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IV. Kaiser Joseph II.

Wie man Friedrich den Großen auch wohl den »Einzigen« genannt hat, so könnte man auch den trefflichen Kaiser Joseph den »Einzigen« nennen, denn große Männer seiner Art kommen kaum alle hundert Jahre auf den Thron. Er ist nicht so ausgezeichnet als Kriegsheld, wie Friedrich, hat auch nicht wie dieser das Glück gehabt, seine Schöpfungen so vollendet zu sehen; aber sein großer unsterblicher Ruhm ist, daß er Mensch war unter den Menschen und ein deutscher Mann unter deutschen Männern.

 

1. Zusammenkunft Friedrich's II. und Kaiser Joseph's.

Nach dem Frieden, welcher im Jahre 1763 zu Hubertusburg geschlossen worden war, standen die Beherrscher der österreichischen und preußischen Monarchie in einem sehr freundlichen Benehmen. Joseph, welcher nach seines Vaters (des Kaisers Franz I.) Tode von seiner Mutter (Maria Theresia) zum Mitregenten angenommen worden war, beschloß bald darauf, den einst so furchtbaren Gegner derselben zu besuchen. Friedrich hatte in der Gegend der Festung Neiße in Schlesien ein Lustlager veranstaltet und erwartete hier die Ankunft des Kaisers. Dieser traf in der Begleitung zweier seiner berühmtesten Generale ein, des Generals Laudon und Lasch. Friedrich bewillkommnete ihn mit den Worten: »Dies ist der glücklichste Tag meines Lebens,« und der Kaiser erwiderte: »Nun sind alle meine Wünsche erfüllt!« Es war ein rührendes Schauspiel für alle Anwesenden, die zwei mächtigsten Fürsten Deutschlands, welche sich so lange feindlich gegenüber gestanden hatten, in so friedlichem und freundschaftlichem Vernehmen zu sehen. Wenn der Ruhm, den Friedrich sich durch seine glücklich geführten Kriege, durch die Trefflichkeit seiner Staatsverwaltung, durch die Kraft seines Geistes erworben hatte, in der Brust des noch jugendlichen Kaisers Gefühle der Ehrfurcht und Bewunderung für den ergrauten Preußenkönig erwecken mußte; so fühlte sich dagegen Friedrich von der liebenswürdigen Bescheidenheit und dem Edelmuth des kaiserlichen Gastes mächtig angezogen. Als der König dem Kaiser den Vortritt lassen wollte, sagte dieser mit der ihm eigenthümlichen Bescheidenheit: »Das Alter geht vor; der Sohn muß sich nie über die Verdienste seines Vaters erheben wollen.« So sprach der mächtigste Fürst von Europa. Friedrich freute sich, auch mit dem Helden Laudon zusammen zu treffen, der ihm so viel Schaden zugefügt hatte, und er behandelte ihn mit der größten Achtung. So wissen wahrhaft große Männer auch an ihrem Feinde das Gute zu schätzen.

Die beiden Fürsten verließen einander, erfüllt von gegenseitiger Bewunderung.

 

2. Menschenliebe.

Einst ritt Joseph, nur von einem Reitknecht begleitet, nach einem von Wien nicht weit entlegenen Dorfe. Es war Winter und ein tiefer Schnee deckte ringsum die Gefilde. Da der Kaiser einen Nebenweg eingeschlagen hatte, so konnte es nicht fehlen, daß die Pferde bisweilen tief in den Schnee versanken. Plötzlich ertönte ein Schrei hinter dem Rücken des Kaisers; dieser wendet sich um und sieht mit Schrecken, wie sein Reitknecht sammt seinem Pferde in einen tiefen, mit Schnee gefüllten Graben gerathen ist und vergebliche Anstrengungen macht, sich heraus zu arbeiten. Schnell springt der edle Monarch vom Pferde, um seinem Diener Beistand zu leisten. Unmöglich, er versinkt selbst und kommt in große Gefahr. Rings umher auf den vom Schnee blinkenden Feldern zeigte sich weit und breit kein Mensch, und noch in ziemlicher Entfernung blickt der Kirchthurm eines Dörfchens über die Fläche hervor. Dorthin lenkte nun der menschenfreundliche Joseph sein Pferd, nachdem er noch mit liebevollen Worten den Diener getröstet und ihm versprochen hat, bald Hülfe zu bringen. Bald hat der Kaiser das Dorf erreicht und schnell sind mehrere Bauern zur Stelle, die mit ihren Pferden dem Voranreitenden folgen. Diesen aber treibt die Angst und Sorge um das Leben seines treuen Dieners weit voraus. In großer Entfernung folgen die aufgebotenen Bauern, langen endlich an dem Unglücksorte an und bringen glücklich den Reitknecht mit seinem Pferde unter dem Schnee hervor. Der Arme war ohnmächtig geworden, aber den Bemühungen seines Herrn gelang es bald, ihn zum Leben zurückzubringen.

