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VII. Parallele zwischen deutschen und französischen Frauen.

Wachenhusen Der deutsche Schriftsteller und Kriegskorrespondent Hans Wachenenhusen (1827–98) lebte zeitweise in Paris, das er in mehreren Schriften schilderte. führt in seinen Skizzen der »Frauen des Kaiserreichs« Berlin 1858. eine Stelle von Alphonse Karr Französischer Schriftsteller (1808 bis 1890), der sich besonders durch seine » Guêpes« (Wespen), einer Sammlung von Witzen, beißenden Anekdoten und literarischen Kritiken, bekannt machte. Die hier angeführte Stelle scheint daraus entnommen zu sein. an:

»Die Pariserin weiß sich mit so viel Geschicklichkeit und Grazie eine Menge von Dingen anzueignen und anzupassen, die ihr gar nicht gehören, daß sie aus ihren natürlichen und erborgten Eigenschaften ein Gemisch von Reizen macht, welches schwer zu entwirren und zu unterscheiden ist, so daß man also, ohne es zu merken, in einer Pariserin ebensoviel Seide wie Körper, ebensoviel Bandschleifen wie Haar zu lieben gewohnt ist.

»Es erscheint, als wüchsen und blühten die Blumen in ihrem Haar wie die Kornblumen im Felde; es erscheint, als gehörten die Spitzen ihrem Nacken, wie die Federn dem Kolibri gehören; als gehöre ihr die Robe, die sich hinter ihr bauscht, wie das Rad dem Pfau gehört.«

»Der Hof«, sagt Wachenhusen, »ist in Paris das Urbild des guten Geschmacks. Eine Robe der Eugenie, Der Gemahlin Kaiser Napoleons III. eine neue Fasson ihrer Toilette oder irgend eine andere Variation schlägt wie ein elektrischer Funke in die ganze dem Hofe verwandte Sphäre, von da in die übrige Aristokratie des Geldes, des neuen Adels oder der Korruption, welche letztere übrigens die beiden vorigen schon in sich schließt. Die Frau des höheren Beamten, des Bankiers und die Lorette beider verlangen sofort dieselbe Robe; der Unglückliche steht da wie eine allumette entre deux feux; Französisch: ein Zündhölzchen zwischen zwei Feuern. und seine Lorette trägt in der Regel den Sieg über seine Gattin davon. Das ganze Heer der femmes entretenues Französisch: ausgehaltenen Frauen. macht sich mobil auf die Nachricht der neuen Mode und schleppt seine Anbeter zur Schlachtbank, d.h. zum Modemagazin. Zahllos sind die Wechsel und die Schulden, die durch die neue Robe verursacht werden, denn wer vermöchte so gerechten Ansprüchen der Schönheit zu widerstehen!

»Aus den Laufgräben vor Sebastopol Der russische Kriegshafen auf der Krimhalbinsel, der im Krimkriege am 8. September 1855 nach elfmonatiger Belagerung von den vereinigten Heeren der Franzosen, Engländer, Türken und Sardinier eingenommen und zerstört wurde. können nicht so viel Seufzer zum Himmel gestiegen sein, die Eroberung des Malakoff Ein Turm in der Verteidigungslinie der Russen auf der Landseite von Sebastopol. kann nicht so viel Wunden geschlagen haben, als diese neue Mode verursacht. Ja, wenn die Hülfsmittel der einzelnen so unerschöpflich wären, wie es die Hülfsmittel Frankreichs sind! Während sie in ihrer neuen Toilette à l'imperatrice im › Pré CatelanEin öffentliches Ball- und Gartenlokal in Paris. stolziert und vielleicht eine neue Eroberung macht, wandert er als das Opfer derselben nach Clichy, dem Schuldgefängnis, und preist in der Einsamkeit die Unerschöpflichkeit der Hülfsmittel Frankreichs, die selbst dem Unglücklichsten noch ein freies Obdach gibt.

