Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V. Szenen aus dem dreißigjährigen Kriege. Nach Th. Welter.

 

1. Der Ausbruch des Krieges.

In Böhmen waren ungeachtet der Verbrennung Hussen's doch viele Anhänger seiner Lehre geblieben, bei diesen fanden die Religionsverbesserungen Luther's und Zwingli's sehr schnellen Eingang, und wiewohl sie sich weder Lutheraner noch Reformirte nannten, waren sie doch im Grunde Protestanten. Man nannte sie gewöhnlich die böhmischen Brüder. Einige Erzherzoge von Oesterreich, die zugleich Könige von Böhmen waren, hatten sie geduldet; aber Rudolf II. (1576-1612), der sich ganz von Jesuiten leiten ließ, verbot den böhmischen Brüdern freie Uebung ihrer Religion. Sie widersetzten sich; doch umsonst. Und wiewohl sie ihn gegen seinen Bruder Matthias, der ihn vom Throne stoßen wollte, vertheidigten, achtete er doch ihrer gerechten Forderungen nicht. Da verschafften sie sich selbst Recht; sie richteten an allen Orten den Gottesdienst nach ihrer Weise ein und stellten eine bewaffnete Macht unter dem Grafen von Thurn auf, sich im Nothfall vertheidigen zu können. Der Kaiser, ohnedies von seinem Bruder Matthias hart bedrängt, mußte nachgeben und stellte ihnen 1608 den sogenannten Majestätsbrief aus, dessen Verletzung einige Jahre später die nächste Veranlassung des furchtbaren Krieges wurde. Durch diesen Brief erhielten alle böhmischen Protestanten vollkommen gleiche Rechte mit den Katholiken; ihre Geistlichen sollten unabhängig sein von den Bischöfen; wo in Städten, Flecken und Dörfern protestantische Kirchen wären, die sollten bleiben; aber neue zu bauen, sollte nur den Städten und dem Ritterstande erlaubt sein. Diese Erlaubniß erstreckte sich aber nicht auf die Unterthanen der Gutsbesitzer oder Magistrate; wenigstens deuteten es so die kaiserlichen Räthe.

Nun geschah es, daß die protestantischen Unterthanen des Erzbischofs von Prag und des Abtes von Braunau gegen den Willen ihrer Gutsherren sich Kirchen erbaueten, indem sie ihr Recht dazu auf den ihnen ertheilten Majestätsbrief stützten. Auf Befehl des Kaisers Matthias wurde aber die Kirche zu Klostergrab niedergerissen, die zu Braunau gewaltsam gesperrt, die unruhigsten Bürger aber wurden in's Gefängniß geworfen. Eine allgemeine Bewegung unter den Protestanten war die Folge dieser Gewaltthat: man schrie über Verletzung des Majestätsbriefes und wandte sich mit einem Schreiben an den Kaiser. Die Bittsteller wurden mit harten, drohenden Worten zur Ruhe verwiesen; es ging aber das Gerücht, die Antwort käme gar nicht vom Kaiser, sondern sei in Prag selbst gemacht. Diesem Gerücht ward leicht geglaubt, denn unter den kaiserlichen Räthen in Prag waren zwei, Martinitz und Slawata, allgemein verhaßt; man beschuldigte sie, daß sie ihre protestantischen Unterthanen mit Hunden in die Messe hetzen ließen, ihnen auch Taufe, Heirath und ein christliches Begräbniß versagten, um sie zur Rückkehr zu dem alten Glauben zu zwingen.

Es war am 23. Mai 1618, als ein Haufen bewaffneter Protestanten tobend und lärmend das Prager Schloß hinanstürmte und in den Saal drang, wo die vier kaiserlichen Statthalter Adam von Sternberg, Diepold von Lobkowitz, Martinitz und Slawata versammelt saßen. Diese wurden mit drohenden Worten angefahren und jeder besonders gefragt, ob er Antheil habe an dem kaiserlichen Schreiben. Die Verhaßtesten, Martinitz und Slawata, antworteten trotzig. Da schleppte man sie an's Fenster, warf sie achtzig Fuß tief in den Schloßgraben hinab und den Geheimschreiber schickte man ihnen nach. Diese Art zu verfahren war echt böhmisch und man fand bei dem Vorfalle nur das sonderbar, daß die Hinuntergestürzten nicht den Hals gebrochen hatten.

Die Aufständischen bemächtigten sich nun des Schlosses, wählten neue Obrigkeiten, jagten alle Jesuiten aus dem Lande und forderten alle Böhmen auf, ihre Rechte zu vertheidigen. Dem Kaiser aber schrieben sie, daß sie seine getreuen Unterthanen wären, nur wollten sie die Kraft der Gesetze und ihr gutes Recht aufrecht erhalten. Nur wenige Städte in Böhmen hielten fest an dem Kaiser; fast die ganze Bevölkerung griff zu den Waffen. Selbst die Protestanten in der Lausitz, in Schlesien, Mähren, Oesterreich und Ungarn machten bald mit den Böhmen gemeinschaftliche Sache. Der Bund protestantischer Fürsten und Städte in Deutschland, unter dem Namen der »Union« zur Erhaltung des protestantischen Glaubens gebildet, schickte ein Hülfsheer von 4000 Mann unter der Anführung des Grafen Ernst von Mansfeld. So gerüstet, erwarteten die Böhmen ruhig, welche Maßregeln der Kaiser wider sie ergreifen würde.

Matthias gerieth über den Aufstand in nicht geringe Verlegenheit. Er war bereits alt und kränklich und sehnte sich nach Ruhe; darum wollte er den Weg gütlicher Unterhandlung einschlagen. Davon wollte jedoch sein Vetter und Thronfolger Ferdinand, Erzherzog von Steiermark, nichts wissen. Dieser hatte zwar den Böhmen bereits feierlich gelobt, daß er als ihr künftiger König ihnen alle Freiheiten lassen wollte, aber er hatte sein Herz ganz den Jesuiten ergeben, und diese hatten ihm nicht nur eine blinde Anhänglichkeit an die katholische Kirche, sondern auch den Grundsatz eingeprägt, daß nur die Katholiken wahre Christen seien und allein selig werden könnten. Aus übelverstandener Liebe zu seinen Unterthanen wollte er nun durchaus nicht die neue Lehre in seinen Landen dulden, er ließ Räder und Galgen errichten und drohte, die hinrichten zu lassen, die nicht zum katholischen Glauben zurückkehrten. »Lieber eine Wüste, als ein Land voll Ketzer!« war sein Wahlspruch. So wanderten viele treue und fleißige Unterthanen aus und gingen lieber in Armuth und Elend in die Fremde, als daß sie ihrer Ueberzeugung untreu geworden wären. Die Böhmen sahen mit Angst der Zeit entgegen, wo der neue König Ferdinand ihr Herr werden sollte. Und dieser Zeitpunkt war nun gekommen; denn am 20. März 1619 starb Matthias, nachdem er zuvor mehrere Heerhaufen nach Böhmen gesendet hatte, da sich die Protestanten auf keine Unterhandlungen einlassen wollten.

 

2. Ferdinand II. und Friedrich V. von der Pfalz.

Anfangs schien das Glück den Böhmen hold. Graf Thurn schlug zwei kaiserliche Heere, die in Böhmen einrückten, zurück, und drang in Mähren und Oesterreich ein. Allenthalben empfing ihn das Volk mit Freuden und erhob sich gegen den Kaiser. Am Anfange des Juni 1619 stand Thurn mit seinem Heere vor den Thoren Wiens. Die Hauptstadt schien verloren; denn sie hatte keinen Feind vermuthet und war deshalb auf keine Belagerung vorbereitet. Sie schloß zwar ihre Thore, aber auch diese Maßregel war vergeblich, denn die zahlreiche Menge der Protestanten hatte beschlossen, den Glaubensgenossen die Thore zu öffnen. Bei dem Andrange so großer Gefahr blieb der König allein unerschüttert. Mit altrömischer Standhaftigkeit sprach er zu denen, die ihm riethen, entweder mit Thurn zu unterhandeln, oder sich nach dem immer treuen Tyrol zu flüchten: »Nicht diese Feinde, die Gottes Gewalt bald erreichen wird, nein, der Wahltag zu Frankfurt ist mein Augenmerk, mitten durch die Feinde will ich dahin ziehen und auf mein Haupt, das sie schon verloren und preisgegeben glaubten, die Kaiserkrone setzen.« Solchen Muth verlieh ihm sein festes Vertrauen auf den Beistand Gottes. Und wie durch ein Wunder ward er aus der drohenden Gefahr errettet.

Zwar drangen am 5. Juni 1619 sechzehn protestantische Herren mit Ungestüm in die öde, hin und wieder schon von böhmischen Kugeln durchlöcherte Burg, um von dem Könige seine Einwilligung zu einem Bündnisse mit den Böhmen zu ertrotzen. Einer von ihnen, Andreas Thonradel, verging sich selbst so weit, daß er den König bei den Knöpfen seines Wamses faßte und höhnisch rief: »Nun, Ferdinandel, willst du bald unterschreiben?« Da schmetterten plötzlich Trompeten auf dem Schloßhofe. Es waren 500 Kürassiere vom Regiment Dampierre, dem ältesten der Armee, welches der kaiserliche Feldherr Bucquoy in aller Eile auf der Donau nach Wien geschickt hatte. Der Trompetenschall wirkte wie ein Donner auf die vor Kurzem noch so Uebermüthigen; sie stäubten auseinander, versteckten sich in Kellern oder flüchteten in das Lager des Grafen Thurn. Dieser mußte aber auch bald nach Böhmen zurückkehren, da Graf Bucquoy Prag bedrohete.

Der König Ferdinand zog nun wohlgemuth nach Frankfurt und ließ sich hier zum Kaiser krönen. Doch die Böhmen mochten ihn nicht als ihren König anerkennen, setzten ihn förmlich ab, und ihnen traten auch die Schlesier, Mährer und Lausitzer, selbst die evangelischen Oesterreicher bei. Dagegen wählten sie das Haupt der Union, den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, zu ihrem Könige. Dieser war zwar reformirt, aber sein Oheim war der berühmte Held Moritz von Oranien und sein Schwiegervater König Jakob I. von England. So sehr Friedrich die Königskrone gewünscht hatte, so bedenklich schien es ihm doch nun, sie anzunehmen. Die große Gefahr, in die er sich begeben sollte, schwebte seinem Geiste vor und manche Freunde warnten ihn. Jedoch seine Gemahlin, die eitle und stolze Elisabeth, trieb ihn an. »Kannst du dich vermessen« – sprach sie – »die Hand einer Königstochter anzunehmen, und nun bangt dir vor einer Krone, die man dir freiwillig entgegenbringt? Ich will lieber Brod essen an deiner königlichen Tafel, als an deinem kurfürstlichen Tische schwelgen.« So nahm Friedrich das gefährliche Geschenk an; er reiste nach Prag und wurde hier mit beispiellosem Pompe gekrönt. Hoch schlug der eiteln Elisabeth das Herz vor Freude.

Indessen zog sich über dem neuen Könige und seinen Böhmen ein schweres Ungewitter zusammen. Ferdinand hatte seinen Jugendfreund, den kräftigen Herzog Maximilian von Baiern, für sich gewonnen und die Liga, der katholische Bund, welcher sich gegen die protestantische Union gebildet hatte, versprach Beistand. Auch der König von Spanien, Philipp III., schickte Geld, was er doch selbst so nöthig brauchte, und der Kurfürst von Sachsen, Johann Georg I., trat auf des Kaisers Seite, weil es ihn ärgerte, daß die Böhmen einen Reformirten und nicht einen Lutheraner zum König gewählt hatten. Nun setzte sich das kaiserlich-katholische Heer in Bewegung, unterwarf zuerst die österreichischen Stände und rückte dann, von Maximilian angeführt, in Böhmen ein. Die protestantischen Heerhaufen wurden von einem Orte zum andern getrieben und zogen sich auf Prag zurück. Wäre nun Friedrich ein unternehmender, charakterfester Mann gewesen, so hätte er sich wohl gegen den Kaiser und Herzog Maximilian gehalten, denn das Volk wäre in Masse für ihn aufgestanden. Aber er war eben so schwach und träge, als er leichtsinnig war, gab, anstatt sich um die Ausrüstung eines Heeres zu kümmern, glänzende Feste und verschwendete seine Zeit wie die Einkünfte seines Landes in Ergötzlichkeiten, ohne an die Gefahr zu denken, die über ihn hereinbrach. Das kaiserlich-ligistische Heer stand bereits auf dem weißen Berge, einer Anhöhe unweit Prag, ehe Friedrich an Gegenwehr dachte. Die dort aufgestellten Böhmen waren ohne tüchtige Führer und wurden rasch von dem ungeduldigen Maximilian angegriffen. Nach einer Stunde blutiger Arbeit war die Schlacht entschieden. An 5000 Böhmen waren auf dem Schlachtfelde todt oder verwundet, an 1000 waren in der Moldau ertrunken und die Geretteten stürzten in wilder Flucht auf die Thore von Prag zu (3. Nov. 1620). Friedrich hatte eben an der Tafel gesessen, als das Schießen anfing, und als er auf den Wall ritt, sah er mit Schrecken die verwirrte Flucht der Seinigen. Der feige König machte sogleich Anstalten zur Flucht. Die Prager baten ihn flehentlich, sie doch jetzt nicht zu verlassen, sie hätten ja noch Leute genug, um die Stadt zu vertheidigen. Aber der schwache Friedrich hatte dafür keine Ohren. Wie betäubt setzte er sich den andern Morgen mit Frau und Kindern in den Wagen, nahm den Grafen Thurn mit und fuhr nach Breslau. »Ich weiß nun, wer ich bin,« sagte er, als er in den Wagen stieg. Nur einen Winter hatte seine Herrlichkeit gedauert, weshalb man ihn auch spöttisch »den Winterkönig« nannte.