 

3. Wohlthätigkeit.

Einst fuhr der Kaiser in der Vorstadt spazieren; da begegnete ihm ein kleiner Knabe, welcher seine Hände bittend gegen den vornehmen Wagen ausstreckte und unablässig schrie: »Ach, Ew. Gnaden, nur einen einzigen Gulden!« Der Kaiser ließ den Wagen sogleich halten und fragte den weinenden Knaben: »Wozu brauchst du denn gleich so viel Geld?« Dreist antwortete dieser: »Freilich ist es viel, Ew. Gnaden! Aber ich muß einen Gulden haben. Meine Mutter ist krank, sie hat mich fortgeschickt, einen Arzt zu holen; nun bin ich schon bei zweien gewesen, aber keiner will für weniger als einen Gulden kommen und doch ist meine Mutter so krank. Ach, Ew. Gnaden, nur einen Gulden, nur einen einzigen und ich will in meinem Leben nicht wieder betteln!«

Der Kaiser ließ sich von dem Knaben die Wohnung auf das Genaueste beschreiben und gab ihm den verlangten Gulden. Kaum sah der Knabe seinen Wunsch erfüllt, so lief er, ohne den kaiserlichen Geber besonders zu betrachten, mit Windesschnelle davon. Joseph, dem die Noth auch des Geringsten seiner Unterthanen das Herz schwer machte, wollte selbst den Schauplatz des Elendes besuchen und sich von der Wahrheit der Erzählung des Knaben überzeugen. Er ließ den Wagen bis vor das Häuschen fahren, in welchem nach Beschreibung des Knaben die arme Frau wohnen sollte. Um nicht erkannt zu werden, hüllte er sich in seinen Mantel, stieg aus und trat in die Krankenstube. »Bist du's, mein Kind?« rief eine schwache Stimme von dem ärmlichen Lager her. »Nein,« sagte Joseph, »Ich bin der Arzt, den Euer Kind gerufen hat.« Und der menschenfreundliche Kaiser trat zum Bette der Kranken und schaute mitleidsvoll die arme Frau an, als ob er über ein Heilmittel nachdächte. Dann sagte er: »Gebt mir Feder, Tinte und Papier, damit ich Euch ein Rezept verschreiben kann.« Die Frau bat ihn mit schwacher Stimme, das auf einem Gesimse stehende Schreibzeug ihres Sohnes herabzunehmen und sich desselben zu bedienen. Joseph nahm es, schrieb und befahl, das Rezept in die und die Apotheke zu tragen. Er wünschte der Frau gute Besserung und ging. Bald darauf erschien der Knabe mit dem wirklichen Arzte. Die Mutter erstaunte nicht wenig, als sie den zweiten kommen sah und fragte ihren Sohn, wie das zuginge. Der Knabe erzählte, was sich ereignet hatte und die Mutter auch. Alle wunderten sich; doch als die Rede auf das Rezept kam und der Arzt es untersuchte, ries er voll Freude: »Der kann besser verschreiben als ich! Euer Arzt ist niemand Anders gewesen, als der Kaiser selber.» Das Rezept ist eine Anweisung an den Kammerzahlmeister auf 50 Dukaten, die Euch sogleich ausgezahlt werden sollen.« Zwar wurde die Kranke, weil die Ueberraschung zu groß gewesen war, noch kränker; aber bald erholte sie sich, da ihr fortan die besten Arzneien und die gesundesten Speisen gereicht werden konnten. Mit inbrünstigem Danke lobte sie Gott, der einen rettenden Engel in ihr Haus gesandt hatte.

