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Os und Ot waren in schier unerträglicher Freiheitsstimmung, Myrrhas üble Laune reizte sie zu Untaten ohne Ende auf.
Nur während der Vormittage gab's ein paar Ruhestunden; wenn sie im Middelhagener Pfarrhaus waren, konnten sie in Göhren keinen Unfug treiben, aber schon auf dem Heimweg »sannen sie sich was aus«. Vater war ja in Berlin, Mutter pflegte sich und Myrrha bestärkte sie und feuerte sie an.
Einmal versteckten sie die vor den Badehäusern zum Trocknen aufgehängten Kleider und Laken; ein andermal, als gute Wäsche dort hing, flickten sie, zwischen den Leinen hinschleichend, mit groben Stichen allerlei feines Linnen zusammen. Am Tag darauf machten sie sich ans Verwirren der nach Norden hinaus am Strand aufgepflöckten Netze. Da aber Jens Sture sie dabei erwischte und ihnen im Namen des Dorfes »ein paar Tüchtige« versetzte, die Vater Kalkoff am folgenden Sonntag für voll verdient erklärte, ließen sie »das Dorf, das keinen Spaß verstand«, künftig in Ruhe und hielten sich an die guten Bekannten.
Tagaus tagein gab's ein neues Wehgeschrei über die Buben; die ließen schreien, wer wollte, duckten sich mal, wenn es zu arg wurde, aber vergnügten sich weiter mit Untaten. Am liebsten hielten sie sich an Hermine – erstens schlug die keinen Lärm, also war's ihr einerlei, und zweitens lachte Myrrha darüber.
Lärm schlug Hermine freilich nicht, aber nur, weil sie überzeugt war, keine Hilfe zu finden; bitter weh tat ihr's oft, daß die Jungen ihre Sachen durcheinander warfen, heute dies, morgen jenes verdarben, sie erschreckten, wenn sie las, und Bilder und Spottverse hinmalten, wo sie vorbeikommen mußte. Zumal wenn ihr schien, als könnten diese nur mit Myrrhas Hilfe zu stande gekommen sein.
Alle empfanden heuer Os und Ot als »die bösen Buben von Korinth« und freuten sich auf Herrn Kalkoffs Ankunft. Mit ihm wurde auch Herr Elwers erwartet, und im Spatzennest war man von früh an beim Backen und Kränzebinden; – Papa hatte so seine Liebhabereien, die mit Genuß gepflegt wurden.
Nachmittag war's; eben band Gustel das letzte Guirlandenende an der Eingangstür fest, auf schwankender Leiter schwebte sie wie ein Vogel und Friederike rief eben zum drittenmal ängstlich: »du fällst unbedingt!«, da wurde drüben bei Kalkoffs mit ungewöhnlicher Heftigkeit die Tür geöffnet, mit scharfem Krach sprang sie wieder ins Schloß und als beide Mädchen erschreckt den Kopf zur Seite wandten, sahen sie Hermine vor dem Hause stehen, ohne Hut, ohne Schirm, atemlos, besinnungslos, die Augen voll Tränen.
Mit einem jähen Sprung schwang sich Gustel von ihrer Leiter herab und eilte zu Herminen. Friederike schrie, als Gustel heruntersprang, laut auf und deckte die Augen mit den Händen: Gustel mußte ja mit zerschmetterten Gliedern vor ihr auf dem Sand liegen.
Als sie dann vorsichtig, zaghaft zwischen den Fingern hindurchblinzelte, sah sie etwas ganz Unerwartetes. Hermine lag in Gustels Armen und hatte den Kopf auf ihre Schulter gesenkt, denn kleiner wie die schlanke Hermine war Gustel trotz des tapferen Wachsens der letzten Jahre immer noch.
Ein lebhaftes Gefühl des Mißbehagens überkam Friederiken bei diesem Anblick; vorhin hatte Hermine ihr leid getan, jetzt war das vorbei – weshalb lag sie Gustel in den Armen? Die beiden hatten so wie so allerlei miteinander zu tuscheln, an dem sie ihr keinen Teil gönnten. Schlechte Erziehung! Friederike wandte sich ohne ein Wort hinweg und ging ins Haus.