»Es ist unglaublich, über wieviel Leichen, über wieviel ›getötete‹ Sammetmobiliare eine Französin, ohne hinter sich zu blicken, hinwegsteigen kann, nur um ihren Garderobeansprüchen zu genügen. Die Unsterblichkeit der Seele ist eine Kleinigkeit, ein Vorurteil gegen die himmlischen Wonnen, welche eine kostbare Robe zu gewähren vermag; alle Freuden des Jenseits, was sind sie gegen eine Spazierfahrt durch die Champs elysées und den Pré Catelan? Kann das Paradies schöner sein als dieser? Brennen dort so viel Lampen, ist jenseits so himmlische Musik, hat jemand die himmlischen Heerscharen schon singen gehört, um ihre Melodieen mit denen im Pré Catelan oder im Concert Musard Musard (gest. 1853) war ein seinerzeit sehr beliebter Dirigent großer öffentlicher Konzerte in Paris. vergleichen zu können? Gibt es jenseits Voituren de remise Französisch: Mietswagen. gibt es Jupons, Unterröcke. gibt es Glaciertes dort, gibt es steinreiche Russen, Acajoumöbel Mahagonimöbel. und Pensionen von zehn- bis zwanzigtausend Francs? Tanzt man Quadrillen dort wie hier unter dem Feenzelt? Kann man im Paradiese wie hier im Pré Catelan in den magischen Schatten der Gebüsche treten und dem Geliebten zuflüstern: ›Oskar, wie lieb' ich dich, aber ich brauche morgen tausend Napoleons, und wenn du sie nicht hast, so muß ich dem reichen Walachen mein Wort geben!‹ Gibt es Preziosen und Geschmeide dort oben? Rauscht man dort in schweren Brokatroben über die Gefilde der Seligkeit? Kann man seine Nebenbuhlerinnen dort stolz über die Achsel ansehen? Kann man dort in die Logen der Oper fahren und triumphierend die betrogene Gattin des Geliebten belorgnettieren? Kann man, mit einem Worte, im Himmel so selig sein, wie man es hienieden ist? Nein, im Himmel ist alles moralisch – es lebe der Leichtsinn!«

Die Vorzüge der deutschen Gemütsbildung, der deutschen Frauennatur treten an einer Charakteristik der Französinnen am wirksamsten hervor. Zu einer solchen werden also hier einige Grundzüge am Orte sein.

Die Pariser Loretten, die femmes entretenues, sind von Wachenhusen im Stile eines van der Werff Adrian van der Werff (1659–1722), holländischer Maler, dessen Schäferstücke und Bildnisse sich durch glatte, aber kalte Eleganz der Ausführung auszeichnen. illuminiert worden. Ich habe es hier aber nicht mit dem gleißenden Auswurf und den Kandidaten des Spitals, sondern mit den Schichten zu tun, durch welche die sogenannten Gesunden repräsentiert werden. Eben an ihnen kann man bereits die sanktionierten und regelmäßigen Exzesse, die also keine solchen sind, à priori konstruieren. An den Franzosen beiderlei Geschlechts bewahrheitet sich die heutige Grundanschauung der deutschen Mediziner, daß die Pathologie auf die Physiologie reduziert werden müsse, weil die Krankheiten nur als die Phasen, als die Variationen der sogenannten Gesundheit oder Normalität sein können, welche heutzutage ein ebensolches Phantom als der Begriff der Krankheit zu sein scheint. Paris lehrt uns, daß die Gesundheit des Leibes wie der Seele in einer Riesenstadt wie London, Paris oder New York nur eine verhüllte Pest und Pathologie ist, die in ihrer Reife alle die scheußlichen Miasmen und Korruptionen entwickelt, welche die pathologische Knospe enthielt, und daß diese Pestbeule unmöglich in etwas andrem als in der natürlichen Erbschaft einer sozialen Kulturbestialität zu Recht bestehen kann. In Paris beglaubigen sich aber nicht nur die modernen Mediziner, sondern die Herren »von Stoff und Kraft«, welche die Psychologie auf Physiologie zurückgeführt haben.

Die Pariser Franzosen und Französinnen scheinen in der Tat nichts weiter als die Flaschenhomunculi des modernen sozialen Chemismus, des Pariser Nationallaboratoriums, als die unzurechnungsfähigen Produkte einer Kulturbarbarei zu sein, durch welche sich die göttliche Natur des Menschen (das Ebenbild Gottes) auf raffinierte Sinnlichkeit, auf einen krepierten Geistesschematismus, auf eine Verstandesmechanik reduziert sieht.

Wer ein gesundes Auge und gesunden Menschenverstand hat, der kann bereits auf der Berliner oder Wiener Börse die Pariser »blasierten Haifische« herausfinden. In Paris selbst ist jeder Student, jeder Calicot Ladenschwengel; nach einer Person in Scribes » Le combat des Montagues«. [Handlungsdiener] oder junge Blusenmann ein » viveur« (rektifizierter Roué).

