Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Rubinen-Halsband


1. Das Geschmeide

»Bei Gott, Blutstropfen auf einem Schneefelde!«

Überrascht wandte sich die Dame, welcher dieser Ausruf galt, um und tastete unwillkürlich nach einem herrlichen Rubinengeschmeide, das ihren Hals schmückte; ihre Hand zitterte und fahle Blässe überzog ihr schönes Angesicht, während ihre Blicke fast entsetzt ein junges Mädchen streiften, das an der Seite eines Offiziers neben ihr stand und jene sonderbare Bemerkung gemacht hatte.

Dem hübschen, jungen Kinde war der Eindruck seiner Worte keineswegs entgangen und vielleicht aus Verlegenheit hierüber, vielleicht auch in der guten Absicht, den Schrecken, den es der Freundin offenbar verursacht hatte, einigermaßen abzuschwächen, blieb es stehen und sagte: »Ich kann Deine reizenden Juwelen wirklich nicht genug bewundern, meine liebe Helene, nie sah ich schönere, als diese hier, und wärest Du nicht meine teuere Freundin, ich glaube, ich könnte Dich darum beneiden.«

»Die Frau Gräfin haben aber auch heute wieder Ihren vorzüglichen Geschmack bekundet,« nahm der junge Offizier das Wort, »der weiße Atlas paßt vortrefflich zu den dunkelfarbigen Edelsteinen. Gnädiges Fräulein,« fuhr er, zu seiner Tänzerin gewendet fort, »haben vorhin einen etwas absonderlichen Vergleich zu machen für gut befunden, ich möchte das Halsband lieber mit glühenden Rosen oder leuchtenden Granatblüten vergleichen, von Feenhand auf schimmernden Alabaster hingesäet. Freund Theobald hat abermals seinen oft gepriesenen, gediegenen Geschmack in Auswahl von Juwelen bewiesen; diese zwanzig Rubinen zeugen beredt genug von der hohen Verehrung, die er für seine Gemahlin im Herzen trägt.«

»Was hat aber diese Verehrung mit der Zahl der Rubinen zu tun?« lachte eine männliche Stimme hinter dem Sprecher, »übrigens sind es einundzwanzig Steine, mein Lieber.«

»O, dann vergib mir, Theobald, ich sprach einfach meiner liebenswürdigen Tänzerin nach, die sich vorhin die Mühe gab, die Rubinen zu zählen.«

Gräfin Helene hatte nicht sobald die Stimme ihres Gemahls vernommen, als sie schnell mit sichtlicher Befriedigung ihren Arm in den seinen legte. Nicht ohne einige Befangenheit schlug sie dann die großen blauen Augen zu ihm auf und sagte sanft: »Verzeihe, lieber Theo, wenn ich Dir widerspreche, aber es sind wirklich nur zwanzig Rubinen.«

»Nicht doch, mein Schatz, einundzwanzig, nicht mehr noch minder, ich habe mich dessen gar wohl versichert, als ich den Schmuck kaufte.«

»Auch ich habe nur zwanzig gezählt,« kam jetzt die junge Dame ihrer Freundin zu Hilfe, »es läßt sich aber bei dem außerordentlichen Glanze, den die Steine ausstrahlen, wirklich kaum mit Gewißheit behaupten.«

Das gräfliche Paar stand in diesem Augenblick unmittelbar unter einem vielarmigen Kristall-Lustre, und die Lichtwirkung des geschliffenen Glases und zahlloser brennender Wachslichter war eine unbeschreibliche, so daß die Augen beinahe hiervon geblendet wurden. »Mein teurer Freund,« sprach lächelnd der Offizier zum Grafen, »fügen wir uns ins Unvermeidliche; schönen Frauen gegenüber sind wir stets verloren, und müssen sogar auf die Beweisgründe verzichten, wenn sich die reizenden Verächterinnen der Logik in gegenteiligen Behauptungen zu gefallen belieben.«

Dem Grafen Theobald entging es nicht, wie höchst peinlich und unangenehm die Fortsetzung dieses Gesprächs seiner Gemahlin zu sein schien, und statt weiterer Antwort fragte er, zu dem jungen, tanzenden Paare gewendet: »Die Herrschaften gönnen uns doch morgen Abend die Ehre ihres Besuches?«

»O, gewiß, wir werden uns einfinden,« entgegnete die Dame.

»Wie sehr beklagt man in der hiesigen Gesellschaft Dein Fortgehen, lieber Theobald,« rief der Offizier aus, »ist wirklich morgen Abschiedsmahl? Und soll die Abreise schon so unwiderruflich nahe sein?«

»Allerdings, lieber Baron,« antwortete Gräfin Helene.

