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X. Der deutsche Humor.

Der Humor ist eine Notdurft für den Menschen, welcher das Ideal nicht mit der Wirklichkeit und sein Bewußtsein nicht mit seinem Gewissen versöhnen, der seinen Verstand nicht mit seinen Leidenschaften balancieren kann. In einem harmonisch gebildeten, naiven, gläubigen Gemüt oder in einem Menschen, der etwas Tüchtiges leistet und mit heiligem Ernste erstrebt, ist kein bleibendes Schisma, kein Dualismus, also auch kein Humor.

Im Süden, wo die Sinnlichkeit des Menschen besser mit seinem Geiste, also der Realismus besser mit dem Idealismus verschmolzen ist als im Norden, gibt es wohl naturwüchsige Heiterkeiten, aber keinen Humor nach englischem oder norddeutschem Begriff und Geschmack. Er ist erst da möglich, wo es zum Bruch zwischen Natur und Geist, zwischen immanentem und transzendentem Verstande gekommen ist. Die heilen alten Griechen hatten keinen Humor, die Frauen zeigen ihn selten, und die Kinder Gott sei Dank nie, weil es bei ihnen noch nicht zur Katzbalgerei zwischen Natur und Kultur, zwischen Phantasie und Wirklichkeit, zwischen Pflicht und Leidenschaft und zwischen allen andern Lebensfaktoren kommt. Der Glückliche, der Liebende, der Zufriedene, der Tugendhafte hat selten Witz und Humor.

Wenn wir aber weder zu den Glücklichen und Liebenden, noch zu den Zufriedenen und harmonisch Versöhnten, noch zu den Kindern und Frauenzimmern, noch zu den klassischen Griechen oder zu den naiven Italienern und Franzosen gehören, weil wir ferner deutsche Männer und in der Masse keine vollendeten Dichter und Künstler, keine Weltweisen, keine Helden, auch keine Heiligen und Tugendspiegel sind: so müssen wir durch unsern natürlichen Humor beweisen, daß wir weder Heuchler noch Kulturaffen noch indolente Dummköpfe, daß wir keine Geschäftsautomaten sind; so müssen wir beweisen, daß in uns das Ideal mit der gemeinen Wirklichkeit und die Norm mit den Abnormitäten und Gebrechen der Persönlichkeit ringt.

Nicht selten war sonst der Humor eine Rettungsanstalt für altgewordene sentimentale Kerle, die ihre natürliche Herzensweichheit und Leidenschaftlichkeit mit Ironie und Witz maskieren oder balancieren wollten. Die herzlosen und unpersönlichen, aber geschmackvollen und »harmonisch gebildeten« Modernen befinden sich gar nicht mehr in dem abgeschmackten Fall, Diskrepanzen mit Humor auszuflicken.

Die Zerwürfnisse der menschlichen Natur können verschuldet und unverschuldet, tief und flach, wahr und gelogen, und so kann auch der Humor eine Naturnotwendigkeit, so kann er die spielende Freiheit des Gemüts, der Gemütswitz, oder andernfalls eine widerwärtige Originalitätssucht und Selbstschwelgerei, eine forcierte Zwiespältigkeit sein.

Goethe ist kein Humorist, weil er eine antik geartete, harmonische Natur, einen immanenten Verstand, einen alle Zerwürfnisse beherrschenden Schönheits- und Formensinn und keinen hyperspekulativen Geist oder auch nur zu viel überschüssige Seele besitzt. Jean Paul weiß seine Phantasterei, seine Idiosynkrasie und Empfindsamkeit nicht mit seinem Detailverstand zu versöhnen, noch weniger versteht er seinen Idealsinn in schöne Formen zu kleiden oder seine diskrepanten Fakultäten und gelegentlichen Exzentrizitäten zu balancieren; also maskiert er sein persönliches Malheur, d.h. den Mangel des Formensinns und die Brüche seines Lebens, mit einem Humor, der in seiner Maßlosigkeit den Rest von Form, von Schönheitssinn und gesundem Kunstverstande zerstört.

