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Fünfter Abschnitt.
Umgestaltung der Staatenverhältnisse durch die Reformation.

 

A.

I. Philipp von Spanien und Wilhelm von Oranien,
oder:
Der Abfall der Niederlande.

 

1.

Kein Land unseres Erdtheils hatte in der Gestaltung seines Bodens so mannichfache Veränderungen erlitten, als das Delta des Rheins, der Maas und Schelde, das wir die Niederlande nennen. Die Flüsse und Ströme, welche sein Gebiet jetzt noch durchfluthen, hatten einst, nach verbürgten Nachrichten, einen ganz anderen Lauf und andere Mündungen. Jetzt erheben sich volkreiche Städte und freundliche Dörfer da, wo einst der Kiel der Schiffe über unsicheren Meeresgrund dahin glitt oder die Geschöpfe der See sich tummelten, und wiederum hat das landverschlingende Meer jetzt seine Arme dahin gebreitet, wo ehedem festes Land grünte und zahlreiche Bewohner ernährte. Das noch tiefer als das Meer gelegene Land ist von Alters her den Ueberschwemmungen ausgesetzt gewesen und hat seine Bewohner gezwungen, die menschlichen Wohnplätze vor den stets drohenden Fluthen durch Dämme (Deiche) zu sichern und den dürren Seeboden mit unsäglicher Mühe in fruchtbares Land umzuschaffen. Aber eben durch solche fortdauernde Arbeit wurden auch alle die Tugenden – Ausdauer, Erfindungskraft, Betriebsamkeit, Genügsamkeit und Mäßigkeit, – worin die Niederländer sich in so hohem Grade auszeichnen, hervorgerufen. Und in der muthvollen Vertheidigung des theuer erkämpften Bodens gegen die Uebermacht der Elemente wurden die Bürger zugleich entflammt zum Kampf gegen alle Tyrannei der Despoten, die sie ihrer Freiheit berauben wollten. So zeigten sich uns bereits die ersten uns bekannt gewordenen Bewohner der Niederlande, die Bataver oder Belgier, welche dem großen germanischen Völkerstamme angehörten. (Vgl. Theil II., Abschn. 1.) Jene Bataver hätten bereits die Macht des gewaltigen Römerreichs gebrochen, wären sie nicht von deutscher Uneinigkeit im Stich gelassen worden. Als der Sturm der Völkerwanderung den Römerkoloß zertrümmerte und naturfrische deutsche Stämme über Europa sandte, kamen die Niederlande unter die Herrschaft der Franken, welche sie in kleine Staaten und Provinzen, jede mit besonderer Verfassung und Regierung, theilten. Seit jenen Zeiten erhoben sich daher überall kleine Grafen und Herren, welche größere oder kleinere Gebiete beherrschten, oft selbst aber auch wiederum von mächtigeren Fürsten beherrscht wurden. Dann erwarben sich auch, wie der Bürgerstand sich hob, manche Städte Freiheit und Selbstständigkeit; denn die Lage des Landes an der Nordsee und an schiffbaren Strömen, recht in der Mitte zwischen Deutschland, England und Frankreich, dazu die Arbeitsamkeit und Betriebsamkeit des Volkes, erzeugten bald blühende Manufakturen und gewinnreichen Handel. In manchen großen Manufakturstädten (Antwerpen, Gent, Brügge etc.) war die Betriebsamkeit so außerordentlich, daß man Abends um 6 Uhr, wenn die Arbeiter nach Hause gingen, mit der Glocke den Eltern ein Zeichen gab, ihre Kinder von der Straße zu nehmen, damit sie nicht von dem stürmenden Gedränge zertreten würden. Alle englische Wolle wurde noch am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in den Niederlanden verarbeitet und bald fanden holländische Schiffe den Weg nach Afrika, Ostindien und Amerika. Der blühende Handel der Hansa ging von den deutschen auf die holländischen Städte über.

Von den fürstlichen Häusern war im Mittelalter eines das herrschende geworden, das der Herzöge von Burgund, das unter Karl dem Kühnen einen so reichen Glanz entfaltete, daß dieser schon damit umging, sich vom deutschen Kaiser die Königskrone zu erwerben. Allein sein Tollmuth im Kriegführen stürzte ihn in's Verderben und auf einem Raubzuge gegen die Schweiz verlor er in der Schlacht bei Nancy das Leben. Er hinterließ eine einzige Tochter, die schöne Maria, und diese reichte ihre Hand dem österreichischen Herzog, nachmaligem Kaiser Maximilian I., wodurch die burgundischen Besitzungen an Deutschland kamen, unter dem Namen des »burgundischen Kreises.«