Was hält denn in den Zeiten des Materialismus, der Verstandes- und Luxusreligion, in den Zeiten des freigegebenen Sinnengenusses und einer Konkurrenz aller für alles den Menschen noch im Zaum als Phlegma, Blödigkeit, Geistesbeschränktheit, Armut, sittliche Gewohnheit und Polizei? Bei der heutigen Aufregung, Aufklärung, Sittenemanzipation und nivellierenden Lebensart erblicke ich in jungen Leuten aller großen Städte der Anlage und der Erziehung nach » viveurs« mit mehr und weniger Talent, Geld, Dreistigkeit und Temperament. Die deutschen Frauen sind, dem Himmel sei Dank, noch durch Scham und deutsche Sitte von dem französischen Sozialphantom sonnenweit entfernt; aber die »höhern Töchterschulen«, die modernen Sprach- und Literaturstudien, die erbärmliche Galanterie der Männer eröffnen auch dem deutschen Volke echt französische Perspektiven.

In Paris selbst sieht ein Psychologe an der solidesten Frau alle natürlichen Anlagen zu dem überfirnißten Ungeheuer, das uns in der Lorette und den Frauen der » demi-monde« entgegentritt. Denn ein Weib ohne Seele, ohne Kraft des Herzens, ohne Scham und Religion ist durch nichts als sittliche Gewohnheit, durch Zwang, durch Furcht oder Indolenz abgehalten, eine Hetäre zu sein. Die Französin ist aber, ihrem Naturell zufolge, weder furchtsam noch träge oder phlegmatisch, noch steht sie sich von der Sitte oder vom Manne in einem sittlichen Gleise erhalten: also geschieht es, daß die kleinen weiblichen Teufel auf den ersten Wink des höllischen Geistes, welchem Paris übergeben ist, in Szene springen.

*   *   *

»Verhöhne die deutsche Frauensentimentalität mit und ohne Affektation, wer da wolle; ich für mein Teil habe die Erfahrung gemacht, daß deutsche Empfindung bis ans Ende des Lebens aushalten, daß die deutsche Ehe eine Vergeistigung und Veredlung der bräutlichen Liebe werden kann; daß mit der deutschen Sentimentalität das wahrhaftigste und intensivste Seelenleben, eine unwandelbare Treue, eine transzendente und immanente Kraft des Gemüts getraut sein kann. Ich halte daran fest, daß der männlich geartete Mann, daß der schwer zu lösende Geist des deutschen Mannes eben ein deutsches Weib mit leicht gelöster Seele braucht, und daß es eben die weiblich gearteten, verschwiegen sentimentalen Mannsbilder find, welchen die männlich geartete, antik-naive, die sinnlich-verständige, plastisch-keusche Römerin konveniert und imponiert. Ein männlich gearteter Mann fühlt sich nur durch ein weibliches Weib ergänzt.«

»Der Mensch und die Leute« von B. Goltz.

Die Französin, gleichwie die Italienerin und Spanierin, ist energisch, tatkräftig, von scharfakzentuierter Willenskraft; aber sie ist auch herrschsüchtig, dünkelhaft, übermütig, intrigant mit wenig Spuren derjenigen Hingebung, Demut und Bescheidenheit, welche nicht nur das Wesen der deutschen Frauen, sondern der Weiblichkeit überhaupt ausmachen. Die deutsche Frau aber zeigt sich vorzugsweise als Weib, weil sie immerdar auf den Mann und die Familie bezogen bleibt. Die Französin stellt sich, wie Mundt Theodor Mundts (1808 – 61) geistreich schildernde »Pariser Kaiserskizzen« erschienen 1857 zu Berlin. treffend in seinen »Kaiserskizzen« sagt, »als ein in seiner eignen Bedeutung ruhendes Charakterbild, als eine unabhängige und die Verhältnisse mit überlegenem Verstande beherrschende Persönlichkeit dar«. Das aber ist eben ihre Amazonenhaftigkeit, ihre Unnatur, ihre Unweiblichkeit, durch welche die Männer nach vielen Seiten hin weibisch geworden und viele Verhältnisse auf den Kopf gestellt worden sind.