Callot-Hoffmanns Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) hatte den Beinamen »Callot« (nach dem französischen Zeichner, Kupferstecher und Radierer Jacques Callot, 1592 –1635) durch die Herausgabe seiner »Phantasiestücke in Callots Manier« (1814) erhalten. Humor zeigt so viel geniale Phantasie mit so viel Aberwitz, so viel barocke Idiosynkrasieen mit so viel schönen Sympathieen, so viel echten bildkräftigen Verstand mit so viel verschuldeter, gemachter Monstrosität, daß man nicht mehr herausbringen kann, wo Narrheit und Wahrheit, wo Witz und Aberwitz sich scheiden, wo die Verzweiflung aus der Selbstschwelgerei oder diese aus jener hervorgeht. – Hoffmanns pathologischer Humor ist jedenfalls ein nordischer Kaktus, ein für jedes andere Volk unfaßliches Produkt der deutschen Natur- und Kulturgeschichte, die ein apartes Buch erheischt wie der krause, aber gesunde Humor Jean Pauls.

Schiller war trotz seines transzendentalen Geistes nicht Humorist, weil ihm der Detailsinn und Verstand für die Wirklichkeit fehlte.

Seine männlich ernste Natur und die Energie seines sittlichen Geistes hoben ihn über den Widerspruch des Ideals mit der Wirklichkeit hinweg. Er haßte unschöne Formen und bucklichten Witz. Er war zu tätig, zu sehr mit den Ideen und zu wenig mit den Miseren des Lebens oder mit seiner Persönlichkeit beschäftigt, um das Bedürfnis und den Kitzel des Humors zu empfinden. Es fehlte ihm dazu an einem Genrewitz, aber auch an Zerwürfnis, an Eitelkeit, Phantasterei und Selbstkoketterie.

Ein großer Glaube, ein heiliger Ernst und eine rastlose Arbeit lassen es, wie gesagt, nicht zu der Ironie, zu der Stimmung kommen, welche entweder die Wirklichkeit oder das Ideal, die Natur oder den Geist verneint und so einen Bruch herbeiführt, der durch Witz verkleidet und momentan geheilt werden soll.

Klopstock war aus ähnlichen Gründen wie Schiller kein Humorist; ihm war es mit seinem Glauben an Menschenwürde und Jenseits, an deutsche Naturkraft und deutsches Christentum ein heiliger Ernst.

Lessing hatte zu viel Geschmack und Harmonie, zu wenig Phantasie und transzendentale Seele, zu wenig exzentrischen Geist, um die barocken Formen des Humors herauszubilden. Er war keinen Augenblick ein forcierter, ein bizarrer Charakter, er war vielmehr ein antiker, kerngesunder Verstand, der sich nur an die Wahrheit der Sachen und weder an eine fremde noch an seine eigne Persönlichkeit hielt.

Herders gelöster Geist und seine transzendente Seele folgten gleichwohl dem mächtigen Zuge seiner Ideen. Sein Genius wurde von den Gemeinheiten der Wirklichkeit nicht beirrt, er kannte sie aus seiner Knabenzeit, und sie widerten ihn an. Wer wie Herder und Schiller mit der Geschichte und Philosophie, oder wie Goethe mit der Natur, oder wie Lessing ganz und gar mit der Literatur und ihrer idealen Form getraut ist; wer eines, und zwar ein Großes, mit ganzem Geiste, mit heiligem Ernste will; wer sich nicht zu viel mit den Gegensätzen des Lebens, mit den Zweideutigkeiten und Widersprüchen aller Begriffe, nicht zu viel mit seiner Person oder mit andern Persönlichkeiten und Miseren beschäftigt, wird kein Humorist.

Ein Volk, welches humoristische Elemente aufzeigt, wie das norddeutsche Volk, gehört zwar einer höheren Geistespotenz und einem Kulturprozeß, welcher eine Zukunft in sich schließt, aber Zersetzungen, verlorne Balancen, Sonderbarkeiten, Häklichkeiten, Wurmstichigkeiten, Miseren, Geschmacklosigkeiten und Zynismen nehmen wir mit dem Humor gewöhnlich in den Kauf.