 

4. Gerechtigkeitsliebe.

Es herrschte in Böhmen große Theuerung, so daß viele Einwohner dem bittersten Mangel ausgesetzt waren und nicht Brod genug hatten, um ihren Hunger zu stillen. Joseph ließ nun Korn und andere Lebensmittel in großen Massen nach jenem Lande schaffen und reiste selbst dahin ab, um zu sehen, ob auch die Vertheilung so geschähe, wie er sie angeordnet hatte. Ohne sich kenntlich zu machen, kam er in eine kleine Stadt. Hier standen mehrere mit Getreide beladene Wagen und Karren vor der Thür eines Amthauses; die Bauern aber, denen die Wagen gehörten, standen dicht beisammen und sprachen heftig mit einander. Als sich Joseph nach der Ursache erkundigte, antworteten die Leute: »Wir warten schon sehr lange und haben noch einen Rückweg von acht Stunden zu machen.« – »Das ist die Wahrheit,« setzte der anwesende Amtsschreiber hinzu, »und außer ihnen warten noch die Einwohner des Orts schon seit mehreren Stunden vergeblich aus die Vertheilung des Getreides.« Der Kaiser, welcher mit einem einfachen Oberrock begleitet war, trat nun in das Haus und ließ sich durch den Amtsschreiber bei dem Amtmanne, welcher eben große Gesellschaft hatte, melden.

Der Amtmann. Wer sind Sie?

Der Kaiser. Offizier in kaiserlichen Diensten.

Der Amtmann. Womit kann ich dienen?

Der Kaiser. Damit, daß Sie die armen Leute unten abfertigen, die schon so lange gewartet.

Der Amtmann. Die Bauern können noch länger warten, ich werde mich durch sie nicht in meinem Vergnügen stören lassen.

Der Kaiser. Aber die Leute haben noch einen weiten Weg zu machen und schon lange genug gewartet.

Der Amtmann. Was gehen Sie die Bauern an?

Der Kaiser. Man muß menschlich sein und die Bauern nicht ohne Noth plagen.

Der Amtmann. Ihre Sittenlehre ist hier am unrechten Orte, ich weiß, was ich zu thun habe.

Länger ertrug der Kaiser die Grobheit und Hartherzigkeit des Beamten nicht. »Nun, so muß ich ihnen eröffnen, Herr Amtmann,« sagte er, »daß Sie das Korn und die Austheilung desselben gar nichts mehr angeht. Hören Sie, lieber Freund,« fuhr er fort, indem er sich zu dem Amtsschreiber wendete, »fertigen Sie die Leute ab. Sie sind von jetzt ab Amtmann und Sie (hier kehrte er sich wieder zu dem Amtmann), erkennen Sie in mir Ihren Kaiser, der Sie hiermit ihres Amtes entsetzt.« Dann entfernte sich Joseph und überließ den hartherzigen Beamten dem Gefühl seiner Schmach und seines selbstverschuldeten Unglücks.

 

5. Volksliebe.

Joseph liebte sein Volk und wünschte von ihm geliebt zu sein. Er öffnete den bis dahin nur dem Adel geöffneten Augarten allem Volke zur Belustigung und setzte über den Eingang die Inschrift: » Allen Menschen gewidmet von ihrem Schätzer.« Der Adel mißbilligte diesen Schritt und als einige vornehme Herren sich eines Tages beim Kaiser beklagten, daß sie nun nirgends mehr ein Plätzchen hätten, wo sie ganz ungestört unter sich sein könnten, erwiderte Joseph:

»Wenn ich immer nur unter meines Gleichen leben wollte, so müßte ich in die Kapuzinergruft hinabsteigen, wo meine todten Ahnen ruhen.«

Mit diesem Bescheide gaben sich die Herren zufrieden und so ist der durch ihn dem Publikum geöffnete Prater noch heutzutage der Hauptvergnügungsort der Wiener aus allen Ständen.

