Ludwig Ganghofer
Der Klosterjäger
Ludwig Ganghofer

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Kapitel 16

Dem trüben Regentag folgte ein frischer, frühlingsduftiger Morgen. Jeder Rasenfleck auf den steilen Gehängen und alle Almen hatten über Nacht einen lichtgrünen Schimmer bekommen. Es war Lenz geworden auf den Bergen; er hauchte aus den lauen Lüften, blickte nieder aus dem tiefen Blau des Himmels, stieg aus der Erde mit würzigem Odem und wehte in den Düften, die der bergwärtsziehende Wind emportrug aus den Tälern, in denen die ersten Blumen sich schon erschlossen hatten.

Als die warme Sonne auf allem Grunde rings um die Jägerhütte lag, durfte Haymo das Lager verlassen. Frater Severin und Gittli führten ihn zur Bank vor der Tür; doch hätte der Jäger kaum einer Stütze bedurft, so kräftig war sein Schritt; er wäre am liebsten vor Tag schon aufgestanden, um mit Herrn Heinrich auszuziehen zum Hahnfalz.

Da saßen sie nun zu dreien. Frater Severin erzählte Schnaken und Schnurren, Haymo schaute mit nimmermüden Augen über Berg und Wälder aus, Gittlis Hand in der seinen haltend. Schweigend saß sie an seiner Seite, die Augen gesenkt, mit der freien Hand an einem Zipfel ihrer Jacke nestelnd. Ihr war zumut, sie wußte nicht wie. Überall, meinte sie, wäre ihr wohler als hier auf dieser Bank. Nun tat sie einen stockenden Atemzug, stand auf und löste ihre Hand.

»Gittli? Was hast du?« fragte Haymo.

»Schaffen muß ich!« sagte sie und schlich davon. Als sie die Küche der Herrenhütte erreichte, drückte sie die beiden Hände auf die Brust. »Was hab ich denn, was hab ich denn nur?« Wie konnte sie so fragen? Was ihr das Herz bedrückte und beängstigend umklammerte, daß ihr fast der Atem versagen wollte – was sonst denn konnte es sein als die Sorge um den Bruder und die Schwäherin? War doch Herr Schluttemann im Morgengrau mit Walti und zwei Knechten wieder auf die Suche gezogen. Auch Pater Desertus hatte sich ihnen angeschlossen, als wäre ihm das Bleiben bei den Hütten unerträglich. Und der mit seinen unheimlichen Messeraugen, meinte Gittli, würde gewiß etwas finden.

»O du gutes Engerl droben, jetzt halt aber fest!«

Mit diesem Stoßseufzer machte Gittli sich an die Arbeit. Immer wieder mußte sie Zähren aus den Augen wischen, und ein um das andere Mal schlich sie zum Fenster, um verstohlen hinüberzuspähen, ob Haymo noch auf der Bank säße – nein, um auszuschauen, ob nicht der Vogt mit seinen Knechten schon zurückkäme.

Da hallte aus dem Steintal herauf der langgezogene Jauchzer einer Mädchenstimme. Gittli sprang zur Tür und legte die Hand über die Augen, um in der grellen Sonne besser sehen zu können. Von weitem erkannte sie die Tochter des Eggebauern.

»Was will denn die daheroben?«

Gittli war der heiteren Nachbardirn immer gut gewesen. Jetzt mit einmal empfand sie etwas gegen das Mädel wie grollenden Unmut. Freilich, Zenza war die Tochter des Bauern, der das Kreuz auf den Wolfrat gelegt hatte.

»Was die nur will? Und aufgeputzt hat sie sich, uuh!« Unwillkürlich guckte Gittli an sich hinunter. Ihrem abgeschabten Rock merkte man die Nächte an, die sie auf dem Herd verbracht hatte. Zögernd trat sie in die Küche zurück, aber nur so weit, daß sie die Zenza nicht aus dem Blick verlor.

Jetzt erschien das Mädel auf der Höhe. »Da schau,« schmunzelte Frater Severin, »ich glaub gar, wir kriegen Besuch! Und was für einen! Ui jei!«

Haymo machte große Augen. »Was will denn die daheroben?« murmelte er, als hätte er Gittlis Worte gehört und nachgesprochen.