Die beiden andern aber hatten das kaum bemerkt. »Nicht so weinen,« bat Gustel, »nicht so arg weinen! Bitte kommen Sie mit herein, hier stört uns niemand.«
Den Arm um ihre Schulter gelegt, führte sie Herminen in das Eßzimmer zu ebener Erde, das jetzt still in dem grünen Dämmerlicht der halbgeschlossenen Jalousien dalag. »Nicht so weinen – was ist Ihnen denn geschehen?«
Hermine saß einen Augenblick lang ganz still; die weiche Stimme, die Dämmerung taten ihr wohl, sie trocknete die Tränen und schüttelte leise den Kopf. »Ach, es ist nichts; es kam nur einmal so über mich, so unerträglich und übermächtig; es sind nur immer dieselben Quälereien – wenn es ihrer aber zu viel sind, so macht einen schließlich eine Kleinigkeit fassungslos! – und es ist nicht einmal eine Kleinigkeit,« schluchzte sie plötzlich wieder auf. »Ich habe die Bilder all meiner Lieben in einem Kästchen, das ich immer sorgfältig verschließe – heut – heut morgen – sah ich sie mir gerade an, als Frau Kalkoff – die Großmama – mich rief; die Jungen waren in Middelhagen – ich ließ alles stehen und liegen und eilte hinab. Aber die alte Dame war krank und ich wurde aufgehalten und kam erst nach Tisch wieder in mein Zimmer; da hatten die schlimmen Jungen in all meine Bilder Schnitte gemacht, um sie wie Soldaten oben auf der Sofakante reiten zu lassen – und nicht nur das, ich hätte wenigstens die Gesichter retten können – auch vermalt sind die Bilder, mit Tinte verunglimpft – den Frauen sind Bärte, Perücken den Männern, Narrenkappen den Kindern gemacht. – Ach, es ist so häßlich! und daß die Jungen wissen, es tut mir weh, macht es noch schlimmer.«
Sie deckte ihre Hände über die Augen und atmete heftig und stoßweis.
»Hermine,« bat Gustel leise, »bleiben Sie nicht länger – schreiben Sie nach Hause: ›Ich komme!‹«
Hermine schwieg.
»Wenn auch die Jungen gewiß nicht wissen, wie sehr weh sie Ihnen tun, das alles ist doch unerträglich – gehen Sie heim.«
Hermine rührte sich nicht. Eine, zwei Minuten lang hoffte Gustel, sie werde antworten: ich schreibe. Plötzlich aber ließ sie die Hände sinken und stand auf. »Ich kann nicht – ich kann nicht – Sie wissen, warum.«
»Weil Sie stolz sind und eigensinnig,« sagte Gustel heftig. Gleich darauf tat es ihr leid. Hermine schalt nicht und sah nicht verletzt aus, nur traurig.
»Sie werden wohl recht haben,« antwortete sie leise, »aber ich kann nicht über meinen Schatten springen. Und nun geben Sie mich nur auf und machen Sie sich das Herz nicht schwer um mich ungenießbares Geschöpf; ich muß jetzt zur Großmama, vorlesen. Diese Großmama ist meine Erlösung!«
Als ein Stündchen später Kalkoffs nach dem Strand zogen, huschte Gustel hinaus. Die beiden Jungen stürmten voran, Mutter und Tochter gingen langsam nach, Hermine war nicht dabei. Als die Familie Elwers gegen sechs vollzählig zum Empfang des Dampfers ausrückte, kam ihnen Hermine bei der »Hoffnung« nach. – »Die Großmama sah Sie gehen und schickt mich; sie behauptet, ich sähe blaß aus und brauche ein Stündchen Luft.«
In Friederiken weckte es wieder eine leise Empörung, als Gustel mit großer Selbstverständlichkeit Herminens Arm ergriff. Aber sie hielt diese Empörung im tiefsten Grund ihres Herzens verborgen, sie wollte Doktor Elwers mit heiterem Gesicht empfangen, und dann hatte sie auch heute morgen den Vers eines gewissen Wolfgang Goethe gelesen, der sich im Spatzennest besonderer Ehren erfreute. Dieser Vers lautete:
»Der kann sich manchen Wunsch gewähren,
Der nur sich selbst und seinem Willen lebt,
Allein wer andre wohl zu leiten strebt,
Muß fähig sein, viel zu entbehren.«
Das kam ihr gar nicht wieder aus den Gedanken; jedenfalls hatte er es nicht für angehende Gouvernanten gedichtet, aber deswegen hätte sich's doch jede in goldnen Buchstaben übers Bette malen können als Morgenmahnung und Abendprüfer. Sie wollte sich's heute gleich einmal ernstlich versagen, ihre Empfindlichkeit zu zeigen – das wäre ja sonst ein böses Vorbild für Ida und Frida gewesen.
