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Bild: A. F. Seligmann

14.

Wie ein Erwachender hob Juliander das Gesicht, als ihm die Spieße und Sensenklingen auf dem Brückenhügel den Weg versperrten. »Wer bist? Du?« schrie man ihn an. »Bist für die gute Sach oder wider der Bauren Freiheit?« Ohne zu antworten starrte Juliander in die erregten Gesichter der Knappen und jungen Burschen, die auf der Straße die Wache hielten – und starrte an ihnen vorüber nach der gelagerten Gruppe, bei der es so lustig zuging wie auf einer Hochzeit. An die Dreißig, kunterbunt bewaffnet, lagen auf der Wiese neben dem blauweißen, matt wehenden Fähnlein, das sie an die Stange einer Kirchenfahne genagelt hatten, von der das Kirchenbanner abgerissen und das Kreuz heruntergeschlagen war. Der Weinkrug machte die Runde, junge Dirnen lagen zwischen den Zechenden – und das war ein Lachen und Schwatzen, ein Singen und Jodeln, daß man das einzelne Wort nicht mehr verstand.

Als Juliander noch immer schwieg, wurden die Straßenhüter grob mit ihm, denn sie hatten gesehen, daß er aus der Burghut kam. Doch einer der Knappen erkannte ihn. »Das ist ja der Bruder der roten Maralen!« Dieses Wort machte ihm freien Weg – und sie vertrauten ihm gleich ihr Loswort an: »Sankt Josef und die gute Zeit! Bruder Martin und die Freiheit!« Und sie wollten ihn gleich hineinziehen in ihre lustige Mette und boten ihm den Weinkrug hin. Doch Juliander stieß den Krug zurück, daß der Wein verschüttet wurde. »Leut?« Er kämpfte in Erregung um jedes Wort. »Ist denn die gute Zeit schon da? Ist euer Freiheit schon erfochten?« Da gab's ein Gelächter – die gute Zeit müsse lustig anheben, denn an der traurigen hätten sie schon lang genug, und ein jeder hätte die Freiheit, die er sich nimmt, und die Herren mit ihren schweren Hosen, die brauche doch kein Bauer mehr zu fürchten, die Herren mit ihren fünfthalb Knechten, die müßten über Nacht schon an der bloßen Angst krepieren! – Julianders Augen irrten in Zorn und Schreck über die lachenden Gesichter hin – und mit einem Ruck der beiden Arme schaffte er sich freien Weg: »Laßt mich, Leut! Ich muß zu meinem Vater ... denn was ich bei euch seh, taugt mir nicht! Und der Freiheit wird's noch minder taugen!« Er ging mit so hastigen Schritten davon, als könnte er dem lustigen Spektakel, der den Hügel erfüllte, nicht flink genug entrinnen. Und hinter ihm her scholl das Gelächter der Zechenden und das Spottlied, das sie auf die römischen Pfaffen sangen:

»Ich will fürhin gut päpstisch sein,
Des Luthers Lehr verachten,
Nach guten Tagen will ich nur
Und fetten Pfründen trachten!
Nach Zins und Rent
Steht mein Intent,
Wenn ich die hätt.
So könnt ich stät
In Lust und Freuden leben,
Das ist mein einzigs Streben!«

Als Juliander zur Brücke kam, blieb er stehen und sah mit einem Blick des Entsetzens nach dem johlenden Haufen zurück.

Er wollte weiterschreiten – aber da lag in mattem Grün der Hügel vor ihm, der das Wiesengütl und das Glück der Maralen getragen hatte. Eine Erregung überkam den Buben, daß ihm die Fäuste zitterten. Und er rannte den Hügel hinauf, als wäre dort oben ein Trost für ihn – als läge dort oben ein Brunnen, aus dem er nur trinken durfte, um klare Augen zu bekommen und das Gute und Große zu sehen: die schöne Ernte, die grün hinauswachsen mußte über den Wetterkot dieses Morgens.

Jetzt stand er vor der verblichenen Asche, die unter dem Schnee eine harte Masse geworden war, und vor dem Gewirr der schwarzen Balkenreste. Und die Obstbäume, die rings um das kleine Haus gestanden – die sollten nicht wieder grünen und blühen: die Hitze des Feuers hatte ihr Leben getötet und die Rinde über die Stämme hinauf bis in das Gezweig verkohlt.

»Josef! ... Lenli!«

Betend, mit der Kappe zwischen den Händen, stand der Bub vor dem Aschenhaufen, als wär's ein Grab.

Dann griff er nach einer Kohle und zerdrückte sie in der Faust. Er streckte sich – was in ihm wühlte, stieg ihm auf die Zunge – und während sie da drüben zechten und johlten, rief er über die rauschende Ache hinüber: »Leut! Euer Narretei ist arg! Aber was gut und groß ist, das muß werden!«

Er stieg zur Straße hinunter und eilte raschen Ganges durch die Schellenberger Gasse. Er kümmerte sich um die Leute nicht, die ihm zuschrieen, kümmerte sich nicht um das lachende Gerenne, das wie trunken von einem Haus zum anderen ging. Alle Leute waren wie toll – und die Kinder machten es wie die Alten, spielten ›Fuchs im Loch‹ und sangen dazu:

»Fuchs, beiß mich nit, Fuchs, beiß mich nit
Mit deinem großen Hungermaul!
Thätst einen rechten Herren geben,
Im Baurenfressen bist nit faul.
Eins, zwei, drei.
Ich schlag dir 's Maul entzwei!«

Dabei droschen die Kinder so kräftig aufeinander los, daß ihr lustiges Spiel mit Heulen zu Ende ging. Doch ihr Geschrei erstickte in dem rauschenden Stimmenlärm, der vom Marktplatz her in die Gasse drang. Der weite Platz zwischen Leuthaus und Kirche lag nicht wie sonst umschleiert von Dunst und Rauch. Die Knappen hatten in der Pfannstätte alle Feuer gelöscht – und so lachte seit Jahren zum erstenmal der klare, blaue Himmel über dem Platz. Den erfüllte ein buntes Gewirr. An die siebenhundert waren schon versammelt, Bauern und Knappen, Bürger und Handwerksleute. Alles schrie und drängte durcheinander, und über die Kappen und Köpfe starrten die Streitkolben und Sensen hinaus, die Speerklingen und Hellebarden, die einen geschärft und blinkend in der Sonne, die anderen ungeschliffen. Ueberall hatten sich die Leute in Gruppen zusammengedrängt, in jeder Gruppe hörte man einen mit lauter Stimme ausschreien, welchen Rat er für den besten hielte – und aus den offenen Fenstern der Herberge tönte das Lärmen der Durstigen, die ihr Bestes schon gefunden hatten: den vollen Krug. Dazu johlten sie ein Marschlied der Landsknechte, daß es klang, als säßen die Salzburger Bischofsknechte wieder im Leuthaus:

»Wir ziehen in das Feld,
Wir ziehen in das blutige Feld
Und haben weder Säckel noch Geld!
Strampe de miiii
Alla ml presente,
Al vostra signoriiii!
«

Auf das sinnlose Kauderwelsch des Liedes schienen sich die Sänger das meiste einzubilden, denn das sangen sie am lautesten. Und die jungen Burschen, die in der Herberg nicht mehr Platz gefunden hatten, sangen es unter freiem Himmel mit – bald hier, bald dort auf dem Marktplatz fiel eine Stimme ein – das klappte nicht mehr im Takt, und die hundert Stimmen verwirrten sich zu einem mißtönigen Geschrei.