Zenza kam näher; sie trug einen dicken Veilchenbusch im Mieder und hatte sich aufgeputzt, als ging es zum Hochamt in die Kirche. Ihr Gesicht brannte, und mit heißen Augen hing sie an Haymo.

»Grüß dich Gott, Mädel!« rief Frater Severin. »Was für ein Heiliger hat denn dich daherauf geschneit?«

»Der heilige Hubertus!« lachte Zenza. »Grüß Gott auch, Herr Frater! Und der heilige Leonhardus hat auch mitgeholfen. Ja! Nachschauen hab ich wollen auf meiner Alm. Bis zur Sennzeit ist nimmer gar so lang. Und weil ich schon auf meiner Alm war, hab ich mir gedacht, ich mach das Katzensprüngl noch herauf, daß ich doch selber schauen kann, wie's eurem Letzerl geht!« Ihre Augen blitzten Haymo an, der in Unmut über den kindischen Kosenamen, den das Mädel ihm gab, die Brauen furchte.

Frater Severin hatte Zensas Hand erfaßt und tätschelte ihre Finger. »Macht sich, ja, macht sich schon wieder. Schau ihn nur an: acht Tag noch, und er springt wieder über alle Berg aus. Aber sag, woher weißt du denn, daß ihm was geschehen ist?«

»Hat es ja der Polzer, der gestern seine Schwester gesucht hat, überall ausgeschrien!«

Gittli, die am offenen Fenster lauschte, erschrak bis ins Herz. Hatte Wolfrat den Verstand verloren, daß er selbst erzählte, was in der Röt geschehen war?

»Der bildet sich jetzt was ein auf seine Schwester!« sprach Zenza weiter. »Aber das muß ich selber sagen, brav hat sie sich gehalten. Ein halbes Kindl noch! Ich weiß nit, aber ich glaub, ich hätt den Kopf verloren!« Sie lächelte. »Was meinst du, Jäger?« Wieder blitzten ihre Augen.

Gittli griff sich in ihrem Versteck mit beiden Händen an den Hals; alles in ihr begann zu wirbeln.

»Du? Und den Kopf verlieren?« lachte Frater Severin. »Ja! Andere Köpf verdrehen! Das wird das richtige sein. Aber komm, setz dich, wirst müd sein von dem weiten Weg und hungrig auch. Wart ein Weil, ich hol dir eine Zehrung. Dann halten wir einen lustigen Haimgart.« Flink zappelte er zur Herrenhütte hinüber.

Gittli erblaßte. »So, schön, jetzt laßt er sie gar allein mit ihm!« stammelte sie. Aber weshalb nur sorgte sie sich, daß ihr einwendig völlig kalt wurde? »Am End weiß sie was? Und sagt es ihm!« Das mußte sie verhindern.

Kaum war der Frater gegangen, da trat Zenza auf den Jäger zu. »Hast du viel ausstehen müssen?« fragte sie mit leiser, bebender Stimme.

»Es hat grad ausgereicht!« brummte er.

»Den wenn ich wüßt, der dir das getan hat!« Sie ballte die Fäuste. »Da hast du freilich nit können zum Tanz kommen. Und ich wart allweil und wart, eine Wut hab ich gehabt, daß ich dich hätt zerreißen können.«

»So?«

»Und derweil liegt er daheroben, der arme Hascher, halb am Verscheinen! Aber schau, seit ich es gestern gehört hab, hat's mich nimmer gelitten, ich hab herauf müssen!«

»Geh?«

»Ja! Und weil du mir keinen Buschen hast bringen können, schau, jetzt hab halt ich dir einen gebracht!« Sie löste den Veilchenstrauß von ihrem Mieder. Als sie ihn dem Jäger reichen wollte, kam Gittli herbeigegangen, zögernd, mit finsteren Augen. Hastig legte Zenza die Veilchen neben Haymo auf die Bank, ging auf Gittli zu und streckte ihr beide Hände hin. »Grüß dich Gott, Kleine! Brav hast du dein Sacherl gemacht!«

Gittli legte die Hände auf den Rücken.