Die Französin hat einen elastischen, raschen, witzig zugespitzten Verstand; aber dieser Verstand ist auch eben darum oberflächlich, unverschämt, profan, intrigant; er ist spitzfündig, nüchtern, mit Phantasterei und Koketterie gepaart, fast niemals beseelt, selten von Ideen getragen, immer im Dienste der kleinlichsten Eitelkeiten und Affekte, immer auf die nächsten Bedürfnisse gerichtet, zersetzend, immer der Sinnlichkeit untertan, also zerfahren, und nur dann konzentriert und seiner selbst bewußt, wenn es einen von den kleinlichen Zwecken, den Eigensinnslaunen und Tyranneien gilt, welche die letzte Genugtuung einer Französin ausmachen. Ihre Grundbewegung und allgemeine Intention ist zwar nicht die Kritik, sondern sinnlicher Affekt und sinnliche Beweglichkeit; aber die einzelnen Augenblicke, wiewohl von keiner idealen Norm, von keiner höhern Idee getragen, sind reflektiert.

Die Französin ist, ähnlich dem jüdischen Handelsmann, sich in allen Augenblicken ihrer nächsten und letzten Zwecke bewußt und verfolgt sie durch vollkommene Beherrschung ihrer Affekte mit solcher Konsequenz und Präzision, daß sie sich keinen kleinsten Augenblicksvorteil entgehen läßt. Darüber hinaus aber, und wo es gilt, die Seele eines Dinges oder eines Verhältnisses, ein fremdes Leben und Streben oder gar die Welt außerhalb Frankreichs zu begreifen, da ist die klügste Französin seelenlos und stupide wie nie eine gebildete deutsche Frau.

Alle die gerühmten Tugenden der Französinnen, nicht nur ihre Geistesgegenwart, ihre Entschiedenheit und Nachdrücklichkeit, ihre Überlegenheit über die Affekte des Augenblicks und die Situation, sondern auch die ausdauernde Tätigkeit und das ausgezeichnete Geschick für die Führung solcher Geschäfte, welche in Deutschland dem Manne zugeteilt sind, beruhen auf einer Verstandesnüchternheit und Verstandesmechanik, auf einer Seelenlosigkeit, auf einer Unfähigkeit, sich zu vertiefen; also auf derselben innern Leerheit, die auch bei uns eben die flachsten Leute zur rastlosesten Geschäftigkeit antreibt. Mag sie der industriellen Welt so nützlich sein, als sie will, so ist sie ein schlimmes Symptom für das Gemütsleben und die innere Poesie eines Menschen; ebenso verrät die Trägheit, der Mangel an Verstand und Geschick einen in Sinnlichkeit versunkenen, ungeweckten oder verpuppten Geist. Die Tugenden der Französin entspringen also nicht nur ihrem geweckten, sondern auch ihrem unbeseelten und sinnlichen Verstande; sie sind nicht nur Zeugnisse ihrer sittlichen Energie, sondern einer garstigen Männlichkeit, durch welche alle weiblichen Tugenden naturnotwendig in Monstrositäten umgewandelt werden.

Die Französin fühlt sich schon zu einer außerordentlichen Geschäftigkeit durch die Menge ihrer alles Maß überschreitenden Luxusbedürfnisse und Eitelkeiten angestachelt; außerdem ist es klar, daß, wenn die Frau die Rolle des Mannes im Hause durchführen will, sie sich an den Erwerbsgeschäften beteiligen muß. Wie bei dieser forcierten und im Dienste der Eitelkeit entwickelten weiblichen Tätigkeit die Pflichten der Mutter und Hausfrau absolviert werden, und ob es für die dahin bezüglichen Einbußen Ersatzmittel gibt, darüber bleiben uns die Apologeten der französischen Lebensordnung und Weiblichkeit die Antwort schuldig. Nicht nur die vornehmen Damen, sondern die meisten Geschäftsfrauen, die Krämerfrauen geben ihr Kind einem Weibe zum Säugen aufs Land. Das Weib kommt jede Woche ein oder zweimal zu Esel oder zu Fuß u.s.w. in die Stadt und produziert den Säugling der liebreichen Mama, die sich eben durch ihre männliche Geschäftigkeit, zugleich aber auch durch ihren dürftigen Körper und durch ihre ausschweifenden Vergnügungen verhindert sieht, des Kindes Amme, geschweige seine Mutter zu sein. Nur eine deutsche Mutter ist eine solche, in welcher sich die himmlische Liebe spiegelt, eine Liebe und Zärtlichkeit, welche das Kind wie eine Gottheit durchs ganze Leben begleitet. Nur das deutsche Weib ist eine Braut, welche dem Bräutigam die Naturmysterien und die Lebenspoesie erschließt; nur das deutsche Weib ist eine Gattin, welche durch ihre Hingebung des Mannes Charakterhärten mildert; nur mit ihr ist eine Ehe möglich, in welcher das weibliche Element mit dem männlichen zum vollkommenen Menschentum verschmilzt.