Gleich am Tage nach der Schlacht öffnete das bestürzte Prag dem Sieger die Thore. Ganz Böhmen unterwarf sich dem Kaiser und erwartete in ängstlicher Spannung sein Schicksal. Anfangs schien es, als wolle er großmüthig alles Vergangene vergessen; denn drei Monate lang verfügte er nicht das Geringste zur Bestrafung der Empörer; dann brach plötzlich das Gewitter seines Zornes aus. In einer Stunde wurden 43 der vornehmsten Anführer festgenommen und 27 von ihnen wurden zum Tode verurtheilt. Vor dem Rathhause der Altstadt wurde ein Blutgerüst aufgeschlagen: auf diesem wurden einige enthauptet, andere geviertheilt; mehreren ward vorher die Zunge ausgeschnitten oder die Hand abgehauen. Die am Leben blieben, verloren ihre Güter, ebenso alle Geflohenen. Ueber 700 wurden an ihrem Vermögen gestraft, an 30 000 Familien wanderten aus, und die tiefe Wunde, welche hierdurch dem gewerbfleißigen Böhmen geschlagen ward, ist kaum in Jahrhunderten vernarbt. Ferdinand zerschnitt mit eigener Hand den Majestätsbrief und verbrannte das Siegel. Die Jesuiten wurden zurückgerufen, sämmtliche protestantische Geistliche und Lehrer verjagt. Der Kurfürst Friedrich von der Pfalz aber wurde als Hochverräter seines Landes und seiner Kurwürde verlustig erklärt.

Durch die einzige Schlacht auf dem weißen Berge schien somit der ganze Krieg beendigt. Das aufrührerische Böhmen war unterworfen, entwaffnet und muthlos; die Union aufgelöst; auch Mähren, Schlesien und die Lausitz beugten sich erschrocken vor dem gewaltigen Sieger. Die Liga blieb unter dem General Tilly gerüstet stehen, um jede Aufwallung der Gemüther im Keime zu unterdrücken. Wer hätte unter solchen Umständen denken mögen, daß der Krieg noch siebenundzwanzig Jahre dauern sollte!

 

3. Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig.

Der geächtete Kurfürst, welcher seinen Schwiegervater vergebens um Hülfe angefleht hatte, fand einen tapferen Vertheidiger an dem kühnen Grafen von Mansfeld, der allein, zur Beschämung der ganzen Union, der Macht des Kaisers trotzte. Der Ruf seiner Tapferkeit sammelte in kurzer Zeit ein Heer von 20,000 Mann um ihn, mit welchem er dem General Tilly keinen Augenblick Ruhe ließ. Verwüstung zeigte überall die Spuren der wilden mansfeldischen Schaaren, denn sie lebten einzig vom Raube. Durch das Beispiel des kühnen Abenteurers ermuthigt, trat bald auch der Markgraf Georg Friedrich von Baden als Streiter auf für das pfälzische Haus und ließ seine Truppen zu den mansfeldischen stoßen. Aber bald nach dieser Verbindung entstand wieder Uneinigkeit unter den beiden Anführern und sie trennten sich. Diese Trennung ward ihr Verderben. Tilly griff zuerst den Markgrafen an und besiegte ihn bei Wimpfen (1622) vollständig; einige Tage später schlug er auch den Grafen bei Höchst.

Durch diesen Schlag entmuthigt, trat der Markgraf wieder von dem Schauplatze des Krieges ab. Er entließ seine Truppen und zog sich in die Stille des Privatlebens zurück. Nur Mansfeld verlor den Muth nicht. Er bekam bald einen andern Waffengenossen an dem jungen Helden Christian von Braunschweig, dem Bruder des regierenden Herzogs. Beide trieben nun ihr gewagtes Kriegsspiel bald hier, bald dort mit kühner Verwegenheit; selbst Paris zitterte vor ihnen, als sie den Hugenotten Hülfe versprachen. Fürchterlich hausten ihre Raubschaaren, besonders in Westphalen, wo Kirchen und Stifte geplündert und an wehrlosen katholischen Priestern viel Frevel verübt wurde. Als Christian nach Paderborn kam, nahm er von dem Altare der dortigen Domkirche die silbernen Bildsäulen der Apostel weg und sagte dabei: »Ihr seid bestimmt, in alle Welt zu gehen, aber nicht hier müßig zu stehen « Er schickte sie in die Münze, und die daraus geprägten Thaler erhielten die Umschrift: »Gottes Freund, der Pfaffen Feind!« Aber Tilly eilte ihm nach, holte ihn bei Höchst, als er eben über den Main setzen wollte, ein, und schlug ihn dergestalt, daß er kaum mit der Hälfte seiner Truppen entkam. Mit diesen stieß der Flüchtling zu Mansfeld und Beide fielen wieder verheerend in den Elsaß ein.

Friedrich erkannte endlich, daß er von den Waffen jener Raubschaaren nichts zu hoffen habe. Er wandte sich deshalb an die Gnade des Kaisers und erklärte sich bereit, fußfällig Abbitte zu thun, wenn er ihm nur seine Pfalz und seine Kurwürde lassen wollte. Zugleich entließ er jetzt, in der Hoffnung, den Kaiser zu versöhnen, den Grafen Mansfeld und den Herzog Christian, die sich ohnehin durch ihre Raubzüge allgemein verhaßt gemacht hatten, öffentlich ihres Dienstes. Allein seine Hoffnung ward nicht erfüllt. Der Kaiser schenkte die pfälzischen Kurlande nebst der Ober- und Unterpfalz diesseits des Rheins seinem Jugendfreunde Maximilian von Baiern (1623). Dem Kurfürsten von Sachsen gab er für die in den Lausitzen und in Schlesien ihm geleisteten Dienste die beiden Lausitzen, anfangs unterpfändlich, dann aber (1635) für immer.

Die beiden entlassenen Anführer Mansfeld und Braunschweig trugen jetzt dem Kaiser selbst ihre Dienste an. Aber dieser wies die Kriegsknechte mit gerechtem Unwillen von sich und zeigte damit zugleich, daß er sie als seine Feinde nicht fürchtete. Sie zogen nun mit ihrem Raubgesindel über Lothringen nach den Niederlanden, wohin man sie zur Theilnahme am Kriege gegen Spanien gerufen hatte. Allein auch hier ward man ihrer bald überdrüssig und entließ sie. Jetzt warfen sie sich wieder auf Westphalen und Niedersachsen und hausten fürchterlich in diesen Ländern. Endlich, am 6. August 1623, erreichte sie Tilly's Schwert, denn in dem Treffen bei Stadtlohn wurde der größte Theil ihrer Schaaren aufgerieben. Die beiden Anführer retteten sich in das benachbarte Holland.

Nun hatte der Kaiser glücklich seine Feinde aus dem Felde geschlagen und die deutschen Fürsten erwarteten von ihm, er werde seine Truppen auseinander gehen lassen. Da aber dies nicht geschah, im Gegentheil die Rüstungen auf kaiserlicher Seite fortdauerten, schöpfte man Verdacht, als sei jetzt die Ausrottung des protestantischen Glaubens das nächste Ziel, das Ferdinand verfolgte. Die Fürsten fürchteten, sie möchten jetzt zu bloßen Lehnsträgern eines unumschränkten Gewalthabers herabsinken. Darum rüsteten die niedersächsischen Fürsten und wählten den König Christian VI. von Dänemark, der wegen Holstein zu ihnen gehörte, zum Anführer des Bundesheeres. Auch der König von England, der vergebens auf die Wiedereinsetzung seines Schwiegersohnes gehofft hatte, nahm Theil an dem Kriege und unterstützte das Bundesheer. Sogleich eilten da wieder jene beiden furchtbaren Abenteurer, Mansfeld und Christian von Braunschweig, aus Holland herbei und übernahmen die Anführung einzelner Abtheilungen des deutschen Heeres. So befand man sich denn am Ende des Jahres 1625 wieder auf gleichem Punkte, wie 1618; nur war jetzt das nördliche Deutschland der Schauplatz eines Krieges, der bis dahin in ganz Europa seines Gleichen nicht gehabt hatte.

 

4. Albrecht von Wallenstein.

Es schien fast, als wäre das Glück an Ferdinand's Thron gefesselt; denn bei der neuen Gefahr zeigte sich ihm auch wieder neue Hülfe. Jetzt trat einer seiner Offiziere zu ihm, mit dem überraschenden Anerbieten, ihm ein Heer zu verschaffen, ohne daß es dem Kaiser das Geringste kosten sollte. Dieser Mann hieß Albrecht von Waldstein, gewöhnlich Wallenstein genannt. Er war aus einem alten freiherrlichen Geschlecht Böhmens entsprossen, von lutherischen Eltern in Prag geboren und auch im lutherischen Glauben erzogen. Zuerst ward er in die Schule zu Goldberg in Schlesien gethan, dann mußte er die Universität zu Altdorf bei Nürnberg besuchen. Aber der wildausgelassene und starrsinnige Jüngling zeigte weder Lust noch Geschick zum Studiren. Sein Vater brachte ihn daher als Edelknaben zu dem Markgrafen von Burgau nach Innsbruck. Dort ereignete es sich, daß er auf einem Geländer des Bogenganges im Schlosse Ambras (nahe bei Innsbruck) zwei Stock hoch hinabstürzte, aber völlig unbeschädigt blieb. Dieses wundersame Ereigniß brachte wundersame Veränderungen in ihm hervor. Von nun an hielt er sich für einen besonderen Schützling des Glückes und zu großen Thaten bestimmt. Er trat zur katholischen Kirche über und fing an, seine Talente zu bilden. Seit dem Jahre 1606 durchreiste er Deutschland, Holland, England, Frankreich und Italien. Am liebsten verweilte er in Padua; der dort ertheilte Unterricht in der Astrologie oder Sterndeuterei zog ihn mächtig an; denn es herrschte damals der Aberglaube, man könne aus der Stellung der Gestirne die künftigen Schicksale der Menschen lesen. Ein Sterndeuter, Namens Seni, gab dem kühnaufstrebenden jungen Mann die Versicherung, in den Sternen gelesen zu haben, Wallenstein sei zu hohen Ehren bestimmt. Seit der Zeit ward Seni sein trautester Freund und Ehrgeiz seine heftigste, ja fast einzige Leidenschaft. Das Gefühl in seiner eigenen Brust, zu etwas Außerordentlichem bestimmt zu sein, fand nun auch in den Sternen vollste Bestätigung.

Mit hohen Entwürfen in der Seele kehrte er in sein Vaterland zurück und nahm bei dem kaiserlichen Heere Dienste. Er vermählte sich mit einer reichen Wittwe, deren früher Tod ihn zum Erben eines fürstlichen Vermögens machte. Seit dieser Zeit machte er den glänzendsten Aufwand, jedoch nicht aus Hang zur Schwelgerei, sondern um die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken. Er lud die Offiziere fleißig an seine Tafel, unterstützte sie mit Geld und belohnte die unter seinem Befehle stehenden Soldaten reichlich. In allen Schlachten that er sich durch Klugheit, Muth und Tapferkeit hervor und erwarb sich die Anhänglichkeit sowohl der Gemeinen als der Offiziere. Auch bei Hofe geschah seiner rühmlichst Erwähnung. Ferdinand II. ernannte ihn gleich nach seinem Regierungsantritte zum Obersten; als solcher focht er an der Spitze eines auf eigene Kosten geworbenen Kürassierregiments in der Schlacht auf dem weißen Berge und trug wesentlich zum Siege bei. Zum Ersatz des Schadens an seinen Gütern, die beim Ausbruch der böhmischen Unruhen größtentheils zu Grunde gegangen waren, schenkte ihm der Kaiser die Herrschaft Friedland in Böhmen mit dem Titel eines Grafen; im Jahre 1623 wurde er sogar zum Fürsten über Friedland und später zum Herzog ernannt. Mit ungeduldigem Ehrgeiz hatte er bis dahin den Feldherrnstab in Tilly's Händen gesehen; er war deshalb hoch erfreut, als nun des Kaisers Geldnoth ihm Gelegenheit gab, sich durch eine ehrenvolle Rolle auszuzeichnen.

Unentgeltlich wollte er dem Kaiser 50,000 Mann anwerben, falls ihm der unumschränkte Oberbefehl über dies Heer zu Theil würde. Ein Antrag dieser Art kam dem Kaiser anfangs abenteuerlich und lächerlich vor; allein eben so bald kam die Ueberzeugung nach, welche großen Vortheile er von einem solchen für seine persönlichen Absichten streitenden Heere würde ziehen können, da er bisher ganz abhängig von dem Heere der ligistischen Fürsten gewesen war, besonders aber ihres Oberhauptes, des Kurfürsten Maximilian von Baiern. Er nahm deshalb den Antrag mit Vergnügen an.