Ungeachtet des häufigen Wechsels ihrer Herren hatten die einzelnen Provinzen doch bis dahin eine Menge von Rechten und Freiheiten behalten, welche stets von den Regenten geachtet worden waren. Auch Karl V. unterließ nicht, den Niederländern seinen besondern Schutz angedeihen zu lassen, und während er die Reformation in Deutschland zu unterdrücken strebte, hinderte er sie nicht in den Niederlanden, für die er besondere Vorliebe hegte, da aus ihnen die besten Reichthümer in den spanisch-österreichischen Schatz flössen. Aber bald änderte er doch seine Meinung, als der protestantische Glaube in den Niederlanden immer mehr Freunde gewann; er verfuhr besonders strenge gegen die Rederyker (Rhetoriker), die religiöse Schauspiele aufführten, um das Pfaffenthum zu verspotten. Im Jahre 1550 ward sogar die Inquisition eingeführt und mancher ehrliche Niederländer wurde an seinem Leben gestraft, weil er von seinem Glauben nicht lassen wollte.

 

2.

Nun trat der finstere, bigotte Philipp auf. Er hatte zwar den Niederländern geschworen: »Ich, Philipp, gelobe und schwöre, daß ich ein guter und gerechter Herr sein, daß ich alle Freiheiten, die euch von meinen Vorfahren verliehen worden, auch eure Gewohnheiten, Herkommen und Rechte wohl und getreulich halten und halten lassen und ferner alles dasjenige üben will, was einem guten und gerechten Fürsten und Herrn zukommt. So müsse mir Gott helfen und alle seine Heiligen!« – aber in seinem Herzen hatte er beschlossen, sich an das gegebene Wort nicht zu kehren, sondern die Niederländer zu ebenso sklavisch gesinnten Katholiken zu machen, wie es seine Spanier waren. Das Erste, was er als Regent für die Niederlande that, war die Schärfung der schrecklichen Inquisition, um das Gift der neuen Lehre auszurotten. Denn es beleidigte seinen Stolz, daß es Menschen gäbe, die einen andern Glauben haben wollten, als den seinigen. Er setzte also geistliche Richter nieder, die strenges Gericht über jede Abweichung von der katholischen Lehre halten sollten. Der bloße Verdacht war hinreichend, einen ruhigen Bürger aus der Mitte seiner Familie zu reißen. Da man dem Angeber eines Ketzers die Hälfte der Güter desselben versprach, so stieg die Zahl der Angegebenen bald in die Tausende. Fand sich ein Schurke, der gegen einen Ehrenmann zeugte, und wollte dieser nicht gestehen, so spannte man ihn auf die Folter, so daß der Arme vor lauter Schmerz zuweilen gestand, was er gar nicht begangen hatte. Dabei erfuhr er nie, wer sein Ankläger sei. Niemand wußte des Morgens, ob er nicht des Abends in einem Kerker schmachten müßte; denn sobald sich ein schlechter Mensch fand, der sich an einem Wohlhabenden rächen oder sich durch denselben bereichern wollte, ging er zu dem Richter des Inquisitionstribunals, um Anzeige zu machen. Wenn Jemand ein evangelisches Lied gesungen oder einer Versammlung von Protestanten beigewohnt hatte, so reichte das hin zur Anklage und Verurtheilung.

Wer einmal in den Schlund der Inquisition gefallen war, kam nicht wieder heraus. Entweder er mußte im Gefängnisse als ein lebendig Begrabener seine noch übrigen Lebensjahre einsam vertrauern, oder er wurde an den Tagen der großen Verbrennung mit den übrigen Schlachtopfern zum Scheiterhaufen geführt. Mit feierlichem Pompe zog der traurige Zug durch die Gassen nach dem Richtplatze. Eine rothe Blutfahne wehte voran, alle Glocken läuteten, voran zogen Priester im Meßgewande und sangen ein heiliges Lied. Ihnen folgte der verurtheilte Sünder, in ein gelbes Gewand gekleidet, auf welches schwarze Teufelsgestalten gemalt waren. Auf dem Kopfe trug er eine Mütze von Papier, die sich in eine Menschenfigur endigte, um welche Feuerflammen schlugen. Abgewendet von dem ewig Verdammten wurde das Bild des Gekreuzigten getragen; denn für den Verurteilten galt nicht mehr die Erlösung. So wie sein sterblicher Leib den irdischen Flammen, so gehörte seine unsterbliche Seele den Flammen der Hölle. Im Munde trug er einen Knebel, damit er weder seinen Schmerz durch Klagen lindern, noch die Geheimnisse seines ungerechten Prozesses Andern mittheilen konnte. Hinter ihm drein ging die Geistlichkeit im festlichen Ornate, die Obrigkeit und der Adel. Die Väter, welche ihn gerichtet hatten, beschlossen den schauerlichen Zug. Man glaubte eine Leiche zu sehen, die zu Grabe geleitet würde; aber es war ein lebendiger Mensch, an dessen langsamen Qualen die Gläubigen sich erbauen sollten. Solche Hinrichtungen wurden gewöhnlich auf hohe Festtage verspart und dann viele zusammen abgethan.

