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9. Daheim

Drei Tage später lag Joseph, vor Schmerz und Freude weinend, in Bennos Armen; diesem zur Seite stand eine blühende Jungfrau, und streckte freundlich die Hand dem stolzen schönen Manne entgegen, in dessen leidensvollen Zügen sie vergeblich nach dem Bilde ihres Bruders forschte; der Gram der letzten Wochen hatte ihn überdies schwer gealtert, und schon zogen einzelne Silberfäden, die Spuren tiefen Seelenleidens, durch sein dunkles Gelocke. Lischen war's, die kleine süße Schwester, das einstige sorgliche Puppenmütterchen, später die treue Pflegerin der Großmutter! Sie war gekommen, um am Krankenlager Fridas ihre Dienste anzubieten, denn wider Erwarten Josephs sowohl als der andern behandelnden Ärzte verschlimmerte sich der Zustand der jungen Frau und gab zu ernstlicher Besorgnis Anlaß. Sie mochte wohl von jener Ballnacht eine Erkältung mit heimgetragen haben, die im Vereine mit den nachfolgenden schweren Gemütserschütterungen ein schlummerndes Leiden zu Tage förderte.

Erst ward die liebenswürdige Pflegerin mit kühler Zurückhaltung angenommen, bald aber wußte sich das heitere, sanfte Wesen bei der Kranken einzuschmeicheln und schien zuletzt geradezu unentbehrlich. Tag und Nacht leistete Lischen, was sie vermochte. Ihrem frommen liebewarmen Herzen bot sich hier ein reiches Arbeitsfeld und mit der Gnade Gottes gelang es ihr, dieses arme, glaubenslose Herz dem Himmel zurückzugewinnen. Die rechte christliche Liebe vollzog hier wieder eines ihrer vielen Wunder, von denen die Welt schweigt, die Engel Gottes aber zu erzählen wissen.

Benno hatte sich für etliche Tage vom Geschäfte frei gemacht und widmete sich jetzt ausschließend seinem geliebten Bruder. Es war, als wäre in beiden die so lange entbehrte, ungepflegte Liebe zehnfach erstarkt, und so vieles gab es zu erzählen, zu besprechen, auszutauschen, daß sie nun und nimmer ein Ende damit finden wollten.

Endlich mußte aber Benno doch aus B. scheiden. Lischen ließ er zurück. Sie war dem Bruder als tröstender und helfender Engel zugesandt und verfügbar gestellt worden, so lange er ihrer bedürfe. Und das wurde länger, viel länger als man anfangs geglaubt hatte. Der Kampf der Jugend mit der Krankheit und ihrer Verheerung dauerte lange, desto schöner vollzog sich die Sendung des jungen Mädchens am Bette ihrer sterbenden Schwägerin, und wenn das Antlitz derselben noch im Tode das Gepräge der Ergebung und des Friedens trug, so war das zumeist Lischens Werk.


Wieder sind zehn Jahre um. Feierlich läuten die Glocken, denn es ist das Fest des hl. Joseph, und die Kirche in der Vorstadt zu M. besonders schön geschmückt. Die Andächtigen drängen sich zu einer seltenen, erhebenden Feier. Ein Missionspriester, der sich demnächst, dem Rufe seiner Obern folgend, nach Afrika begeben wird, Gesundheit, Blut und Leben zu wagen für die Rettung der beklagenswerten Sklaven, feiert im Kreise seiner Familie sein erstes heiliges Meßopfer.

Ist Großmütterleins Traumbild wahr geworden? – –

Am Altare steht ein Mann noch in der Vollkraft seiner Jahre; obgleich seine durchgeistigten Züge von schwer erkämpftem Frieden, von Leid und Opfer erzählen. Er scheint ganz versunken in die heilige, erhabene Handlung dieser Stunde. Mit den allmächtigen Worten der Wandlung hat er seinen Gott herabgerufen vom Himmel und Ihn später in der heiligen Kommunion aufgenommen in sein Herz. Zu Füßen des Altares in Andacht versunken knieen Vater Christoph Schlicht und Mutter Notburga. Sie empfangen die Himmelsspeise aus der Hand des neugeweihten Priesters. Die Mutter schwelgt in jenem Glücke, das nur Gott, nicht diese Welt zu geben vermag. – »Er war verloren und ich habe ihn wiedergefunden!« so jubelt ihr frommes Herz in immer neuem, innigem Danke. Alles Unrecht ist gesühnt, alle Mißverständnisse sind ausgeglichen. Joseph gestand den Seinen, daß er in all den Jahren, da er, vom Ehrgeiz geblendet mit weltlichen Genüssen sich berauschte, doch nicht eigentlich glücklich, daß er uneins mit sich selbst und ohne Ruhe und Frieden gewesen sei. Einige Tage nach der Primiz schied Joseph wieder von den Seinen. Es war ein hartes Scheiden. Elisabeth folgte dem Bruder als Missionsschwester nach Afrika, sein heiliges Werk mit ihm zu teilen. Nur nach schweren Kämpfen ließ man sie ziehen und die Eltern sprachen ihr tränenvolles »Es geschehe« im Vertrauen auf das einstige Wiedersehen nach des Lebens Mühsal.

Bennos Ältester, der junge Christoph, ist Zögling des bischöflichen Seminars und schaut begeistert und verlangend nach dem priesterlichen Oheim hin, dessen Mitarbeiter im Weinberg des Herrn auch er in nicht allzuferner Zeit zu werden gedenkt.

Was sein Vater dereinst aus Liebe für die Eltern und den Bruder geopfert hat, hat sich reichlich gelohnt in seinem engelgleichen Sohne. Christoph wird ein demütiger, frommer Priester werden, dem das freigewählte Opferleben seines Oheims zum Vorbilde dient.

» Pax vobiscum« der Friede sei mit Euch! Ihr alle, die ihr hier im inbrünstigen Gebete weilt! der Himmel ist geöffnet über Euch, Großmutters Segen tauet nieder auf des Priesters Haupt – zwei Engelskinder flehen für den lieben Vater; auch die Gattin denkt seiner am göttlichen Throne, sie hat jetzt Verständnis für das Ewigschöne, Göttliche, Dank Lischens Pflege und Belehrung!

So ziehe denn hin, du seliger, dem Herrn geweihter Mann der Gnade! Verkünde denen, die noch in der Nacht des Unglaubens wandeln, die Geheimnisse der göttlichen Liebe. Schwer war dein Kampf, uneben der Pfad, den du beschritten und gewandelt, die Liebe, deiner Mutter aber und ihr Gebet haben die Welt in dir besiegt.


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