Nun ließ der Friedländer – wie man den Wallenstein auch wohl nannte – die Trommel rühren und von allen Seiten strömten die Leute unter seine Fahne, denn der lange Krieg hatte die Menschen gar sehr verwildert. Der gemeine Mann wollte lieber fechten und Beute machen, als durch mühsame Arbeit sein Brod erwerben. Zum Erstaunen Aller war in kurzer Zeit ein Heer von 25,000 Mann beisammen. Mit diesem drang Wallenstein noch im Herbst des Jahres 1623 durch Schwaben und Franken, und bevor er die Elbe erreichte, war es schon auf 30,000 Mann angewachsen. Bei Dessau wollte ihm Mansfeld den Uebergang über die Brücke wehren, ward aber so geschlagen, daß er eiligst nach Ungarn entfloh. Dort wollte er sich mit dem unruhigen Großfürsten von Siebenbürgen, Bethlen-Gabor, verbinden, aber dieser hatte Geld verlangt und keine hungrigen Soldaten, zog es auch vor, mit dem Kaiser sich zu vertragen. So blieb dem tapfern Mansfeld nichts übrig, als seine Truppen zu entlassen, sein ganzes Heergeräth zu verkaufen und mit wenigen Getreuen nach Venedig zu flüchten. Von dort wollte er nach England schiffen. Aber noch ehe er Venedig erreichte, ward er in Bosnien krank. Der Arzt eröffnete ihm, daß er nur noch wenige Stunden zu leben habe; da ließ er seine Soldatenkleider sich anziehen, den Degen umgürten und erwartete so stehend, gestützt auf die Schultern zweier Freunde, den Tod. In seinem 46sten Jahre ward er aus einem schicksalsvollen Leben abgerufen. Kurz vor ihm war auch sein Waffengefährte, Christian von Braunschweig, erst 29 Jahre alt, gestorben.

Während Wallenstein den Mansfeld verfolgte, hatte Tilly mit seinem gewohnten Waffenglück den Dänenkönig vor sich hergetrieben und ihn endlich bei Lutter am Barenberge, einem Städtchen im Hannöver'schen, eingeholt. Hier kam es am 27. August 1626 zu einer blutigen Schlacht, die sich mit der völligen Niederlage des Königs endete. Christian verlor 60 Fahnen und alles Geschütz. Tilly rückte hierauf nach der holländischen Grenze, um die übrigen Bundesgenossen der Dänen zu züchtigen. Den flüchtigen König mußte er aber dem zurückgekehrten Wallenstein überlassen, der von Ungarns Grenzen zu neuem Kampfe herbeigeeilt war. Dieser überschwemmte nun mit seinen Schaaren ganz Holstein, Schleswig und Jütland und Christian mußte auf seine Inseln flüchten, wohin das Wehklagen seiner ausgeplünderten Unterthanen hinüber hallte. Noch trauriger erging es den beiden Herzögen von Mecklenburg, die als Bundesgenossen Christian's verjagt und deren Länder schrecklich verwüstet wurden. Im Jahre 1629 belohnte der Kaiser den Feldherrn Wallenstein mit dem Herzogthum Mecklenburg, schenkte ihm noch dazu das Fürstenthum Sagan in Schlesien und ernannte ihn zum Reichsfürsten. Mit dieser Belohnung verband Ferdinand noch den Plan, eine Seemacht auf der Ostsee zu gründen; darum ernannte er Wallenstein zu seinem Oberfeldherrn zu Wasser und zu Lande.

Wallenstein, dessen Heer bereits zu 100,000 Mann angewachsen war, suchte sich jetzt der Küsten der Ostsee zu bemächtigen und belagerte Stralsund, welches sich geweigert hatte, kaiserliche Besatzung einzunehmen. Allein hier scheiterte zum ersten Mal sein Glück an der tapferen Gegenwehr der Besatzung und an der Hülfe, welche die Hansaschiffe von der Seeseite her brachten. Er mußte mit empfindlichem Verluste die Belagerung aufheben, obwohl er noch kurz zuvor gedroht hatte, Stralsund einzunehmen und »wenn die Festung mit Ketten am Himmel hinge.« Zwölftausend Mann hatte der hartnäckige Wallenstein in den Gräben Stralsunds begraben.

Mit Dänemark aber schloß jetzt Wallenstein plötzlich einen Frieden zu Lübeck (1629) und zwar so vortheilhaft für Christian, daß dieser auch nicht ein Dorf verlor. Der schlaue Herzog Wallenstein wollte nämlich jetzt ungestört das gewonnene Mecklenburg beherrschen; zu diesem Zwecke mußte er aber mit seinem Nachbar Frieden haben. Dieser erkannte ihn als Herzog von Mecklenburg an und war unedel genug, seine Bundesgenossen, die vertriebenen Herzöge, die doch erst seinetwillen zu den Waffen gegriffen hatten, aufzuopfern.

Der Kaiser stand abermals als Sieger da und herrschte unumschränkt. Man hätte glauben sollen, jetzt würden die kaiserlichen Heere auseinander gehen, denn kein Feind war mehr vorhanden. Aber die Feldherren blieben gerüstet und statt des Friedens machte Ferdinand das Restitutions- (oder Wiederherstellungs-) Edikt bekannt. Diesem zufolge sollten die Lutheraner alle seit dem Passauer Vertrage eingezogenen geistlichen Güter – zwei Erzbisthümer, zwölf Bisthümer und viele Stifter und Klöster – den Katholiken restituiren oder zurückgeben, die Reformirten sollten gar nicht geduldet, die Lutheraner aber von ihren katholischen Herren und Fürsten zur katholischen Religion angehalten werden. Dieses Edikt war ein Donnerschlag für die Protestanten. Vergebens machten die Fürsten Vorstellungen; Aufschub auf ein Jahr war Alles, was sie vom Kaiser erhalten konnten. Doch innerhalb dieser Frist sollte sich die Lage der Dinge wesentlich ändern.

 

5. Wallenstein's Abdankung.

Nicht allein das Restitutionsedikt schlug die Gemüther nieder; auch die zuchtlose Wirthschaft der Wallensteiner, unter welcher Katholiken wie Protestanten gleich sehr litten, erregte allgemeine Unzufriedenheit und alle Fürsten sehnten sich nach Frieden. Zwölf Jahre hatte bereits der Krieg gedauert und grenzenloses Elend in den deutschen Gauen verbreitet. Durch die Klagen der Fürsten und Völker bewogen, berief der Kaiser im Jahre 1630 einen Kurfürstentag nach Regensburg. Hier klagten Alle einstimmig den Wallenstein an wegen der vielen Gewaltthätigkeiten, die sich seine Soldaten erlaubten. »Raub und Mord, Mißhandlung der Weiber und Kinder würden überall geübt; die Offiziere füllten ihre Beutel mit dem Schweiß und Blut der armen Leute an und Viele, die früher ganz arm gewesen, besäßen jetzt 3- bis 400,000 Gulden baar Geld.« Der Kaiser war tief erschüttert von diesem Bilde des Elends und entschloß sich, 18,000 Reiter seines Heeres sogleich zu entlassen. Damit waren aber die Kurfürsten nicht zufrieden. Alle verlangten mit Ungestüm die Entlassung Wallenstein's und seiner verwegenen Raubschaaren. Besonders sprach Maximilian von Baiern, der, seit Wallenstein den Befehl führte, sehr zurückgesetzt wurde, für des Feldherrn Abdankung. Mit schwerem Herzen willigte endlich der Kaiser ein, denn er fürchtete den Wallenstein.

Dieser stand damals mit seinem Heere in Schwaben, um die Fürsten in Regensburg zu beobachten und nöthigenfalls dem Kaiser zu Hülfe zu eilen. Da kamen die Gesandten und brachten ihm sein Urtheil. Wider Erwarten blieb er ganz ruhig und versprach, Gehorsam zu leisten. Er wußte schon von Allem und hatte, wie er vorgab, den Ausgang des Regensburger Kurfürstentages in den Sternen gelesen. Wegen seiner Entlassung schien er den Kaiser mehr zu bedauern, als zu hassen. Er schrieb selbst an ihn; dankte ihm für sein bisheriges Zutrauen und bat, er möchte ihm seine Gnade nicht gänzlich entziehen. Die Gesandten entließ er fürstlich beschenkt. Auch seinem Heere gab er bei der Entlassung große Geschenke, gleichsam als Handgeld für die Zukunft, wenn er dessen wieder bedürfen würde. Dann zog er sich, getröstet durch die Sterne, die ihm glänzendes Glück verhießen, mit ungeheuren Schätzen auf seine mährischen Güter zurück, wo er rachebrütend die Zeit erwartete, die ihn zu noch höheren Ehren rufen sollte. Seine Söldner kehrten theils plündernd und raubend in ihre Heimath zurück, theils stießen sie zu dem kaiserlich-ligistischen Heere, dessen alleiniger Oberanführer jetzt wieder Tilly war.

 

6. Gustav Adolf, König von Schweden, in Deutschland.

(1630-1632.)

Nun, da die Fürsten unbedingt dem Kaiser gehorchten, schien die Sache der Protestanten verloren, und es wäre auch wieder der katholische Glaube in ganz Deutschland hergestellt worden, hätte sich jetzt nicht ein Mann erhoben, welcher dem bisherigen Lauf der Dinge eine ganz andere Wendung gab. Dieser Mann war Gustav Adolf, König von Schweden, einer der größten Helden seines Jahrhunderts, der ausgezeichnetste Fürst seiner Zeit. Die Gefahr, welche seinen Glaubensgenossen in Deutschland drohete, sah er als seine eigene an. Auch trug er schon seit mehreren Jahren einen bitteren Groll im Herzen gegen den Kaiser und dessen Feldherrn Wallenstein, von denen er mehr als ein Mal schwer beleidigt worden war. Ihn, als nahen Anverwandten des Hauses Mecklenburg, schmerzte es, daß seiner Schwester Söhne trotz seiner Fürbitte nicht wieder eingesetzt, seine Gesandten sogar schimpflich von Wallenstein zurückgewiesen worden waren. Als die Stadt Stralsund belagert ward und schwedische Truppen ihr zu Hülfe kamen, hatte Wallenstein höhnend ausgerufen: »Wenn der Schneekönig selbst herüber kommt, so werde ich ihn mit Ruthen nach Hause peitschen.«

In dem Kriege, den Gustav Adolf mit den Polen führte, hatte er sich tapfere Krieger und Feldherren herangebildet. Tilly wußte seinen neuen Feind besser zu schätzen, als der Kaiser mit seinen Räthen. Als der Kaiser in Regensburg die Nachricht von dem Anzuge des Schwedenkönigs empfing, sprach er zu Tilly: »Wir haben halt a Feindle mehr!« Dieser aber erwiderte ernsthaft: »Der König von Schweden ist ein Feind von eben so vieler Klugheit als Tapferkeit, in der Blüthe der Jahre, kräftig und abgehärtet. Er hat im Kriege siegen und durch Siege den Krieg zu führen gelernt. Sein Heer ist ein Ganzes, das er wie sein Roß mit dem Zügel regiert. Das ist ein Spieler, gegen welchen nicht verloren zu haben schon ein Gewinn ist.«

Als Gustav Alles zur Ueberfahrt nach Deutschland vorbereitet hatte, versammelte er die vier Stände seines Reichs. Es war am 21. Mai 1630, als er unter sie trat, um ihnen ein feierliches Lebewohl zu sagen. Hier nahm er sein einziges Kind, sein vierjähriges Töchterlein Christina, auf den Arm, zeigte sie den Ständen als ihre künftige Königin und ließ ihr den Eid der Treue schwören. Dann setzte er seinen getreuen Unterthanen mit bewegter Stimme auseinander, was ihn zu dem Kriege nöthige. Er schloß seine Rede mit den Worten: »Ich sage euch Allen mein zärtliches Lebewohl; ich sage es vielleicht auf ewig.« Dabei rannen dem Könige die Thränen aus den Augen und in der Versammlung hörte man nichts als Schluchzen und Seufzen.

Mit einem kleinen, aber auserlesenen Heere (15,000 Mann), welches aus Liebe für seinen Feldherrn Alles zu opfern bereit war, schiffte er sich ein und landete zuerst an der pommerschen Küste, an der Mündung der Peene. Er war der Erste, der an's Land stieg. Vor den Augen des ganzen Heeres kniete er auf deutscher Erde nieder, dankte Gott mit lauter Stimme für die glückliche Ueberfahrt und bat um des Himmels ferneren Segen. Allen umstehenden Offizieren kamen vor Rührung die Thränen in die Augen. Der König sah es. »Weinet nicht,« sprach er, »meine Freunde, sondern betet fleißig! Je mehr ihr betet, desto mehr werdet ihr siegen. Oft gebetet, ist halb gesiegt. Der beste Christ ist immer der beste Soldat!« Während im Wallenstein'schen Heere Laster aller Art im Schwange gingen, Keiner aber nach Gott fragte, ließ Gustav Adolf jedes Regiment täglich zum Morgen- und Abendgottesdienst einen Kreis um den Feldprediger schließen und unter freiem Himmel seine Andacht halten. Fluchen, Spielen, Rauben und Zweikämpfe waren streng verboten. In allen Tugenden ging Gustav selbst den Seinigen als Muster voran. Seine reine lebendige Gottesfurcht gab ihm in den schwierigsten Lagen Muth und Besonnenheit und seine Soldaten waren mit dem festen Vertrauen erfüllt, daß sie unter einem so frommen und guten König siegen müßten.