Zenza lachte. »Geh, du Dummerl, was hast du denn? Ich mein doch, du hättest dir ein Vergeltsgott verdient. Da schau!« Sie löste das dünne Silberkettl von ihrem Mieder, haschte Gittlis Arm und zwang es ihr in die Hand. »Nimm's nur, nimm's! Ich schenk dir's!«

Haymo sprang auf. Zornig klang seine Stimme. »Gittli! Gib ihr das Kettl wieder! Du brauchst dir nichts schenken lassen.«

»Ich hätt's auch so nit genommen!« sagte Gittli ruhig und streckte die Hand. »Da hast du es wieder, ich brauch's nit, für mich tut's auch ein Bändl!«

Bis in den Hals war Zenza erbleicht. Einen funkelnden Blick warf sie auf Haymo, einen auf Gittli, dann lachte sie. Mit zornigem Griff packte sie das Kettl, zerriß es, warf Gittli die Stücke ins Gesicht und ging davon, das Mädchen noch einmal streifend mit einem Blick des Hasses.

Zitternd stand Gittli, die Wangen von heißer Röte übergossen, Tränen in den Augen. »Was hab ich ihr denn getan? Ich hab ihr doch nie kein ungutes Wort gegeben. Und jetzt tut sie mich so verschimpfen.« Sie brach in Schluchzen aus.

»Gittli!« stammelte Haymo und wollte sie umschlingen. Da kam Frater Severin aus der Herrenhütte, Teller und Becher in den Händen. Er machte große Augen und wollte fragen, wohin die Zenza geraten und was geschehen wäre. Nach dem ersten Wort verstummte er wieder und verschwand hurtig in der Tür. Er hatte Herrn Heinrich gewahrt, der von der Höhe niedergestiegen kam, den erlegten Auerhahn am Bergstock über der Schulter tragend.

Haymo stand wortlos und nagte an der Lippe. Gittli, als sie Herrn Heinrich erblickte, bückte sich und las die Stücke des zerrissenen Kettleins von der Erde. Was sie gefunden, reichte sie dem Frater Severin und sagte: »Ich bitt Euch, Frater, wenn Ihr wieder hinunterkommt ins Kloster, so legt das der Jesumutter in den Schrein. Es ist gefunden Gut und will keinem gehören.«

Herr Heinrich war näher gekommen. Er nahm den stattlichen Urhahn vom Bergstock. »Haymo, sieh her, ich habe Weidmannsheil gefunden!«

In Haymo kochte alles, aber er vergaß nicht seiner Jägerpflicht. Von der nächsten Fichte brach er das grüne Ende eines Zweiges, trat vor Herrn Heinrich hin, tauchte den Zweig in den roten Schweiß des Vogels und sagte:

»Vor meinen Herren hin ich tritt,
Mit Weidmannsgruß und mit der Bitt:
Er hat ein' gerechten Schuß getan,
Drum soll er den Bruch auch nehmen an
Und tragen wohl in Freude
Dem edlen Vogel zuleide!
Jo! Hoch, o ho!
Brauchet Eure gute Wehr
Allezeit zu Gottes Ehr!«

Herr Heinrich nahm den Bruch, steckte ihn auf die Kappe und gab mit Handschlag den Weidmannsspruch zurück:

»Habe Dank, mein lieber Jäger frei!
Trag alleweil der Dinge drei:
Wehr ohne Schart und Fehl,
Graden Sinn ohne Hehl,
Treues Herz ohne Wank!
Habe Dank überall, habe Dank!«

Lächelnd legte Herr Heinrich die Hand auf seines Jägers Schulter und sagte: »Ich habe meinen Spruch geredet nach Herrenpflicht. Auf dich, Haymo, paßt er nicht, denn ich habe dir wünschen müssen, was du schon hast. Zu dir hätt ich sagen sollen:

Bleib, wie du bist,
Zu aller Frist!
Und gesunde bald,
Daß der liebe Gott es walt!«

Die Freude über diese herzlichen Worte färbte Haymos Wangen. Nun gingen sie zur Bank, und es begann das Erzählen. Rechte Jagd muß immer zweimal gehalten werden: erst mit der Waffe in der Hand, dann mit dem Herz auf der Zunge. Frater Severin hatte sich lauschend herbeigeschlichen; Gittli schaffte mit stiller Geduld in der Herrenhütte.

