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Sie aber trug heut Abend an der Brust die weiße Rose ...

In memoriam, Majoratsherr ... ... –

»Erhöre mich, gieb meinem Drängen nach
und reich mir endlich, kannst dus, Herz und Hand,
denn länger werb ich schon als Jakob einst
um Rahel warb, um dich du stolzes Weib.
Sieh, Treue ist so rar, es sprießt schon längst
nicht Männertreue mehr. Doch dir erblüht
dies seltne Pflänzlein noch. O nimm mich hin
und mach mich glücklich, glücklich wie nur du
beselgen kannst. – – – – – – – – – –

Du lächelst, deine Tigerzähne gräbst
du tief in deiner Lippen Inkarnat
und blinzelst tückisch, echt nach Katzenart,
aus grünlich-schwarzen Augen falsch mich an ...
Spiel nicht mit mir! Es sind so viele, die
dir gut zum Spielball deiner Launen sind;
mir aber, Weib, mir ist es heilger Ernst
mit meiner Liebe; hör, verschmähst du mich,
bleibt mir nur eins: den dunklen Weg zu gehn,
von dem noch keiner kam bisher zurück ...«

»Trag heute Abend noch an deiner Brust,
wenn du mich liebst, den roten Rosenstrauß,
den ich dir brachte, als ich zu dir kam.
Doch hast du einem anderen bereits
dein Herz geschenkt, so steck an dein Gewand
die weiße Rose – und ich kenn mein Loos.«

Der Tag verglomm, die Lichter flammten auf,
und staunend stand vor ihrem Spiegelbild
ein herrlich Weib; verzückt sah es sich an
und lächelte ... und nickte still sich zu,
wie in Bewundrung ihrer Schönheitsmacht.
Von dem gardenienschlanken Frauenleib
fiel knisternd weißer Sammet und Seidenstoff
und Silbergaze märchenhaft herab,
und in dem vollen, hochgetürmten Haar
erzitterte mit jedem einzgen Schritt
ein Falter, von Demanten übersät.
Doch keine Blume schmückte das Gewand. –
Sie trug zu Ball heut nur an ihrer Brust
die weiße Rose – – und am andern Tag
hielt sie in ihren Händen einen Brief,

*

ein Abschiedswort von ihm ... sie geliebt.

*


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