Man hätte denken sollen, die protestantischen Fürsten würden ihn alle als ihren Retter mit offenen Armen empfangen haben; statt dessen aber erschraken die meisten vor seiner Ankunft und wollten sich mit dem Ausländer nicht verbinden, sei es aus Mutlosigkeit oder Furcht vor dem Kaiser, sei es aus Eifersucht gegen das fremde Bundeshaupt. Gustav trieb indessen die kaiserlichen Truppen in Pommern vor sich her, und wandte sich dann an den Herzog Bogislav, einen überaus peinlichen, ängstlichen Mann, daß ihm dieser Stettin einräume, das sei zu seiner Sicherheit durchaus nöthig. Aber davon wollte der Herzog nichts hören. Er kam selbst in Gustav's Lager und war außer sich vor Angst. Auf der einen Seite war Gustav mit einem schlagfertigen Heere und auf der andern die Furcht vor des Kaisers Zorn. »Ach!« rief er aus, als Gustav ungeduldig wurde, »soll ich denn in meinem Alter noch erleben, daß ich geächtet, mein Land verwüstet und einem Andern gegeben und meine Residenz von Grund aus zerstört werde!« Gustav suchte ihn zu beruhigen und rief endlich: »Eilet, eilet, lieber Vetter! Hier ist Schnelligkeit nöthig und glaubt mir, nicht jeder Zauderer ist ein Fabius.« – »Nun in Gottes Namen!« rief Bogislav halb in Verzweiflung aus, und die Schweden zogen ein.

Nicht besser ging es dem König von Schweden mit dem Kurfürsten von Brandenburg, Georg Wilhelm, einem höchst unentschlossenen Manne. Dieser weigerte sich geradezu, einem fremden Fürsten seine Festungen Küstrin und Spandau anzuvertrauen, welche dieser zur Deckung seines Rückzuges von dem Kurfürsten verlangt hatte. Und doch hatte Gustav so große Eile; denn bereits wurde die Stadt Magdeburg von Tilly hart bedrängt und hatte Boten an den Schwedenkönig gesandt mit flehentlicher Bitte um Hülfe. »Drei Wochen nur haltet euch noch,« ließ Gustav der Stadt sagen, »dann hoffe ich euch Hülfe zu bringen!« Einstweilen schickte er ihnen einen erfahrenen General zum Kommandanten, den braven von Falkenberg. Als nun der Kurfürst von Brandenburg noch immer zögerte, gerieth Gustav in den heftigsten Zorn. »Ihr Protestanten habt es einst vor Gott zu verantworten, daß ihr für das Evangelium nichts habt thun wollen. Ist Magdeburg verloren und bin ich nach Schweden zurückgegangen, so mögt ihr zusehen, wie ihr fertig werdet.« Nun endlich räumte ihm der Kurfürst Spandau ein und Gustav schickte sich an, bei Wittenberg über die Elbe zu gehen, um Magdeburg zu retten. Aber Wittenberg gehörte dem Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg, einem kleinlich denkenden, dem Biertrunke ergebenen Manne, und dieser schlug ihm den Durchmarsch rund ab; denn – wie man laut sagte – seine Bierfässer galten ihm mehr, als das Wohl seiner Glaubensgenossen. Während Gustav noch unterhandeln mußte, traf die schreckliche Nachricht ein, daß Magdeburg von den Kaiserlichen erobert sei.

 

7. Die Zerstörung Magdeburgs (1631).

Die Stadt Magdeburg war dem Kaiser schon längst ein Dorn im Auge, denn unerschütterlich hielt sie am protestantischen Glauben fest und bildete eine Hauptstütze der Feinde des Kaisers. Da sie sich überdies geweigert hatte, kaiserliche Soldaten zu beherbergen, war sie in die Reichsacht erklärt worden und Tilly sollte die Strafe an ihr vollziehen. Schon seit dem Dezember 1630 hatten die Kaiserlichen die fremde Stadt eingeschlossen und lebhaft bombardirt. Mehrmals schon hatte Tilly sie aufgefordert, sich zu ergeben; aber die Einwohner wiesen jede Aufforderung trotzig zurück und beschlossen, sich bis auf's Aeußerste zu wehren. War doch Gustav Adolf im Anzuge. Noch einmal schickte Tilly – es war im Mai 1631 – einen Trompeter in die Stadt; aber Falkenberg hielt diesen drei Tage lang zurück, um Zeit zu gewinnen. Indessen machte Tilly Anstalt, die Mauern mit Sturm zu nehmen, ehe Gustav herankäme. Am 9. Mai Vormittags richtete er ein fürchterliches Feuer auf die Stadt; Bomben, Granaten und glühende Kugeln fielen wie ein Regen über die Häuser. Aber des Nachmittags hörte das Feuer plötzlich auf, selbst die Kanonen wurden aus den Batterien zurückgeführt und das bestärkte die Magdeburger in der Hoffnung, daß die Schweden nicht mehr fern seien. Die Nacht verging ruhig; da gingen Morgens um 5 Uhr die ermüdeten Bürger und Soldaten, die seit Monaten nicht mehr ausgeschlafen hatten, in ihre Wohnungen, um auf ein paar Stunden der Ruhe zu pflegen.

Um 7 Uhr aber donnerten plötzlich wieder die Kanonen und von allen Seiten stürzten die Kaiserlichen, mit Sturmleitern versehen, auf die Wälle los. Die meisten Soldaten und Bürger waren noch im Schlaf, die wenigen Wachen wurden schnell überrumpelt und Pappenheim war mit einem Heerhaufen bereits in der Stadt und öffnete ein Thor, als die armen Einwohner noch gar nicht wußten, was vorging. Falkenberg, sobald er den Kanonendonner hörte, warf sich mit so viel Kriegsvolk, als er in der Geschwindigkeit zusammenraffen konnte, den Eindringenden entgegen; aber eine Kugel streckte ihn zu Boden. Des Anführers Tod verbreitete Furcht und Schrecken unter den Bürgern. Bestürzt verließen sie die Mauern, um ihre Wohnungen zu vertheidigen. Von allen Seiten läuteten die Sturmglocken, die Trommeln wirbelten; in den Straßen wurde geschossen, gekämpft, aber die Bürger mußten der Uebermacht des Feindes bald weichen und verriegelten sich in ihren Häusern. Doch die Thüren waren von den wilden Wallonen bald eingeschlagen; Alles, was widerstehen wollte, ward niedergestochen. Die Väter wurden vor den Augen ihrer Kinder ermordet, die Frauen in den Armen ihrer Männer erwürgt, die Kinder vor den Augen ihrer Eltern an der Wand zerschmettert. Nicht einmal die schwachen Mädchen wurden verschont; manche, um der Mißhandlung zu entgehen, stürzten sich vor Angst aus den obern Fenstern auf das Straßenpflaster, andere suchten in den Wellen der Elbe Rettung. Alles Gold und Silber mußte den gierigen Soldaten ausgeliefert werden und zum Dank dafür wurde der Ueberbringer niedergestoßen. Jetzt brachen auch die Kroaten, die wildesten und raubgierigsten unter allen, in die Stadt und hielten eine fürchterliche Nachlese. Zugleich brach an mehreren Stellen der Stadt Feuer aus und der Sturmwind trieb die Flammen nach allen Richtungen; bald standen alle Straßen in lichter Lohe. In zehn Stunden war von einer der schönsten und reichsten Städte Deutschlands nichts mehr übrig als die Domkirche, ein Kloster und einige elende Fischerhütten; das Uebrige lag in Asche und Graus. Als nun ganze Straßen in Flammen standen und die Luft glühete, mußten sich die Würger eiligst zurückziehen, über Trümmer und Leichen und durch das strömende Blut nahmen sie ihren Rückzug in's Lager.

Ueber 20,000 Leichen wurden theils begraben, theils in die Elbe geworfen. Erst am dritten Tage, als die Straßen von Schutt und Leichen etwas gereinigt waren, hielt Tilly seinen Einzug in die rauchenden, blutbespritzten Trümmer und sah nicht ohne Entsetzen den Greuel der Verwüstung. Zeitgenossen und zwar Protestanten sowohl als Katholiken erzählen einstimmig, der greise Krieger habe bei dem Anblick sogar geweint. Auch war der Untergang Magdeburg's für den Sieger selbst ein herber Verlust, denn die Stadt wäre ein vortrefflicher Waffenplatz und Stützpunkt an der Elbe gewesen. Man meldete ihm, daß im Dome noch 100 Einwohner sich befänden, die seit drei Tagen nichts gegessen hätten. Er schenkte ihnen das Leben und ließ Brod unter sie austheilen. Dann begab er sich selbst in die Kirche, um Gott für den Sieg zu danken. Der feurige Pappenheim, der in dem Untergange einer ketzerischen Stadt den gerechten Zorn des Himmels erblickte, schrieb mit inniger Selbstzufriedenheit an den Kurfürsten von Baiern: »Seit Troja's und Jerusalem's Zerstörung ist kein ähnlicher Sieg erfochten worden!« Aber noch in demselben Jahre ward das Schicksal der Stadt schrecklich an dem Sieger gerächt.

 

8. Die Schlacht bei Breitenfeld (17. Sept. 1631).

Tilly wandte sich nun nach Sachsen, um den Kurfürsten wegen seines Bündnisses zu züchtigen, das er mit andern protestantischen Städten und Fürsten zur Sicherung der Selbständigkeit sowohl gegen Schweden als gegen Oesterreich geschlossen hatte und das die Leipziger Konvention genannt wurde. Tilly bemächtigte sich schnell der Städte Halle, Eisleben, Merseburg, Naumburg, Zeitz und Weißenfels und legte ihnen unerschwingliche Steuern auf. Nun bereuete der Kurfürst, das Bündniß mit den Schweden nicht angenommen zu haben. Er schickte in aller Eile Gesandte zum König, die flehentlich um Hülfe und Freundschaft baten. Gustav empfing die Boten mit scheinbarer Kälte und gab den Bitten des Kurfürsten endlich nur unter der Bedingung nach, daß dieser ihm Wittenberg einräumte, einen dreimonatlichen Sold für seine Truppen zahlte, ihm seinen ältesten Sohn als Geisel schickte und alle seine schlechten Rathgeber zur Bestrafung auslieferte. Der geängstigste Kurfürst war zu Allem bereit. »Nicht nur Wittenberg« – rief er – »sondern ganz Sachsen soll er zum Unterpfande haben; nicht nur einen Prinzen, sondern meine ganze Familie, ja mich selbst will ich als Geisel überliefern und alle Verräther, die er mir anzeigt, sollen bestraft werden.« Den König rührte die Angst und Verlegenheit des schwachen Mannes; er stand großmüthig ab von seinen harten Forderungen. Nur auf einen Monat nahm er den Sold für seine Truppen an, mit denen ungesäumt das sächsische Heer vereinigt wurde.

Tilly hatte sich bereits der Stadt Leipzig bemächtigt, als das vereinigte Bundesheer gegen ihn auszog. Bei dem Dorfe Breitenfeld, nicht weit von Leipzig, stießen sie auf einander. Wohlweislich hatte Gustav die Sachsen auf den linken Flügel gestellt, denn er hatte zu ihrer Tapferkeit kein großes Vertrauen. Ein furchtbarer Kanonendonner begann und Tilly warf sich mit stürmender Gewalt auf die Sachsen. Diese hielten nicht Stand, ihre Glieder lösten sich und bald lief Alles auseinander. Der Kurfürst selber floh in solcher Eile, daß er seinen Hut verlor und erst nach mehreren Stunden in Eilenburg Halt machte, um sich durch einen Trunk Bier zu stärken. Desto wackerer hielten sich die Schweden. Sieben Mal sprengte Pappenheim mit seiner Reiterei gegen den rechten Flügel an und sieben Mal ward er zurückgeschlagen. Eben so fruchtlos blieben die Versuche Tilly's, als er von der Verfolgung der Sachsen zurückgekehrt war, die Reihen der schwedischen Schlachtordnung zu durchbrechen. Nun aber ließ Gustav vorrücken. Der schwedische General Horn durchbrach siegreich die Reihen der Feinde, während der König eine Anhöhe erstürmte, auf welcher der größte Theil des feindlichen Geschützes aufgestellt war; dieses ließ er sogleich in die Feinde spielen. Da wurde die Verwirrung und Flucht unter ihnen allgemein. Zum ersten Mal ward Tilly geschlagen und zwar vollständig. Fast wäre er gefangen oder getödtet worden. Ein schwedischer Rittmeister, wegen seiner Größe der lange Fritz genannt, wollte ihn lebendig oder todt haben und griff den alten General wüthend an. Schon war dieser von mehreren Schüssen gestreift, schon schlug der lange Fritz mit einer umgekehrten Pistole auf ihn los, faßte ihn beim Kragen und forderte ihn auf, sich zu ergeben – da kam ihm noch zu rechter Zeit ein Offizier zu Hülfe und zerschmetterte dem Rittmeister den Kopf. Die Niederlage Tilly's war so groß, daß er zwei Tage darauf kaum 600 Mann beisammen hatte. Er flüchtete sich nach Halberstadt, wohin ihm Pappenheim mit 1400 Reitern folgte.

Gleich nach dem erfochtenen Siege kniete Gustav Adolf auf dem leichenerfüllten Schlachtfelde von Leipzig nieder und sprach mit gefaltet emporgehobenen Händen: »Dank dir, Gott! Dank dir für deinen Sieg!« Durch diese entscheidende Schlacht veränderte sich sogleich das ganze Verhältnis Dem Kaiser waren mit einem Schlage alle Vortheile eines zwölfjährigen Krieges entrissen. Die Unterdrückten aber erhoben wieder muthig ihr Haupt und schlossen sich an den Sieger an, den sie fast abgöttisch verehrten.