So tief konnten Menschen sinken, die sich Christen nannten und an den Heiland zu glauben meinten, der da sprach: Liebet euch unter einander, ja liebet eure Feinde! Philipp mit seinen Geistlichen glaubte aber dennoch, er thäte ein christliches Werk.

 

3.

Gleich nach seinem Regierungsantritt blieb Philipp drei Jahre in den Niederlanden, um den Wirkungen seines Ketzertribunals den rechten Nachdruck zu geben. Als er abreiste, setzte er seine Halbschwester, Margaretha von Parma, als Statthalterin ein, eine Frau von männlichem Geiste und strenger Gerechtigkeitsliebe. Ihr zugeordnet war ein Staatsrath, der aus den vornehmsten Gliedern des niederländischen Adels, aber auch aus mehreren Spaniern bestand. Der gefährlichste unter den letzteren war Philipp's Minister, der Kardinal Granvella, Bischof von Arras, der das Interesse seiner Religion auf das Aeußerste verfocht und die niederländischen Großen mit empörender Verachtung behandelte. Granvella schärfte noch die Inquisition und machte hierdurch das spanische Regiment beim Volke immer mehr verhaßt. Der Unwille wurde immer lauter und die drei vornehmsten Glieder des Adels, Prinz Wilhelm von Oranien, Graf Egmont und Hoorne kamen aus Verdruß über den stolzen Kardinal gar nicht in den Staatsrath. »Sie wollten dort nicht mehr bloße Schatten vorstellen« – schrieben sie der Regentin. Diese war selbst über den herrischen Minister aufgebracht.

Wilhelm von Oranien war einer von Denen, die Kaiser Karl's V. Gunst im höchsten Grade genossen hatten. Schon als dreizehnjähriger Knabe war er an den kaiserlichen Hof gekommen und seine hohen Geistesgaben, wie seine Verschwiegenheit, hatten ihn zum Lieblinge Karl's gemacht. Dieser vertraute ihm die wichtigsten Geschäfte, fragte ihn bei allen wichtigen Angelegenheiten um Rath und auf ihn stützte er sich, als er in Brüssel jene ergreifende Abschiedsrede hielt. Mit Karl's V. Tode sank auch das Ansehen des Oraniers. Die eifersüchtigen und neidischen Spanier wußten das Mißtrauen des argwöhnischen Philipp gegen den edlen Fürsten zu erregen, der als ein guter Deutscher im Selbstgefühl seiner Kraft und Würde auftrat. Daher kam es, daß Wilhelm nur die Statthalterschaft von Seeland, Utrecht und Holland, auf die er durch Erbrecht gegründete Ansprüche hatte, erhielt, die Oberstatthalterschaft aber an die Herzogin Margaretha von Parma kam. Als Philipp die Niederlande verließ, war Wilhelm 26 Jahr alt, aber so weise und erfahren wie ein Funfziger. Auf seinem hageren braunen Gesichte bemerkte man nie eine Veränderung; er war stets schweigsam, aber hatte er einen Entschluß gefaßt, so führte er ihn unerschütterlich durch. Dabei war er sehr reich, seine Tafel stand gern den Gästen offen und die Niederländer ehrten und liebten ihn, wie er es verdiente.

Noch mehr ein Liebling des Volkes war Lamoral Graf von Egmont, ein schöner ritterlicher Herr, der die Gesprächigkeit und Freundlichkeit selber war, sich Allen gern mittheilte, aber nicht die kluge Umsicht Wilhelm's besaß. Wenn er durch die Gassen von Brüssel ritt, schlug ihm jedes Herz entgegen. Die Männer rühmten seine Kriegsthaten und die Mütter zeigten den Kindern den feinen Anstand des ritterlichen Grafen. Gut wie er selbst war, trauete er Jedem und von der Zukunft hoffte er stets das Beste.

Beide Männer in Verbindung mit dem wackeren Grafen Hoorne brachten es dahin, daß Philipp den Kardinal Granvella zurückberief. Egmont war selber nach Madrid gegangen, um bei dem Könige Vorstellungen zu machen. Aber in seiner Strenge gegen die Ketzer mochte dieser nicht nachlassen; im Gegentheil rauchten nun die Scheiterhaufen ärger als zuvor.

 

4.