 

6. Herablassung.

Im Jahre 1781, auf seiner Reise durch die Niederlande, fuhr Kaiser Joseph in einem Miethwagen von Mecheln nach Löwen. Der Weg dahin war ihm unbekannt und er ließ sich denselben von einem Bauer zeigen, den er unterwegs antraf und der ihm durch eine reinliche Kleidung gleich gefiel. Der Bauer erkannte bald die hohe Person des Reisenden, setzte sich zu Pferde und ritt neben der Kutsche. Joseph unterhielt sich mit ihm über Ackerbau und Landwirthschaft, wobei die Aeußerungen des Landmanns dem Kaiser so wohl gefielen, daß er ihn zu sich in den Wagen setzen ließ. Als bei Löwen der Bauer ausstieg, sagte er freimüthig: »Jetzt brauchen mich Ew. Majestät nicht mehr, hier ist die gerade Straße, welche Die. selben nach Löwen führen wird.« Joseph wollte ihn beschenken, der Bauer sagte aber: »Ich habe kein Geld nöthig; es ist aber die Pflicht der Flamänder, Ew. Majestät welches zu geben.«

 

7. Helfer der Unterdrückten.

Als Joseph in Ungarn war, betrachtete er aufmerksam einen der gefangenen Gassenkehrer, der ein schöner alter Mann war. »Warum arbeitet Ihr in Eisen?« fragte er ihn. – »Ich schlug vor meinem Hause einen Hasen todt.« – »Was habt Ihr sonst verbrochen?« – »Nichts.« – »Sonst nichts?« – »Nein, gnädigster Herr!« – »Wer ist Euer Oberer? Ich will für Euch bitten.« – »O nein, Euer Gnaden, nur das nicht. Es bat schon einmal ein vornehmer Herr für mich und das hat mir 50 Prügel eingetragen, als er fort war.«

Joseph ging zum Verwalter, erfuhr die Wahrheit des Gesagten und ließ den Gefangenen frei, dagegen dem Verwalter 50 Prügel geben und ihn dann in Ketten schlagen.

 

8. Reformen in der Kirche.

Joseph II. erließ am 15. Oktober 1781 das berühmte Toleranzedikt, wodurch er den Lutheranern, Reformirten und nichtunirten Griechen die freie Ausübung ihres Gottesdienstes erlaubte und sie in bürgerlichen Rechten den Katholiken gleich stellte; nur durften ihre Kirchen keine Thürme und keine Glockengeläute, auch nicht den Eingang von der Straße haben. Die katholische Kirche blieb Staatskirche, aber alles Fremdartige in ihr sollte ausgeschieden und von der römischen Hierarchie sollte sie unabhängig gemacht werden. Keine päpstliche Bulle durfte mehr ohne vorhergegangene Genehmigung des Kaisers verkündigt werden, auf daß der Staat vor den Uebergriffen des römischen Hofes geschützt sei. Von den 1443 Mönchs- und 623 Nonnenklöstern im österreichischen Staate hob Joseph 700 auf und ließ nur solche fortbestehen, die sich mit dem Unterricht der Jugend oder mit der Krankenpflege beschäftigten. Nicht länger sollten dem Staate viele Tausende von Menschen entzogen werden, welche bisher in einem für heilig gehaltenen Müßiggange gelebt hatten. Die Güter der aufgehobenen Klöster ließ Joseph einziehen und zu gemeinnützigen Anstalten verwenden, nämlich zur Gründung neuer Volks- und gelehrten Schulen, zur Herstellung von Hospitälern, Waisenhäusern, Findelhäusern und ähnlichen Anstalten. Die Messe mußte in deutscher Sprache gesungen werden, wozu der österreichische Dichter und Gelehrte Michael Denis geistliche Lieder verfaßte. Die heilige Schrift wurde in die Landessprache übersetzt; die Wallfahrten, so häufig ein Anlaß zu großer Unsittlichkeit, wurden abgeschafft. Solche durchgreifende Maßregeln des Kaisers erregten die größte Besorgniß bei der Geistlichkeit, besonders des römischen Hofes. Da machte sich 1782 der Papst Pius VI. auf den Weg und fuhr nach Wien, um durch sein persönliches Ansehen und seine Ueberredungen den Kaiser von seinen Neuerungen zurückzuhalten. Joseph II. empfing das Oberhaupt der katholischen Kirche mit der größten Feierlichkeit und Höflichkeit, ließ sich aber auf keine Unterhandlungen ein und der Papst mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen.