Gustel hatte eine Ahnung von Friederikens Heldenkampf, sie hielt Herminen fest in einem unbestimmten Angstgefühl: Myrrha sollte sie nicht allein treffen, sollte ihr nicht etwa heute noch etwas Häßliches antun. Wenn nur die Väter erst da wären, dann fühlte sie sich geborgen. Bankier Kalkoff hatte die Zügel in der Hand, die Mutter ließ die Pferdchen laufen: wozu gab es Ferien – lediglich zum Ausruhen.
Ach, da war ja der Dampfer, der langersehnte! Da stand er auf einmal oben auf der See, dem »Nordpeerd« gegenüber, und ließ die Wimpel wehen. Eins, zwei, drei, vier, fünf – acht – zwölf Wimpel wurden gezählt, und bald strebten zwölf Boote dem Dampfer zu.
»Freia hoch!« rief Frida, und Ida setzte hinzu: »Papa fährt allemal mit der Freia.«
»Hurra, dort ist er!« Fridas Augen waren ebenso scharf wie Gustels; sie sah, wie Papa als erster ins erste Boot sprang, ein klein wenig schwerfälliger kletterte Herr Kalkoff hinter ihm die Falltreppe herab.
»Sie sind da, sie sind da!«
Viel zu langsam kam das Boot heran, keine Welle half, aber es hinderte auch keine; sanft wie auf dem Altenburger Schloßteich glitt es übers Wasser, die Kinder Elwers drängten auf den Landungssteg, und da es just die Kinder Elwers waren, drückte Jens Sture, der eben das zwölfte Boot abstieß, sein linkes Auge ganz zu.
Eigentlich durfte während des Ausbootens niemand diesen etwas schmalen Steg betreten – wegen möglichen Gedränges und der Gefahr, herunter gestoßen zu werden. »Lat man ja keenen von de Landratten versupen, sus graueln dee sik un kamen nich wedder.«
Die Elwerskinder waren aber nur halbe Landratten, schwimmen konnten sie wie die Entlein – besser als die echten Göhrener Fischerkinder, und einen Stein hatten sie außerdem bei allen Göhrenern im Brett, gerade so gewiß wie die Kalkoffjungens einen »scharpen Nagel«. Also ließ man das Elwerstüg herüber und sie holten sich den Papa mit Jubeln und Umarmen heraus aus dem Boot.
»Das nenne ich einen Empfang,« sagte lachend ein fremder Herr mit einem großen, weißen Bart, »da lohnt es wirklich, sich für so ein Herdchen abzuarbeiten,« worauf Frida gnädig mit dem Kopfe nickte, als ob sie sagen wollte: »Nicht wahr, wir sind der Mühe wert.«
Jetzt kamen auch Os und Ot, die sich nordwärts in den Dünen herumgetrieben hatten, angestürmt und die Familie Kalkoff bildete eine ebenso freudig bewegte Gruppe, wie die Familie Elwers – zwischen beiden, allein, die traurigen Augen auf Doktor Elwers gerichtet, stand Hermine Gesterding.
Aber nur einen Augenblick; sowie Gustel dies Alleinstehen bewußt wurde, war sie auch schon wieder an ihrer Seite.
Nun sah und begrüßte auch Doktor Elwers die Nachbarin.
Hermine gab ihm die Hand und hielt zögernd die seine fest, als müsse sie sich so zu irgend etwas Mut machen. »Bitte,« sagte sie endlich, »sind Sorgerts heute mit Ihnen auf der ›Freia‹ gewesen?«
Zunächst schwieg Doktor Elwers, dann sagte er etwas kurz: »nein« – hielt aber nun seinerseits Herminens Hand fest, als wolle er noch etwas hinzufügen.