Nun verbanden sich Dreihundert vom Adel zur Vertheidigung der Rechte und Freiheiten des Vaterlandes und unterschrieben das Kompromiß, wie man die Schrift nannte, wodurch sie sich gegenseitig Hülfe versprachen. Man beschloß, nach Brüssel zu ziehen, um der Statthalterin eine Bittschrift zu überreichen. Am 5. April 1566 zogen die Verschworenen, mehr als 300 an der Zahl, zu Pferde in Brüssel ein und gingen in einem feierlichen Aufzuge paarweise auf das Schloß, geführt von Heinrich von Brederode, einem Sprößling der alten Grafen von Holland. Ehrfurchtsvoll überreichten sie ihre Bittschrift. Die Statthalterin, als der lange Zug in den Saal kommt, entfärbt sich und wird betroffen; doch ein Herr von Barlaimont, einer ihrer Räthe, sagt ihr auf Französisch, sie dürfe sich vor dem Lumpengesindel ( gueux) gar nicht fürchten. Das hatten Einige gehört und um die Schimpfrede zu adeln, nannten sich nun alle Verbündete Gueux oder Geusen und trugen fortan als Ehrenzeichen am Halse eine Medaille mit dem Bilde des Königs und der Umschrift: »Getreu bis zum Bettelsack!«

Margaretha berichtete den Vorfall nach Madrid; sie wagte nicht, ohne Bewilligung Philipp's die Inquisition aufzuheben, aber sie empfahl den Richtern Mäßigung bis zur Ankunft einer Antwort aus Madrid. Die Inquisitionsrichter, von denen wohl die meisten ihr Amt ungern verrichteten ließen ihr Geschäft ganz ruhen. Nun war die Freude bei den Evangelischen groß. Alle, die bisher aus Furcht ihren Glauben verhehlt hatten, traten nun keck damit hervor und die neue Lehre gewann ungeheuern Anhang. Viel trugen dazu die Prediger bei, die auf dem Felde unter freiem Himmel ihre Reden hielten. Die Zuhörer versahen sich mit Rappieren, Hellebarden und Flinten, stellten Posten aus und verrammelten die Zugänge mit Karren und Wagen. Wer des Weges zog, mußte herbei und zuhören. Solchen Predigten hörten oft an 15,000 Menschen zu und je wackerer aus das Papstthum gescholten wurde, desto größerer Beifall wurde dem Redner zugeklatscht. Am größten war der Lärm in und um Antwerpen; da der Magistrat den evangelischen Bürgern keine Kirche einräumen wollte, so zogen diese mit Weib und Kindern dann und wann auf's Feld und hielten hier ihren Gottesdienst; der Magistrat bat die Statthalterin um's Himmelswillen, doch selbst nach Antwerpen zu kommen, oder wenigstens den Prinzen von Oranien zu schicken, der allein das Zutrauen der Bürger besäße. Das Letztere bewilligte sie. Welch' ein Getümmel aber erhob sich an dem Tage, an welchem man Oranien erwartete. Antwerpen schien alle Einwohner ausgegossen zu haben. Die ganze Landstraße wimmelte von Menschen; die Dächer der Landhäuser waren abgedeckt und mit Zuschauern besetzt; und als er endlich heran kam, jubelte Jung und Alt ihm entgegen: »Die Geusen sollen leben!« Andere riefen: »Seht ihn! Das ist der, welcher uns Freiheit bringt!« – Er aber winkte mit stillem Ernste, sie möchten schweigen, und da Keiner gehorchte, rief er halb unwillig, halb gerührt: »Bei Gott! Ihr sollt zusehen, was ihr thut! Es wird euch einmal reuen, was ihr jetzt gethan habt!« – Als er in die Stadt selbst einritt, wurde das Jauchzen noch ärger. Er aber gab sich gleich die ersten Tage Mühe, die Ordnung herzustellen; denn so warm auch sein Herz für sein Vaterland schlug, so war er doch kein Freund von Unordnungen, die nie zu bürgerlichem Glücke führen.

 

5.