»So kehren Sie nach Deutschland zurück?«

»Ja, mein Freund,« gab Graf Theobald zur Antwort, »meine Sendung bei hiesiger Gesandtschaft hat ihr Ziel und Ende erreicht, und ich sehne mich fort aus dem aufreibenden Lärmen und Wogen der französischen Hauptstadt in deutsche Verhältnisse ins liebe, traute, alte Schloß am deutschen Rhein, mein Lenchen aber,« dabei streifte ein zärtlicher Blick die errötende Gattin, »ist noch weniger böse, als ich selbst, von Paris wegzukommen, ins alte, schlichte Berghausen, nicht wahr, mein Lieb?«

Ernst, aber lebhaft nickte sie ihre Zustimmung zu seiner Frage. »Deshalb werden uns aber unsere Pariser Freunde nicht grollen,« sagte der Graf mit verbindlichem Lächeln, »wir nehmen die freundlichsten Erinnerungen mit uns fort, und wollen stets mit Dank an die herzliche Aufnahme denken, die uns in zuvorkommendster Weise allseitig hier entgegengebracht wurde.«

»Die Gesellschaft sieht mit wirklichem Schmerze zwei Sterne scheiden, für die ihr kein Ersatz in Aussicht steht,« sagte der Rittmeister verbindlich.

»Ich könnte Dir beinahe zürnen, Helene,« schmollte ihre hübsche Freundin, »seit wir von der Heimreise sprechen, leuchten Deine Züge in der Verklärung inneren Glückes.«

»O Mathilde, wie sehne ich mich fort von hier!« rief die Gräfin leidenschaftlich aus, »als ich vor einem Jahre zuerst hierher kam, blendete mich allerdings der Glanz, die nie gesehene Pracht der Weltstadt, nun aber bin ich all' des Schimmers müde, und fühle, daß ich für solch' aufgeregtes, unstätes Leben nicht nur nicht geschaffen bin, sondern ernstlich krank würde, müßte ich Tag für Tag die Ruhe meiden.«

Bald nachher, es war kaum elf Uhr, und die Unterhaltung hatte eigentlich erst begonnen, fuhren die deutschen Herrschaften nach ihrem Hotel zurück. Unbeweglich, als ob sie schlummerte, lag Helene in die Kissen des Wagens zurückgelehnt. Voll Besorgnis hatte es der Graf wahrgenommen. »Bist Du krank, mein Kind?« fragte er, ihre Hand ergreifend; sie war eisig kalt. »Du fieberst, Helene, Deine Stirne glüht – schon auf dem Balle fand ich Dich verändert – so still – so eigentümlich scheu – was hast Du nur? Leidest Du?«

Sie schüttelte das Haupt, sprach aber kein Wort.

»Du hast etwas auf dem Herzen, was Du mir verschweigst – willst Du mir nicht sagen, was Dich quält? Bin ich Deines Vertrauens nicht wert?«

Fest und innig erwiderte Helene den Händedruck ihres Gatten, indes zwei große Tränen langsam über ihre bleichen Wangen niederrollten, aber sie blieb stumm. –

Kaum zwei Sommer waren sie vermählt, und unsäglich glücklich in ihrer gegenseitigen Liebe. Graf Theobald besaß all jene Eigenschaften des Geistes und Gemütes, die das Glück einer Ehe begründeten. Helene war früh verwaist gewesen, und aus der Hand des Vormundes in die ihres Gatten übergegangen. Sie war fast noch ein Kind zu nennen und wirklich eines männlichen Schutzes und Beistandes benötigt; mit zartem Verständnisse wußte ihr Gemahl die reichen Anlagen zur schönsten Entfaltung zu bringen, und sie so ganz und gar nach seinem Sinne und Herzen heranzubilden. In erster Linie hatte er ihr Vertrauen und unbedingte Aufrichtigkeit empfohlen, weil er ganz richtig in diesen beiden Tugenden die einzig sicheren Stützen des ehelichen Zusammenlebens erkannte. Heute nun war er zum erstenmale, seit seiner Vermählung auf eine kleine Unwahrheit seiner Frau gestoßen, und hierüber mehr verstimmt, als er eigentlich selbst zugestehen mochte. Er hatte so gütig zu ihr gesprochen, und keine Offenheit erlangen können! Was nun das sein mochte? Ein letztes Mal bat er: »Helene, sag' mir, was Dir fehlt.«

»Sei ohne Sorge, Du lieber, guter Mann,« beschwichtigte sie ihn jetzt, »es fehlt mir nichts, nur will ich herzlich froh sein, wenn Paris hinter uns liegt, und unsere alten guten Türmchen von Berghausen uns begrüßen. Ich habe eine gewisse Bangigkeit, als ob mich ein schweres Unglück treffen möchte; es ist Heimweh, sonst nichts.«

»Bist Du jetzt wahr?«

»Du weißt es.« Bei diesen Worten beugte sich Helene nieder, um den Fächer, der ihr entfallen war, aufzuheben, dabei mußte das Blut in ihre bleichen Wangen strömen; wenigstens ward jetzt, als sie sich wieder aufrichtete, eine dunkle Röte in ihrem Gesichte bemerkbar.

Die letzte Strecke wurde schweigend zurückgelegt, und wenig Minuten später hielt die Equipage vor einem prächtigen Hotel. Die Dienerschaft kam sofort herbeigeeilt und leuchtete die breite Marmortreppe hinan nach den Gemächern der Herrschaften.


 << zurück weiter >>