit verdoppeltem Eifer nach ihm, auf seinen Kopf war eine große Summe gesetzt und Denjenigen der gewisse Tod angedroht worden, welche den Flüchtling verbergen würden.

Wiederum mußte der Arme seinen Zufluchtsort verlassen und sein Leben dem flüchtigen Umherirren anvertrauen. Sein Entschluß war, im Norden des Landes die Thäler aufzusuchen, welche die Dalekarlier, zu deutsch: die Thalmänner, ein biederer, tapferer Volksstamm, bewohnten. Hier, in der Mitte dieser braven Männer, die seit den ältesten Zeiten durch tapfere Thaten ihren Muth und ihre Vaterlandsliebe bewährt hatten, glaubte der Flüchtling nicht nur Schutz, sondern auch gewaffnete Unterstützung gegen die Bedrückungen zu finden. Aber der Weg in jene Thäler war weit, noch manches Ungemach, noch manche Gefahr mußte er überstehen, ehe er dahin gelangte. Von einem einzigen Diener begleitet, trat er die schicksalsvolle Reise an, und schon beim Beginn derselben verließ ihn eben dieser Diener auf die treuloseste Weise, indem er mit dem ganzen ihm von seinem Herrn anvertrauten Gepäcke davon ging. Wüthend darüber setzte Gustav, der dadurch alles seines Geldes, aller seiner bisher geretteten Kostbarkeiten und Habseligkeiten beraubt war, eine Strecke nach, allein bald ermattete sein Pferd und er sah sich genöthigt, nur auf seine Rettung bedacht zu sein. Zu diesem Zwecke ließ er sein Pferd mit dem darauf befindlichen Gepäcke im Stich, um seine Verfolger glauben zu machen, daß er ermordet worden sei. Dann warf er alle seine Kleider, die seinen wahren Stand hätten verrathen können, von sich, legte einen groben Kittel an, schnitt seine Haare kurz ab, setzte einen runden Filz auf den Kopf und ging nun als Tagelöhner umher, um vor den Thüren der Landleute um Arbeit und Unterhalt zu bitten. Mehrere Tage lang irrte er so ohne Geld, ohne Gefährten, von allen Menschen verlassen, fast ohne Hoffnung in unwirthbaren Wäldern und Gebirgen umher und kam endlich nach Fahlun, wo er als Handlanger in den Kupferbergwerken seinen armseligen Unterhalt erwarb. Allein des unterirdischen Aufenthaltes ungewohnt, begann seine Gesundheit zu wanken und bald sah er sich genöthigt, wieder auf die Oberfläche der Erde zurückzukehren, um dort durch die Arbeit seiner Hände das kümmerliche Leben zu fristen. Endlich gelang es ihm, auf einem Edelhofe als Drescher Arbeit zu erhalten; so sehr er jedoch bemüht war, seinen Mitarbeitern seinen Stand zu verbergen, so fanden sie doch Vieles in seinem Wesen, was damit nicht übereinstimmte, und sie versäumten nicht, ihrem Herrn Nachricht davon zu bringen. Dieser ließ ihn kommen und erkannte ihn leicht, da er zu gleicher Zeit mit ihm in Upsala gewesen; allein nimmer war er zu bewegen, sich des bedrängten Vaterlandes anzunehmen, nicht einmal getraute sich der Feige, seinem Gastfreunde längeren Schutz zu gewähren, und so sah sich Gustav abermals genöthigt, weiter in das Gebirge zu flüchten.

Unter mannichfachen Gefahren und Beschwerden, mit welchen die Strenge der Jahreszeit in diesen unwirthbaren Gegenden sein Leben bedrohte, erreichte Gustav einen andern Edelhof, dessen Besitzer, Arend Peterson, ihn als einen ehemaligen Waffengefährten sofort erkannte und mit offenen Armen empfing. Allein Peterson war ein Bösewicht, der unter der Larve der Freundschaft die Tücke des Verräthers barg und alsbald in seinem habsüchtigen Gemüthe beschloß, den Flüchtling auszuliefern, um die darauf gesetzte Belohnung zu gewinnen. Unter dem Vorwande, die Nachbarn dem Unternehmen Gustav's geneigt zu machen, reiste er ab; allein sein Weg ging zum nächsten dänischen Befehlshaber, dem er Alles meldete. Sofort wurden 20 dänische Soldaten abgesendet, sich des Flüchtlings zu bemächtigen und der letzte Sprößling des alten schwedischen Königsstammes wäre ohne Rettung verloren gewesen, hätte nicht Peterson's Gattin, den Verrath des Elenden zu sühnen, Gustav zur schnellen Flucht getrieben, ihn selbst dazu mit Pferd und Schlitten versehen. Als die Häscher auf dem Edelhofe anlangten, war der Flüchtling schon einige Meilen fern, neuem Umherirren preisgegeben. Im Dorfe Seerdson traf er einen ihm ebenfalls von der Universität her bekannten Pfarrer, der, um die immer heftiger werdenden Nachstellungen zu täuschen, ihn eine Woche lang in seiner Kirche einschloß und ihn dann zu einem Bauer brachte, welcher durch seine Klugheit und Entschlossenheit der endliche Retter und Befreier Gustav's aus den Gefahren seiner Flucht wurde.

 

6.