Indessen hatte man am spanischen Hofe berathschlagt, was zu thun sei. Philipp beschloß endlich, zum Scheine etwas nachzugeben, und befahl, daß die Inquisition auf den Fuß hergestellt werden sollte, wie sie unter Karl V. gewesen war. Zugleich gab er der Statthalterin die Weisung, ganz in der Stille Truppen zu werben. Aber seine Nachgiebigkeit kam zu spät. Die Erbitterung des Pöbels über die Verachtung seiner Religion war endlich so groß geworden, daß ein rasender Haufe zu den Waffen griff und die katholischen Kirchen zu bestürmen begann. Denn es kränkte diese Leute, daß man ihnen kein Gotteshaus bewilligen wollte, während die Katholiken unzählige, und zwar prächtig ausgeschmückte hatten. Die Thüren der Kirchen und Klöster wurden erbrochen, die Altäre umgestürzt, die Bilder der Heiligen zerschmettert und mit Füßen getreten. Der Zulauf mehrte sich und binnen wenig Tagen hatte die Zerstörungswuth ganz Flandern ergriffen. Ueberall wurden mit gleicher Wuth die Kirchen verwüstet. Selbst in Antwerpen, von wo Oranien nach Brüssel hatte reisen müssen, fielen die Rasenden über die Hauptkirche her, durchstachen ein wunderthätiges Marienbild, zerstörten die herrliche Orgel, zerstreuten die Hostien auf die Erde und traten sie mit Füßen, ja sie stiegen selbst in die Gewölbe hinab und warfen die halbverweseten Leichen umher. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß dies Alles nur vom gemeinsten Pöbel verübt wurde, der überall zum Bösthun aufgelegt ist; aber es zeigte, wie aufgeregt die Gemüther waren.

Margaretha war in der allergrößten Verlegenheit. Schon waren die Bilderstürmer auch nach Brüssel im Anzuge. Im ersten Augenblicke wollte sie entfliehen, aber ihre Räthe redeten ihr zu, zu bleiben, lieber den Umständen nachzugeben und mit dem Adel einen Vergleich zu schließen. Das that sie; sie bewilligte den Geusen Alles und diese dagegen machten sich anheischig, die Bilderstürmerei zu unterdrücken. Zwar hielt es hier und da sehr schwer; aber es gelang doch, und besonders zeigten sich Oranien, Egmont und Hoorne ausnehmend thätig dabei, so daß sie dadurch allein schon den Dank Philipp's verdient hätten. Aber der König traute ihnen nicht und glaubte gar, daß sie insgeheim die Geusen sowohl als die Bilderstürmer unterstützt hätten, was doch gewiß nicht der Fall war. Er hatte ihnen den Untergang geschworen; darum that er recht freundlich mit ihnen, besonders mit Oranien, dessen Rath er sich sogar ausbat. Aber je gnädiger Philipp war, desto mehr mußte man sich vor seinen Tücken hüten, und Oranien wußte durch seine Spione sehr gut, wie er bei Hofe angeschrieben stand. Auch Margaretha meinte es nicht gut; sobald die angeworbenen Soldaten angekommen waren, nahm sie eine ganz andere Sprache an. Sie habe, sagte sie, zwar erlaubt, daß die Evangelischen Predigten halten dürften, aber die evangelischen Taufen, Trauungen und Abendmahlsfeier seien nicht erlaubt; unter allerlei Vorwand ließ sie die Versammlungen zerstören und einige Prediger selbst aufhenken. Daher war es kein Wunder, wenn die Geusen auch Truppen warben, und es hie und da zu offenbaren Widersetzlichkeiten kam. Oranien begünstigte diese Bewegungen insgeheim, weil er wohl sah, daß es auf die Unterdrückung seines Vaterlandes abgesehen war. Aber was half aller guter Wille der Geusen, da kein rechter Zusammenhang unter ihnen war. Margaretha ließ ihre Soldaten marschiren und die Truppen der Geusen wurden zum Schrecken der Kalvinisten zusammengehauen.

