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Vierter Abschnitt.
Deutsche Kunst zur Zeit der Reformation.

I. Lukas Kranach. Nach Fr. Hofmann und Fr. Nösselt.

 

1.

Nicht allein die Wissenschaften hatten zur Zeit der Reformation einen großen Fortschritt gemacht; die allgemeine Gährung der Geister war auch den Künsten förderlich gewesen. Zu gleicher Zeit sehen wir drei ausgezeichnete Maler hervortreten, die aber auch als Menschen, theils durch Güte des Herzens, theils durch Bildung des Geistes sich auszeichneten.

Lukas Kranach war 1472 in Kranach, einer kleinen Stadt am Fuße des Fichtelgebirges, geboren. Er hieß eigentlich Lukas Sunder, nahm aber, wie damals zuweilen geschah, den Namen seines Geburtsortes an. Von seinem Vater soll er den ersten Unterricht im Zeichnen erhalten haben, sonst ist von seinen früheren Lebensschicksalen wenig bekannt. Daß er aber schon früh ausgezeichnete Fortschritte gemacht haben müsse, geht daraus hervor, daß er noch als Jüngling zum sächsischen Hofmaler ernannt wurde, und das ist er unter den drei Kurfürsten Friedrich dem Weisen, Johann dem Beständigen und Johann Friedrich geblieben.

Im Jahr 1493 unternahm Friedrich der Weise eine Reise nach Jerusalem. Unter der sehr zahlreichen Begleitung von Rittern, Herren und Geistlichen befand sich auch Kranach. Aus Befehl des Kurfürsten malte er eine sogenannte Reisetafel auf Leinwand, denn er stellte auf derselben alle Städte, Schlösser und Gegenden dar, durch welche sie reisten. Sie ist, auf eine hölzerne Tafel geklebt, noch jetzt in der Schloßkirche zu Wittenberg zu sehen, hat aber im Laufe der Zeiten sehr gelitten.

Nach der Rückkehr aus dem heiligen Lande wählte Kranach Wittenberg zu seinem beständigen Wohnorte, und hier hat er 46 Jahre verlebt. Er verheiratete sich mit Barbara Brangbier, einer Tochter des Bürgermeisters von Gotha, und lebte mit ihr in sehr glücklicher Ehe, denn er war ein sanfter, gutmüthiger Mann. Von seinen Mitbürgern war er sehr geachtet und genoß so viel Vertrauen, daß sie ihn 1519 zum Kämmerer und Senator, 1537 aber zum Bürgermeister wählten. Dies Amt bekleidete er sieben Jahre; dann legte er es freiwillig nieder, weil ihn das Alter drückte. Seine amtliche Thätigkeit verhinderte ihn jedoch nicht am Malen, besonders malte er die Bildnisse der sächsischen Kurfürsten und Prinzen, so wie seiner Freunde Luther und Melanchthon, deren Portraits er sehr vervielfältigte. Oft wurde Kranach in seinem Arbeitszimmer von hohen Herrschaften besucht, die ihm mit Vergnügen zusahen, und die er wieder auf die Jagd zu begleiten pflegte. Wurden da besonders große und schöne Thiere erlegt, so war er gleich bei der Hand, sie abzumalen. Kranach's Ruhm war so groß, daß der König Ferdinand ihn nach Wien berief, damit er mit seinen schönen Gemälden die Schlösser ausschmückte. Die Bildergalerien in Wien, München, Prag und Dresden verdanken dem Lukas Kranach ihre Entstehung. So lieblich auch oft die Gesichter dieses Malers sind, so haben die Figuren doch den Fehler, daß sie nicht die rechte Gewandung haben; alte römische Feldherren und Senatoren sind gekleidet wie sächsische Ritter oder wittenbergische Bürgermeister. Außer seinen größeren Oelmalereien machte Kranach noch treffliche Miniaturgemälde; man findet sie noch in den Gebet- und Geschichtsbüchern der damaligen Kurfürsten.

 

2.

Da Lukas Kranach mit ganzer Seele an seinem Herrn hing, so betrübte ihn der Tod des guten Friedrich gar sehr. Er war unter Denen, welche der kurfürstlichen Leiche folgten, als diese von dem Schlosse, wo Friedrich gestorben war, nach Wittenberg gebracht wurde; dabei hatte er die Ehre, jedem Armen auf Befehl des neuen Kurfürsten Johann einen Groschen auszuhändigen. Auch Johann starb schon 1532; doch ersetzte ihm Johann Friedrich durch große Gnade und unbedingtes Vertrauen den Verlust reichlich, so daß Kranach recht eigentlich der Freund des Kurfürsten wurde.