Am Tage nach der Schlacht fand sich auch der Kurfürst von Sachsen wieder ein und der König war edel genug, ihn freundlich zu empfangen und ihm zu danken, daß er zu dieser Schlacht gerathen habe. Er trug ihm auf, mit seinem Heere in Böhmen einzudringen, während er selbst durch die Rheingegenden nach Baiern ziehen wollte.

 

9. Folgen des Sieges.

Größere Macht über die Gemüther hat seit Luther wohl Niemand geübt, als Gustav Adolf. Sein Weg durch Thüringen nach dem südlichen Deutschland glich einem ununterbrochenen Triumphzuge. In Frankfurt stieß auch der »Winterkönig« zu ihm, der sich unterdessen in Holland umhergetrieben hatte. Tilly zog so viel Streitkräfte als möglich zusammen, und als Gustav bei Rain über den Lech setzen wollte, stellte er sich ihm entgegen. Aber die tapferen Schweden erkämpften den Uebergang und der alte Tilly wurde durch eine Stückkugel am rechten Knie verwundet, so daß er nach Ingolstadt gebracht werden mußte, wo er nach 15 Tagen verschied. In ihm verlor der Kaiser einen großen Feldherrn und tüchtigen Kriegsmann, der zwar roh, aber doch ein Mann von gutem Schrot und Korn war, unerbittlich streng gegen sich selber lebte, gegen seine Soldaten aber fürsorglich und höchst freigebig war. Als ihn der Kaiser zum Reichsfürsten erheben wollte, verbat er sich die Ehre und schenkte dem Schreiber der Kanzlei 500 Thaler, damit dieser das Patent nicht ausfertige. Er war klein, aber von starkem Knochenbau. Zwischen seinen eingefallenen Wangen, seiner langen spitzigen Nase und seiner runzligen Stirn sahen zwei große finstere Augen heraus. Sein graues borstiges Haar hing um den Kopf herum, den er mit einem spitzigen hochaufgestutzten Hute zu bedecken pflegte, von welchem eine rothe Straußfeder nach hinten zu herabhing. Er trug ein grün atlassenes Kleid nach spanischem Schnitt mit aufgeschlitzten Aermeln, weite Beinkleider von demselben Zeuge und aufgeschlitzte weite Stiefeln. In der Schlacht ritt er einen kleinen Grauschimmel. Vor der Schlacht bei Breitenfeld konnte sich Tilly rühmen, nie eine Schlacht verloren zu haben. Niemals hatte er einen Rausch und niemals Umgang mit liederlichen Weibsbildern. Er starb in seinem 73sten Jahre.

Nachdem Gustav einen wiederholten Sturm gegen das feste Ingolstadt, in welches sich auch der Kurfürst von Baiern geflüchtet hatte, vergeblich unternommen, brach er nach München auf. Die Hauptstadt zitterte und nur ihre freiwillige Unterwerfung konnte den Zorn des Siegers entwaffnen. Die Pracht des kurfürstlichen Schlosses setzte ihn in Erstaunen und er fragte nach dem Namen des Baumeisters. Es ist kein anderer, als der Kurfürst selbst, sagte man ihm. »Ich möchte ihn haben, diesen Baumeister« – erwiderte der König – »um ihn nach Stockholm zu schicken.« Als man das Zeughaus durchsuchte, fand man blos Laffeten (hölzerne Gestelle) ohne Kanonen. Diese hatte man so künstlich unter dem Fußboden eingescharrt, daß sich keine Spur davon zeigte, und ohne die Verrätherei eines Arbeiters hätte man das Versteck nicht erfahren. Als die Dielen aufgehoben wurden, entdeckte man 140 große Kanonen. »Stehet auf von den Todten!« sprach der König und nahm die willkommene Beute in Besitz. Das ganze Baierland wurde furchtbar gebrandschatzt, das ganze deutsche Reich war der Macht des Schwedenkönigs verfallen.

 

10. Wallenstein tritt wieder auf.

Während dies Alles geschah, hatte Wallenstein zurückgezogen von dem Weltgetümmel, doch wachsam wie ein lauernder Löwe, gelebt. Mit innerlicher Schadenfreude sah er den Wechsel der Dinge. Er nahm aber den Schein an, als bekümmerte er sich gar nicht mehr um das Kriegsspiel und lebe in seiner Stille und Verborgenheit höchst zufrieden. An seinem Hofe herrschte kaiserliche Pracht. Er ließ sich täglich von 60 Edelknaben, die in hellblauem Sammt mit Gold besetzt gekleidet waren, und von 20 Kammerherren, die zum Theil des Kaisers Dienst verlassen hatten, bedienen. Eine Leibwache von 50 Mann, mit Hellebarden bewaffnet, stand in seinem Schloßhofe. 300 auserlesene Pferde fraßen in seinen Ställen aus marmornen Krippen. Er gab die glänzendsten Feste und sah es gern, wenn seine Gäste es sich wohl schmecken ließen und fröhlich waren, während er selbst stets ernst und finster blieb. Er sprach wenig und beobachtete mit argwöhnischem Blicke die Anwesenden. Er war groß und stark gebaut und kleine, aber feurige Augen blickten unter seiner hohen Stirn stolz hervor. Gewöhnlich trug er einen Reitkoller von Elennhaut, eine rothe Leibbinde und einen scharlachrothen Mantel; auf dem Kopfe einen hochaufgestutzten Hut mit einer herabwallenden rothen Straußfeder; an den Füßen große Stulpenstiefeln. Mit einem geheimen Grausen blickten die Wachen auf, wenn der finstere Mann so in nächtlicher Stille einsam über den Schloßhof daherwandelte, um die Sterne zu befragen.

In der bedrängten Lage, in welcher sich jetzt Kaiser Ferdinand befand, erinnerte er sich mit bitterer Reue seines entlassenen Feldherrn. Er schickte Gesandte an ihn, die seinen gekränkten Stolz versöhnen und ihn bewegen sollten, ein neues Heer zu werben. Wallenstein verbarg seinen Triumph und empfing die kaiserlichen Gesandten mit anscheinender Kälte. »Ich bin nicht gesonnen,« war seine Antwort, »mir eine undankbare Arbeit aufzubürden; ich lebe als Privatmann recht vergnügt und wünsche meine Tage in Ruhe zu beschließen.« Als aber die Gesandten mit den rührendsten Bitten und dringendsten Vorstellungen unablässig in ihn drangen, versprach er endlich, innerhalb dreier Monate ein Heer zu werben. Kaum war es ruchbar geworden, daß Wallenstein wieder in's Feld ziehen wollte, so strömten die Krieger schaarenweise der alten bekannten Fahne wieder zu. Bauern verließen den Pflug, Handwerker ihre Werkstatt, um auf leichterem Wege des Lebens wieder froh zu werden. Denn der Wallensteinische schwere Reiter erhielt neun Gulden monatlichen Sold, der leichte sechs, der Fußgänger vier Gulden, ohne die tägliche Kost an Fleisch, Brod, Bier und Wein. Wie Wenige konnten so viel in jenen schweren Zeiten durch Arbeit verdienen! So lösete Wallenstein sein Wort, in drei Monaten ein Heer von 30,000 Mann zu stellen. »Das Heer ist da, nun schickt einen Führer!« schrieb er nach Wien. Und noch einmal mußte der Kaiser, der wohl einsah, daß nur der Schöpfer des Heeres auch der Führer sein könnte, den stolzen Mann flehentlichst bitten, den Oberbefehl selbst zu übernehmen. Wallenstein verstand sich gern dazu, machte aber Bedingungen, wie sie wohl noch nie ein Unterthan seinem Landesherrn stellte. Dem Fürst von Eggenberg, der als kaiserlicher Gesandter mit ihm unterhandelte, überreichte er schriftlich sein »letztes Wort«:

»Der Herzog von Friedland wird Generalissimus des Kaisers, des ganzen Erzhauses und der Krone Spanien. Er erhält den Oberbefehl ohne allen Vorbehalt. Der Kaiser darf sich nie bei der Armee einfinden. Zur Gewißheit der ordentlichen Belohnung wird dem Herzog von Friedland ein östreichisches Erbland in bester Form zum Unterpfand verschrieben. Als außerordentliche Belohnung aber erhält er noch die Oberlehnsherrschaft über die Länder, die er noch erobern wird. Die Konfiskationen im Reiche, desgleichen die Begnadigungen hängen ganz allein von ihm ab. Im künftigen Frieden muß ihm Mecklenburg wieder zugesichert werden. Das nöthige Geld zum Kriege wird ihm ausgezahlt und im Nothfalle müssen ihm alle kaiserlichen Erbländer offen stehen.«

Eggenberg erblaßte. Solche Dinge fordern, hieß, den Kaiser geradezu vom Thron stoßen. Er sandte indeß das Blatt nach Wien und es ward von dem hartbedrängten Kaiser unterschrieben. Wallenstein vermehrte nun sein Heer auf 40,000 Mann, brach im April 1632 von Znaym in Mähren nach Prag auf, eroberte die Stadt mit Gewalt und jagte den Kurfürsten mit seinen Sachsen aus Böhmen heraus.

 

11. Gustav und Wallenstein bei Nürnberg (1632 Juli bis Sept.).

Da Wallenstein in Böhmen reine Bahn gemacht hatte, so wäre nichts billiger gewesen, als daß er sich mit seinem Heere nach Baiern gewendet hätte, um dem bedrängten Maximilian zu Hülfe zu kommen. Auch der Kaiser erwartete dies und der Kurfürst lud ihn mit den dringendsten Bitten dazu ein. Dem rachsüchtigen Feldherrn war aber die Noth seines ehemaligen Feindes auf dem Reichstage zu Regensburg recht lieb und er ließ ihm sagen, jetzt dürfe er Böhmen von Truppen nicht entblößen, auch werde er den Krieg nach keines Andern Sinn, sondern nach seinem eigenen führen. Maximilian, immer mehr von der Noth gedrängt, sandte Kouriere über Kouriere von Regensburg nach Böhmen und erbot sich zuletzt, ohne Widerrede allen Befehlen Wallenstein's sich unterwerfen zu wollen, wenn dieser sich nur jetzt mit ihm vereinige. Das ward endlich angenommen, allein Wallenstein bestimmte zu neuem Verdruß des Kurfürsten nicht Regensburg, sondern Eger zum Vereinigungsplatz, weil man dem Feinde erst Nürnberg wegnehmen müßte. So unzufrieden der Baier damit war, so zeigte sich doch bald der vermeintliche Eigensinn des Feldherrn als kluge Berechnung; denn kaum hatte Gustav den Marsch Wallenstein's vernommen, als er eiligst Baiern verließ und noch früher als sein Gegner in Nürnberg ankam.

Gustav stellte den Senatoren der Stadt die bevorstehende Gefahr vor, und fragte sie, ob sie ihn unterstützen wollten. Sie bewilligten ihm Alles; einige Tausend junge Bürger verstärkten sein Heer und über 7000 Bauern und Soldaten umschlossen in wenig Tagen die Stadt dergestalt mit Schanzen und Gräben, daß das dahinter angelegte schwedische Lager unüberwindlich ward. Bald darauf erschien das vereinigte Wallenstein'sche und baierische Heer, besetzte die Höhen vor Nürnberg im Angesicht des schwedischen Lagers und verschanzte sich gleichfalls bis an die Zähne. Der König war damals noch schwach und Maximilian hätte ihn so gern angegriffen, aber Wallenstein verhielt sich weislich ganz still. Er hoffte, die Schweden sammt den Nürnbergern auszuhungern, allein in der Stadt war noch guter Vorrath.

Elf Wochen lagen die beiden Heere sich einander gegenüber und reizten sich wechselseitig durch kleine Scharmützel. Die Wallenstein'schen zehrten die Gegend so fürchterlich aus, daß man zuletzt sieben Meilen weit nach Futter gehen mußte. Zu den Schweden stießen nach und nach beträchtliche Hülfsvölker, so daß Gustav zuletzt wieder 70,000 Mann stark ward. Mit einer so ungeheuern Menschenmenge den armen Nürnbergern länger zur Last zu fallen, schien ihm grausam, und da der Feind durchaus nicht Anstalt machte, seine Berge zu verlassen, so brach ihm die Geduld und er führte seine Truppen zum Sturm gegen die verschanzten Höhen. Das war ein tollkühnes Unternehmen. Wallenstein richtete seine Kanonen alle hinab und unter einem mörderischen Feuer, in welchem kein Schuß vergeblich fiel, rückten die Schweden an. Schaar auf Schaar wurde niedergeschmettert; der tapfere Herzog Bernhard von Weimar, unter dessen Leibe schon mehrere Pferde erschossen worden waren, stellte dem Könige die Unmöglichkeit des Sieges vor, da aber kein Reden half, stürzte er wieder wie ein Verzweifelnder in das Feuer hinein. Seine fast sinnlose Kühnheit brachte ihn mit einem Theile seines Regiments glücklich auf den Berg hinauf, allein da man die Kanonen nicht nachziehen konnte und überdies die Dunkelheit einbrach, mußte er sich nach einem fürchterlichen Gemetzel wieder zurückziehen. Endlich ließ der König zum Abzug blasen, nachdem die fast übermenschliche Anstrengung fast zehn Stunden gedauert hatte und viele Tausende braver Krieger geopfert waren. Gustav erkannte nun selbst seine Unbesonnenheit und sagte beim Abendessen zum Pfalzgrafen Friedrich: »Wir haben einen Pagenstreich gemacht, Herr Vetter!«

Noch vierzehn Tage wartete er hierauf in seinem Lager, ob Wallenstein nicht, vom Hunger getrieben, herunterkommen werde; allein trotz dem bittersten Mangel blieb dieser unbeweglich auf seinem Berge sitzen. Da verließ Gustav selbst sein Lager und marschirte in bester Ordnung mit vollem Trommelschlag und hellem Trompetenklang vor dem Feinde vorüber, der sich nicht rührte, sondern ihn ruhig hinziehen ließ. Als die Schweden fort waren, brach auch Wallenstein auf und zündete sein Lager an, das anderthalb Meilen im Umfange gehabt hatte.