Man hat zutreffend bemerkt, »die englische und deutsche Frau werde nur durch Bildung und geistige Entwicklung auf die Höhe ihres Geschlechts und ihrer Stellung gehoben, wobei noch die Bedingung hinzukommen müsse, daß sie sich auch im Besitz aller gesellschaftlichen Vorteile und auf dem richtigen günstigen Punkt inmitten derselben befinde. Bei der Frau des Volkes in Frankreich sei es aber der spezifische Organismus der französischen Weiblichkeit, der sich in ihr aus ihren eigenen Mitteln heraus und auf die natürlichste Weise geltend mache. Die französische Weiblichkeit, die ein unvergleichliches Gewächs ihrer eignen Art sei und durch das Verhältnis zum Manne weniger bedingt werde als anderswo, beginne schon auf dieser Stufe und in einer sehr bedeutsamen Gliederung ihre soziale Herrschaft. Die durch alle Stände verbreitete Galanterie des Mannes sei auch in dieser Klasse stets bereit dazu, die Frau als eine besondere Autorität in allen Lebenszuständen anzuerkennen und sich sogar ihrer Leitung anzuvertrauen, bei welcher der Franzose gern an die instinktiven Offenbarungen eines bevorzugten Wesens zu glauben scheine.

»In England und Deutschland finde man kein entferntes Beispiel davon, daß die Frau, namentlich im Stande des Arbeiters, zu einer solchen Autorität zu gelangen vermöchte wie unter den französischen Arbeiterklassen. In England und Deutschland sei der weibliche Teil der Arbeiterbevölkerung gerade der am meisten verwahrloste und preisgegebene; und die Frau, die hier fast niedriger geartet und jedenfalls weniger begabt und geachtet erscheine als der Mann, erhebe sich in der Regel nicht über die rein materielle und tierische Stufe.«