Die Weltanschauung des deutschen Humoristen besteht darin, daß er nicht schlechtweg an die Verwirklichung der Ideen und am wenigsten in einem bestimmten Individuum glaubt, daß er sich namentlich nicht überzeugen kann, er selbst sei der Träger dieser oder jener Idee eben in diesem Augenblick.

Der Humorist vom alten Stil mochte nicht einmal die Möglichkeit zugeben, das Ideal könne mit den Gebrechen seiner körperlichen Erscheinung und Persönlichkeit versöhnt werden, und falls er dies zugegeben hätte, so war er wieder zu schämig und zu verständig, um das Wunder einer Inkarnation des Ideals an seiner eignen Persönlichkeit oder Kunst zur Schaustellung gebracht zu sehn. Diese Scham und dieser vorherrschende Verstand ist der Grund, warum ein preußischer Humorist mit Widerwillen einen Jubilar abgibt, warum er nicht gerne stille hält, wenn man ihn bekränzen, ansingen, andeklamieren und mit ihm Komödien spielen will, an denen sich andere Leute illuminieren und berauschen. Der preußische Humorist begreift mehr wie ein anderer, daß es um alles menschliche Verdienst nicht weit her ist, daß dieses Verdienst nie erwiesen werden kann, und daß es im tugendhaftesten Falle durch hundert Gebrechlichkeiten und unkontrollierte Sünden aufgehoben wird.

Ohne Zweifel kann jeder Verständige begreifen und erfahren, daß Gewohnheit, sittliche Mechanik und ein russisches Muß aus allerlei Leuten Tugend- und Verdiensthelden machen können, und daß eine Wandelleiche sich weder zu den Honneurs für die idealen und schwunghaften Intentionen der Festgeber noch zu einer Selbstgratulation schicken will. Überdies bringen wir bei keiner Feierlichkeit heraus, ob die Leute ihre eigne Eitelkeit und Wichtigkeit oder die des Gefeierten und die Bedeutung der Sache im Sinne haben. In allen Fällen aber wird ein toter oder lebendiger Jubilar zu einem Stimulations- und Berauschungsmittel verbraucht. Der preußische Jubilar begreift außerdem, daß ein Mensch, der heute bejubelt oder verjubelt und auf der Spitze seines Lebens angekommen ist, morgen nicht unbefangen oder gar mit der richtigen Miene zum Vorschein kommen kann; denn die Jubelleute pflegen dann ausgenüchtert und von ihren eignen Affektationen angewidert zu sein. Der moralische Katzenjammer macht seine Rechte geltend, und die Menschen können es keinmal verzeihen, daß man ihre Miseren an den Tag bringt, ob mit oder ohne Verschuldung, gilt gleichviel. Aber auch von diesen Inkonvenienzen abstrahiert, so begreift der preußische Humorist, daß ein Jubilar gewissermaßen mit dem Ehrentage für dies Leben abgefunden ist, und daß die Welt sich nicht drein finden kann, wenn so einer noch weiter spielen und leben will, dem man sozusagen ins Grab geschossen hat.

Mein alter humoristischer Papa steht mir heute noch vor Augen, wie er bei Jubiläums- und Zeitungsspektakel, wenn derselbe seine Bekannten anging, mit kuriosem Ingrimm und nimmer zu kopierendem Gebärdenspiel folgendes bei Gelegenheit der Vermählungsfeier einer braunschweigischen Prinzessin zu Anfang des 18. Jahrhunderts gereimtes Hochzeitskarmen uns im Rezitativ zum besten gab:

»Eitler Wahn, Dummerjahn!
Siehst du denn die Königskronen
Nur für leere Vizebohnen
Und für Puppenkränze an?
Horch, die schmetternden Kanonen
Brummen freudig ihr Bumm, Bumm!
Und die Infanterie von hinten
Löset die gelad'nen Flinten
Um das Schloß herum, Bumm, Bumm!«