 

12. Die Schlacht bei Lützen (16. Nov. 1632).

Wallenstein, anstatt die Schweden zu verfolgen, eilte nach Sachsen, um den Kurfürsten zu einem besonderen Frieden mit dem Kaiser zu zwingen und dann den geschwächten König im Rücken anzugreifen. In dieser Noth schickte der Kurfürst Boten über Boten an den König und ließ ihn um die schleunigste Hülfe bitten. Augenblicklich brach auch Gustav, alle seine errungenen Vortheile in Baiern aufgebend, zur Hülfe seines Bundesgenossen nach Sachsen auf. In Erfurt umarmte er zum letzten Male seine geliebte Frau, die ihm von Schweden aus gefolgt war; sie sah ihn erst im Sarge wieder.

Auf seinem Zuge durch Sachsen ward Gustav von dem zuströmenden Volke mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. Es drängte sich an ihn heran, warf sich vor seinem Retter auf die Kniee und suchte den Saum seines Kleides zu küssen, so daß der König, unwillig über diese abgöttische Verehrung, in die Worte ausbrach: »Ist es nicht, als ob mich dieses Volk zum Gotte machen wollte? Unsere Sachen stehen gut; aber ich fürchte, die Rache des Himmels werde mich für dieses Gaukelspiel strafen, um diesen thörichten Menschen meine Sterblichkeit früh genug zu offenbaren!«

Bei Naumburg an der Saale bezog er ein verschanztes Lager. Wallenstein glaubte, der König würde wegen der vorgerückten Jahreszeit (es war schon im November) keinen Angriff mehr unternehmen und schickte den Grafen von Pappenheim mit einer beträchtlichen Abtheilung seines Heeres zur Eroberung der Moritzburg bei Halle; von da sollte er nach dem Rheine ziehen. Aber kaum hatte Gustav dieses vernommen, als er schnell seine Truppen zusammenzog und über Weißenfels nach Lützen, einem Städtchen nicht weit von Leipzig, eilte. Hier lagerte er sich am Abend des 15. Novembers 1632 dem Wallenstein'schen Heere gegenüber.

Als der neue Tag anbricht, welcher die blutige Entscheidung herbeiführen soll, bedeckt ein dichter Nebel die ganze Gegend. Im Dunkel ordnen die beiderseitigen Feldherren ihre Schaaren. Der König sinkt betend auf die Kniee, mit ihm sein ganzes Heer; unter Begleitung der Feldmusik stimmen sie ein Lied zur Ehre Gottes an. Darauf besteigt Gustav sein Pferd, reitet durch die einzelnen Glieder und feuert mit kräftigem Zuspruch ihren Muth an. Auch Wallenstein fliegt auf seinem Streitrosse die Reihen auf und nieder, Belohnung dem Tapfern, Verderben dem Feigen verkündend. Gegen 11 Uhr dringt endlich die Sonne durch und die beiden Heere stehen schlagfertig einander im Gesicht. Da giebt der König das Zeichen zum Angriff. Und mit dem lauten Kriegsgeschrei: »Gott mit uns!« stürmen die Schweden über die Landstraße an den von den Kaiserlichen besetzten Graben. Aber ein mörderisches Feuer streckt die Anstürmenden reihenweis zu Boden. Mit verzweifelter Tapferkeit streiten die Heere und der Sieg schwankt hin und her. Zweimal dringen die Schweden siegreich über den Graben, erobern die Kanonen und richten sie gegen den Feind; aber eben so oft werden sie blutig über den Graben zurückgeworfen. Endlich dringt ihr rechter Flügel, vom Könige selbst geführt, siegreich durch und treibt die Feinde fliehend vor sich her. Da erhält Gustav die Nachricht, sein linker Flügel wanke und sei bereits in Unordnung. Mit Blitzesschnelle eilt der König an den bedrohten Punkt; nur Wenige können ihm folgen. Sein kurzes Gesicht bringt ihn zu nahe an den Feind; ein kaiserlicher Scharfschütze schlägt auf ihn an und zerschmettert ihm den linken Arm. Ueberwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe bittet er den Herzog von Lauenburg, der hinter ihm reitet, ihn aus dem Getümmel zu führen. In demselben Augenblick erhält er einen zweiten Schuß in den Rücken und sinkt mit dem Seufzer: »Mein Gott! mein Gott!« vom Pferde. Und über den Gefallenen setzen Freund und Feind. Wiehernd rennt des Königs Roß, seines Reiters beraubt und mit Blut übergossen, durch die Reihen der Schweden und bringt ihnen zuerst die schreckliche Kunde, daß ihr angebeteter Führer dahin sei. Da giebt die Wuth ihnen neue Kraft. Wie grimmige Löwen dringen sie unter der Anführung des tapfern Herzogs von Weimar abermals in den Feind, stürzen Alles vor sich nieder, erobern das Geschütz und richten es wiederum gegen die Kaiserlichen. Schon ist der Sieg für die Schweden entschieden; siehe, da erscheint plötzlich Pappenheim mit acht frischen Reiterregimentern von Halle her auf dem Kampfplatze und die Schlacht beginnt von Neuem. Voll blutiger Begierde, dem gehaßten Schwedenkönige selbst im Kampfe zu begegnen, stürzt er sich in das dichteste Schlachtgewühl. Schon hat er den einen Heerhaufen in die Flucht geschlagen, schon will er auf den zweiten los und den Sieg vollenden, da trifft eine Kugel und wieder eine Kugel des Tapfern Brust und mit Gewalt müssen ihn die Seinigen aus dem Handgemenge ziehen. Jetzt erst erfährt er, daß auch der König gefallen ist, und sein Auge erheitert sich. »Meldet dem Herzoge von Friedland,« – spricht er mit sterbender Stimme – »daß ich ohne Hoffnung zum Leben darniederliege, aber fröhlich dahinscheide, da ich weiß, daß dieser unversöhnliche Feind meines Glaubens an einem Tage mit mir gefallen ist.« Mit ihm schwindet auch der Muth seiner Reiter; bestürzt weichen sie zurück und nur der dicht einfallende Abendnebel rettet sie vom gänzlichen Untergange. Unterdessen sind auch die Pappenheim'schen Fußtruppen von Halle her auf dem Kampfplatze angelangt und leisten noch lange den hartnäckigsten Widerstand. Erst die einbrechende Nacht macht dem mörderischen Kampfe ein Ende.

Der Sieg bei Lützen wurde für einen Verlust der Sieger und für einen Gewinn der Ueberwundenen gehalten; denn der Tod des Königs war ein unersetzlicher Verlust für die Schweden. Erst am folgenden Tage fanden sie seinen Leichnam, kaum kenntlich vor Blut und Wunden, zertreten von den Hufen der Pferde und aller Kleider beraubt, unfern eines großen Steines, der seitdem der Schwedenstein genannt wird und jetzt neben einem neuen mit einer Inschrift versehenen Denkmale mit Pappeln umpflanzt ist. Er wurde erst nach Weißenfels und von da weiter, von der trostlosen Gattin begleitet, nach Stockholm in die Gruft seiner Väter gebracht. Seine goldene Kette und das blutige Koller, welches ihm von den Kroaten ausgezogen worden war, schickte Wallenstein dem Kaiser nach Wien und beim Anblicke der Ueberreste soll dieser mit Thränen im Auge geäußert haben: »Gern hätte ich dir, großer Held, längeres Leben und fröhliche Rückkehr in dein Vaterland gegönnt, wenn nur Friede in Deutschland geworden wäre!« Was des Königs letzter Plan war, – ob nur frommer Eifer für seine bedrängten Glaubensgenossen, oder vielmehr eitle Eroberungssucht ihn hierüber geführt hatte, – dieses Geheimniß ging mit ihm unter. Wie ein glänzendes Meteor, war er am deutschen Himmel erschienen und verschwunden.

Obgleich Wallenstein nicht der Besiegte sein wollte, so leistete er doch auf Sachsen Verzicht und trat den Rückzug nach Böhmen an. Zu Prag hielt er strenges Gericht. Eilf hohe Offiziere wurden nach dem Ausspruche des Kriegsgerichtes als Ausreißer vor dem Rathhause öffentlich enthauptet, sieben andere zum Galgen geführt; die Namen von fünfzig Offizieren, die sich nicht muthig genug gezeigt hatten, an den Galgen geschlagen und die Fahne des Regiments, welches zuerst die Flucht ergriffen hatte, vom Nachrichter öffentlich verbrannt.

 

13. Wallenstein's Ermordung am 15. Februar 1634.

Nach dem Tode Gustav's, welchem dreizehn Tage später auch der unglückliche Pfalzgraf Friedrich in's Grab folgte, übernahm der schwedische Kanzler Oxenstierna, ein Mann von vieler Einsicht und wohl vertraut mit den Plänen seines Königs, die Leitung der schwedischen Angelegenheiten in Deutschland und handelte, da die Thronerbin Christina erst sieben Jahre alt war, unter Genehmigung der Reichsstände mit uneingeschränkter Vollmacht. Dem Herzog Bernhard von Weimar übertrug er den Oberbefehl des Heeres und suchte zu Heilbronn eine nähere Vereinigung der Protestanten zu Stande zu bringen. Allein es fehlte Gustav's Geist, der allein dem Ganzen Kraft und Einheit hätte geben können. Kleinliche Eifersucht hemmte von nun an alle größeren Unternehmungen. Der Kurfürst von Sachsen hielt es seiner unwürdig, von einem fremden Kanzler Befehle anzunehmen. Die schwedischen Feldherren Banner, Torstenson, Horn und Thurn wollten nicht unter dem Oberbefehle des Herzogs von Weimar stehen. Jeder handelte mit seinem Heere für sich, ohne den Andern zu unterstützen oder Befehle von ihm anzunehmen. Bei diesem Zwiespalt wäre es für Wallenstein vielleicht ein Leichtes gewesen, sie einzeln anzugreifen und zu vernichten; allein er verhielt sich eine geraume Zeit hindurch ganz ruhig in Böhmen und schien sich sogar über die Fortschritte der Schweden zu freuen. Denn es kränkte ihn tief, daß seine Feinde, die jeden seiner Schritte mit mißtrauischen Augen ausspäheten und in denselben verräterische Absichten zu entdecken glaubten, ihn unaufhörlich als einen höchst verdächtigen Mann beim Kaiser anschwärzten und auf seine Absetzung drangen. Schon mit Gustav Adolf, hieß es, habe er einen höchst verdächtigen Briefwechsel gepflogen und jetzt gehe sein Streben dahin, mit den Protestanten gemeinsame Sache zu machen und sich mit ihrer Hülfe zum Könige von Böhmen aufzuwerfen. Kein Wunder, wenn der Kaiser endlich Verdacht gegen einen Mann schöpfte, dessen stolzer, hochfahrender Sinn ihm längst bekannt war, und wenn von der andern Seite Wallenstein nun mehr aus seine eigene Sicherheit bedacht war. Obschon man ihn solcher verräterischer Pläne durchaus nicht überführen konnte, so ist doch nicht zu leugnen, daß er selbst manche Veranlassung zum Verdachte wider sich gab. So stellte er den Grafen von Thurn, der die Unruhen in Böhmen angefangen hatte und von ihm in Schlesien gefangen genommen war, ohne Lösegeld wieder auf freien Fuß, anstatt ihn zur Bestrafung nach Wien abzuliefern. Der Herzog Bernhard von Weimar war dem Kurfürsten von Baiern in's Land gefallen. Umsonst erhielt Wallenstein Befehl, dem Bedrängten mit seinem Heere, das in Böhmen stand, zu Hülfe zu eilen. Der Kaiser mußte sieben Eilboten an ihn abschicken, ehe er sich in Bewegung setzte, und kaum war er bis zur Oberpfalz vorgerückt, so kehrte er plötzlich nach Böhmen zurück. Ueberhaupt schonte er in den zwei letzten Jahren seines Oberbefehls beständig den Feind, leistete mit ungeheuren Mitteln nur Geringes und drückte und ängstigte nur des Kaisers Länder mit des Kaisers Heer. Was von all' diesem der Grund gewesen sein mag, ist nicht ausgemacht; seine Feinde und Nebenbuhler aber fanden hierin eine erwünschte Veranlassung, ihn bei Hofe als Verräther anzuschwärzen. Endlich wurde er auch vom Kaiser des Oberbefehls entsetzt und in die Acht erklärt. Nunmehr mußte er auf seine eigene Erhaltung bedacht sein. Er rechnete hierbei auf die Treue seiner Truppen; allein sie wurden ihm durch die heimlichen Anhänger des Kaisers entfremdet. Selbst Octavio Piccolomini, dessen Treue er und sein Freund Seni, welchen er immer um sich hatte, in den Sternen gelesen haben wollten, täuschte das Vertrauen, welches Wallenstein in ihn gesetzt hatte. Jener suchte alle Pläne seines Freundes und Gönners auszuspähen und sie heimlich beim Kaiser zu verdächtigen. Wallenstein war mit drei Regimentern nach Eger geeilt, um hinter den Mauern dieser Veste Schutz zu suchen. Hier aber ward er das Opfer des schwärzesten Verrathes. Drei Obersten der Besatzung, der Irländer Leszlie und die beiden Schotten Buttler und Gordon, die er selbst aus dem Staube erhoben hatte, stifteten eine heimliche Verschwörung gegen sein Leben an. Schon vor der Durchführung ihres blutigen Vorhabens geriethen die drei Ausländer über die Theilung seiner Häuser, Kostbarkeiten und Pferde in wüthenden Zwiespalt gegen einander.