Aus diesen an und für sich ziemlich richtigen Tatsachen werden falsche Folgerungen gezogen, denen ich mit kurzen Bemerkungen begegnen will. Von der Naturwidrigkeit der weiblichen Autorität war bereits die Rede. Was die Frauen der französischen Arbeiterklassen durch ihre bevorzugte gesellschaftliche Stellung an Witz und Originalität gewinnen, das verlieren ihre Männer an Männlichkeit und ihre Frauen an echter Weiblichkeit. Die Erscheinung einer emanzipierten Französin hat für den deutschen Reisenden allerdings des Pikanten genug; aber an sich betrachtet ist eben dieses »unvergleichliche Gewächs« ein stachliger Kaktus mit geruchloser Blüte, den kein Deutscher mit seiner duftigen heimischen Rose und deren Dornen vertauscht. Unsere deutschen Dorf- und Arbeiterfrauen, unsere Handwerkerfrauen sind allerdings nicht so witzig und gewandt, schon weil sie nicht so dreist und seelenlos als die Französinnen zu sein verstehen; aber sie haben dafür unendlich mehr Gemütsbildung, Sittlichkeit und Religiosität, als Frankreich in irgend welcher Schichte der Gesellschaft, geschweige denn in den gemeinen Volksklassen, aufzeigen kann. Die Religiosität der französischen Arbeiterin besteht wie die der Polin, der Italienerin und Spanierin oder Russin in einem Wust von Abergläubigkeit und Furcht, in dunkeln Gefühlen, in einem vom Verstande ganz lospräparierten religiösen Instinkt oder in einem bloß förmlichen mechanischen Gottesdienst und Zeremoniell. Die Französin liest nicht die Bibel, das tut aber die deutsche Frau, und nicht ohne Erfolg auch für ihre sittlichen Begriffe, ihre Anschauung von der ersten Geschichte des Menschengeschlechts und für ihren idealen Verstand, zu dem die Französin kaum die soliden Anlagen zu haben scheint. Eben weil sie so wenig ideales Organ, so wenig sittliche religiöse Weltanschauung, so wenig beseelten und poetischen Verstand, weil sie so gar keine Gemütstiefe besitzt, darum tritt sie, wie alle sinnlich flachen Naturen, so ungeniert, so dreist, so witzig-naiv, so pikant und praktisch-effektiv auf. Tiefere Naturen entwickeln sich langsamer und bleiben verpuppt, wenn ihnen nicht die Schulbildung zu Hülfe kommt. Dies ist der Fall mit der deutschen Frau. Daß die Französin für die Entwicklung ihres Wesens keiner Schule bedarf, bezeugt eben ihren zähern Naturalismus, ihre beschränktere Naturanlage, ihre barbarische Wurzel, ihren naturwilden Keim. Preußischer wilder Rettich und wilder Senf gedeihen ohne Gartenkultur. In dem Maße, als sich das Menschengewächs veredelt, gehört die Schule und der gebildete Verkehr zu seiner Natur. In dem Maße, als eine Rasse barbarisch ist, widerstrebt sie der Schule wie der Kunst, verkümmert und stirbt sie an der Kultur. Die Kulturbedürftigkeit selbst der deutschen Volksfrauen ist also die schöne Diagnose ihrer Kulturdisposition, ihrer geistigen und sittlichen Potenz. Die Verpuppung und Verhüllung dieses Geistes, die größere Verschämtheit, die Witzlosigkeit und Unbehülflichkeit, die Schwerfälligkeit muß naturnotwendig aus der Differenz zwischen Kulturanlage und Schulverstand hervorgehn. Die Frauen des deutschen Volks, weit entfernt, »eine tierische Stufe« einzunehmen, sind im Gegenteil schon um ihres sittlichen und religiösen Fundaments willen viel weniger materiell als die Frauen des französischen Volks. Jene haben bereits das Gefühl und Gewissen, wie die Umgangs- und Bildungsformen der Gebildeten weder zu ihrem Verstande noch zu ihren Lebensverhältnissen passen; sie leisten also auf diese Formen bescheidentlich Verzicht; während die Französin ihre Gefühllosigkeit und Dummheit eben darin an den Tag legt, daß sie die äußeren Lebensarten, die Umgangsformen und das Kostüm der gebildeten Klassen adoptiert. Die Verstandesanlage auch der deutschen Volksfrau ist, verglichen mit dem Verstande der Französin, eine objektive, von sittlichen Impulsen getragene, vernünftige und beseelte Intelligenz. Die Französin hat Sentiments, d. h. affektierte, durch Phrasen hervorgerufene, künstlich forcierte, vorübergehende Gefühle; gelegentliche, sporadische Anwandlungen von einer Empfindsamkeit, die mit Hülfe einer augenblicklichen Phantasterei der deutschen Empfindung ähnlich sehen kann. Die gebildete Französin kann sich in dieser künstlich gemachten Exaltation vielleicht ums Leben bringen und hat doch nur Komödie gespielt.

Das Schauspielertalent ist die Seele jeder gebildeten Französin und so sehr zu ihrer andern Natur geworden, daß sie sich in allen Augenblicken in der Liebe und sogar in der Andacht mit einem Effekt darzustellen sucht, in welchem sich ihre Persönlichkeit, getragen von ihrer Nationalität, präsentiert. Die Französin spiegelt zwar die liebenswürdigen Seiten und feinern Nuancen des französischen Charakters mit der dem weiblichen Geschlecht überall eigentümlichen Eleganz und Delikatesse, aber auch mit einer Koketterie heraus, die mit einer ebenso lebhaften als herzlosen und kalten Sinnlichkeit gepaart zu sein pflegt.

Scharlatanerie ist ein Grundzug der französischen Art und Weise; wie Wahrhaftigkeit und Selbstverleugnung ein Kriterion des deutschen Gemüts. Legt sich bereits jene Unwahrheit, Oberflächlichkeit und Ostentation an den französischen Mannsleuten in einem Grade und mit einer angebornen Virtuosität dar, durch welche der letzte Schatten von Lebensmysterien profaniert und prostituiert wird, so kann man sich wohl denken, was aus den Heiligtümern der Liebe, der Ehe, der Sitte und Religion unter den buhlerischen und diplomatischen Künsten einer gebildeten Französin werden muß. Die französischen Männer machen ihre übertriebene Politur und Politesse, ihre Umgangsbonhommie, welche der ehrliche Deutsche für Herzensdelikatesse nimmt, durch Brutalitäten im Kriege, durch einen gefühllosen Schematismus und Verstandesmechanismus im politischen und sozialen Leben, ja sogar durch einen barbarischen Geschmack in der Poesie und andern Künsten wett.