Die humoristische und ironische Art des Ostpreußen hat ihren Grund nicht nur in einer geistigen Jungfräulichkeit, einer Verschämtheit des innersten Menschen, wie sie z. B. Friedrich Wilhelm III. charakterisierte, sondern im Verstande und in einer Wahrheitsliebe, welcher jedes Pathos und jede Emphase als eine unausstehliche verächtliche Affektation erscheint. Der nordische Preuße beherbergt gleichsam zwei Menschen, einen Verstandes- und einen Gefühlsmenschen, in sich. Wenn dieser sich etwas Menschliches beigehn läßt, so macht der Verstand seine Grimassen dazu. Der Preuße glaubt immer nur einen Augenblick an die ideale Welt und an sein Gefühl. Hat er sich mit seinem Herzen ein Dementi gegeben, so gießt er gleich Wasser auf die Begeisterung, und wenn's dann sprudelt und zischt, so findet der Humor seine Rechnung und Satisfaktion. Es darf kein echter West- oder Ostpreuße sich unter seinen Bekannten auch nur eine augenblickliche Deklamation und Ekstase beigehn lassen, wenn er nicht riskieren will, daß ihm eben sein bester Freund auf die Achsel klopft und, phlegmatisch gähnend, laut ins Ohr sagt: »Mensch, mach' dich doch nicht zum Narren!« Dieser scharfkristallisierte Verstand, welcher jede Sentimentalität, jeden Schatten von idealer Exzentrizität und Ostentation im Interesse einer nüchternen Wahrheitsliebe persifliert, ist der Schlüssel zu dem Wesen von preußischen Charakteren wie Bülow, York und Stein, welche sich keinen Augenblick mit schwunghaften Worten, Gebärden und Stimmungen das pränumerierten, was erst durch Taten erworben werden sollte. Von solcher männlichen Wahrhaftigkeit hat kein Franzose und kein Südländer einen Begriff.

Der Humor des englischen Volks ist gesunder und derber als der des Irländers und des Deutschen und beruht ähnlich dem Humor des Ostpreußen auf dem reflektierten Kontrast zwischen dem eignen derben Naturalismus und der modernen Weltkultur, zwischen der bizarren, gewalttätigen Persönlichkeit und der nordischen Sittenstrenge, welche die Norm respektiert wissen will. Der englische Humor geht aus einem berechtigten Selbstgefühl und kerngesunden Witz hervor; aber auch zugleich aus seinem Zynismus und Profansinn, die leicht so schamlos in Worten und Werken werden, daß sie Reaktionen des Gewissens hervorrufen, die im gemeinen Volke, bei Matrosen und Fischweibern, mit bestialen Gemeinheiten übertäubt werden. Selbst der Humor der gebildeten Stände Englands maskiert nicht selten viel tiefer gehende Diskrepanzen, Miseren und Ungeheuerlichkeiten, als in dem Leben der gebildeten Klassen in Deutschland zum Vorschein kommen. Der Humor des irischen Volkes zeigt die tragische Wahrheit, daß ein seelenvolles, phantasiebeschwingtes und geistreiches Volk, ein solches, welches in humoristischen Märchen und Liedern den Bruch zwischen Naturalismus und Idealsinn zurückspiegelt, den Zusammenstoß mit einer viel plumper, aber gesunder, kräftiger organisierten Rasse nicht aushalten kann. Je nach den Bildungsprozessen, je nach der Geistespotenz, der Gemütstiefe eines Volkes oder Individuums wird auch sein Humor ein flacher oder tiefer, ein profaner oder mystischer sein. Das deutsche Volk hat mit den alten Ägyptern die Sterbephilosophie, die Melancholie gemein, und so wird auch der deutsche Humor aus Tod und Leben zusammengestrickt.