Endlich fiel Margaretha auf ein Mittel, wodurch sie ihre Freunde von ihren heimlichen Feinden unterscheiden könnte und die letzteren zwänge, sich bestimmt zu erklären. Sie verlangte von den Häuptern des Adels einen Eid, daß sie den katholischen Glauben befördern, die Bilderstürmer verfolgen und Ketzerei aller Art nach besten Kräften ausrotten wollten. Viele leisteten ihn, auch Egmont, der sich durch die Gnade des Königs ganz sicher hatte machen lassen. Hoorne verweigerte ihn, weil er, wie er sagte, still auf seinen Gütern lebte und also mit der Regierung nichts mehr zu thun hätte. Brederode legte alle seine Aemter nieder, um keinen Meineid zu schwören, und Oranien entschloß sich, sein Vaterland zu verlassen, um es zu einer glücklicheren Zeit wieder zu betreten. Er sah wohl, daß bei der Uneinigkeit der Geusen und der Verblendung Egmont's mit Gewalt nichts auszurichten wäre; er wußte, daß sich Herzog Alba bereits mit einem Heere nähere, um den Freiheitssinn der Niederländer unter die Füße zu treten. Wartete er erst Alba ab, so war er verloren; Philipp's Gesinnungen waren ihm nicht unbekannt. Aber ehe er ging, wünschte er noch einmal seinen Freund Egmont zu warnen, der so sicher seinem Untergange entgegen ging. Die Zusammenkunft wurde gehalten. Egmont bestürmte Oranien, zu bleiben. »Es wird dir deine Güter kosten, Oranien, wenn du auf deinem Beschlüsse beharrst,« rief endlich Egmont. – »Und dir,« antwortete Oranien, »dein Leben, Egmont, wenn du den deinigen nicht änderst. Ich werde, wie es mir auch gehen wird, den Trost haben, daß ich dem Vaterlande und meinen Freunden mit Rath und That habe beistehen wollen in der Noth, du aber wirst Freunde und Vaterland in Ein Verderben Hinabstürzen mit dir.« Noch einmal bat ihn Oranien mit einem Feuer zärtlicher Besorgniß, dem Ungewitter auszuweichen, welches heranzöge. Aber Egmont erwartete von der Zukunft nur das Beste und konnte sich nicht entschließen, sein gemächliches Wohlleben zu verlassen und von seiner zärtlich geliebten Frau und seinen ihm so theuren Kindern Entbehrungen zu verlangen, die durch eine Flucht nöthig geworden wären. »Nimmermehr wirst du mich bereden, Oranien,« sagte er, »die Dinge in diesem trüben Lichte zu sehen. Was kann auch der König mir anhaben? Er ist gütig und gerecht und ich habe mir Ansprüche auf seine Dankbarkeit erworben.« »Wohlan,« rief Oranien mit Unwillen und innerem Schmerz, »so wage es denn auf die königliche Dankbarkeit. Aber mir sagt eine traurige Ahnung – und gebe der Himmel, daß sie mich betrüge! – daß du die Brücke sein werdest, Egmont, über welche die Spanier in das Land kommen, und die sie abbrechen werden, wenn sie hinüber sind.« – Innig drückte er ihn noch einmal an sein Herz. Lange, als wäre es für das ganze Leben, hielt er die Augen auf ihn geheftet; Thränen entfielen ihm; sie sahen einander nicht wieder! – Gleich am folgenden Tage schrieb er der Statthalterin seinen Abschiedsbrief und ging auf seine Güter im Nassauischen. Ihm folgten viele Gleichgesinnte nach; denn mit größerer Strenge verfuhr jetzt Margaretha gegen die Kalvinisten; viele flohen, andere starben durch die Hand des Henkers. Den reformirten Predigern wurde angedeutet, binnen 24 Stunden das Land zu räumen. Alle Straßen waren jetzt von Flüchtlingen vollgedrängt, die ihrer Religion zu Ehren ihr Liebstes verließen und für sie ein glücklicheres Land suchten. Dort nahmen Männer von ihren Weibern, Väter von ihren Kindern ein ewiges Lebewohl; hier führten sie sie mit sich. Die Städte glichen einem Trauerhause. Aus den Balken der durch die Bilderstürmer zerstörten Kirchen wurden Galgen gebaut für die, welche sich an ihnen vergriffen hatten. Alle Hochgerichte waren mit Leichnamen, alle Gefängnisse mit Todesopfern, alle Landstraßen mit Flüchtlingen angefüllt. Keine Stadt war so klein, daß in ihr in dem mörderischen Jahre 1567 nicht 50 bis 300 wären zum Tode geführt worden. Jetzt hielt es auch Brederode gerathen, zu entfliehen; er entkam nach Emden, wo er das Jahr darauf starb.

 

6.

Nun war die Ruhe wieder hergestellt; wer nicht todt oder geflohen war, wurde durch die Furcht in Unthätigkeit erhalten, und Margaretha berichtete an den König, Alles sei ruhig; er möchte also doch ja den Herzog von Alba, der schon mit einem Heere unterwegs war, zurückrufen, weil seine Ankunft nur die Ruhe wieder stören könnte. Aber in Madrid war es anders beschlossen. Philipp und Alba wollten die Gelegenheit nicht Vorbeigehen lassen, Blut in Strömen zu vergießen. Jetzt sei zwar, hieß es daher, der Tumult gestillt, aber nur aus Furcht; man müsse den Rebellensinn in den Niederländern ganz austreiben. Mit 10,000 mordlustigen, zu jedem Verbrechen aufgelegten Soldaten erschien der Herzog von Alba in den Niederlanden, Angst und Schrecken waren ihm vorangeeilt: denn er war ein würdiger Diener seines Herrn. Nie kam in sein Gesicht ein Lächeln, nie in sein Herz ein Gefühl der Menschlichkeit. Wer nur irgend fliehen konnte, war geflohen. Die bloße Annäherung des spanischen Heeres hatte die Niederlande um 100,000 Bürger entvölkert und die allgemeine Flucht dauerte noch immer fort.