Als in Herrn Heinrichs Erzählung die Sehne der Armbrust schwirrte und der stolze Vogel niederrauschte durch das Gezweig, da kamen die Knechte mit den Hunden über das Steintal her. Hellen Lautes begrüßten die schönen, geschmeidigen Tiere den Anblick der Hütte; wie der Wind kamen sie herbeigesaust und sprangen mit so ungestümer Freude an Haymo empor, daß Herr Heinrich ihm helfen mußte, sie abzuwehren. Nun sollte in aller Eile ein Imbiß genommen werden, und dann sollte es mit den Hunden hinausgehen auf die Luchsfährte, auf welcher Herr Heinrich am Morgen reichlichen Schweiß gespürt. Haymo wurde in die Hütte geschickt, um wieder ein paar Stunden zu ruhen. Als er sich von der Bank erhob, sah er die Veilchen liegen; er faßte sie und hob die Hand zum Wurfe; lächelnd schüttelte er den Kopf, brach unter den Fichten einen Büschel der langen Schmelen, die vom vergangenen Sommer noch standen, und nahm sie mit den Veilchen in die Hütte.

Einer der Knechte hatte Gittli in der Küche des Herrenhauses aufgesucht und reichte ihr ein kleines Bündel. »Das hat mir dein Bruder mitgegeben. Und grüßen soll ich dich von ihm.«

Gittli hielt die Augen gesenkt. »Weißt du nit, wie's meiner Schwährin geht?«

»Wie soll's ihr gehen? Gut halt!« sagte der Knecht; er hatte Sepha gar nicht gesehen.

»Gott sei Dank!« seufzte Gittli erleichtert auf; dann öffnete sie das Bündel; Freudenröte schlug ihr über die Wangen, als sie ein frisches Hemd und ihr gutes Gewand in dem Bündel fand. Jetzt konnte sie sich doch auch ein bißchen sauber machen. Freilich, um so schmuck auszusehen wie die Zenza, dazu hätte sie die Tochter des Eggebauern sein müssen und nicht die Schwester des armen Sudmanns. Hastig versteckte sie das Bündel und ging wieder flink an die Arbeit.

Eine Weile später machte sich Herr Heinrich auf den Weg. Einer der Knechte mußte ihn begleiten und die ungeduldig ziehenden Hunde an der Leine führen. Über eine Stunde galt es zu steigen, bis die Stelle erreicht war, an welcher Herr Heinrich den Schuß auf das Raubtier getan hatte. »Gib mir den Weckauf und halte dich mit der Hel auf hundert Schritte hinter mir!« sagte er zu dem Knecht, übernahm den Hund und setzte ihn auf die Fährte, die mit reichlichem Schweiß gezeichnet war. Der Hund legte sich in den Riemen, fiel die Fährte gierig an und zog Herrn Heinrich hinter sich her. Das war nun ein mühsamer Weg: durch Wald und über grobes Geröll, durch fast endlose Dickungen der Krummföhre, über Bergrippen auf und nieder, empor bis unter die kahlen Steinwände, wieder herab durch ein felsiges Tal, bis zu den Almen, und quer über das Almfeld in den dunklen Wald. Wohl eine halbe Stunde zog hier der Hund noch auf der Fährte, bis er in einem wirren Gestrüpp den Luchs aus seinem Lager stieß. Als wär's eine große langgestreckte Flamme, so fuhr die rote Bergkatze aus ihrem Versteck hervor.

»Los die Hel!« schrie Herr Heinrich, während er den im Riemen würgenden Weckauf befreite. Die Hunde schossen wie Pfeile dahin und begannen mit läutenden Stimmen die Hatz. Der Luchs suchte aufzubäumen, aber die Krallen der wundgeschossenen Tatze versagten den Dienst, er fiel zurück, im gleichen Augenblick waren die Hunde über ihm: alle drei Tiere zu einem wirren Knäuel geballt, die Hunde heulend, der Luchs fauchend und mit den Waffen schlagend. Bevor es Herrn Heinrich gelang, herbeizuspringen, wurde der Luchs wieder hoch, floh in weiten Sätzen davon, und hinter ihm her ging die kläffende Jagd der Hunde.

Herr Heinrich lauschte den läutenden Stimmen. Eine Weile, dann verwandelte sich der Laut der Hunde in zorniges Gebell, das immer aus der gleichen Richtung kam. »Sie haben ihn gestellt, sie geben Standlaut!« rief Herr Heinrich dem Knechte zu und eilte zwischen den Bäumen dahin, dem Ruf der Hunde nach.