Wie einer, der in fremdes Land gekommen und die Sprache der Menschen nicht versteht und ratlos ist, so stand Juliander mitten in all diesem Johlen und Gedräng. Kam einer an ihm vorbeigelaufen, den faßte er am Arm und rüttelte ihn und schrie ihm zu, was der andere nicht hören wollte. Der Zorn brannte in seinen Augen und klang in seiner Stimme, während er sich nutzlos mühte, ein paar von diesen trunkenen Menschen festzuhalten und zur Vernunft zu wecken. Ein alter, graubärtiger Knappe sah die Plage des Buben und kam auf ihn zugelaufen, mit ganz verstörtem Gesicht. »Bist nicht der Maralen ihr Bruder? Du?«

»Der bin ich! Ja!«

»So hilf mir Ordnung schaffen um Herrgottswillen! Schau nur, schau, wie's die Buben treiben!« Dem alten Mann war das Weinen nah. »Als hätten sich all zum Narren gesoffen ... am ersten Stündl der Freiheit! Grad fluchen möcht ich und zuschlagen! Schau, das muß doch ein Elend geben! Jesus Maria! Hilf mir, Bub! Wir müssen auf Berchtesgaden hinaus und den Hauptmann wählen! Und müssen die Rotten gliedern ...« Da sah er drei alte Bauern kommen, die der Rausch dieses Morgens noch nicht erfaßt hatte. Denen rannte er entgegen und schrie ihnen das Gleiche zu wie dem Buben – und rannte weiter und suchte noch andere, die ihm helfen sollten.

Mit blitzenden Augen, auf den Wangen die brennende Erregung, hatte Juliander das Eisen des Thurners aus der Scheide gerissen. Er hob die funkelnde Klinge und schrie mit aller Kraft seiner Stimme in den wirren Trubel: »Leut! ... Wer's gut will mit der Freiheit ... her zu mir!« Ein paar Dutzend Männer, die in der Nähe standen, hörten auf Julianders Ruf und traten zu ihm. Und wieder klang seine schmetternde Stimme: »Leut! .. Der den heutigen Tag versäumt, ist der guten Sach ein Feind! ... Zu mir her, Leut!«

Da klang aus der Gasse, die gegen Berchtesgaden führte, ein zeterndes Geschrei von Weibern – und Kinder mit schrillenden Stimmen flüchteten von der Gasse gegen den Marktplatz. Halb in Sorge und halb in Neugier drängte sich gleich ein lärmender Hauf an der Mündung der Gasse zusammen, und da sah man ein braunes Maulthier durch die leergewordene Gasse herunter jagen, in scheuer Wildheit, die gestreckten Nüstern umflattert von weißem Schaum. Doch das Thier gehorchte einer leitenden Hand und trug auf seinem Rücken einen Knaben in der Bauerntracht des ebenen Landes. Der war ohne Kappe – das Schwarzhaar umwirbelte ein bleiches Gesicht – und ganz gebeugt, wie in Erschöpfung, saß er auf dem Rücken des jagenden Thieres und schlug mit der Peitsche zu, als möchte er jedes Hindernis vor sich niederreiten.

Schon öffnete sich mit Geschrei der Menschenhauf, der die Gasse geschlossen hatte, schon wollten sie alle Reißaus nehmen vor dem jagenden Maulthier, als eine Weiberstimme schrillte: »Das Herrenkind! So schauet doch, Leut! So schauet! Das Herrenkind! Der schwäbische Bub ist dem Thurner sein Kind! Die hat sich vermaskert!« Ein Dutzend Stimmen schrieen es nach, und da schloß sich der Menschenhauf zu einer Mauer, zwanzig und dreißig stürzten dem jagenden Maulthier entgegen, haschten die Zügel und rissen das erschöpfte Thier zu Boden. Morella taumelte aus dem Sattel und brach mit halb erlöschenden Sinnen auf die Kniee nieder, inmitten eines Haufens kreischender Weiber.

Das gab einen Trubel! Das war ein Fang! Jetzt hatten sie ein Pfand in Händen, eine Geißel wider den Thurner, einen schützenden Panzer gegen die Kugeln seiner Mauerschlangen und Hakenbüchsen! So dachten und schrieen jene, die noch halb bei Vernunft waren, und denen nur der Rausch der Freiheit in den Köpfen wirbelte, noch nicht der Met der Herberge und der Kirchenwein, den sie in des Pfarrers Widum aus dem Keller gehoben. Doch andere dachten anders, und mit Gejohl und Lachen drängten sich gleich die Burschen herbei, welche neugierig waren, ob der Kuß eines adeligen Fräuleins besser schmecke als der Schmatz einer Bauernmagd.

Todesangst in den Augen, doch stumm, mit übereinander gebissenen Zähnen, suchte sich Morella den groben Fäusten zu entwinden, die nach ihr griffen. Erst als ein vierschrötiger Bursch sie mit derbem Arm umklammerte brach es ihr in Verzweiflung von den Lippen: »Vater!« Und da sah sie einen – nicht den Vater, den sie gerufen hatte – einen anderen, der sich mit stoßenden Armen eine Gasse durch das Gedräng der Menschen bahnte. Seine Nähe gab ihr die schwindende Kraft zurück, sie riß sich los und flog auf Juliander zu – warf sich an seine Brust und drückte zitternd das Gesicht an seinen Hals. Bleich, die Augen brennend, hielt Juliander mit dem einen Arm das Kind des Thurners umschlungen und streckte mit der Rechten die blitzende Klinge vor sich hin.

Einen Augenblick dämpfte sich der Lärm, als wären die Leute verblüfft, und als wüßte sich keiner zu denken, was der Bub mit dem blanken Eisen wollte. Da schrillte die Stimme eines Weibes: »Der möcht das Herrenkind schützen! Der ist ein Herrenknecht! Den hab ich in der Burghut gesehen.« Wildes Geschrei erhob sich, die Weiber drohten dem Buben mit geballten Fäusten, und einer der Burschen streckte lachend die Hand nach Morella. Doch Juliander machte mit einem ruhigen Kreisschwung des Eisens freien Platz um sich her. Und scharf klang über den Lärm hinaus seine Stimme: »Ich bin von Wittings Maralen der Bruder! Und der Stöckl-Josef, den die Herren ohne Schuld gemordet haben, der ist mein Schwager gewesen!« Dieses Wort machte die Leute ruhiger, die ärgsten Schreier schwiegen, und so konnte der ganze Menschenknäul, der die beiden umdrängte, die Stimme Julianders hören, die laut und kräftig klang und doch in Erregung zitterte. »Gelt, Leut ... so schlechten Mut wird keiner haben, daß er dem Bruder der Maralen in Böswillen nachreden möcht: Der thut, was unrecht ist ... und thut, was der Freiheit schadet ... und thut, was der guten Sach einen Prügel vor die Füß wirft! Gelt, Leut, das muß der Maralen ihr Bruder nicht fürchten? Und schauet, Leut, drum laßt euch ein Wörtl sagen von mir! Es soll ein Wörtl zum Guten sein!«

Es wurde, während er sprach, immer ruhiger um ihn her. Denn es war etwas in seiner Stimme, tut Blick seiner Augen – das schien die Leute zu zwingen, daß sie auf ihn hörten.