 

9. Kaiserliche Worte und Thaten.

In der Verwaltung des Staatswesens wollte Kaiser Joseph blos höchster Verwalter des Staates sein. Deshalb litt er keine Unterhändler und Vermittler zwischen sich und dem Volk. Vor der Thür des Kabinets, in welchem er vom frühen Morgen bis spät in die Nacht arbeitete, standen immer viel Leute jedes Standes, denn Jeder durfte frei zu dem Kaiser kommen und mit ihm reden. Da ging Joseph von Stunde zu Stunde hinaus, nahm ihnen ihre Bittschriften ab und führte sie auch wohl in sein Zimmer, daß sie ihm Alles sagten, was sie auf dem Herzen hatten. Schon seine edle Mutter hatte große Verbesserungen eingeführt, vornehmlich die Abschaffung der Folter, der Hexenprozesse und der Inquisition. Joseph erwarb sich ewigen Ruhm, indem er die so lange unterdrückten Juden durch Bildung und Recht den übrigen Staatsangehörigen in Oesterreich gleichzustellen suchte und indem er 1781 die Leibeigenschaft der Bauern aufhob. Dabei sprach er die echt kaiserlichen Worte: »Es ist ein Unsinn, zu glauben, daß die Obrigkeit das Land besessen habe, bevor es noch Unterthanen gab.« Zum Beweise, wie hoch er den Bauernstand ehrte, trat er einst aus einer Reise durch Mähren zu einem Bauer, der auf dem Felde pflügte, ergriff den Pflug und ackerte selbst eine Strecke Landes. Die mährischen Stände bewahrten diesen Pflug, den des Kaisers Hand geführt hatte, zum Andenken.

 

10. Unglückliches Ende.

So gut es nun auch der wackere Kaiser mit seinen Unterthanen meinte, so wurden doch seine Absichten von den Meisten verkannt; ja Viele arbeiteten ihm recht absichtlich entgegen. Statt geliebt zu werden, wie er so recht verdiente, erntete er nur Haß und Undank. War dies schon in seinen deutschen Staaten der Fall, so war es noch mehr in Ungarn und in den österreichischen Niederlanden. Ungarn, als ein besonderes Königreich, hatte noch seine eigenen Gesetze und Freiheiten; auch wurden die Gerichtsverhandlungen in lateinischer Sprache geführt, die fast jeder Ungar verstand. Aber Joseph wollte, daß alle seine Länder ein gleichmäßiges Ganzes ausmachen sollten und befahl daher, daß künftig auch in Ungarn die deutsche Sprache die allgemeine Geschäftssprache sein sollte. Wer von den Beamten sie in drei Jahren nicht verstünde, sollte sein Amt verlieren. Das zu fordern, war aber eine große Ungerechtigkeit und Härte, und brachte die Gemüther in Gährung, die sich noch vermehrte, als auch die bisherige Regierung des Landes noch verändert wurde.

Noch schlimmer ging es in den Niederlanden, dem jetzigen Belgien. Hier machte er mehrere sehr nützliche Einrichtungen, die besonders einen besseren Unterricht der Geistlichkeit bezweckten. Aber gerade darüber waren die Bischöfe aufgebracht und hetzten das über manche Neuerung schon unzufriedene Volk noch mehr auf. So brach im Jahre 1788 ein förmlicher Aufruhr aus; Joseph gab nach, aber es war zu spät. Mit Gewalt konnte er nicht viel ausrichten, da seine Heere gerade gegen die Türken fochten, und so mußte er es erleben, wie sich seine niederländischen Provinzen für unabhängig erklärten. Der Feldzug gegen die Türken endete auch unglücklich und so wurde die ohnehin schon angegriffene Gesundheit des Kaisers völlig erschüttert durch den Kummer, der fortan unaufhörlich an seinem Herzen nagte. In Ungarn hatte der Adel sich erhoben und das Volk gegen den Kaiser aufgereizt. Joseph, siech und mit gebrochener Kraft, sah sich genöthigt, alle seine Verordnungen zurückzunehmen.

Im Bewußtsein, das Gute gewollt zu haben, sprach er: »Ich wollte, man schriebe auf mein Grab: Hier ruht ein Fürst, dessen Absichten rein waren, der aber das Unglück hatte, alle seine Pläne scheitern zu sehen.« Er starb am 20. Februar 1790.


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