Emanuel Geibel
Juniuslieder
Emanuel Geibel

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Jägers Liebe.

1.
              Es saust der Wind im dunkeln Wald,
Daß hoch die Wipfel schwanken;
Wohl über den Wald, wohl über die Flur
Verweht er meine Gedanken.

Er trägt sie hin zum Grafenschloß,
Da klingen Flöten und Geigen,
Bei Kerzenschimmer perlt der Wein,
Im Saale braust der Reigen.

Das ist das Fest der schönsten Maid,
Das Fest der weißen Rose;
Man bringt ihr manchen Becher dar,
Manch Sprüchlein bunt und lose.

Sie steht im Tanz und hat nicht acht,
Daß sie die Weise lerne;
Sie lächelt still in sich hinein,
Als wär' ihr Sinn in der Ferne.

Ich weiß es nicht, ist an ihr Ohr
Des Lieds ein Ton gedrungen,
Das weit von ihr im dunkeln Wald
Der Jägersmann gesungen?


2.
Von des Geiers Gefieder
Trag' ich Federn auf meinem Hut;
Aus den Lüften des Adlers Brut
Hol' ich hernieder.

Fort mit Zagen und Schwanken!
Mein Blei fliegt keck, mein Blei fliegt hoch,
Aber zehnmal höher noch
Meiner Liebe Gedanken.


3.
Hörst du mein Horn erklingen,
Du wunderschöne Maid?
Es fleht zu dir: O flieh mit mir!
Mein Rappe steht bereit.

Gott grüß in meinen Armen,
Du Grafenkind, Gott grüß!
Du bist so schön, ich bin so jung,
Und Küssen und Kosen so süß.

Die Nacht ist still und dunkel,
Mein Rößlein treibt der Sporn,
Uns treibt die Lieb', uns treibt zur Hast
Deines Vaters scharfer Zorn.

Ach, schließt kein Riegel so feste,
Die Liebe sprengt ihn bald;
Nun reit' ich seliger Jägersmann
Mit der köstlichen Beute zu Wald.


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