Wie die Schattenlinie, welche jeden Körper umsäumt, ihm die Form gibt und ihn durch dieselbe sichtbar macht, so bringen die Schatten des Todes das Leben zum Bewußtsein, so reifen sie den Geist. Die Formen und Konsequenzen dieser Selbstanschauung des Geistes am andern, an der Materie, nennen wir den »Verstand«. Er begreift zwar nicht die Materie an sich, Wohl aber merkt er auf die Formen, in welchen sich Geist und Materie ineinsbilden, lösen, suchen und fliehen; er begreift aus tausend Tatsachen, aus zehntausend inneren und äußeren Erlebnissen, daß Subjekt und Objekt, daß Geist und Materie, daß Tod und Leben eines, und daß sie gleichwohl ein unbegreiflicher Dualismus sind, dessen Faktoren sich unaufhörlich neutralisieren und gleichwohl polarisieren. So geschieht es, daß der Verstand selbst ein Dualist wird, der Tod und Leben nur Augenblick um Augenblick zusammenzureimen versteht.

Wer diesen Dualismus nicht als das Agens und die Erscheinungsform aller irdischen Geschichten gefaßt hat, der besitzt wenigstens keinen deutschen Verstand; der begreift nicht den Untergrund des deutschen Humors, welcher auf einem Versteckspiel von Subjekt und Objekt, von Natur und Übernatur beruht. So wenigstens spielt der Humor bei Hippel Vgl. S. 20, Anm. 3. und Jean Paul.

Eine den Deutschen eigentümliche Erscheinung ist der Geschmack an einer gewissen Art von Unsinn in Worten und Werken, ja der entschiedene Hang dazu. Ich erkläre ihn mir aus einer Reaktion der starken deutschen Sinnlichkeit gegen die ebenso mächtige Schulvernünftigkeit, Förmlichkeit und Pedanterie. Wie dem auch sei, so hilft dieser, im Familienleben, in der Schule und in den Lehrjahren gepflegte deutsche Aberwitz gewisse Elemente des Humors, des Volksmärchens, der Sprüchelchen bei Kinderspielen und viele deutsche Absonderlichkeit erklären, welche der Pedant schlechtweg für Narrheiten ausgibt. Es gibt sich aber auch in denselben das Bedürfnis des Deutschen nach einer Erholung von seinem melancholischen Tiefsinn und seinen Gewissensbeängstigungen kund. Der deutsche Ernst und die deutsche Vernunft brauchen ein Gegengewicht und finden es sehr natürlich im Scherz. Der Unsinn aber in Klangreimen, in kuriosen Worten, Wortspielen, Redefiguren und ganzen Geschichten u. s. w. befriedigt zugleich mit dem Scherze auch noch die deutsche Vorliebe für das Absonderliche, Wunderbare und Abenteuerliche, das unbändige Freiheitsgelüst, die Willkür und Launen der Person.

Der Meister und Genius aller kapriziösen Phantasiefreiheiten und inwendigen deutschen Abenteuer ist unser Callott-Hoffmann. Seine psychologischen, man könnte sagen, seine romantischen Tollhausnovellen sind eine Verhöhnung, eine Verzweiflung des Verstandes an ihm selbst. Die Seele, die Phantasie, die Musik und die Malerei wuchsen dem Poeten über den Kopf. Er zerbrach in einem närrisch schönen Rausch, als eine Art von nordischem Backchos, seine Grammatik, seine Logik, seine Ästhetik und Jurisprudenz; er zerbrach das künstliche Räderwerk seiner Kultur, seiner Schulpoesie – und die Phantasie kittete die Fragmente mit ihrem flüssigen Gold und Silber, mit ihren Füttern und Farben und ihren unsagbaren andern Ingredienzien im halbwachen Traumdelirio so bunt zusammen, wie wir es alles im »Klein Jaches«, im »Kater Murr«, im »Sandmann«, im »Goldnen Topfe« finden. Hoffmanns Novellen sind ein Potpourri von Witz und Aberwitz, von Phantasierausch und Katzenjammer, von Romantik und Trivialität, von Blasiertheit und glühender Leidenschaft, von inneren Geschichten und kritischen Bissigkeiten, von Idealsinn und Bizarrerie, von Bildkraft und Zerstörungsgelüst, welches gleichwohl ganze Bibliotheken von französischer Romantik wie von französischer Klassizität aufwiegt.


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