Dieser Landmann, Namens Siren Nilson, besaß ein kleines Gut im Dorfe Isala und erbot sich mit Freuden, Alles daran zu wagen, Gustav Wasa den Nachstellungen seiner Verfolger zu entziehen. Um sie zu täuschen, nahm er ihn als seinen Knecht an und Gustav war ganz in der Tracht der gemeinen Landleute gekleidet. Eben befand sich der Letztere in der Stube des braven Nilson, als plötzlich an die Hofthüre geschlagen wurde, mehrere dänische Reiter Einlaß begehrten und endlich, um sich nach dem Flüchtlinge zu erkundigen, auch in die Stube traten. Um die Aufmerksamkeit derselben von dem vermeintlichen Knechte abzulenken, auch um ihn mit einer guten Art aus den argwöhnischen Augen der Späher zu entfernen, schalt Nilson's Weib wacker auf Gustav, nannte ihn einen Müßiggänger, gab ihm mit dem Spaten einen derben Schlag auf den Rücken und trieb ihn endlich so zur Thüre hinaus. Glücklich durch dieses eben so listige als entschlossene Benehmen der wackeren Bäuerin getäuscht, entfernten sich die Reiter. Allein man sah nun ein, wie sehr ein längerer Aufenthalt in Isala Gustav's Sicherheit gefährden würde und darum beschloß Nilson, seinen Schützling nach dem Dorfe Stättwick zu bringen, wo er durch die Gastfreiheit und den Muth der Dalekarlier vor allen weitern Verfolgungen hinlänglich geschützt war. Die Gefahr der Reise dahin war nicht die kleinste unter denen, die Gustav Wasa bisher so glücklich bestanden hatte. Die Dänen hatten nämlich alle Pässe und Brücken mit Reitern besetzt und einzelne Schaaren derselben zogen aus den Straßen hin und wieder, jeden Verdächtigen anzuhalten und zu untersuchen. Man mußte daher suchen, den Flüchtigen auf irgend eine Weise diesen Aufpassern unsichtbar zu machen und Nilson wußte dies zu bewerkstelligen, indem er seinen Schützling in einem mit Stroh angefüllten Wagen verbarg. Auch dieser Wagen wurde angehalten, als Nilson, der die Pferde selbst leitete, eine der Brücken erreicht hatte. Die dänischen Krieger, die nicht mit Unrecht etwas Geheimnißvolles, Verdächtiges in den sonderbar aufgehäuften Strohbündeln vermutheten, stachen mit ihren Lanzen hinein und einer dieser Stöße traf tief verwundend den Schenkel des Versteckten. Allein selbst der heftige Schmerz war nicht vermögend, ihm auch nur einen einzigen Wehlaut auszupressen; der Wagen kam den Verfolgern aus dem Gesichte und Nilson eilte den Rücken des Gebirges zu erreichen. Allein fast hätte noch das Blut, das aus der Wunde Gustav's durch den Wagen auf den Schnee träufelte, ihn verrathen; schon setzten die feindlichen Reiter, der Blutspur folgend, dem Wagen nach, und nur die Geistesgegenwart des braven Landmannes vollbrachte das Werk der Rettung, indem Nilson schnell eines seiner Pferde in den Fuß schnitt und so die Dänen glauben zu machen wußte, die blutige Spur sei von der Verwundung des Thieres bewirkt worden.

 

7.

So gelang es Gustav Wasa, das Dorf Stättwick zu erreichen. Hier ließ er sich seine Wunde verbinden, die zum Glück nicht gefährlich war, und eilte dann nach der Kirche, wo eben alle Einwohner versammelt waren. Ohne sich hier als den Nachkommen des alten schwedischen Königsgeschlechtes zu erkennen zu geben, stellte er den braven Landleuten die Grausamkeiten des Tyrannen dar; er zeigte ihnen, wie auch sie das Loos, das in der Hauptstadt die Edelsten des Landes dem Tode geweiht hatte, ereilen werde, und ermunterte sie, mit den Waffen in der Hand das Joch der Unterdrücker abzuwerfen. Und wirklich hatte sich auch der Held in seinem Vertrauen zu diesen biedern Thalbewohnern keineswegs getäuscht. Beifallsruf erscholl von allen Seiten, und zu Mora, dem größten und volkreichsten Thale Dalekarliens, fand Gustav Wasa noch thätigere Unterstützung. Bald sah er sich an der Spitze von 3000 muthigen Männern, mit welchen er die Dänen angriff und ihnen manchen empfindlichen Verlust zufügte. Aus allen Gegenden strömten Krieger herbei, die Schmach des Vaterlandes an seinen Unterdrückern zu rächen, täglich mehrte sich das kleine Heer und erfocht, an Anzahl endlich dem dänischen gleich, unter seinem heldenmüthigen Führer so entscheidende Siege, daß Christian II. für immer die Hoffnung aufgeben mußte, die Schweden unter sein Joch zu beugen. Vielmehr bestieg Gustav Wasa, der Retter seines Vaterlandes, mit dem Gesammtwillen der ganzen Nation den schwedischen Königsthron, führte bald darauf in seinem ganzen Reiche den gereinigten Lehrbegriff Luther's ein und ward der Ahnherr einer Reihe von hochbegabten und glücklichen Herrschern, die Schweden unter den europäischen Staaten zu einer noch nie gekannten Höhe der Macht und des Ansehens emporhoben.


 << zurück weiter >>