Nun erreichte er sie; zu Füßen einer aus dem Waldgrund aufragenden Felswand standen sie und bellten zu einer vorspringenden Platte empor, auf die sich der Luchs geflüchtet hatte. Er war in eine Falle geraten; rings um ihn her der kahle, glatte Fels, unter ihm die Hunde, vor ihm der Jäger.

»Schießet, Herr, schießet doch!« rief der Knecht.

Herr Heinrich aber warf die Armbrust hinter den Rücken, zog den blitzenden Fänger aus der Scheide und ging auf das Raubtier zu, bis ihn von der Felswand nur noch eine Strecke von zehn Schritten trennte. Sein Kommen machte die Hunde noch ungestümer, sie heulten mit heiseren Stimmen und versuchten an der Felswand emporzuspringen. Um sie kümmerte sich der Luchs nicht mehr; er saß geduckt, die spitz behaarten Lauscher vorgestellt, die großen, feurig funkelnden Augen auf den Jäger gerichtet, regungslos; nur die langen, weißen Barthaare zitterten über dem gefletschten Rachen.

»Nun?« lächelte Herr Heinrich. »So spring doch! Du siehst, ich warte.«

Die rote Katze drehte den Kopf, als könnte sie den scharfen, ruhigen Blick dieser klaren Menschenaugen nicht länger ertragen. Sie glotzte auf die kläffenden Hunde nieder, dann ringsumher, wie nach einem Ausweg, und wieder richtete sich ihr funkelnder Blick nach dem Jäger. Ein leises Zittern rann über ihr gesträubtes Fell, sie duckte sich noch tiefer, die Tatzen streckten und spannten sich – nun sprang sie – blitzschnell hatte Herr Heinrich den Fänger gehoben, mit der ganzen wilden Kraft des Sprunges bohrte sich der Luchs in den vorgestreckten Stahl und plumpste verendet zu Boden.

»Gelt? Jetzt haben meine Gemskitzen und Hirschkälber Ruh vor dir!« lachte Herr Heinrich, wischte am Moos den blutigen Fänger rein und verwahrte ihn in der Scheide. Der Knecht kam herbeigerannt, um das Raubtier zu betrachten. Aber die Hunde ließen ihn nicht zu; sie würgten und zerrten an dem erlegten Tier, bis Herr Heinrich sie abrief, um nachzusehen, ob sie auch glimpflich aus der Balgerei mit dem Luchs entkommen wären. Weckauf war unversehrt, die Hel hatte einen tiefen Riß über die Schulter.

»Hast du Feuerstein und Schwefelfaden?« fragte Herr Heinrich den Knecht.

»Ja, Herr!«

»So mach Feuer an und brich den Stachel von deinem Griesbeil. Die Hel ist gerissen, wir müssen die Wunde brennen.«

Bald flammte ein kleines Feuer, an dem das Eisen zum Glühen gebracht wurde. Herr Heinrich ließ sich auf die Knie nieder, nahm die Hel in den Schoß und drückte ihren Kopf an seine Brust.

»Gib her den Dorn!«

Es zischte – heulend vor Schmerz riß sich der Hund los, rannte mit tollen Sätzen umher und schüttelte immer wieder das Fell.

»Komm, Hel, komm, da komm her!« lockte Herr Heinrich, mit den Fingern schnalzend. Der Hund machte einen scheuen Kopf, zog den Schweif ein und kroch, immer wieder zögernd, vor die Füße seines Herrn. Da er zu merken schien, daß ihm ein neuer Schmerz nicht drohe, sprang er mit freudigem Winseln an seinem Herrn hinauf.

»Hat's weh getan, Heleli?« schmeichelte Herr Heinrich, den Kopf des Hundes streichelnd. »Weißt du, es hat sein müssen. Und gelt? Du fragst nicht: warum? Und bellst nicht gegen die Hand, die dich brennt. Ja! Du bist halt kein Mensch, du bist ein kluges Tier! Ja, Heleli, ja!« Nun rief er den Knecht. »Trag den Luchs hinunter ins Kloster! Ich laß meine Chorherren grüßen, sie sollen sich den Braten schmecken lassen. Den Weckauf nimm mit dir! Die Hel darf bei mir bleiben. Komm, Hel, komm!«

Gemächlichen Ganges stieg Herr Heinrich durch den Bergwald empor.


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