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3. Auf sicherer Spur

Kurz, ehe der Wagen vor dem Hause des Grafen von Berghausen hielt, schwang sich der Italiener von seinem Sitz herunter, und flüchtete hinter einen der Alleebäume, ohne deshalb weder die Unbekannte, noch das Tor, durch das sie eintrat, aus dem Auge zu verlieren. Die Dame hatte den Schlüssel bei sich, sperrte ganz geräuschlos auf und verschwand im Innern des Gebäudes.

Jubelnd rieb sich Lorenzo die Hände. »So, so, nun sitzt mein goldenes Vögelein im Käfige, bravo, bravissimo! nun soll mir noch einmal einer sagen, daß der Lorenzo kein Glückspilz ist. Meine Rubinen, meine herrlichen Rubinen, die mich Tag und Nacht verfolgen, – hier sind sie, hier hab' ich sie wiedergefunden, und hier muß ich sie wieder holen, so bald als möglich! Dachte mir's doch gleich, daß ich es mit etwas Vornehmem zu tun habe! Potz Blitz! heute Nacht wäre mir der Schreck bald in alle Knochen gefahren! Wie gut war's, daß der Herr Gemahl nichts erfahren durfte von dem Geheimnis, da wär' ich sauber angekommen! Wie konnte ich aber auch nur denken, daß sie noch einmal kommen und ihren Schmuck zurückverlangen würde! Das tut doch unter tausenden kaum eine zweite wieder, und darauf hatte ich auch gesündigt und die schönen Steine verarbeitet, Stück für Stück, und eine hübsche Summe Geldes trugen sie mir ein, das muß wahr sein! Da führt sie der Satan wieder zu mir! Sie ist wirklich ehrlich gewesen! Sie bringt mir das Geld mitsamt den Zinsen – und ich – na, ich hab' nichts dagegen einzuwenden, aber ihr Schmuck ist fort, ist zerrissen, liegt in vereinzelten Trümmern in meinem Schranke, das übrige ist bares Geld geworden – was tun? was machen? – ein wahres Glück, per bacco, ein wahres Glück, daß die russische Fürstin das gleiche Geschmeide hatte, ein Zufall, der vielleicht kein andersmal wieder so günstig spielt. Lorenzo, Lorenzo, du bist ein Satansbraten, ein Galgenvogel bist du, knapp noch durch den Strick geschlüpft, der dich fast aufgeknüpft hätte! Das ist Glück. Ja, Mika hat mir's prophezeit; die alte Base hat recht gehabt: »Durch einen kostbaren Schmuck gründest du dein Schicksal.« Ein kluges Frauchen das, meine schöne, verschleierte Kundin, weiß genau, daß sie einundzwanzig Rubinen haben soll, kennt auf's Haar, daß ein Steinchen fehlt. Gottlob hat mich mein kaltes Blut nicht im Stich gelassen – hab' ihr's tüchtig ausgeschwatzt, sie glaubt' es beinah' selber! Was ich aber blutenden Herzens fortgegeben, weil ich nicht anders konnte, weil ich mußte – das hol' ich mir wieder, bei Gott, ich hol' mir's wieder, lieber heute noch, als morgen. Mein muß dieses Halsband sein, mein, um jeden Preis. Ich brauche es zum Leben, zu meinem Glücke! Schon glaube ich es verloren – nun find' ich's wieder – ist das kein Fingerzeig des Schicksals?«

Nach diesem sonderbaren Selbstgespräche nahte er sich kecken Schrittes dem Hotel und zog die Glocke. Nach wenigen Sekunden erschien ein schläfriges Gesicht am Fenster, und fragte nach dem Begehre des Außenstehenden. »Bin ich hier recht bei dem Herrn Baron von Wandner?« näselte dieser, »komme im wichtigen Auftrage, leidet keinen Aufschub.«

»Was sagt er da? Wandner?« brummte der Portier, »da ist er jedenfalls irre gegangen, dieses Hotel ist an den Grafen von Berghausen vermietet, einen Deutschen, der nur vorübergehend hier lebt.«