Zuerst sollten des Herzogs Freunde aus dem Wege geräumt werden. Gordon lud daher Illo, Terczka (spr. Terstka), Kinsky und Neumann, Wallenstein's treue Anhänger, auf den 24. Februar zu sich zum Abendessen in die Citadelle ein. Vorher aber weiheten die Verschworenen die Hauptleute Geraldin, Deveroux, Macdonald, Birch und Pestalutz, meist Irländer und Schottländer, in ihr Geheimniß ein und bewogen sie, den Mord zu übernehmen.

Der verhängnißvolle Abend erschien und mit ihm fanden sich die geladenen Gäste ein. Sie setzten sich mit Gordon, Buttler und Leszlie fröhlich zu Tische und ließen sich guter Dinge sein. Plötzlich flog die Thüre des Speisesaals aus und Geraldin trat ein an der Spitze von sechs Dragonern, die mit Hellebarden bewaffnet waren, und rief: »Holla! wer ist gut kaiserlich?« »Hoch lebe Ferdinand!« riefen Gordon, Buttler und Leszlie und traten auf die Seite. Nun fielen die Mörder über die Gäste her und hauten sie nieder. Draußen aber im Vorhofe standen noch vierundzwanzig andere Dragoner Geraldin's, die unterdessen die Bedienten niedergemacht hatten, während die aufgezogene Zugbrücke hinderte, daß Einer in das Schloß hinein oder hinaus konnte.

Darauf wurde die Zugbrücke niedergelassen und die Verräther eilten in die Stadt. Hier herrschte die tiefste Stille. Keiner hatte die geringste Ahnung von jenem Blutbade. Jetzt sollte der Hauptschlag vollbracht werden. Leszlie übernahm es, die Straße, welche zu des Herzogs Wohnung am Markte führte, zu besetzen, um jeder Unruhe vorzubeugen. Buttler, Geraldin und Deveroux aber begaben sich in aller Stille mit einem Haufen herzhafter Dragoner nach des Herzogs Wohnung selbst. Es war Abends um eilf Uhr. Buttler blieb an der Hausthür, Geraldin besetzte die Hausflur. Der Schotte Deveroux aber stürmte mit seinen Dragonern, jeder eine Hellebarde in der Faust, die Treppe hinauf. Ein Kammerdiener, der sie abhalten wollte, wurde im Vorzimmer niedergehauen; ein anderer entsprang mit dem Geschrei: »Rebellen! Rebellen!« Auf diesen Lärm erwachte Wallenstein und fuhr aus dem Bette auf. Aber in diesem Augenblicke wurde die Thür seines Schlafgemachs gesprengt und Deveroux stürzte mit seinen Dragonern hinein. Der Herzog stand am Fenster, wehrlos, unangekleidet, so wie er vom Lager aufgestanden war. »Bist du der Schelm!« – brüllte ihn Deveroux an – »der das kaiserliche Volk zum Feinde überführen und Seiner Majestät die Krone vom Haupte reißen will? Du mußt jetzt sterben!« Wallenstein sprach kein Wort, sondern warf einen ernsten, kalten Blick auf den Bösewicht. »Du mußt sterben!« schrie Deveroux noch einmal. Da bewegte Wallenstein blos die Lippen, hob die Arme gen Himmel und in demselben Augenblicke erhielt er von Deveroux mit einer Hellebarde den Todesstoß in die Brust; der Leichnam wurde in einen Teppich gewickelt und nach der Citadelle gefahren, wo er zu den Leichen der übrigen Ermordeten gelegt wurde.

So endete Wallenstein, erst fünfzig Jahre alt, ein Mann, der bei manchen Fehlern, unter denen der Ehrgeiz nicht der geringste war, zu den außerordentlichsten Menschen aller Zeiten gehört. Die Verschworenen und ihre Helfer theilten sich in seine beträchtliche Baarschaft. Sie bemächtigten sich auch aller seiner Papiere; es fand sich aber nicht ein einziges unter denselben, welches auch nur aus das Entfernteste auf eine Verrätherei gegen den Kaiser hindeutete.

Bis zum zweiten Tage blieb der Markt mit Soldaten und geladenen Kanonen besetzt, um des Herzogs Anhänger von jedem Versuche der Rache abzuschrecken. Aber Keiner erhob sich für ihn, denn nur Sold und Beute hatten die Meisten an seine Fahnen gefesselt. Der Kaiser soll bei der Nachricht des traurigen Endes seines ihm als treulos geschilderten Generals viele Thränen vergossen haben.

 

14. Schlacht bei Nördlingen (am 7. September 1634).

Nach Wallenstein's Tode wurde der Sohn des Kaisers, der König Ferdinand von Ungarn, zum Oberfeldherrn ernannt und ihm der im Kriege erfahrene Graf Gallas beigesellt. Ferdinand war bei dem Heere sehr beliebt und rechtfertigte auch bald das Vertrauen, welches der Kaiser in ihn gesetzt hatte. Mit seinem durch spanische Truppen verstärkten Heere wandte er sich nach Baiern, um die Schweden aus demselben zu vertreiben. Seine erste glänzende Waffenthat war die Eroberung von Regensburg. Dann besetzte er die Oberpfalz und zog vor Nördlingen, um auch diese Stadt zu erobern. Gegen den Rath des erfahrenen Horn drang der junge vor Kampflust glühende Herzog von Weimar auf eine Schlacht, um rasche Entscheidung herbeizuführen. Sie ward am 7. September 1634 geliefert und endete mit der völligen Niederlage der Schweden. Zwölftausend blieben auf dem Platze, viertausend wurden gefangen, unter ihnen Horn nebst drei andern schwedischen Generalen; dazu fiel alles Geschütz und alles Gepäck den Siegern in die Hände. Erst bei Frankfurt am Main konnte der Herzog von Weimar die kläglichen Trümmer seines Heeres sammeln.

Dieser glänzende Sieg bei Nördlingen war für die Katholiken, was vor drei Jahren gerade in demselben Moment und an demselben Tage der Sieg bei Breitenfeld für die Protestanten gewesen war. Noch trostloser wurde die Lage der Schweden, als jetzt der schon längst schwankende Kurfürst von Sachsen von ihnen abfiel und im Mai des folgenden Jahres zu Prag mit dem Kaiser Frieden schloß. Auch die übrigen Fürsten Deutschlands, mit Ausschluß von Hessen, verließen die Schweden und verglichen sich, der Eine nach dem Andern, mit dem Kaiser. Jetzt, wo die schwedische Macht fast vernichtet, wo alle feindlichen Parteien fast bis zur Ohnmacht erschöpft waren, sah Alles mit Sehnsucht dem, Ende eines Krieges entgegen, der beinahe ganz Deutschland zu einer Wüste gemacht hatte. Wer hätte denken sollen, daß unter solchen Umständen der Krieg noch vierzehn Jahre fortwüthen würde! Frankreich war es, das die Flamme von Neuem in unserem Vaterlande anfachte.

Schon lange hatte der staatskluge französische Minister, der Kardinal Richelieu, die Noth Oesterreichs und Deutschlands mit tückischer Freude betrachtet; denn sein ganzes Streben ging dahin, die Uebermacht desselben zu schwächen und sein Frankreich mit deutschen Provinzen zu vergrößern. Darum hatte er durch Geld und Versprechungen die Uneinigkeit unter den Deutschen sorgfältig zu unterhalten gesucht, damit sie sich einander schwächten und ihm so seine Eroberungpläne selbst beförderten. Zunächst war es auf das schöne Elsaß und die Rheinfestung Philippsburg abgesehen. Bisher hatte er die Schweden nur schwach unterstützt und die Unterstützung am Ende ganz eingezogen, als diese selbst ihm schon zu mächtig wurden. Bei dem neuen Glückswechsel aber erneuerte er sogleich wieder das Bündniß mit denselben, versprach reichliche Unterstützung an Geld und Mannschaft und brachte es zugleich bei dem Könige von Polen dahin, daß der mit den Schweden abgelaufene Waffenstillstand noch aus sechsundzwanzig Jahre verlängert wurde, damit ihre ganze Kraft sich einzig gegen den Kaiser richten könnte. Endlich fand auch Frankreich selbst eine längst gesuchte Gelegenheit, öffentlich gegen Kaiser und Reich auszutreten. Der Kurfürst von Trier hatte mit den Schweden den Vertrag abgeschlossen, sich aller Theilnahme am Kriege zu enthalten, und darauf eine französische Besatzung zum Schutze in seine Stadt genommen. Hierdurch beleidigt, ließ der König von Spanien, Philipp III., seine Truppen von Luxemburg gegen Trier aufbrechen. Die Stadt ward erobert, die französische Besatzung niedergehauen und der Kurfürst gefangen fortgeführt. Sogleich erklärte der Minister Richelieu an Spanien den Krieg, welcher in den Niederlanden und in Italien eröffnet ward. Gegen Oesterreich aber, den Bundesgenossen Spaniens, zog ein französisches Heer ohne vorhergegangene Kriegserklärung.

Während der Herzog Bernhard von Weimar, von Frankreich unterstützt, am Rheine focht, rückten die Schweden aus Pommern, – so weit waren sie zurückgetrieben – und erfochten unter Anführung Banner's und Wrangel's einen glänzenden Sieg über das vereinigte österreichische und sächsische Heer bei Wittstock am 24. September 1636. In Folge dieses Sieges wurde ganz Thüringen und Hessen von den Kaiserlichen befreit und das Vertrauen der Protestanten zu den schwedischen Waffen von Neuem belebt. Das unglückliche Sachsen mußte jetzt für sein Bündniß mit dem Kaiser tief die Rache der Sieger fühlen. Der Kaiser erlebte das Ende dieses Krieges nicht. Er starb zu Wien am 15. Februar 1637 und sein Sohn Ferdinand III. ward Erbe wie des Thrones, so des Krieges.

 

15. Ferdinand III. (von 1637-1657)

Ferdinand III. war neunundzwanzig Jahre alt, als er den Thron bestieg, und regierte zwanzig Jahre. Während der ersten Hälfte seiner Regierung hatte er noch immerfort mit den Greueln eines Krieges aus Kriegen zu kämpfen. Wie früher der böhmisch-pfälzische den dänischen und dieser den schwedischen Krieg erzeugte, so hatte jetzt Gustav Adolph's Verschwinden und das Nördlinger Siegesglück auch noch einen französischen herbeigeführt. Wegen Religionsfreiheit war der Krieg angefangen; im Fortgange desselben aber trat die Religion immer mehr in den Hintergrund und selbstsüchtige Zwecke einzelner Fürsten an ihre Stelle. Darum verliert auch im Fortgange der Zeit dieser Krieg immer mehr von dem Interesse, welches er früher darbot. Frankreich trachtete nur nach deutschen Besitzungen am Rheine, Schweden wollte sein Gebiet an der Ostsee erweitern. Bei den deutschen Fürsten trat sichtbar das Streben nach völliger Unabhängigkeit hervor; darum unterstützten sie die Ausländer. Unser unglückliches Vaterland glich einer großen Beute, in welche sich inländische Fürsten mit auswärtigen zu theilen strebten.

Der Herzog von Weimar focht gegen die Kaiserlichen im Elsaß, in der Absicht, sich selbst zum Herrn dieses Landes zu machen. Er war in seinem Unternehmen sehr glücklich, schlug die Kaiserlichen bei Rheinfelden und Breisach und belagerte diese Festung. Ein österreichisches Heer, das zum Entsatze heranzog, wurde geschlagen, die Stadt selber am 3. Dezember 1638 erobert. Seit dieser Eroberung schwand aber das gute Vernehmen zwischen Richelieu und Bernhard. Jener hatte gehofft, der Herzog würde ihm die wichtige Festung Breisach, welche der Schlüssel Frankreichs zu Deutschland war, übergeben; allein dieser wies alle fremden Anträge und Versprechungen von sich; denn er hatte vor, sie zu seinem eroberten Elsaß zu schlagen. Allein der Tod vereitelte die Pläne seiner Ehrsucht. Er starb plötzlich am 18. Juli 1639 zu Neuburg am Rhein, in einem Alter von vierunddreißig Jahren, wahrscheinlich von den Franzosen vergiftet. Diese nahmen sogleich des verstorbenen Herzogs Heer in ihren Sold und ließen Elsaß für sich besetzen, so daß es setzt klar genug am Tage lag, was Frankreichs eigentlicher Zweck bei der Unterstützung Bernhard's gewesen war.

