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Mädchenlilie.

Es blinkt in fahler Vollmondzaubernacht
der kleine See im Erlenbruchgehege,
kein Lichtstrahl fällt auf dunkle Tannenwege,
wo ich dir heimlich folgte diese Nacht.

In tiefe Finsternis hüllt mich der Baum,
an dessen Stamm ich lauschend mich verstecke,
leis, daß mein Atemzug dich nicht erwecke
aus deinem still-verschwiegnen Märchentraum.

Dort, wo die Lilien üppig sich im Rohr
erheben, wo die Winde leise fächeln,
tratst du mit zauberhaftem Unschuldslächeln
und ängstlich-spähend aus dem Schilf hervor.

Die großen schwarzen Augen starrten fast
– so schien es mir – nach jener dunklen Stelle,
wo ich geflüchtet vor des Mondes Helle;
dann eiltest du zum Teich in scheuer Hast.

Der kleine Steg am Weiher war dein Ziel,
dort legtest Schmuck du und Gewänder nieder,
das Vollmondlicht umkoste deine Glieder,
als auch die allerletzte Hülle fiel ...

Wie schön du bist, du kindlich holdes Weib,
von deinem kupferfarbnen Haar umflossen!
Von tausend Silberlichtern übergossen
glitt in die Flut dein marmorweißer Leib.

O Mädchenleib, du jungfräulicher Hort,
mög dir dein Wunder stets erhalten bleiben,
mög in die Blätter deiner Seele schreiben
nur eine keusche Hand das Schöpfungswort! –

*


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