»Ja, Leut, 's ist wahr, ihr habet euch nicht verschaut: das ist dem Thurner sein Kind! Und ein jeder von euch wird wissen, wer der Thurner ist. Und wie der Josef noch am Leben gewesen, da hat er mir einmal gesagt: der Thurner ist von den guten Herren einer, ein Herr, mit dem man hausen kann ... der hat im Ernst noch nie einem Bauren weh gethan.«

In der halben Stille kreischte eine Stimme: »Herr ist Herr, und von den Herren der Best ist allweil noch ein Blutegel am Baurenleib! Und was Herr ist, muß hin sein! Und was Herrenblut hat, das muß man niederschlagen.« An die dreißig Stimmen schrieen das nach. Doch andere begannen zu schelten: das wäre Unverstand, solche Meinung wäre ›der guten Sach ein Schaden‹ – und die Neugierigen riefen: »Haltet das Maul, ihr Schreier! Luset, was der Bub da sagen will!«

Und da sagte ihnen Juliander, wie ihn das Fräulein und ihr Vater damals ›am roten Kathreinstag‹ aus den Spießen der Salzburger Bischofsknechte gerissen hätten. Und der Thurner hätt ihm guten Unterstand und festen Schutz gegeben. Und hundertmal hält er den Thurner reden hören wider die ungerechten Herren und für die gerechte Sache des Volkes. »Und schauet, Leut ... weil heut in der Nacht die Feuer gebronnen haben, da bin ich am Morgen zum Thurner gegangen ... und hab ihm gesagt: Jetzt muß ich heim, jetzt muß ich mithelfen, daß wir die gute Zeit schaffen! Und schauet, Leut, da hat mir der Thurner freien Weg gelassen ... und hat mir das scharfe Eisen da mit auf den Weg gegeben, daß ich es brauch für unser Freiheit! Und schauet, Leut, der Glauben an unser gute Sach ist in mir gewesen wie ein heiligs Feuer! Und ich hab gemeint: wie's in mir ist, so muß es in jedem sein ... und hab gemeint, jetzt muß ich tausend Leut sehen, nüchtern, mit festem Mut in der Seele, ein jeder mit dem rechten Willen zum guten Werk ... rechtschaffene Mannsleut, wo jeder dem Nachbar die Hand hinbietet und sagt: Nachbar, jetzt müssen wir fest zu einander halten, jetzt geht's um eine große und schöne Sach ... jetzt müssen wir ein hartes Schaffen anheben ... und 's Erst ist, daß wir uns selber zwingen müssen, eh wir die Herren werfen! Und schauet, Leut ... da hab ich rauschige Buben gesehen ... hab Mannsbilder sehen müssen, wie die Narren in der Fasnacht! Und ein Singen und Juchezen ist überall gewesen! Und ein Saufen und Umhupfen mit den Weibsbildern! Und ein schandbars Treiben und ein wüstes Ding! Und das ist alles gewesen, was ich gesehen hab ... und da ist mir ein Zorn ins Blut gefahren ...

Als er das sagte, stieg es wieder in ihm auf, daß es ihm die Stimme zerdrückte, und daß ihm der Zorn die Thränen in die Augen trieb. Und während Morella an seiner Brust das bleiche Gesicht hob und zu ihm aufblickte, begann um die beiden her ein wirres Geschrei. Aber wie laut diese hundert Stimmen auch waren – man hörte doch die Stimme eines alten Bauern, der in Erregung kreischte: »Recht hat er! Der Bub hat recht! Sag's ihnen, Bub! Sag's ihnen!«

»Leut!« Die Stimme des Buben hob sich über den Lärm. »Luset, Leut! Und soll einer hergehen und soll mir Red und Antwort geben! ... Hebt denn die gute Zeit mit Dudeln und Schreien an? Mit Tanzen und Dirnenlupfen? Ist das euer Freiheit: daß ein jeder meint, er müßt sich aufführen als wie das Vieh? Und Unrecht treiben, wie's von den Herren die Schlechtesten getrieben haben im Rausch und Übermut? Wein saufen und lustig sein? Ist das alles, was der Bauer will? Da braucht man kein neues Wesen und keine gute Zeit dazu! Das hat man doch allweil schon haben können, auf jeder Kirchweih, auf jedem Maitanz und auf jedem Viehmarkt! Wenn der Bauer von der Freiheit nichts Besseres will ... Leut, da kann ein jeder wieder heimgehen und kann sich auf's Stroh legen! Die Freiheit ist keinen Knopf am Janker wert! ... Ist's aber, daß man gute Zeit schaffen will, in der ein Bauer sein redlichs Leben hat als freier Mensch, ohne Knechtschaft und blutige Steuer, ohne Fron und Scharwerk, sicher in seinem freien Haus und sicher in seiner Lieb zu Weib und Kind ... ist's an der Stund, daß man den Übermut der schlechten Herren bindet und einen guten Kaiser macht, ein mächtiges Reich und ein festes Volk ... das ist ein großes und heiliges Ding! Und ich mein', das müßt man anders anheben! Ernst und nüchtern, wie man zu harter Arbeit geht ...«

Mehr noch, als die unbehilflichen Worte, die Juliander in seiner Erregung fand, wirkte der Glanz seiner Augen und das brennende Blut seiner Wangen. Hundert Stimmen schrieen ihm zu: »Hast recht, Bub, ja, hast recht!« Und alle drängten sich näher, um besser zu hören.

»Schauet, Leut: die Freiheit schaffen, das ist leichter gesagt, als wie gethan! Viel hundert Jahr, die gewesen sind, und viel hundert Herren, die in festen Burgen und in den Klöstern sitzen, und viel tausend Herrenknecht mit guter Wehr ... die alle sind wider uns. Und da müssen wir doch erst noch zeigen, ob unser fester Mut das bessere Eisen ist, als wie's die Herren hinter der Mauer haben! Schauet, Leut ... was uns zusteht mit der nächsten Zeit, das hängt wie ein arges Wetter am Himmel! Soll uns das Wetter keinen Schaden thun und unser schönes Traid nicht in Grund und Boden schlagen ... da muß man auf die Felder laufen und die Faust rühren! Und einer muß zum andern helfen, und jeder muß schaffen, wie's recht und gut ist! Erst muß man die Garben binden, eh man den Wagen mit der schönen Ernt in die Scheuer führt! Schauet, Leut, da droben auf dem Marktplatz, da stellt man die Rotten auf! Die müssen auf Berchtesgaden zu und müssen den Hauptmann wählen! Und was ein rechtschaffenes Mannsbild und ein richtiger Bub ist, nimmt sein Eisen und geht auf seinen Platz!«

Bild: A. F. Seligmann

Der drängende Menschenhauf, der um die beiden hergestanden, begann sich unter Lärm schon zu entwirren, als Juliander den Arm von Morella löste, um ihre Hand zu fassen. Er sah sie an – und seine Stimme schwankte, als er zu ihr sagte: »Jetzt mußt kommen, Fräulen ... weißt, ich muß mich tummeln, daß ich dich heimführ zu Eurem Vater ... ich hab nimmer Zeit ... ich muß schauen, daß ich auf Berchtesgaden komm.«

Morella regte sich nicht. Ihre Augen hingen an ihm, und so stand sie, als wäre sie an allen Gliedern gelähmt – und zitterte in ihren groben, verstaubten Knabenkleidern.