»Nein?« fragte sie und dies Nein war eine leise, unwiderstehliche Bitte.
»Eigentlich wollt' ich Ihnen nichts sagen, denn von ferne sieht man leicht das kleinste Nebelflöckchen für ein Gespenst an. Aber besser ist besser. Frau Sorgert ist nach Schorfen gefahren: Ihre Mutter war krank – aber erschrecken Sie doch nicht so heftig, liebes Fräulein, sie hat Influenza gehabt, die schon wieder überwunden ist; auch Sorgerts hörten nicht früher davon, und nur ein Satz in Ihres Vaters Brief, der von etwas Gründlichem sprach, das zur Erholung geschehen müsse, veranlaßte Ihre Schwester zu der Reise. Sie wollte sehen, ob Hilfe nötig sei und ob sie die gewähren könne.«
Doktor Elwers fühlte noch einen Dankesdruck, dann wurde seine Hand losgelassen. »Ich danke Ihnen,« sagte Hermine leise – »sehr danke ich Ihnen – ich bin froh, daß Sie mir's gesagt haben.«
Auf die Blässe des ersten Schreckens folgte ein tiefes Rot; plötzlich neigte sie sich zu Gustel und flüsterte: »Jetzt schreib' ich; Sie haben recht – jetzt gleich – ich will heim. – Bitte, wenn eins nach mir fragen sollte – entschuldigen Sie mich, der Brief muß noch heute zur Post.«
So geschah es auch. Hermine schrieb – nicht viel Worte, aber eine warme, bescheidene Bitte: »Laßt mich heimkommen.«
Sie trug den Brief selbst zum Postmeister und legte ihm dringlich ans Herz, daß dieser Brief auf dem schnellsten Wege befördert werde.
»Und ob!« sprach der Postmeister würdevoll. »Allemal!«
In dieser Nacht schlief Hermine einen tiefen, köstlichen Schlaf. Solange sie munter war, wurde sie ein quälendes Herzklopfen nicht los: wie würde der Brief aufgenommen werden? Würde man sie gern sehen daheim? Würden die Geschwister sich nicht fürchten vor ihrer Herrschsucht? Ach, sie wollte ihnen gewiß nichts zuleide tun, sie wollte sich ja so unsagbar gern liebhaben lassen.
Als sie dann aber schlief, war alle Sorge und aller Zweifel verschwunden; sie war zu Haus und wohlgeborgen, sie träumte tausend bunte Dinge, aber das war alles goldene Heimat und rosige Jugendzeit – da liefen die Geschwister vor ihr herum: das dicke Kugelchen krähte in die Welt hinaus – (der Traum vergaß, daß Kugelchen inzwischen ein schlanker Schuljunge geworden war). Lissi, das fleißige Haustöchterchen, schleppte noch immer dreiundzwanzig Puppen durchs ganze Rittergut, die Brüder warfen die großen Worte durch die Luft, mit denen Gymnasiasten und Corpsstudenten die Welt zu erobern meinen, die Frau Professorin rannte wieder als langgezöpfter Backfisch so flink treppauf und -ab, daß ihr Menschenaugen kaum zu folgen vermochten und Adelheid saß an der gelähmten Tante Jula Bett und sang, sang der Kranken alle Schmerzen fort und den andern alles Herzeleid –
»Aus der Heimat hinter den Blitzen rot –«
Ach, war das schön gewesen! Wie hatte sie das damals nur so gar mißachten können!
Mit Tränen in den Augen erwachte sie, aber das Herzklopfen kam nicht wieder – sie wußte auf einmal ganz genau, daß die zu Hause sie lieb hatten und sich ihres Kommens freuen würden.
Schnell stand sie auf; es war noch früh am Morgen, aber Gustel Elwers war immer zeitig am Strand, mit der wollte sie baden. Flink zog sie sich an und eilte durchs Dorf nach den Zellen.
Gerade heute aber hatte Gustel sich mit dem Baden Zeit gelassen; heute wurde mit dem neu angekommenen Papa gefrühstückt, sie saßen noch sehr behaglich zusammen und »klatschten« ein bißchen, als draußen die Tür aufflog, als reiße sie ein Windstoß aus den Angeln.