Die französische Nation bringt wenigstens von Zeit zu Zeit ihre Unruhe durch Apathie und ihre rebellischen Paroxismen durch russische Fügsamkeit ins historische Gleise zurück, aber die Französin fällt von dem Augenblick an wie eine Mongolfiere Vgl. S. 15, Anm. 2. zusammen, wo sie sich ihrer forcierten Affekte, Geschäftigkeiten, Intrigen, Liaisons und all der künstlichen Stimulationsmittel begibt, durch welche sie ihren Zauber über die Männer und ihre soziale Herrschaft ausübt.

Grazie, Witz, Lebhaftigkeit, Schnellkraft und Esprit werden bei der Französin nur aus der stornierenden Sinnlichkeit und ihrem unergründlichen Egoismus bespeist. Mit der Jugend, mit dem Glück und dem Spielraum für beide streift auch die Französin ihre bunte Schlangenhaut ab. Ein alter Franzose ist in seiner sinnlichen Lebhaftigkeit und geckenhaften Galanterie keine erquickliche Erscheinung und kein erbaulicher Repräsentant des Alters; aber eine alte oder von der Mode und vom Glück pensionierte Französin, welcher von allen ihren Zaubermitteln und Talenten nichts treu zu bleiben Pflegt als ihre Geschäftigkeit, ihr Erwerbsinstinkt und ein Geiz, der in der Jugend mit sinnloser Verschwendung kontrastiert, ist die trostloseste Erscheinung, die es geben kann. Die deutsche Frau allein versteht mit Würde und Anmut eine Matrone und Greisin zu sein.

Wenn es für ein Volk eine Garantie des sittlichen Lebens gibt, so besteht sie in der Würde und den Tugenden der Frauen. Wo sie keine rechten Mütter sind, und wo sich in der Mutter nicht das Weib so ausschließend geltend macht, daß von den Muttersorgen und -pflichten alle andern Tätigkeiten und Eitelkeiten absorbiert werden, da sehen sich die Heiligtümer der Natur wie des Geistes säkularisiert, da kommt Unnatur und Korruption in die ganze Geschichte des Volks. Um zu erkennen, was ein Volk vor dem Gesetze der Natur und Geschichte wert ist, muß man die Weiber studieren. Wo sie nicht getreue, hingebend liebende Ehefrauen, fleißige Hausfrauen und solche Mütter sind, in welchen die Liebe zum Kinde alle andern Gefühle zu einer Naturreligion erhöht, wo dieser schönste Kultus nicht die reellsten Menschentugenden aufweisen kann, da gibt es keine glücklichen, zur Arbeit gestärkten Männer, keine von Liebe behüteten, in den Mysterien der Mutterliebe erzogenen Kinder, da gibt es kein Familienleben, kein Familienheiligtum, keine seligen Rückerinnerungen an die Heimat, keine Sehnsucht, kein Gemüt.

Die Familien sind die Eingeweide, die Herzpulse im Körper des Staates. Ohne echte Mütter und Ehefrauen, ohne ein herziges Familienleben gibt es keinen konkreten, vollbeseelten Staat; ohne Familienerziehung bleibt alle Schul- und Weltbildung nur ein abstrakter Schematismus, eine Verstandesinformation. Ein prädominierendes Verstandesleben mit dem Gegensatz einer leidenschaftlichen Sinnlichkeit unterscheidet den Franzosen und alle romanischen Nationen nicht nur vom deutschen, sondern auch vom jüdischen und slawischen Volk.

Selbst im russischen Volke ist mehr Seelenleben, mehr prononcierte Zärtlichkeit, mehr natürliche Weichheit des Gemüts als in Franzosen und Italienern aus dem Volk. Daß wir Deutschen ein gebildetes Seelenleben, ein tiefstes Naturverständnis und ein Gemüt besitzen, in welchem sich Geschichte und Religion einen Geisterleib zugebildet haben, verdanken wir den leicht gelösten Seelen, der Liebe und Zärtlichkeit unserer Mütter, die sich aus Herzensgewohnheiten und Herzensenergieen ein Werktagsgemüt erziehen.