Da zog er sie an der Hand mit sich fort. Und niemand hinderte den Weg der beiden. Doch ein alter Bauer kam ihnen nachgelaufen, stellte sich vor Juliander hin, sah ihm ins Gesicht und sagte: »Bub! Dich muß ich mir merken!«

»Bauer ...« stammelte Juliander und griff nach dem Mantel, den der Alte auf der Schulter hängen hatte. »Magst mir nicht deinen Mantel leihen?«

»Ja, Bub! Von mir kannst alles haben!« Der Bauer lachte. »Aber schaust doch nicht aus, als ob dich frieren thät?«

Juliander schüttelte den Kopf und stotterte: »Die Leut, weißt ... die schauen das Fräulen allweil so an ... in ihrem Bubenhäs.« Er schob das Eisen in die Scheide und legte den Mantel um Morellas Schultern. »Komm, Fräulen ... ich muß mich tummeln!« Dem Alten rief er noch zu: »Den Mantel leg ich ins Leuthaus hinein, gelt?« Und während er lange Schritte machte, zog er Morella hinter sich her, die Gasse hinunter. Wie das Brausen eines Wildbaches ging der Lärm mit ihnen, der vom Marktplatz kam. Aus der Herberg hörte man noch das Johlen und Singen. Das verwirrte sich und wurde schwächer, nur einzelne Stimmen kreischten noch – und jetzt verstummten sie – und aller Lärm versank in ein dumpfes Summen.

Die beiden sprachen kein Wort. Und während Juliander immer raschere Schritte machte, spähte er mit heißen Augen die Gasse hinaus, ob nicht ein neues Hindernis käme, eine neue Gefahr. Da fühlte er plötzlich, wie das zitternde Händchen in seiner Hand so seltsam schwer wurde.

»Komm, Fräulen! Ich muß mich tummeln!«

Aber Morella blieb stehen und that keinen Schritt mehr. Und als er aufblickte, sah er, daß ihr Gesichtchen ganz weiß unter dem wirren Schwarzhaar hervorlugte, und daß sie die Augen geschlossen hatte.

»Fräulen?«

Die Kniee brachen ihr, und sie wäre zu Boden gestürzt, wenn er sie in seinen Armen nicht aufgefangen hätte mit einem stammelnden »Jesus!«

Als wäre ihr Körper nur ein leichtes Federchen, so hob er sie an seine Brust und fing zu laufen an. Bei der Achenbrücke stand er eine Sekunde ratlos, als er vom Hügel her das Singen und Jauchzen hörte. Und da bog er vor der Brücke ab und lief am rechten Ufer der Ache entlang. Das war ein harter Weg: über grobes Geröll und über steile Sandmuhren. Aber sein Schritt war sicher. Und wenn der steile Lehmboden unter seinen Sohlen brach, erreichte er mit einem Sprung immer wieder ein Stücklein festen Grundes.

Jetzt konnte er schon vom Thorwerk der Burghut her die schreienden Stimmen der Knechte hören. Die lärmten so, weil sie auf der Straße vor dem Thor das braune Maulthier sahen, das sie kannten – und weil es so plötzlich daherkam, ohne Reiterin, ohne Sattel, mit Staub und Schaum behangen. Die Stimmen der Knechte lärmten wirr durcheinander. Und das war der Wärtel, der immer kreischte: »Herr! Herr! Herr! Herr!«

Als Juliander vom Gehäng hinunterstieg ans Ufer des Baches, verschwanden ihm drüben die Mauern der Burghut. Einen Augenblick zögerte er, bevor er den Sprung in das schäumende Wasser that. Das ging ihm bis an die Hüften, und er mußte die Ohnmächtige hoch an seine Schulter heben, daß ihr das schießende Wasser nicht die Füßchen streifte. Und während er in den reißenden Wellen Schritt um Schritt erkämpfte, ruhte seine Wange an Morellas Brust – er fühlte die Wärme ihres Lebens und hörte den leisen Schlag ihres Herzens. Wie Schwindel überkam es ihn. Er mußte stehen bleiben und Atem schöpfen – und da erwachte Morella, sah mit dem ersten Blick nur das schäumende Wasser und klammerte, noch halb von Sinnen, die Arme um Julianders Hals. Das zerdrückte ihm völlig den Atem. Er zitterte und wankte. »Fräulen ...« stammelte er, »thu deine Armlein von meinem Hals ... das geht mir ins Leben, daß ich fallen muß!« Aber Morella umklammerte ihn nur noch fester und schmiegte ihre Wange an sein Haar – und schloß die Augen wieder – und lächelte: »Du? Der starke Bub! ... Und fallen!« Er machte einen Schritt – und taumelte – und that ein paar hastige Sprünge gegen die Strömung – und da hatte er das Ufer gewonnen. Jetzt noch der steile Grashang – und als Juliander die Straße erreichte, stand das Burgthor schon offen, die Brücke war niedergelassen, und Herr Lenhard kam mit seinen Knechten aus dem Hof, wie zu einem Ausfall gerüstet. Denn beim Anblick des Maulthieres, das so plötzlich ohne Reiterin und ohne Sattel heimkehrte, war dem Thurner der kriegsmännische Verstand mit der Vatersorge durchgebrannt – und nur der eine Gedanke noch war in ihm: ins Dorf, zu den Bauern, und den ersten an der Gurgel packen! Doch als er den Buben sah und auf seinem Arm das schwarzlockige Häuflein Leben in dem grauen Bauernmantel, stand er freudig erschrocken.

»Bub?«

»Schau, Herr Thurner ... da bring ich dein Kindl heim!«

Und Morella streckte dem Vater schon die Arme entgegen.

»Santa Madonna!« knurrte Herr Lenhard – und es geschah zum erstenmal in seinem Leben, daß er seinen welschen, sonst von Teufeln und Heidengöttern wimmelnden Sprachschatz um ein heiliges Wörtlein bereicherte. »Räpplein ... du Narrenvogel ... mein Kindl mein liebs!« Er machte noch verdutzte Augen, als sich aus dem grauen Bauernmantel ein schwäbisches Büblein herausschälte – aber dann griff er mit seinen eisengeschienten Armen zu, und der erste Sturm seiner Zärtlichkeit entpreßte Morella bei all ihrer lachenden Freude einen Laut des Schmerzes. Denn neben der Liebe ihres Vaters spürte sie auch die eisernen Schienen seiner Arme.

»Räpplein! Kindl! Wie kommst mir denn auf einmal daher?«

»Babbo! Babbo! Wie bin ich froh, daß ich wieder daheim bin!« Zitternd hing sie an seinem Hals, während der Vater sie über die Brücke hineinzog in den Hof.

»Die Bruck hinauf! Und das Thor zu!« schrie der Thurner. Und wie er vor einem tiefen Zug den Steinkrug zwischen die Hände zu nehmen pflegte, so nahm er Morellas Köpfchen zwischen die eisernen Fäuste und trank sich satt mit einem tiefen Blick.