Nach so vielen Drangsalen dieses endlosen Krieges wurde die Sehnsucht nach Frieden in Deutschland immer lauter. Der Kaiser berief deshalb im Jahre 1640 einen Reichstag nach Regensburg, zunächst, um die deutschen Fürsten zu bewegen, sich von den Ausländern loszusagen und mit gemeinsamen Kräften die übermüthigen Franzosen und Schweden aus dem Reiche zu vertreiben. Kaum hatte der General Banner die Absicht des Kaisers erfahren, als er mit seinem durch französische Truppen verstärkten Heere nach Regensburg eilte, um den Kaiser nebst allen dort versammelten Fürsten zu überrumpeln. Allein dieser kecke Versuch mißlang; wegen des eingetretenen Thauwetters mußte er es bei einer Kanonade bewenden lassen. Er starb nicht lange nachher, am 10. Mai 1641.

Nach Banner's Tode kam Torstenson mit Geld und frischen Truppen aus Schweden. Von zartester Kindheit an war er als Edelknabe um Gustav Adolf gewesen, unter welchem er auch das furchtbare Kriegshandwerk erlernt hatte. Obschon er im besten Mannesalter sehr an der Gicht litt, so machte er dennoch die beschwerlichsten Winterfeldzüge mit reißender Schnelligkeit und ertheilte vom Tragsessel oder aus der Sänfte seine Befehle. Von Lüneburg aus zog er durch Brandenburg nach Schlesien, eroberte Großglogau und schlug am 31. Mai 1642 bei Schweidnitz die Kaiserlichen unter dem Herzog Franz Albert von Sachsen-Lauenburg, einst General der Schweden und, wie Viele ihn offen beschuldigten, Meuchelmörder Gustav Adolfs. Dann drangen die Schweden in Mähren ein, eroberten Olmütz und streiften nun keck, das feste Brünn zur Seite lassend, bis tief in Oesterreich, ja sechs Reiter wagten sich bis an die Wiener Donaubrücken; sie wurden aber gefangen und in die Stadt gebracht, wo sie durch ihre sonderbare Tracht, Haltung und Sprache der zusammengelaufenen Menge ein seltsames Schauspiel gewährten. Bei der sichtbaren Gefahr der Kaiserstadt eilte schnell das österreichische Heer unter Piccolomini und dem Erzherzog Leopold herbei und drängte die Schweden nach Sachsen zurück. Bei Breitenfeld aber, wo Gustav Adolf's Siegesfeld über Tilly, gewann Torstenson am 2. November 1642 einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen, rückte in Folge dessen neuerdings in Mähren ein und forderte auch den Fürsten von Siebenbürgen auf, ihm die Hand zu bieten und die Pforte zum Bruch zu mahnen. Torstenson's Riesenplan war, gerade auf Wien loszugehen und dem Kaiser in seiner eigenen Hauptstadt den Frieden vorzuschreiben. Aber dieser Plan ward ihm bald vereitelt.

Die Schweden hatten nämlich einen neuen Feind erhalten an den Dänen, die das Waffenglück ihrer Grenznachbarn schon längst mit neidischen Augen angesehen und sich jetzt mit dem Kaiser verbündet hatten. Gleich einem Spaziergange machte Torstenson den Zug aus Mähren nach Holstein und Jütland bis an die Ostseeküsten und überschwemmte das ganze Land mit seinen Schaaren. Dann wandte er sich zurück gegen den kaiserlichen Feldherrn Gallas, der ihm gefolgt war, und trieb ihn von der Ostsee wieder über die Elbe in's böhmische Gebirge hinein. Bei Jankowitz aber trat ihm ein neues kaiserliches Heer unter den Generalen Hatzfeld und Götz entgegen. Dort kam es am 6. März 1645 zu einer blutigen Schlacht, die ganz zum Nachtheile der Oesterreicher ausfiel. Götz und mehrere Generale wurden geschlagen, Hatzfeld aber mit einer bedeutenden Heersäule und allem Geschütz und Gepäck gefangen. Die Trümmer des Heeres warfen sich in wilder Flucht nach Prag, das der Kaiser sogleich verließ, über Regensburg nach Wien eilend. Der erste Schrecken übertraf jenen von Tilly's Niederlage bei Leipzig. Prag ward nur gerettet, weil Torstenson's stolzer Sinn auf Wien selbst gerichtet war. Acht Tage nach der Schlacht stand er schon an der Donau und bedrohete die Hauptstadt. Die kaiserliche Familie, die Schatzkammer, das Archiv wurde nach Grätz gebracht. Der Kaiser aber beschloß, gleich seinem Vater, in Wien das Aeußerste zu erwarten, und traf die nöthigen Vertheidigungsanstalten. Torstenson hatte daraus gerechnet, der Fürst von Siebenbürgen werde sich jetzt mit ihm verbinden; aber dieser wollte, Torstenson sollte ihm vor Allem Ungarn erobern; bis ihm dies nicht genügend verbürgt sei, werde er sich nicht von der Stelle bewegen. Der Schwede ward endlich ungeduldig, brach unversehens von Wien auf und beschloß, zuerst den in seinem Rücken gelassenen Waffenplatz Brünn zu nehmen, und dann nach der Donau zurückzukehren. Die Festung vertheidigte sich aber auf das Hartnäckigste, so daß Torstenson nach mehreren vergeblichen Stürmen mit ungeheurem Verluste die Belagerung aufgeben mußte. Mißmuthig zog er sich nach Böhmen zurück und legte den Oberbefehl nieder, welchen jetzt Wrangel übernahm.

Bereits waren zwei Waffengefährten des Kaisers vom Kampfplatze getreten. Im Jahre 1645 hatte der hartbedrängte König von Dänemark Frieden mit den Schweden geschlossen; zwei Wochen später war auch der Kurfürst von Sachsen, dessen Land rein ausgesogen war, einen Waffenstillstand eingegangen. Der Kurfürst von Baiern folgte diesem Beispiele und der Kaiser stand jetzt allein einem überlegenen Feinde gegenüber. Er selbst stellte sich, da sein Feldherr Gallas eben gestorben war, an die Spitze des Heeres und hemmte die Fortschritte der Schweden. Bald ließ auch der Kurfürst von Baiern seine Truppen wieder zu den Kaiserlichen stoßen, und Wrangel mußte sich aus Böhmen nach den Rheingegenden zurückziehen. Dort vereinigte er sich mit dem berühmten französischen General Türenne und Beide zogen unter schrecklichen Verwüstungen durch das unglückliche Baiern, während der schwedische General Königsmark die kleine Seite von Prag am 25. Juli 1648 eroberte. Schon sollte die Hauptstadt selbst bestürmt werden; da endlich, nach so namenlosen Leiden und Drangsalen, erscholl plötzlich, wie eine Stimme vom Himmel, der Ruf – Friede! In Prag hatte der unselige Krieg begonnen, in Prag erlosch auch die verheerende Flamme.

 

16. Der westfälische Friede (1648).

Schon im Jahre 1641 waren die beiden westphälischen Städte Münster und Osnabrück zu den Orten ausersehen, wo die Gesandten der kriegführenden Mächte den längst ersehnten Frieden unterhandeln sollten, aber erst im Jahre 1643 nahmen die eigentlichen Unterhandlungen ihren Anfang und zwar mit den Katholiken zu Münster, mit den Protestanten zu Osnabrück. Der päpstliche Nuntius und der Botschafter von Venedig, als Vermittler Beider, hatten ihren Sitz in Münster. Der kaiserliche Gesandte, Graf von Trautmannsdorf, leitete vorzüglich die Geschäfte. Bei den einzelnen Unterhandlungen stellten sich unermeßliche Schwierigkeiten ein, indem jeder Theil nur gewinnen, keiner verlieren wollte, und mehr als einmal drohten die Unterhandlungen sich wieder zu zerschlagen. Insbesondere machten die Ausländer, die Franzosen zu Münster und die Schweden zu Osnabrück, übermäßige Forderungen, wie dieses vorauszusehen war. Während die Gesandten unterhandelten und durch gegenseitige Ueberlistungen und Täuschungen aller Art die Verhältnisse auf das Aeußerste verwickelten, fochten die Heere fort, und die Siege und die Niederlagen hemmten oder förderten die Unterhandlungen der Gesandten. Die Unterhandlungen wurden absichtlich in die Länge gezogen, weil die kriegführenden Mächte von einem Tage zum andern hofften, daß das Glück der Waffen sich zu ihrem Vortheil wenden würde, so daß alsdann ihre Gesandten mit größeren Forderungen auftreten könnten. Erst im Jahre 1648 kam durch die Thätigkeit des biederen Grafen von Trautmannsdorf, der überall mit Kraft und Offenheit zu, Werke ging, der Frieden glücklich zu Stande. Die Hauptpunkte desselben sind folgende:

Die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz vom deutschen Reiche und der Niederlande von Spanien wurden förmlich anerkannt.

Frankreich erhielt das schöne Elsaß, so weit es österreichisch war, den Sundgau, die Festungen Breisach und Philippsburg, auch, mußten mehrere Festungen am Rheine geschleift werden, so daß Frankreich nun ein offenes Thor nach Deutschland bekam. Zuerst erhielt es die Bestätigung seiner völligen Landeshoheit über die lothringischen Bisthümer, Metz, Toul und Verdun.

Schweden bekam Vorpommern, die Insel Rügen, nebst der Festung Stettin, die mecklenburgische Stadt Wismar und die sekularisirten oder weltlich gemachten Bisthümer Bremen und Verden, außerdem Sitz und Stimme auf dem deutschen Reichstage. Als Kriegskosten wurden demselben fünf Millionen Thaler zugesichert. Bis diese Summe von dem erschöpften Deutschland aufgebracht war, hielten die Schweden die Festungen besetzt.

Brandenburg bekam die Stifter Minden, Halberstadt, Kamin und Magdeburg.

Hessenkassel hatte im Laufe des Krieges nichts verloren, gleichwohl erhielt es für seine treue Anhänglichkeit an Schweden die Abtei Hirschfeld nebst 600,000 Thalern, welche Münster, Paderborn, Mainz, Köln und Fulda aufbringen mußten.

Mecklenburg bekam, wegen des abgetretenen Wismar, die Bisthümer Schwerin und Ratzeburg als Fürstenthümer.

Baiern erhielt die Oberpfalz nebst der Kurwürde; den übrigen Theil der Pfalz aber, die Unter- oder Rheinpfalz, erhielt der Sohn des geächteten Friedrich V. zurück, nebst der neu errichteten achten Kurfürstenstelle.

Den sämmtlichen deutschen Fürsten wurde die längst geübte Landeshoheit nun auch gesetzmäßig zugesprochen, wohin auch das Recht gehörte, Bündnisse unter sich und mit auswärtigen Mächten zu schließen, insofern sie nicht dem Reiche zu Schaden wären.

In Hinsicht der Religionsangelegenheiten wurden den Lutherischen und Reformirten gleiche Rechte mit den Katholiken eingeräumt und zugleich festgesetzt, daß sie alle Kirchen und Kirchengüter behalten sollten, die sie seit dem Jahre 1624 besaßen. Dieses Jahr bekam deshalb den Namen Normal- oder Bestimmungsjahr. Somit war das frühere Restitutionsedikt hierdurch stillschweigend von selbst ausgehoben.

Der Friede mit Schweden zu Osnabrück wurde am 8. August, mit Frankreich zu Münster am 17. September geschlossen, beide Friedensschlüsse aber erst am 24. Oktober bekannt gemacht. Das Schmählichste für uns Deutsche war, daß die Ausländer, Schweden und Franzosen, auch noch die Gewährleistung unserer Reichsverfassung und der Friedensbedingungen übernahmen, und daß wir die übermüthigen Fremdlinge so lange beherbergen und ernähren mußten, bis alle Bedingungen aus das Genaueste erfüllt waren.

So endete der dreißigjährige Krieg, der unglücklichste und schmachvollste, den Deutschland je geführt hat. Unser sonst so blühendes Vaterland bot jetzt einen erschütternden Anblick dar. Tausende von Flecken, Dörfern und Städten lagen nieder in Schutt und Asche, und heimathlos irrten die unglücklichen Bewohner umher. In Böhmen und Mähren allein waren, außer vielen Städten und Flecken, über 1000 Dörfer also verschwunden, daß man die Stätte vieler gar nicht mehr zu bezeichnen weiß. Ganze Gegenden, einstens Sitze des regsten und fröhlichsten Lebens, waren in schaurige, menschenleere Wüsten verwandelt. Felder lagen unangebaut, Handel und Gewerbe stockten, Bildungsanstalten verwilderten oder hörten ganz auf, da sie aller Pflege entbehrten, die einzig aus die Ausrüstung der Heere verwendet wurde. Dagegen vermehrten sich in den wüst gewordenen Gegenden die wilden Thiere und drangen bis in die Städte. Fast die Hälfte der Einwohner Deutschlands war untergegangen; pestartige Krankheiten, Hungersnoth und Verzweiflung wütheten unter Denen, welche dem Racheschwerte der Feinde entronnen waren. Dazu hatte die ungeheure Noth und der stete Anblick des allgemeinen Jammers die Herzen der Menschen gar sehr verwildert. Nirgends war Sicherheit, überall wimmelte es von Räubern und Mordgesindel. Und was ließ sich von der während des Krieges in Druck und Elend, in beständiger Angst und Noth wild aufgewachsenen Jugend erwarten, die des Friedens schöne Segnungen nicht kannte!

Von so vielen Gräueln konnte sich unser unglückliches Vaterland nur allmälig erholen, und blos dem Biedersinn des deutschen Volkes und seiner Fürsten ist es zuzuschreiben, daß es sich schneller erholte, als man hätte erwarten sollen.


 << zurück weiter >>