*   *   *

Zum Schluß gebe ich eine Stelle aus dem Referat des bei Cotta erscheinenden »Auslandes« über Michelets Buch von den Frauen. Der gute Mann ist der echte französische deklamierende Hans-Hasenfuß, wie er (um die Redensart meines Freundes zu brauchen) »in Funks Naturgeschichte Gemeint ist aller Wahrscheinlichkeit nach der deutsche Schulmann Karl Philipp Funke (1752-1807) und seine »Naturgeschichte für Kinder« (1808) steht«:

»Michelets größtes Wort, welches er mit Gelassenheit ausspricht, ist ein prächtiger Spruch des alten Hippokrates: ›Das Weib ist Krankheit, der Mann ist Gesundheit.‹ Nicht bloß, daß die Natur bei Verteilung von Schmerzen für die Frau noch eine hohe Extradividende ausgeworfen hat, sondern der weibliche Organismus ist auch infolge der ewig wiederkehrenden Keimbildung oder der Fruchtabstoßung in einem krankhaften Zustande. Die Frau ist ein Wesen, › qui souffre presque constamment de la blessure et de la cicatrisation‹. Französisch: das fast beständig an der Wunde und deren Vernarbung leidet. Das nun ist es, was wir an unsern Müttern so hoch anschlagen, an unsern Frauen schonen sollten. ›Die tiefe Schale der Liebe, die wir das Becken nennen, ist ein Meer voller veränderlicher Stürme, welche die Regelmäßigkeit der Ernährung hindern.‹ Das Blut der Frau hat einen andern Umlauf, sie entwickelt einen andern Geschmack, sie nährt sich anders, ihr Körper ist nach einem andern Ausdruck geformt.

»Herr Michelet mustert auch das weibliche Geschlecht nach Nationalitäten. ›Die Deutsche ist voll Zartheit und Liebe, rein wie ein Kind, das uns ins Paradies versetzt. Die Engländerin keusch, an Stilleben gewöhnt, mit dem Hause verwachsen, treu, fest und zärtlich, ist das Ideal einer Gattin. Die Leidenschaft der Spanierin brennt bis ins Herz, die Italienerin in ihrer Schönheit und Durchsichtigkeit vereitelt durch ihre lebhafte Einbildungskraft und durch ihre ergreifende Hingebung jeden Widerstand: man wird aus sich selbst entrückt und gepackt. Verlangt aber der Mann eine Seele, die ihn mit Gedankenblitzen zugleich wie mit Liebe durchzücke, die ihm das Gemüt durch bezaubernde Munterkeit und heitern Sinn, durch Mut und Mutterwitz, durch Zwitschern wieder aufrichte, so muß er eine Französin nehmen.‹

»›Im allgemeinen‹, fährt er fort, ›besitzt die Französin weder eine blühende Hautfarbe, noch die sichtbare Frische, noch die jungfräulichen und rührenden Reize der deutschen Mädchen. Beide Geschlechter sind bei uns etwas vertrocknet. Unsere Kinder sind frühreif, heißen und entzündlichen Blutes. Die Französin gewinnt aber mit der Heirat, während die Jungfrau des Nordens einbüßt und oft genug welkt ec. Bei uns hat es wenig Gefahr, eine Häßliche zu heiraten. Oft ist sie nur so aus Mangel an Liebe. Einmal geliebt, ist sie nicht zum Wiedererkennen‹.

»Herr Michelet will den Frauen helfen, aber es ist zu fürchten, daß er sie, indem er ihnen den Kopf verdreht, erst recht elend und verderbt macht. Die Frau – die Französin, meint Michelet – will immer mehr und mehr geliebt werden. Ihr Gemahl soll jeden Tag irgend ein neues Wunder in ihrem Gemüt entdecken.

»Ohne es zu wissen und es zu wollen, entschuldigt, rechtfertigt der gute Michelet den Ehebruch, und während er die höchste und heiligste Institution seines und jeden Volkes, nämlich die Ehe, aus Schlamm und Fäulnis erretten will, macht er überspannten Frauen weis, sie hätten ein Recht, sich als ›unbegriffene Seelen‹ zu betrachten, wenn ihre Ehemänner nicht fort und fort die Courmacher spielten.«


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