Lachend, und doch das Gesichtchen noch verstört von der überstandenen Angst und Mühsal, und in den Augen eine Freude, so hell, so lachend, wie sie der Thurner in den Augen seines Kindes noch nie gesehen – so blickte Morella zum Vater auf. Und das blasse Hasenmäulchen zuckte, und es fieberte um die Flügel des feinen Näschens, während sie stammelte: »Babbo! Das ist ein Grausen gewesen! Das möcht ich nimmer erleben! Und schau, ich hab schon gemeint, daß ich sterben muß in Schand ... und da ist mein Bub gekommen ...« Verstummend löste sie ihr Köpfchen aus den Händen des Vaters. »Juliander?« Ihr Blick irrte durch den Hof, über die Gesichter der Knechte, und mit erschrockenen Augen sah sie das geschlossene Thor an. »Babbo? ... Der Bub? ... Wo ist denn der Bub?« Ohne die Antwort des Vaters abzuwarten, machte sie eine Bewegung, als hätte sie ein Kleid zu schürzen, und flog die steile Holztreppe hinauf zur Plattform des Thorwerkes.

Zitternd stand sie über die Zinne der Mauer gebeugt – und sah auf der weißgrauen Straße einen dunklen nassen Streif – und sah da draußen beim Brückenhügel einen gehen, der auf dem Arm einen grauen Mantel trug.

Ein Laut, so gellend wie ein Falkenschrei: »Juliander!«

Der da draußen blieb auf der Straße stehen. Er wandte das Gesicht – und stand eine Weile. Dann ging er weiter.

Klirrend in seinen Schienen kam der Thurner über die Treppe herauf. Da flog Morella aus ihn zu und nahm ihn bei der Hand, ganz verstört, ratlose Angst in den Augen. »Babbo! ... Der Bub! ... Wie kannst mir denn jetzt den Buben da fort lassen!«

Erst machte Herr Lenhard große Augen. Dann kam ein welscher Fluch – und dann die Frage: »Ist er fort?«

»So schau nur, Babbo! Schau! Da draußen! Und mitten unter die wilden Wölf da rennt er hinein!«

Der Thurner legte den Arm um seine Tochter. So standen sie bei der Mauer. Und mit einem Seufzer sagte Herr Lenhard: »Der will halt fort! Da kannst nichts machen! ... So ein Bock, so ein eigensinniger! ... Aber thu dich nicht sorgen, Räpplein! Um den Buben ist mir nicht bang. Das hab ich gemerkt heut eines guten Menschen Weg geht allweit dem Guten zu!«

Sie standen an der Mauer, bis Juliander da draußen hinter dem Hügel verschwand, aus dem das Fähnlein der Bauern flatterte und die trunkene Freiheit jodelte.

Dann sagte der Thurner: »Komm, du Narrenvogel! Jetzt mußt ins Bett!«

»Babbo ...«

»Ins Bett! Corpo di cane! Ich seh doch, wie dir die müde Angst in jedem Fingerlein zittert. Die Resi soll dir ein Bad aufgießen und soll dich warm in die Federn wickeln! Weiter! Und wenn du in deinem Kobel liegst, so komm ich hinauf zu dir ... daß man doch hört einmal, wieso dich der Teufel heut daherschneit als einen schwäbischen Mistbuben! ... Weiter!«

Wankend, als wäre die letzte Kraft in ihr erloschen, ging Morella zur Treppe. Und da kam ihr schon die Frau Resi entgegen, mit einem Schwall von Worten, in ihrer Freude mit einem so rotglänzenden Gesicht, wie es ein saurer Apfel macht, der gezuckert und gebraten wurde.

Herr Lenhard blieb auf dem Thorwerk stehen und sah seinem Räpplein nach und schüttelte nur immer den Kopf. In seinem verwitterten Gesicht, das unter dem gesträubten Barthaar ganz verschwand, und in seinen grimmigen Augen raufte die Freude mit dem Aerger, wie an einem Apriltag die Sonne gegen Schauer und Regen kämpft.

Dann setzte er sich auf die scharfgeladene Mauerschlange und spähte in Sorgen gegen das Dorf hinaus. Und sah, daß der Bauerntrupp, der den Brückenhügel besetzt gehalten, mit seinem Fähnlein abzog. Und vom Dorf herüber hörte er noch eine Weile den dumpfen Klang der Kuhhörner, den Hall einer Trompete – dann nichts mehr.

Nach einer Stunde kam Frau Resi, um den Thurner zu holen. Und Herr Lenhard, dem das Warten schon zu lange gedauert hatte, machte flinke Schritte. Schnaufend stieg er im Wohnhaus die enge, finstere Wendeltreppe hinauf, die zu Morellas Stübchen führte. Der kleine Raum, der sein Licht durch die verglaste Thür der Altane bekam, war anzusehen wie ein sonniges Winterbild. Denn alles in diesem Raume war weiß – die Wände waren weiß getüncht, die Vorhänge der Glasthür und des hochbeinigen Himmelbettes bestanden aus weißem Linnen, und aus weißem Ahornholz war all das einfache Gerät gefertigt: der hohe, doppelthürige Schrank, der kleine Schrein, die Truhe und das Bett. Fast die einzige Farbe in dem weißen Stübchen war das Gold, mit dem die Morgensonne auf den Dielen lag, und das heiße Rot, das auf Morellas Wangen brannte, und das tiefe Schwarzbraun ihrer Locken, die das weiße Kissen überringelten.

»Babbo ...«

Sie streckte dem Vater die Arme entgegen. Und als sich der Thurner in seinem schweren Rüstzeug auf den Bettrand setzte, um sein Kind an die Brust zu schließen, krachte der weiße ›Himmel‹ in all seinen Fugen.

Morella war in Thränen ausgebrochen, und so weinte sie am Hals des Vaters, bis sie das Gesichtlein hob mit der stammelnden Frage: »Babbo, Babbo, sag mir nur ... sind denn die Menschen wilde Thier geworden?«

»Wilde Thier?« brummte Herr Lenhard – und weil er die Hände nicht frei hatte, zwinkerte er mit den Augen und schüttelte heftig den Kopf, um die zwei heißen Tropfen los zu werden, die ihm an den Lidern hingen. »Die Menschen sind halt, wie sie sind! Der Schlechteste hat allweil noch ein gutes Fleckl, und der Beste hat allweil noch einen närrischen Winkel in seinem bockbeinigen Grind. Und weißt, Räpplein, die Menschen muß man nicht messen in der Ausnahmszeit. Wenn das Wasser im Sieden ist, und man hebt den Deckel vom Hafen, so pfurrt halt der Dampf heraus! ... Aber sag, Kindl, wie kommst denn auf einmal so daher?«

Wieder schlang sie die Arme um seinen Hals. »Schau, Babbo, wie's draußen im Schwäbischen angehoben hat mit dem wüsten Lärmen, da hat's mich nimmer gelitten! Schau, da hab ich heim müssen ... zu dir und ...« Zitternd schmiegte sie das brennende Gesichtchen an den kalten Panzer des Vaters. »Es hat mich halt nimmer gelitten ... und der Bas ist's besser gegangen, weißt ... die hat mich doch nimmer gebraucht. Und schau, eine Angst hat mich angepackt ... ich weiß nicht wie ... und ich sag dir, Babbo, um die ganze Burg her ist's gewesen, als wär ein Teufel in die tausend Leut gefahren!«