Der 22. August 1567 war der Tag, an welchem Alba an den Thoren von Brüssel erschien. Sobald er seinen Einzug gehalten hatte, nahm er von der Statthalterschaft Besitz, die Margaretha nur noch dem Namen nach behielt. Kaum zeigten sich seine Soldaten auf den Gassen, so eilten alle Einwohner in ihre Häuser, schoben die Riegel vor und die Stadt schien wie ausgestorben. Klopfte Jemand an ein Haus, so erschraken die Bewohner und glaubten, es sei ein Gerichtsdiener. Vor Allem lag dem Herzog daran, die Häupter des Adels zu fangen; er stellte sich daher recht freundlich, so daß Egmont ganz treuherzig wurde und selbst Hoorne wieder nach Brüssel kam. Alba berief einen großen Staatsrath zusammen; auch Egmont erschien. Nachdem die Uebrigen schon wieder auseinander gegangen waren und auch Egmont gehen wollte, um mit Alba's Sohn ein angefangenes Spiel auszuspielen, trat ihm ein Hauptmann in den Weg und forderte ihm seinen Degen ab und eine Schaar Soldaten umringte ihn. Einen Augenblick stand er sprachlos da. »O Oranien! Oranien!« rief er dann schmerzhaft aus, gab seinen Degen und sprach weiter: »So nimm ihn hin! Weit öfter hat er ja des Königs Ruhm vertheidigt, als meine Brust beschützt!« – Auch Hoorne wurde aus dem Wege nach Hause verhaftet. Seine erste Frage war nach Egmont. Als man ihm erzählte, dieser sei auch verhaftet, ergab er sich. »Von ihm habe ich mich leiten lassen,« sprach er, »es ist billig, daß ich ein Schicksal mit ihm theile.« Allgemeiner Schrecken überfiel die Einwohner von Brüssel und 20,000 verließen auf die Nachricht seiner Verhaftung die Niederlande. So verlor das Land für immer eine große Zahl seiner geschickten Einwohner, welche die Kunst, Wolle zu weben, nun nach England und Deutschland brachten. Glücklich waren die, welche noch entrannen; denn Alba ließ die Häfen sperren und setzte Todesstrafe auf die Auswanderung.

 

7.

Daß Alba sogleich die Inquisition mit aller ihrer Strenge wieder herstellte, versteht sich von selbst. Aber er machte auch bekannt, daß Alle, welche in irgend einer Berührung mit den Geusen gestanden, oder an den kalvinistischen Predigten Theil genommen hatten, des Verbrechens der beleidigten Majestät im höchsten Grade schuldig wären. Hiernach waren die Güter und das Leben Aller in seinen Händen, und wer Eines oder Beides rettete, empfing es nur als ein Geschenk seiner Großmuth. Dann setzte er ein Gericht nieder, welches über die vorgegangenen Unruhen erkennen sollte. Er selbst war Vorsteher desselben und nach ihm ein gewisser Vargas, ein Spanier, ein Mensch, welchen sein Vaterland wie eine Pestbeule ausgestoßen hatte, ein schamloser, verhärteter Bösewicht, der eben so blutgierig als habsüchtig war. In diesem Gerichte wurde über das Leben der Niederländer mit empörendem Leichtsinne abgeurtheilt, und man erzählt, daß einer der Richter, der oft in den Sitzungen zu schlafen Pflegte, dann wenn die Reihe an ihn kam, sein Urtheil zu sagen und er dazu geweckt wurde, ohne Weiteres rief: »An den Galgen! an den Galgen!« – so geläufig war ihm dies Wort geworden. Oft wurden 20-50 aus einer Stadt zugleich vorgefordert. Die Reichen traf der Donnerschlag am ersten. Manche angesehene Kaufleute, die über ein Vermögen von 60-100,000 Thalern zu gebieten hatten, sah man hier wie gemeines Gesindel mit auf den Rücken gebundenen Händen an einem Pferdeschweife zur Richtstätte geschleift werden; in Valenciennes wurden einmal 55 zugleich enthauptet. Die Gefängnisse waren bald zu enge für die Menge der Verbrecher; täglich wurden Schuldige und Unschuldige, Arme und Reiche gehenkt, geköpft, geviertheilt und verbrannt und das Vermögen der Unglücklichen fiel dem Staatsschätze anheim. Mit Recht nannte das Volk dies Gericht den Blutrath. – Durch das eigenmächtige Verfahren Alba's fühlte sich die Herzogin Margaretha von Parma tief gekränkt. Was sollte sie länger Statthalterin heißen, wenn sie es nicht war? Sie hielt bei Philipp um ihren Abschied an und erhielt ihn in den gnädigsten Ausdrücken. Mit ihr schwand den Niederländern die letzte Hoffnung; denn so unzufrieden diese auch sonst mit ihr gewesen waren, als ein Engel des Lichtes erschien sie ihnen neben einem Alba.