»Berghausen? So, Berghausen?« wiederholte der Italiener mit schlauer Verstellung, denn er wußte jetzt, was er brauchte, »bitte tausendmal um Verzeihung, daß ich gestört habe, weiß nun wahrhaftig nicht, wohin mich wenden, um Herrn von Wandner zu finden. Nichts für ungut, Herr Portier!« Dieser hatte bereits ärgerlich sein Schiebfensterchen wieder zugeschlagen und die fratzenhafte Grimasse, die ihm Lorenzo schnitt, nicht bemerkt. »Ei, sieh' da, nun ist mir diese pünktliche Redlichkeit erklärlich,« sprach letzterer zu sich selbst, »die deutsche Frau hat mehr Gewissen, als eine lockere Französin, die sicherlich ihren Schmuck nicht wieder eingelöst hätte. Wie kam sie aber dazu, ihn zu versetzen? Ei, junge Frauchen brauchen Geld, vielleicht ist der Herr Gemahl ein Knicker und hält das süße Täubchen knapp.«

Plötzlich schrak der Höckerige zusammen und drückte sich mäuschenstille gegen die vorspringende Mauer eines Gartens – eine militärische Patrouille zog soeben vorüber. Rasch zog er seinen Hut tiefer ins Gesicht, und wagte keinerlei Bewegung; er mochte kein sonderlich gutes Gewissen haben, der Maestro Goldschmied, denn sichtlich erleichtert atmete er auf, als die Truppe vorüber war, und beschleunigte nun seine Schritte, die ziemlich fern gelegene Wohnung bald zu erreichen. »Ei, ei, Frau Gräfin!« schwatzte er fröhlich vor sich hin, »wie wär's dir gruselig zu Mute, wüßtest du, wessen Geschmeide du trägst. Gut, daß man nicht alles weiß! Grauen und Furcht bleibt dir dadurch erspart.«

Endlich stand er vor seiner Haustüre und steckte den Schlüssel an, aber noch ehe er umgedreht hatte, humpelte die alte Hausfrau, deren Schlaf sehr leise war, herbei, nachzusehen, wer von den Inwohnern denn zu solch' später Stunde noch außen sein mochte, und erkannte zu ihrem Erstaunen den geschätzten Maestro Lorenzo. »Ihr, Maestro?« rief sie aus und schlug verwundert die Hände zusammen, »Ihr noch zu solcher Stunde auf der Straße? Der solideste Mietsherr von der Welt, der sich kaum von dem Rädlein losreißen kann und heute außer Haus?«

»Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, beste Frau Ursulina,« beteuerte der Italiener freundlich, »ein ungewöhnlich wichtiges Geschäft trieb mich heute fort, und wohl mag's geschehen, daß ich ein zweites oder drittes Mal meine einsame Stube werde verlassen müssen, dann aber wird der Vogel wiederum lange Wochen in dem Käfig bleiben. Gute Nacht! Gehabt Euch wohl!«

»Schlaft wohl, Maestro, schlaft recht wohl!« gab Ursulina zurück, hielt ihm das Licht an die Treppe, um die steilen Stufen und den Weg nach seiner Stube zu beleuchten, und riegelte sodann die Türe sorgsam zu. Nach wenigen Minuten schon lag alles im Hause in tiefster nächtlicher Stille. Auch in der schmutzigen Schenke waren die Lichter erloschen und die Gesänge verstummt. Die wüsten Zecher taumelten mit schweren Köpfen heim, ihr armseliges Lager aufzusuchen.

Der Droschkenführer, welcher die Gräfin Berghausen gefahren hatte, nahm seinen Standplatz auf der bestimmten Wartstelle der Mietswagen wieder ein, öffnete aber vorher den Schlag, schob die Kissen im Innern wieder pünktlich zurecht und glättete den Fußteppich. Bei dieser Gelegenheit fand er ein hübsches Portemonnaie auf dem Boden des Wagens liegen. Es war aus Schildpatt mit Silber eingelegt, und enthielt außer mehreren Gold- und Silbermünzen noch etliche Visitenkarten, deren Schrift der schlichte Mensch nicht zu entziffern vermochte. »Wer nur das zierliche Dings da verloren hat?« sprach er zu sich selbst, »gewiß das Frauenzimmer, das zuletzt mit mir fuhr. Sie gehörte offenbar zur Dienerschaft des Grafen Berghausen, denn fast bis an sein Hotel bin ich gefahren. Wird man's wissen dürfen, daß sie zu solch' später Stunde und allein das Haus verlassen hat? Sie hat mich weit über die Taxe bezahlt, dafür möcht' ich ihr nicht gerne einen Possen spielen; am Ende ist auch das Portemonnaie nicht ihr Eigentum gewesen. Hm! für alle Fälle trag' ich es mittags ins Polizeibureau und überlasse es den Herren dort, den Besitzer ausfindig zu machen.« Der brave Kutscher schob den eleganten Gegenstand in seine Tasche und dachte vorläufig nicht weiter mehr daran.


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