Herr Lenhard nickte, und seine ›Zeitsorg‹ machte ihn seufzen. »Ist der Meister Jörg schon daheim?«

»Seine Vorreiter sind dagewesen, und man hat ihn erwartet mit jedem Tag. Und die Bas hat allweil gesagt, ich soll doch warten, bis er kommt ... und eh der Meister Jörg nicht daheim wär, thät sie mir kein sicheres Geleit nicht geben können ... und auf die letzt, da ist die Bas ganz zornig geworden mit mir! Aber schau, Babbo, ich hab nimmer warten können!« Sie hob das Gesicht und strich mit zitternden Händen das schwarze Geringel von der Stirn zurück. Um das rührsame Hasenmäulchen schnitt sich ein harter Zug, und ihre Augen blitzten. »Und weil mit der Bas kein Reden nimmer war ... schau, Babbo, drum hab ich für mich allein gethan, was ich thun hab müssen! Für einen Schilling hab ich dem Gänsbuben auf der Mindelburg sein Häs abgekauft, und einen Schilling hab ich dem Thorwart auf Wein gegeben ... und hab ihm gesagt, ich möcht hinausreiten auf den Anger, weil mir das müde Hausen in der Burg das Blut so schläfrig macht. Und da bin ich zugeritten, Babbo ... und bin geritten, was mein Brauner hat laufen können ... und sieben Tag lang bin ich geritten ...«

Der Thurner lachte. Jetzt lag ja sein Räpplein sicher im weißen Bett – und da blieb für ihn nur die Freude übrig, die dieser Tollmut seines Kindes in seinem alten Landsknechtherzen weckte. Und in seinem Lachen fand er nur das eine Wort: »Du Narrenvogel! O du Narrenvogel!«

»Da mußt nicht lachen, Babbo! Das ist ein schieches Reiten gewesen!« In Morellas Augen war's wie ein Blick des Grauens, und ihre Stimme zitterte. »Zwei Tag lang hab ich reiten müssen ums Leben ... am Geläger der schwäbischen Bauren vorbei ... Babbo, schau, die Leut all, die sind wie rauschig gewesen ... und was ich sehen hab müssen ... da ist mir ein Grausen ins Blut gefahren!« Sie bedeckte das Gesicht. Und als sie die Hände wieder sinken ließ, atmete sie auf, wie nach überstandener Todesangst. »Erst wie ich zum Ammersee gekommen bin, da ist wieder Ruh gewesen im Land. Und durch die ganze bayrische Gegend her, bis an den Chiemsee, da hab ich kein Feuer brennen sehen und hab kein Kuhhorn brüllen hören. Da haben die Bauren auf den Äckern gepflügt und haben das Traid gesät ...«

Herr Lenhard hob das Gesicht und machte die Augen groß, als hätte er da eine wichtige Botschaft vernommen. »Im Bayerland draußen halten die Bauren Fried?«

»Ja, Babbo! In den Pfarrhöfen, wo ich genächtigt hab, und in den Herbergen, wo ich mir diemal ein Bröcklein gekauft hab für meinen Hunger, da hab ich die Leut so reden hören, als thäten sie sich vertragen mit ihren guten Fürsten, die ihnen die Hand zum Frieden bieten.«

Der Thurner that mit der Faust einen Streich auf seinen Schenkel. »So ist dem neuen Wesen ein Keil ins Fleisch getrieben!«

Bild: A. F. Seligmann

»Aber in Reichenhall, Babbo, da hat der Lärm wieder angehoben ... gestern am Abend ist's gewesen ... und vor den Häusern hab ich über die Wiesen reiten müssen, denn vom Kloster her, da hab ich ein Schreien gehört wie von tausend Menschen ... und sieben erschlagene Knecht sind vor dem Mauthaus an der Landgrenz auf der Straß gelegen ... Babbo, da ist mir in meiner Müdigkeit das Fürchten gekommen!« Morella umklammerte den Vater. »Und mein Brauner ist krumm gegangen und hat nimmer laufen wollen ... und da bin ich am Röthelbach zu einem einschichtigen Lehen gekommen ... und in der Herdstub hab ich den Bauer und die Bäurin mit zwei Büblein am Herd sitzen sehen ... und schau, Babbo, die Leut, die haben gebetet, und da hab ich mir ein Herz genommen und bin hinein. Aber wie ich die Bäurin angesehen hab, bin ich erschrocken auf den Tod ... das ist eine Schellenbergerin gewesen, und ich hab auch gleich gemerkt, daß sie mich kennt ... und sie hat ihrem Mann was ins Ohr gewispert. Da lacht der Bauer ein bißl und kommt auf mich zu und fragt: »Büblein, was magst?« Ich hab keine Lug mehr herausgebracht und hab's halt gesagt: daß ich umfall vor Müdigkeit, und daß mein Brauner nimmer laufen will. Und da haben sie mir zu essen gegeben, und der Bauer hat dem Braunen den krummen Fuß gekühlt, und die Bäurin hat mir am Feuer eine Liegerstatt gemacht. Und da bin ich gelegen, Babbo, und hab gezittert in meiner Angst, und hab gethan, als ob ich schlafen thät. Und der Bauer ist wieder am Feuer gesessen, und mit einer Stimm, die ganz wisperig gewesen ist, hat er seinem Weib von einem Blättlein was fürgelesen ... ein Lied, Babbo ... und das hat angehoben: Nun ist das Heil uns kommen her, voll Gnad und lauter Güte ...«

»Räpplein!« fuhr der Thurner auf. »Das sind lutherische Leut gewesen!«

Erschrocken sah sie den Vater an. Und bekreuzte das Gesicht wie nach einer überstandenen Gefahr – und schüttelte dazu das Köpfchen, als wäre etwas an der Sache, was sie nicht verstand. »Aber, Babbo! In unserer Kirch, da hab ich doch allweil predigen hören ...« Sie stockte. »Und schau, Babbo, die Leut da, die sind so gut zu mir gewesen! Und eh der Bauer das Feuer geloschen hat, ist er zu meiner Liegerstatt gekommen und hat mich zugedeckt mit einem Mantel ... und schau, da ist mir alle Angst vergangen, daß ich schlafen hab können.«

Mit grimmigen Augen sah Herr Lenhard vor sich hin und schnaufte, als wäre ein Denken in ihm, das er gern von sich abgeschüttelt hätte.

»Und gählings weckt mich einer ... es hat schon gegrauet in der Stub ... und da steht der Bauer vor mir und sagt: Fräulen, jetzt muß ich dich fortschicken, es ist an der Zeit, daß du heimkommst zu deinem Vater! Und wie ich hinauskomm vor die Herdstub, seh ich im Frühlicht mächtige Feuer brennen auf allen Bergen ... das hab ich verstanden, Babbo! Grad so haben die Feuer vor zwölf Nächten um die Mindelburg gebronnen! Und da hab ich mir nimmer Zeit gelassen, daß ich den Braunen gesattelt hätt ... und hab ein Reiten angehoben in meiner Angst ... und zu Berchtesgaden ist alles schon lebendig worden ... ein Hornblasen und Läuten ist's gewesen, ein Schreien und Singen ... und da hab ich losgeschlagen auf das arme Bräunl ... und wie ich zu Schellenberg auf den Kirchplatz gekommen bin ...«

Von einem Schauer befallen, schlug sie die Hände vor das Gesicht und fiel in die Kissen zurück.

