Emanuel Geibel
Juniuslieder
Emanuel Geibel

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Gebet.

September 1848.

              Herr, in dieser Zeit Gewog,
Da die Stürme rastlos schnauben,
Wahr', o wahre mir den Glauben,
Der noch nimmer mich betrog,

Der noch sieht in Nacht und Fluch
Eine Spur von deinem Lichte,
Ohne den die Weltgeschichte
Wüster Greuel nur ein Buch;

Daß, wo trostlos unbeschränkt
Dunkle Willkür scheint zu spielen,
Liebe doch nach ew'gen Zielen
Die verborgnen Fäden lenkt;

Daß, ob wir nur Einsturz schaun,
Trümmer, schwarzgeraucht vom Brande,
Doch schon leise durch die Lande
Waltet ein geheimes Baun;

Daß auch in der Völker Gang
Wehen denken auf Gebären,
Und wo tausend weinten Zähren,
Einst Millionen singen Dank;

Ja, daß blind und unbewußt
Deiner Gnade heil'gen Schlüssen
Selbst die Teufel dienen müssen,
Wenn sie tun nach ihrer Lust.

Herr, der Erdball wankt und kreißt;
Laß, o laß mir diesen Glauben,
Diesen starken Hort nicht rauben,
Bis mein Geist dich schauend preist!


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