Gustel sprang auf und eilte hinaus; da lehnte Hermine in der offenen Tür – zitternd, von Schluchzen geschüttelt. Gustel zog sie schnell in die leere Küche, damit keines der Kinder sie sähe, und fragte stockend: »Was ist? O, was ist denn aber geschehen?«
»Ach – mein Bruder – der Joseph! Er ist da! in Europa! in Schorfen! und ich weiß nichts davon! – er schrieb mir nicht! Alle zusammen sind sie zu Hause und ich erfahre nichts – ich muß mir's von Fremden auf der Landstraße erzählen lassen!«
Der Bruder war da, der Bruder aus Indien! Gustel fuhr es geradeswegs in die Kniee, sie mußte sich auf die Küchenbank setzen – neben ihr, vor dem Stuhl kniete Hermine und drückte die Stirn gegen das harte Holz.
Der Bruder aus Indien! Jener Brief, jener ganz unnötige Brief stand plötzlich, wie ein dräuender Unhold, in unheimlicher Deutlichkeit vor Gustel. Aber das übermannte sie nur einen Augenblick, dann stand sie wieder auf den Füßen, trat zu der Weinenden, strich ihr leise übers Haar und flüsterte: »Wer weiß, wie das zusammenhängt! Er kann doch nicht wissen, daß Sie in Göhren sind, und die Eltern muß er doch vor der Schwester begrüßen, und wahrscheinlich ist es überhaupt eine großartige Ueberraschung, und wer hat es Ihnen denn überhaupt gesagt?«
Gustel stieß einen Schrei aus. »Beckers? Jürgen Beckers ist da?«
Ja, Jürgen Beckers war wieder zu Hause, das ganze Dorf war voll davon, auf allen Gassen, an allen Ecken standen sie zusammen und tauschten Rede, Jürgen Beckers aus der »Hoffnung«, ausgefahren mit dem Segler »Hoffegut«, war wiedergekommen und hatte Dinge erlebt, die selbst dem abenteuervertrauten Inselvolk merkwürdig und erzählenswert schienen.
Seinen Vater brachte er nicht wieder heim – aber an seines Vaters Grab hatte er gebetet und Frau Beckers' qualvolles Warten und Fürchten durfte zur Ruhe gehen. Ihr Alter dürstete sich nicht auf einem Korallenriff langsam zu Tode; es hatte ihn auch kein wilder Häuptling ins Innere Borneos geschleppt und hielt ihn dort in schmachvoller Gefangenschaft fest, – die Wellen hatten einen toten Mann ans Ufer getragen und dort war er mit zwei Gefährten gefunden und begraben worden. Ein Missionar hatte den Segen über die drei gesprochen und hatte ihre Ringe und Papiere an sich genommen, um sie der geeigneten Behörde abzugeben. Aber der Missionar war auf einer Reise, die ihn weit weg führte von Behörden und Poststationen; Mißgeschicke, Krankheit und Erfolge hielten ihn gleichermaßen auf, erst um die Zeit, da der »Hoffegut« vor Bombay vor Anker ging, war er wieder nach der Küste zurückgekehrt.
Wie Jürgen Beckers, mit Joseph Gesterdings Hilfe, all jene Plätze absuchte, nach denen etwa sein Vater verschlagen sein konnte, wie er schließlich den Missionar fand, den Ring erkannte und zum Grabe geführt ward, das mußte er heute vom Morgen bis zum Abend immer wieder berichten und wird es noch an manchem Winterabend wieder auftischen müssen, denn, kommen unsre Leute von der »Waterkant« auch weit herum in der Welt – nach Borneo hinein und kreuz und quer im Indischen Archipel von Insel zu Insel, das glückt doch nicht jedem.
Des alten Beckers Ring und sein Taschenbuch mit den salzwasserverwischten Papieren ging von Hand zu Hand.
»Ja, ja, dat is en eegen Sak mit de See. Se beholt nix, se gifft allns wedder,« sagte Jens Sture nachdenklich, schob die Pfeife in den rechten Mundwinkel und machte ein ernstes Gesicht.