»Das ander kann ich mir denken!« knurrte Herr Lenhard mit Lachen vor sich hin. Schweigend wartete er eine Weile. Dann rüttelte er den Arm seines Kindes. »He! Räpplein! ... Was hast denn? ... So schau doch wieder auf!«

Morella ließ die Hände sinken – und da blühte ein mildes Lächeln um ihren Mund, und ein träumender Glanz war in ihren Augen, die den Vater nicht zu sehen schienen.

»Kindl?«

Wie erwachend blickte sie zu ihm auf. Und sagte ernst: »Babbo! Ich hab Leut gesehen, vor denen ich erschrocken bin! ... Aber einen hab ich reden hören von der guten Zeit der Menschen ... dem hab ich glauben müssen!« Sie atmete tief und lächelte wieder.

»Was wär denn das für einer gewesen?«

Morella schwieg. Dann hob sie sich halb aus den Kissen, nahm die Hand ihres Vaters und streichelte die rauhbehaarte Faust. Und während ihr in Glanz die Augen schwammen, fragte sie leise: »Babbo ... wie du meine Mutter lieb gewonnen hast ... jetzt mußt mir sagen, Babbo, wie das gewesen ist!«

Herr Lenhard seufzte und sah eine Weile vor sich hin. Dann lachte er rauh und fragte verwundert: »Räpplein? Wie kommst du denn jetzt auf das?«

»Warum hast du mir das noch nie gesagt?«

»Weil man dem jungen Zeisig den schiechen Lebensfalken nicht gern vors Nestl hinstellt. Der kommt ihm allweil noch zeitig genug geflogen. Aber hast doch jetzt ein Stücklein grauslicher Welt gesehen! Da kannst auch hören, wie ich zu deiner Mutter gekommen bin. Das ist ein Jahr geschehen, eh du die Guckaugen aufgethan hast. Und der Mai meiner Lieb ... das ist grobe Zeit gewesen. Ich bin in Welschland bei des Kaisers Heer gestanden und hab ein Fähnlein Landsknecht geführt. Mit sechstausend scharfen Buben sind wir vor Brescia gelegen, und am Johannistag, in aller Morgenfrüh, hat man zum Sturm geblasen. Kindl, das ist ein siedheißer Tag geworden ...« Herr Lenhard geriet in Feuer, und als säße er mit Juliander hinter dem Steinkrug, so begann er den Sturm gegen die Mauern zu schildern, das Eisengeklirr der Stürmenden und das Krachen der Schlangen und Hakenbüchsen. Und plötzlich besann er sich – und lachte: »Ja so ... du hast doch was anderes hören wollen! So schau halt ... wie die Stadt genommen war, da hat sie der Feldhauptmann den scharfen Buben in die Fäust geworfen, weil sie drei Monat lang keinen Sold mehr gesehen haben. Wie's da zugegangen ist ... Kindl, druck deine Augen zu, das sollst nicht sehen! ... Und wie ich am Abend aus der roten Stadt hinausgeritten bin ins Geläger ... mein Roß ist geladen gewesen, daß es schnaufen hat müssen ... schau, da hab ich in einem kleinen Haus ein Mädel schreien hören. Ich bin's gewohnt gewesen, daß die Weiber haben schreien müssen, wo unsere scharfen Buben hingekommen sind ... aber selbigsmal, die Stimm des Mädels, die ist mir durch Mark und Bein gegangen. Und da bin ich abgesessen, hab an der Hausthür über einen alten Mann steigen müssen, der tot in seinem Blut gelegen ist ... und wie ich in die Stub komm, seh ich drei Landsknecht, die sich raufen um das Mädel, jeder die Faust in ihrem Haar, und jeder hat mit der anderen Faust auf seinen Gesellen losgedroschen! ... Und ein Mädel, Räpplein ... noch schön in seinem Jammer ... und das arme Ding bat mich angeschaut mit einem Blick, der heißer geredet hat wie tausend Wort. Da bin ich dreingefahren unter die Lümmel ... und was auf meinem Roß gehangen hat, den ganzen Sack voll Silberschüsseln, hab ich den Buben hingeworfen, daß sie das Mädel freigeben. Und hab sie zu mir aus den Sattel gehoben und bin ins Geläger geritten ... und das arme Ding hat gezittert und hat nichts andres nimmer sehen mögen, als die Nacht in den Wamsfalten auf meinem Panzer ...«

Der Thurner machte mit seinem Arm eine zärtlich sanfte Bewegung, als schlösse er wie damals das ›zitternde Ding‹ an seine Brust.

»Und wie wir in meinem Zelt waren, ist sie in ihrem Jammer dagesessen wie ein Bröslein Elend ... denn weißt, Räpplein, der alte Mann, der vor der Hausthür gelegen, das ist ihr Vater gewesen, und Mutter hat sie keine mehr gehabt. Aber das hab ich erst später zu wissen gekriegt ... selbigsmal hab ich mit meinem bissel Welsch kaum ein Wörtl von allem verstanden, was sie geschrieen und in Thränen geredet hat. Aber wie ich mir den Kyrriß herunterschnall ... und das Mädel sieht, daß ich blut am Arm ... da hat sie mir das Blut gestillt und hat mir den Arm verbunden. Dann ist's Nacht geworden, und ich hab sie schlafen lassen auf meinem Zeltkreister ... und bin auf dem Boden gelegen. Und den andern Tag, wie man der Stadt den Frieden gegeben hat, hab ich sie heimgeschickt ... und schau, Räpplein, das ist mir nicht leicht geworden. Am Nachmittag sind wir davongezogen, auf Mailand zu ... und ein halbes Stündl bin ich schon geritten gewesen ... da kommt eins hergelaufen über die Maisfelder ... und denk, Räpplein: das Mädel ist wieder da! Und schaut mit ihren tottraurigen Augen zu mir auf ... und greift mit der Hand in den Steigbügel und laßt nimmer aus ... und allweil zottelt sie neben meinem Gaul her ... und wie ich merk, daß sie müd wird, hab ich sie halt zu mir heraufgehoben.«

Dem Thurner wurde die rauhe Stimme lind.

»Am Abend, in meinem Zelt, da hat sie Feuer gemacht und hat mir die Supp gekocht ... Räpplein, die hat mir geschmeckt ... und in der Nacht, wie ich mich wieder hab hinlegen wollen auf den Boden ... da ist sie gestanden und hat gezittert ... und wie ich grob geworden bin und hab ihr so mit den Händen gesagt: sie soll sich schlafen legen ... da ist ihr mit Thränen ein Lachen aus dem Herzen gekommen ... und schau, da sagt mir das Mädel: »Messer, ti voglio bene!«

Bleich und zitternd, die Hände um die Faust des Vaters klammernd, stammelte Morella: »Babbo ... was heißt das?«

»Das soll heißen: Herr, ich bin dir gut! ... Und schau, Räpplein, so ist das liebe Mädel deine Mutter worden ... und ist mein Weib gewesen. Und ihr zulieb hab ich's gethan, daß ich mich als Pfleger da in das Rattenloch gesetzt hab ... daß sie doch einen Herd hat, weißt! Und da hat sie gehaust mit mir ... bloß ein einzigs Jahr ... und hat mir ein schönes Jahr so schön und reich gemacht ... und ist nur eine arme Magd gewesen!« Aufschnaufend that Herr Lenhard einen Griff mit der Hand. »Gott weiß wohl, wen ich meine!« Doch als er trinken wollte, merkte er, daß er mit der Hand ins Leere gegriffen. Ein welscher Fluch – und dann ein müdes Lachen.