Das harmlose Leben des Malers ward sehr getrübt durch schwere Verluste; sein ältester Sohn Johann starb auf einer Reise nach Italien; fünf Jahre darauf verlor er auch seine geliebte Frau und nach abermals fünf Jahren seinen Freund Luther, der so gern mit ihm verkehrt hatte. Aber fast noch mehr, als diese häuslichen Kümmernisse, schlugen den alten Mann die Unglücksfälle nieder, die seit 1547 sein Vaterland Sachsen und seinen Kurfürsten trafen. Als Kaiser Karl nach dem Siege bei Mühlberg vor die Residenz Wittenberg rückte und sie belagerte, waren fast alle angesehenen Einwohner, selbst der edle Melanchthon, aus Furcht vor Kriegsungemach fortgegangen. Nur Kranach hielt es für seine Bürgerpflicht, zu bleiben und zu erwarten, was da kommen würde. Als Karl die Stadt erobert hatte, erinnerte er sich des berühmten Malers und daß dieser ihn einst in seinen Kinderjahren gemalt habe. Er ließ ihn daher in sein Lager holen und sprach mit ihm Dies und Jenes über Gegenstände der Kunst. Ein Zeitgenosse erzählt darüber Folgendes. Als der alte Maler Lukas aus der Stadt in des Kaisers Zelt gefordert, zeigte ihm Karl an, daß ihm der gefangene Kurfürst aus dem Reichstage zu Speier eine schöne Tafel geschenkt, so er, Lukas, gemalt, und die er, der Kaiser, oft mit sonderlichem Wohlgefallen angesehen hätte. »Es ist aber zu Mecheln« – fuhr der Kaiser fort – »in meinem Gemache eine Tafel, auf welcher du mich, als ich noch jung war, gemalt hast. Ich begehre deswegen zu wissen, wie alt ich damals gewesen bin.« Darauf der alte Lukas geantwortet: »Ew. Majestät war damals acht Jahre alt, als Kaiser Maximilian Euch bei der rechten Hand führte und Ew. Gnaden in Niederland huldigen ließ. Indem ich aber anfing, Ew. Majestät abzureißen, hat Ew. Majestät sich stetig gewendet, worauf Euer Präzeptor, welchem Eure Natur wohl bekannt, vermeldet, daß Ew. Majestät ein sonderliches Gefallen zu schönen Pfeilen trüge, und darauf befahl, daß man einen kunstreich gemalten Pfeil an die Wand gegenüberstecken sollte, davon Ew. Majestät die Augen niemals gewendet und ich desto besser das Konterfey zu Ende gebracht.« – Diese Erzählung hat dem Kaiser sehr wohlgefallen und er hat dem Maler Lukas freundlich zugesprochen. Als aber der gute alte Mann an seines Vaterlandes Unglück dachte, ist er mit weinenden Augen auf seine Kniee gefallen und hat für seinen gefangenen Herrn gebeten. Darauf der Kaiser sanftmüthig geantwortet: »Du sollst erfahren, daß ich deinem gefangenen Herrn Gnade erzeigen will.« Hat ihn darauf mildiglich begabt und wieder in die Stadt ziehen lassen.

Der Kaiser ließ ihm nämlich als Zeichen seiner Gunst einen silbernen Teller voll ungarischer Dukaten überreichen. Am liebsten hätte Kranach die Gabe zurückgewiesen, aber das würde den Herrn beleidigt haben. Daher nahm er davon so viel, als er zwischen seinen Fingerspitzen fassen konnte, lehnte auch alle Anträge des Kaisers ab, ihm nach den Niederlanden zu folgen. Dagegen erbat er sich die Erlaubniß, seinem unglücklichen Herrn in der Gefangenschaft Gesellschaft leisten zu dürfen.

Nachdem Moritz die Regierung von Kursachsen angetreten hatte, ließ er sich von seinen neuen Unterthanen huldigen. Nur Kranach vermochte nicht, dem Manne Treue und Gehorsam zu geloben, der so zweideutig an seinem geliebten Herrn gehandelt und sich auf dessen Unkosten erhoben hatte. Er verließ die ihm so lieb gewordene Stadt, sagte seinen zahlreichen Freunden und Verwandten in Wittenberg für immer Lebewohl und reiste nach Innsbruck in das Gefängniß seines Herrn. Hier blieb er drei Jahre und suchte mit seltener Treue dem armen Gefangenen die Langeweile zu vertreiben. Ein älter Geschichtschreiber sagt: »Wenn Seine fürstlichen Gnaden Morgens aufgestanden, haben Sie bei einer Stunde in ihrem Gemache allein gebetet und in der heiligen Bibel oder in Doktor Luther's Schriften, sonst vielfältig in vornehmen französischen und deutschen Historienbüchern gelesen und nächst denselben noch damit Ihre Zeit vertrieben, daß Sie den berühmten Maler, den alten Lukas Kranach, allerhand Kontrafakturen und Bildwerk haben machen lassen.«

Im August 1582 ließ endlich der Kaiser dem Kurfürsten seine Freiheit ankündigen. Schon am 6. Tage darauf saßen er und der treue Kranach auf dem Reisewagen, um sich nach Weimar zu begeben, allwo sie mit großer Freude empfangen wurden. Mehr aber als Alles erfreute den alten Lukas, daß er seine Tochter Barbara, die Frau des sächsischen Kanzlers Brück, hier fand. Von nun an beschloß er in Weimar zu bleiben, doch schon im folgenden Jahre starb er in den Armen seiner Tochter, im 81sten Jahre. Sein Grabmal ist noch in Weimar zu sehen.


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