Dieser ließ den Prinzen von Oranien vorladen, welcher aber klug genug war, nicht zu erscheinen. Dagegen wurden die beiden Grafen Egmont und Hoorne zum Tode verurtheilt, weil sie dem Prinzen von Oranien angehangen, den Geusen Vorschub gethan und in Hinsicht der Evangelischen ihre Pflicht nicht gethan hätten, also des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig wären. Beide hörten das Todesurtheil mit männlicher Standhaftigkeit an. Egmont, so wie er immer voll Hoffnung war, hoffte auch noch, selbst auf dem Blutgerüste, auf Begnadigung. Als man ihm aber sagte, daß er vergebens hoffe, kniete er nieder, betete, küßte ein silbernes, ihm vom Bischöfe dargereichtes Kruzifix, und indem er die Worte sprach: » Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist!« fiel das Beil und machte seinem Leben ein Ende (1568). Gleich nach ihm bestieg Hoorne das Blutgerüst und starb auf dieselbe Weise. Beide Körper wurden dann in Särge gelegt, die Köpfe aber – so wollte es Alba – zwei Stunden lang auf Pfähle gesteckt und dem Volke zur Schau gestellt. Tief erschüttert waren Alle, selbst die Rohheit der spanischen Soldaten konnte den Thränen nicht widerstehen. Ganz Brüssel, wo die That geschah, betrauerte die beiden erhabenen Männer, und konnte der Haß gegen Alba noch größer werden, so wurde er es hierdurch.

Die vielen ausgewanderten Holländer blieben indessen nicht unthätig. Die Unternehmendsten, welche nach England gegangen waren, verschafften sich eine Anzahl Schiffe, mit denen sie nicht nur die spanischen Schiffe auf der See wegkaperten, sondern auch selbst den Hafen Briel an der Mündung der Maas Wegnahmen. Man nannte sie Meergeusen. Sogleich machte sich Wilhelm von Oranien auf, warb Truppen und fiel in die Niederlande ein. Daraus entstand ein langwieriger Krieg, dessen Begebenheiten und Wechsel wir hier nicht verfolgen wollen. Nach sechs Jahren verließ Alba, mit dem Fluche der unglücklichen Niederländer beladen, Brüssel und kehrte nach Spanien zurück. Man rechnet, daß in dieser Zeit wenigstens 18,000 Niederländer auf dem Blutgerüste gestorben sind! Welche Last mußte auf seinem Gewissen liegen! Unter mehreren ihm gefolgten Statthaltern währte der Krieg fort. Die freiheitsliebenden Einwohner führten ihn mit einer ungeheuren Anstrengung. Jedermann hatte geglaubt, sie müßten den sieggewohnten spanischen Legionen unterliegen; aber auch hier sah man wieder, welche Kraft ein Volk hat, welches für seine Freiheit streitet, während die Spanier sich nur auf Befehl ihres Königs herumschlugen. Wilhelm von Oranien wurde von mehreren der nördlichen Provinzen, die sich die Spanier zuerst vom Halse schafften, zum Statthalter gewählt und gewiß wäre es dem thätigen Manne zu gönnen gewesen, die gänzliche Befreiung vom spanischen Joche zu erleben. Aber er erlebte sie nicht. Ein verruchter Mensch, Balthasar Gerard, aus der Franche Comté gebürtig, brachte ihn, von den Jesuiten auf Befehl Philipp's dazu angestiftet, 1584 in Delft um's Leben; denn Philipp hatte einen Preis von 25,000 Thalern auf Oranien's Kopf gesetzt. Aber er hinterließ einen Sohn, Moritz von Oranien, der ein noch größerer Kopf als sein Vater war. Zwar war er erst 17 Jahre alt, da sein Vater starb; aber er gehörte zu den Menschen, die sich gleich in die ihnen angewiesene Lage zu finden wissen, als wenn sie schon lange eine Erfahrung darin hätten. Der Krieg dauerte noch lange Zeit fort, selbst noch nach Philipp's II. Tode, bis beide Theile gleichsehr den Frieden herbei wünschten. Ein förmlicher Frieden wurde nun zwar nicht geschlossen und 1600 kam es zu einem bloßen Waffenstillstände zwischen den Spaniern und Niederländern auf zwölf Jahre; aber dieser Stillstand galt den Letztem mit Recht als ein Frieden, weil die Spanier darin die sieben nördlichen Provinzen als frei anerkennen mußten. Diese sieben hießen: Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Overyssel, Groningen und Friesland und blieben bis zur Zeit der ersten französischen Revolution eine Republik, unter dem Namen der sieben vereinigten Provinzen.


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