Da schlang Morella die Arme um den Hals des Vaters, unter Thränen und in stürmischer Zärtlichkeit. »Gelt, Babbo ... die Mutter hat dich reich gemacht ... und ist nur eine arme Magd gewesen!« Schmerz und Freude zitterten in diesem Wort.

Herr Lenhard schwieg eine Weile und ließ sich herzen von seinem Kind wie einer, der nach frierender Zeit die liebe Sonne spürt. Dann schien ihm plötzlich ein Gedanke zu kommen, der ihn schmunzeln machte. Und mit den Augen zwinkernd, sagte er: »Räpplein, du roter Narrenvogel ... ich mein', jetzt weiß ich, warum du mich das gefragt hast: wie ich deiner Mutter gut geworden bin?« Er lachte. »Meintwegen, so erzähl mir halt, wie das bei dir gegangen ist!«

Brennend schoß das Blut in Morellas bleiche Wangen – und als könnte der Vater die rote Farbe nicht vertragen, so hielt sie ihm mit beiden Händen die Augen zu.

Unter dem Visier dieser zitternden Finger lachte der Thurner: »In Gottesnamen, so red halt! Hab mir eh schon allweil gedacht, warum du mir so lang kein Wörtl vom Junker sagst.«

»Babbo!«

Ganz verwundert war Herr Lenhard über den zornigen Klang dieses Wortes. Und als sie die Hände fallen ließ, sah er den Zorn auch in ihren Augen blitzen.

»Räpplein? ... Bist du verrückt? Oder bin ich's?«

»Wenn du mich lieb hast, Babbo, so red kein Wörtl nimmer ... von dem! Das ist ein schlechter Mensch! Den hab ich hinausgeworfen aus meinem Leben, wie man eine Spinn von seinem Aermel schüttelt!« Sie atmete tief – und strich die Locken von der Stirne zurück – und sah mit trotziger Entschlossenheit den Vater an. »Aber weißt, Babbo, wenn du schon so neugierig bist ... meintwegen, so sag ich dir's halt!« Ihre Stimme zitterte, doch ihre Augen glänzten. »Ich hab einen lieb ... der ist so arm, wie meine Mutter gewesen ist ... und der ist mir gut, und der wird mich so reich machen, wie dich meine Mutter gemacht hat!«

Der Thurner fuhr auf, als hätte man draußen auf dem Thorwerk das Signal geblasen: Feind in Sicht! Und die Zunge wollte ihm kaum gehorchen: »Räpplein? Der Bub?«

»Ja, Babbo! ... So! Und jetzt fluch!«

Das besorgte Herr Lenhard. Ganz gründlich. Und fluchend rasselte er in seinem Eisenzeug zur Thür hinaus, als wäre ihm das kleine Stübchen zu eng geworden für das Feuer seines Zornes.

Wie eine brummende Hummel, die an dunkler Mauer ein Flecklein Sonne finden möchte, surrte er durch die Wehrgänge – und als er einen von den Knechten nicht auf dem Posten fand, da gab's ein Donnerwetter mit einem Blitz, der einschlug.

Und dann hinauf zum Thorwerk.

Da stand er an der Mauer – und schnaufte – und sah mit grimmigen Augen über die stille, leere Straße hinaus. »So ein Bock, so ein eigensinniger! Und jetzt ... jetzt muß er davonlaufen! Weil der süße Fladen in der Schüssel liegt.« Mit einem welschen Kraftwort guckte er zur Glasthür der Altane hinauf. Und ging hinunter ins Wehrhaus, nahm in Julianders Kammer den großen Käfig mit dem Eichhörnchen von der Mauer, trug ihn hinauf in Morellas Stube und stellte ihn so kräftig auf die Truhe, daß das Thierlein hinter den Drähten erschrocken ein Rad schlug. »Da ... da hast du's wieder ... das haarige Vieh!« Höhnisch lachte er in seinem Zorn. »Das wirst wohl heilig halten müssen! Das hat dir ja den Buben ins Haus gezogen ... und gepflegt hat er's, wie die arme Seel den Glauben an Gott!« Zögernd ging er auf das Bett seines Kindes zu – und packte Morella an beiden Ohren und sah ihr lang in die Augen. »Räpplein? Ist's wahr? Hast ihn so lieb?«

Sie lächelte zu ihm auf, als hätte sie schon erwartet, daß etwas Ähnliches kommen würde. »Ja, Babbo!«

»Und daß du sterben müßtest, wenn du den Buben nicht kriegst?«

»Sterben? Warum denn sterben? Ich will doch leben im Glück!«

»Kindl, da darf dich das Warten nicht verdrießen!« Herr Lenhard war ruhig und ernst geworden. »Von mir aus kannst ihn haben!«

Sie zog seine Hände nieder und legte ihre brennenden Wangen dazwischen. »Das brauchst mir doch gar nicht sagen, Babbo!«

»So? ... Aber wahr ist's: an dem Buben ist kein Fehl, als nur sein bäurischer Eigensinn! Und daß du ihn lieb hast, Räpplein, das ist er wert. Und steht's bei mir, so sollst du dein Glück im Leben haben. Lieb geben und Lieb empfangen, das ist das Best! Das ander alles ... ob die gescheiden Leut die großen Wort auch aufbludern wie Schweinsblasen ... das ander alles ist eh keinen Pfifferling wert! Aber was draus werden soll, Kindl? Das weiß der Teufel und sein Bruder Martin!« Schnaufend setzte sich der Thurner wieder auf die seufzende Bettlade. »O Narrenzeit! O du verfluchte Narrenzeit! Jetzt kommt mir das neue Wesen gar noch über mein Kindl und sein Glück! Denn wie ich den Buben kenn ... Räpplein, der kommt nimmer, eh man nicht den tiefen Graben wieder zugestopft hat zwischen Herr und Bauer.«

»Der kommt, Babbo! Wirst sehen, der kommt! Sieben Tag lang bin ich geritten ... wird doch der Bub ein Stündl laufen können?«

»So? Meinst?«

»Ja, Babbo!« Sie streichelte seine Hände. »Und jetzt mußt mir erzählen, weißt ... wie's ihm allweil gegangen hat.«

Herr Lenhard lachte. »Du! Der hat was gelernt!« Und ehe der Thurner zu erzählen begann, schnallte er an der Schulter den Kyrriß auf und schob den Wamskragen und das Hemd zurück, um dem Räpplein die bunten Farben zu zeigen, die der Bub mit dem Eisen gemalt hatte.

»Da schau her! ... So haut er zu, dein Bub!«

Bild: A. F. Seligmann


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